Wilmersdorf, Halensee, Grunewald, Schmargendorf | Kleinere Projekte

  • Diese Gesimse und Leibungen sind aber nicht zeitlos, sondern eindeutige Zitate vergangener Baustile.

    Das ist ein handfester Unsinn. Nenne mir bitte aus den letzten 500 Jahren auch nur ein einziges Jahrzehnt, in dem es keine Leibugen und keine Simse gab! Mit Verlaub: du weiß nicht, wovon du sprichst.

    Einmal editiert, zuletzt von Georges Henri ()

  • Oder sollen diese einfach das Auge des gewöhnlichen altbautenliebenden Otto-Normalbürgers befriedigen?

    Du schreibst das so, als ob es verachtenswert wäre, das Auge des Normalbürgers zu "befriedigen". Zierde ist nicht verachtenswert!

  • Diese Gesimse und Leibungen sind aber nicht zeitlos, sondern eindeutige Zitate vergangener Baustile. Ich weiß gerade nicht, von welchen billigen Kisten du sprichst, aber um keine billigen Kisten mehr zu produzieren, muss man nicht historistisch bauen. Es gibt genug moderne Gebäude, die zeigen, dass man keine Ornamente, Zierleisten oder Profilierungen benötigt.

    Wenn du Ornamente, Zierleisten oder Profilierungen nicht brauchst, bleiben nur noch die bei manch Architekten beliebten Schuhschachteln. Dafür muss man sich aber nicht mit Architektur beschäftigen, das kann jeder 3–jährige.


    Ich möchte betonen, dass Gesimse & Co sogar die günstigste Gestaltung von Fassaden ist. Ansprechende Moderne Bauten hinzubekommen ist deutlich schwieriger. (z.B. Cube am Hbf: Beeindruckend aber furchtbar aufwendig und daher auch teuer.

  • Das ist ein handfeste Unsinn. Nenne mir bitte aus den letzten 500 Jahren auch nur ein einziges Jahrzehnt, in dem es keine Leibugen und keine Simse gab! Mit Verlaub: du weiß nicht, wovon du sprichst.

    Du hast dir die Frage selbst beantwortet. Nicht nur in den letzten 500 Jahren, sondern weit davor, bis in die Antike, gab es Gesimse und Leibungen (bzw. insgesamt die abendländische Architektur, die von Details und Ornamenten geprägt war). Das macht sie ja gerade nicht zeitlos -> Dass historistische Motive spätestens seit der Klassischen Moderne unpopulär sind, sollte dir bewusst sein. Ein Rückgriff auf diese Elemente ist vor dem Kontext der seit einem Jahrhundert andauernden und fortwährenden Moderne NICHT zeitlos. Man kann diese Elemente gerne zitieren oder reinterpretieren, aber die Bauten von Treese sind in ihrer Art nicht zeitlos, sondern deutlich von historischen Elementen geprägt. Das ungeschulte Auge eines "Normalbürgers" könnte die Bauten von Sebastian Treese nicht von einem Altbau trennen.

    Ich bin selbst Architekt und habe doch einen gewissen Input (du hattest mir vorgeworfen, nicht zu wissen, wovon ich spreche). Ich bin ein Bewunderer historischer Architektur- jedoch halte ich eine Rückbesinnung im Stile der neoklassizistischen Luxusbauten in Berlin für den falschen Weg.
    Wohlbemerkt, dass Treeses Neubau in der Emser Straße seine Qualitäten hat- gerade weil er- abgesehen der historischen Zitate- auch sehr eigenständigen Ansätze hat!

  • ^die Moderne ist längst vorbei und im Museum…es wird Zeit für eine Rückbesinnung auf echte Architektur.

  • Dass historistische Motive spätestens seit der Klassischen Moderne unpopulär sind, sollte dir bewusst sein

    Wenn du Architekt bist, müsstest du eigentlich wissen, dass es mittlerweile eine Rückbesinnung auf historische bzw. historistische Motive gibt.


    In welchem Jahrzehnt hat deine Ausbildung zum Architekten stattgefunden? Ich empfehle dir eine Fortbildung, damit du in deinem Beruf wieder auf dem aktuellen Stand bist. :thumbup:

  • Leute, auch die Moderne ist bumsvoll von Simsen und Leibungen. Und so war es auch schon in der Zeit vor 500 Jahren. Da kann man auch weit, weit in die Antike blicken.


    Als Kunsthistoriker erlaube ich mir jetzt einfach mal die Feststellung, dass diese ganze Diskussion hier gerade anfängt, etwas der Sache Unwürdiges zu haben.

  • ^ Nun, lieber Georges Henri, wir wollen hier alle zusätzliches Wissen hinzugewinnen. Um didaktisch etwas daraus zu machen, könntest du ein paar Bilder zu Simsen und Leibungen (in Antike und Moderne) einstellen und entsprechend erläutern. ;)

  • [..], aber um keine billigen Kisten mehr zu produzieren, muss man nicht historistisch bauen.

