Städtevergleiche

  • Was Paris zu Frankreich war, war München für Bayern. So wollten es die Gründer des Königreichs (das französische Staatsmodell war eben "en Vogue") und so blieb es dann auch über eine lange Zeit.

    Die politische Zerstrittenheit in Franken kam den staatlichen Beamten in München da auch sehr lange zu Pass. Ein Blick auf den Zuschnitt der Stadt- und Landkreise sagt da schon alles (man Vergleiche hier die großzügig bemessenen Kreise in München und Oberbayern mit dem total zergliederten Raum Mittelfranken mit seiner "Hauptstadt" Ansbach).


    Diese über fast 200 Jahre andauernde Bevorzugung Münchens im bayrischen Staatsapparat hat einfach Fakten geschaffen.

    War München 1939 mit gerade mal 835 000 Einwohner annähernd doppelt so "groß" wie Nürnberg mit seinen 430 000, ist es heute schon fast dreimal so groß (1,5 Mio zu 0,5 Mio.).


    Es ist richtig das die Entwicklung politisch nun tlw. korrigiert wurde, aber so schnell ändern sich die Fakten nicht. Es wird Jahrzehnte dauern bis sich diese Weichenstellungen so richtig auswirken. Und das ist heute fast eher für München als für den Rest des Landes ein Problem. Denn wie hier schon richtig beschrieben, die Situation im fränkischen Städtedreieck hat sich auch ohne wesentliches zutun aus München wirtschaftlich erst stabilisiert und dann auch (bislang) deutlich verbessert. In München kämpft man dagegen mit handfesten Wohlstandsschmerzen die man mit "klassischen" Instrumenten nicht mehr gehändelt bekommt.


    d.

  • Die hier z.T. aufgekommene Diskussion um freistaatliche Ungerechtigkeiten sind daher für mich auch nur schwer nachvollziehbar. Gemessen am BIP belegt Nürnberg übrigens den neunten Platz in Deutschland (pro Kopf oberes Mittelfeld). Und wer weiß, vielleicht ist die neue TU-N tatsächlich so etwas wie ein Katalysator für die Ansiedlung oder Gründung innovativer Unternehmen / Branchen in Nürnberg.

    Klar, zu weit und zu einseitig darf man die Klage über Benachteiligung auch nicht treiben. Sicherlich hat Nürnberg immer von der wirtschaftlichen Stärke des Freistaats profitieren können, etwa in Form vergleichsweise gut ausgestatteter Polizei, Gerichte und Staatsverwaltung oder von der Unterstützung beim U-Bahn-Bau. Dass Interventionen des Freistaats die Härten des Strukturwandels nicht komplett ausgleichen hätten können, ist auch klar. Das widerlegt aber nicht die Behauptung, dass sie viel früher hätten stattfinden müssen, auch wenn München dann heute ein paar Lehrstühle, Landesämter und eine Pinakothek weniger hätte.
    Da hat sich die Region zu großen Teilen am eigenen Schopf aus der Misere gezogen, umso mehr geht also der ungerechte Vergleich mit Frankfurt einfach fehl, mit dem das Thema begann.

  • Es hat sich seit 20 Jahren zum Glück viel geändert. Etwas Ungleichgewicht gibt es allerdings immer noch. Z.B. wird im Zuge der Covid Einsparungen in Nürnberg der Konzertsaal Neubau verschoben oder sogar gestrichen(Nbg ist die einzige Stadt ihrer Größe ohne Konzertsaal!), in München stellte Söder schon klar, dass er auf jeden Fall kommen wird, nur ein paar Tunnel werden eingespart.

    Ok, da sieht man auch die politischen Unterschiede: für die Münchner Lokalpolitik ist Kultur wichtig (wenn auch weniger als z.B. Berlin oder Leipzig), für die Nürnberger Stadtautobahnen...

  • Interessante Diskussion!


    ich will einige Stichpunkte ergänzen - vieles was hier reinpasst, habe ich früher schon an anderer Stelle geschrieben.