    Da würde ich gerne mal ein paar Beispiele sehen, um abschätzen zu können was dir so vorschwebt.

    Mir fallen hier die Nöfer-Gebäude in der Paulsternstr. ein, die er für die WBM "günstig" entworfen hat. https://www.noefer.de/en/projekte/paulsternstrasse/

    Und was finden wir hier, abgesehen von dem obligatorischen "Billigkisten-Putz"? Gesimse, eine Akzentuierung der Traufe und immerhin eine Handvoll Klinker (bzw. Riemchen oder sowas). Nach deiner Lesart, hat Nöfer hier "historistisch-günstig" gebaut oder geht das noch als "zeitgenössisch" durch oder sind die Paulstern-Nöfers gar "zeitlos" und wenn ja, warum? Sind diese "historisierenden" Merkmale nicht genau das was die Paulstern-Nöfers von so ziemlich jeder anderen 0815-Kiste abheben? Was wäre von den Gebäuden ohne denn noch übrig?

  • Oder sollen diese einfach das Auge des gewöhnlichen altbautenliebenden Otto-Normalbürgers befriedigen?

    Na so ein Satz erklärt vieles darüber, warum sich die Architektenschaft zunehmend von den Nutzern, nämlich den "normalen" Menschen, entfremdet. Es sollte doch oberste Priorität eines Architekten sein, dass der spätere Betrachter Gefallen am Gebäude und Interesse an den zukünftigen Erhalt entwickelt.


    Wer Gebäude nur zur Zurfriedenstellung des eigenes Egos entwirft, hat das grundlegende Prinzip der Architektur als gesellschaftliches Gut nicht verstanden.

    Das Problem gilt häufig für die Moderne an sich und begründet meines Erachtens die generelle Problematik einer fehlenden Zeitlosigkeit und städtebaulichen Integration des Stils.

    Einmal editiert, zuletzt von maselzr ()

  • Altbau-style geht immer. Gerade als Investor sollte man doch ein Gebäude wie dieses bauen (oder dann als Eigentümer auch bevorzugt erwerben), weil das auch in 100 Jahren noch klasse aussieht. Die retro Gebäude haben garantiert einen höheren Wiederverkaufswert als eine Rasterkiste ohne Dachabschluss. In den USA (mein Wohnort) baut man ganz gezielt klassisch, weil es den Wert stabil hält. Das muss nicht unbedingt teuer sein.

    Hier ein Beispiel für townhouses in Philly, die je 697.000 USD Baukosten haben (ca 350qm Wohnfläche auf 4 Ebenen, natürlich Holzrahmenbau).

    https://phillyyimby.com/2022/0…are-west-center-city.html

    Und ein weiteres retro Gebäude mit insgesamt 755qm Wohnfläche und angegebenen 500.000 USD Baukosten. Das sind 600 USD Baukosten je qm - das geht natürlich nur im Mehrparteienhaus.

    https://phillyyimby.com/2022/0…l-south-philadelphia.html

    Einmal editiert, zuletzt von Gorki1968 ()

  • Klar kann man so günstig bauen, wenn man nicht die ganzen DIN-Normen, Baustandards, Wärmedämm- oder Brandschutzvorschriften etc pp wie in Deutschland hat. Wenn man sich dann noch Untergeschosse spart und auf simple Haustechnik setzt wird es erst recht günstig. Ob das dann aber länger als 30 Jahre steht steht auf einem anderen Blatt.

  • Neubau zweier tempelartiger Villen in der Winkler Straße (Grunewald)

    In der Winkler Straße 17/18 in Grunewald (s. DAF-Karte) werden zwei tempelartige Neubauten errichtet. Leider kann ich im Netz nichts zu dem Projekt finden. Auf dem Bauschild wird das BV als Patrick Hellmann Residence beworben, was aber wohl nur ein allgemeine Bezeichnung für deren Projekte ist. Demnach werden es vier exklusive Doppelhaushälften.


    Zumindest im Rohbau machen die beiden Bauten einen eher düsteren und fast bedrohlichen Eindruck und wecken Assoziazionen zum Sitz eines Bond-Bösewichts oder zweier Tempel des Grauens. ;)


    So sehen sie aktuell aus:


    winklerstr01.jpg


    winklerstr03.jpg


    winklerstr04.jpg


    winklerstr02.jpg

  • Backstein

    ... ich weiss garnicht warum das gezeigte BV solch unangenehme Assoziationen bei Dir auslöst. Schliesslich ist dieser "Neoklassizismus" hier genau der Stil den einige Mitforisten hier als den Stil apostrophieren der Berlin zukünftig am besten zu Gesicht stehen soll.

    Wäre da nur nicht diese missliche Assoziation zu, zum Beispiel dem von den Nazis umgestaltete und mit zwei Ehrentempeln versehene Königsplatz in München. Nun die Tempel in München fielen der entnazifierenden Spitzhacke anheim um hier wiederauzuerstehen. Ganz feuchte Augen bekommt man da ....


    https://www.denkmaeler-muenchen.de/ns/ehrentempel.php


    Wenig sinnvolles Zitat des Vorposts gelöscht.

  • ^Die Nazis waren sicher keine Romantiker die sich an Schmuck und Ornament erfreut hätten - da habt ihr also was gemeinsam ;)


    Zum Entwurf: Ich finde es schön das man sich einer gewissen zurückhaltenden Ornamentik bedient. Der Zaun wirkt auch sehr interessant. Insgesamt alles noch ein wenig zu streng für meinen Geschmack, aber man streift das Diktakt der Moderne ja nicht einfach mal so über Nacht ab. Wir entwickeln uns aber zum Glück langsam in die richtige Richtung.

  • ^ Lass doch mal dieses "Diktat der Moderne" bleiben. Die ist, zum 1000. Mal, seit 40 Jahren Geschichte. Zudem verdienen Patzschke, Treese, Nöfer & Co. genug und müssen nicht zu Underdogs oder Widerstandskämpfern stilisiert werden. Ich bin gespannt, wie das im Original mal aussieht. Erstmal halte ich nur fest: Mal wieder falsche Kolassalordnung mit "Säule" in der Mitte. Insofern finde ich das, sollte es hier tatsächlich um eine Anlehnung an den Klassizismus gehen, schon wieder unaufrichtig.

  • ^da hast du recht - aber das Diktat der Moderne ist trotzdem sehr schwierig abzustreifen ;-D

  • Mal wieder falsche Kolassalordnung mit "Säule" in der Mitte. Insofern finde ich das, sollte es hier tatsächlich um eine Anlehnung an den Klassizismus gehen, schon wieder unaufrichtig.

    Na, sage mal... im Wort "unaufrichtig" steckt für diesen harmlosen und bekennend frei assoziativen Entwurf aber mal wieder arg viel Moral. Eine Säule findet sich hier außerdem gar nicht, sondern höchstens eine pfeilerähnliche Stütze. Und "mittig gibt es überhaupt keine freistehenden, tragenden Elemente.


    Man kann diesen Entwurf vermutlich unglücklich finden, ich finde ihn unfreiwillig komisch. Aber hier gleich wieder irgendwelche Hitlerbauten ins Spiel zu bringen und die großen Worte der Ethik zu bemühen, das ist doch Unsinn.


    Wenn irgendwelche Privatleute in einem Haus wohnen wollen, das wie ein hochpreisiges Mausoleum daher kommt, dann sollen sie doch. Ich persönlich bin immer erst einmal dankbar, wenn mein Auge überhaupt mal überrascht wird, weil sich jemand traut, etwas eigenes zu bauen und es mal anders zu machen. So viele Leute in Berlin verrenken sich den ganzen Tag den Hintern, um möglichst unverwechselbar gestylt zu sein. Warum sollen sie dann in ihrer kleinen Parzelle nicht auch mal irgendwas Beklopptes bauen, auch wenn sich aus ihrem Haus keine allgemeingültigen Prinzipien für die Architekturwelt ableiten lassen.

  • ^ Ich habe ja gesagt: Ich warte erstmal ab. Vielleicht wird es sogar schick (hängt von Material und Verarbeitung ab). Originell ist es in jedem Fall, nichts dagegen. Wenn's schiefgeht, ist das auch völlig egal bei so einem Projekt – Hauptsache, die Bewohner sind zufrieden. Nur sollte man solche Späße nicht als "Wiederkehr traditionellen Bauens" oder Ähnliches feiern. Damit hat es, wie Du weißt, nichts zu tun.


    Die Kolossalordnung betrachte ich seit Jahren als eine Art Lackmus-Test, ob ein Architekt es ernstmeint mit den historischen Bezügen. Patzschke macht es meistens falsch. Zwei, vier oder sechs Säulen: Geht. Drei, fünf oder sieben Säuen: Geht nicht. Dir muss ich nicht erklären, warum: Der Ursprung dieser Form ist der Tempeleingang, und der hat in der Mitte, also auf der Symmetrie-Achse zu liegen. Deshalb kann in der Mitte keine Säule stehen (auch nicht, wie in diesem Fall, ein Wandsegment, das die Kolossalordnung zitiert).


    Von Nazis habe ich nicht geredet (bei denen hat die Kolossalordnung immer gestimmt, weil ihre Architekten klassizistisch geschult waren). Und "unaufrichtig" will ich nicht so hoch gehängt wissen. Ich finde nur: Wenn man formal mit antiken Tempeln spielt, dann sollte man es auch richtig tun. Wenn man einen auf Klassizismus macht – wie modernisiert auch immer –, dann sollte man dessen Spielregeln beachten (wird bei Doppelhaushälften natürlich schwierig).