    Als Nürnberg als einer der letzten freien (Reichs-)Städte des Hl. Römischen Reichs dt. Nationen 1806 zu Bayern kam (bzw. unterstellt wurde), war die Stadt klein, rückständig und hoch verschuldet. Das Ergebnis von Pest, Kriegen, ca. 300 Jahren Misswirtschaft der führenden Patritzierfamilien usw.

    Unter der modernen Verwaltung des Königreichs Bayern hat sie dann relativ schnell ein stürmisches Wachstum im Rahmen der Industrialisierung hingelegt. Der bay. König wollte keine "rauchende Schlotte" in seine Residenzstadt München, die kamen nach Nürnberg nachdem die Stellung als Festungsstadt aufgehoben und u.a. die Stadtmauer tlw. geschleift wurde. Dafür hatten er und die Wittelsbacher sich großzügig an den fränkischen Kunstwerken usw. bedient, u.a. Dürer Gemälde.


    Man hat in München aber immer auch darauf geachtet, dass Nürnberg nicht zu "groß" wird und die Residenzstadt wieder wie im Mittelalter und der Renaissance überstrahlen könnte. Das war einer der Gründe, die Verwaltung und mittelfränkische Regierung in Ansbach anzusiedeln und eine Universität in Erlangen aufzubauen, in die die Reste der früheren nürnbergerischen Uni zu Altdorf aufgingen. Im Ergebnis hatte und hat Nürnberg bis heute weniger Arbeitsplätze der öff. Verwaltung als andere Großstädte, weniger Einrichtungen und Stätten der (Hoch-)Kultur als andere Großstädte, war bis zum 31.12.2020(!) die einzige größere Großstadt ohne eigene Universität und ist bspw. immer noch die einzige größere Großstadt ohne ein eigenständiges Forschungsinstitut der drei großen Forschungsgesellschaften (Max-Planck, Helmholtz, Fraunhofer). Nürnberg, und auch die ganze Region musste sich also immer viel selber erarbeiten. Dazu einige Beispiele:

    • ohne wesentliche Mitfanzierung durch die Stadt Nürnberg wäre in den 1980er keine S-Bahn gebaut worden. Nürnberg musste 60 Mio. DM für die ersten zwei Strecken nach Lauf und Altdorf zuzahlen, das wären nach Kaufkraft heute +/- 150 Mio. €. München hat mit / für Olympia ein komplettes S-Bahnsystem geschenkt bekommen, dass mMn. einer der wesentlichen Ursachen für den anschließenden Boom war.
    • die Messe in Nürnberg war zu Beginn eine städtische Sache. Auch den Umzug nach Langwasser und die ersten Hallen hat überwiegend die Stadt bezahlt.
    • die TUN ist die erste staatliche gegründete Unieinrichtung in Nürnberg. Alle andern Hochschulen waren städtischen oder kirchlichen Ursprungs.
    • erst seit ca. 10 Jahren gibt es mit dem L.I.N.K. im Nordostpark die erste kleinere Fraunhofereinrichtung, die in einer eigenen Liegenschaft residiert
    • das vor etwa 20 Jahren gegründete Max-Planck-Institut in der Erlangen war das erste von ca. 12 MPI in Bayern außerhalb des Großraum Münchens
    • das Neue Museum war bei der Eröffnung 2000 das erste(!) staatliche Museums außerhalb Münchens. Die erforderliche Kunstsammlung als Grundstock hat / musste die Stadt Nürnberg einbringen. Ebenso wie sie das Grundstück zur Verfügung stellen musste.
    • Das "Staatstheater Nürnberg" wird seit hälftig von Stadt und Freistaat finanziert. Der Bauunterhalt liegt aber weiter bei der Stadt.


    Es gab also durchaus und es gibt noch eine strukturelle und finanzielle Benachteiligung. Geändert hat sich das erst in den letzten ca. 20 Jahren. Wie oben geschrieben, waren die Wachstumsschmerzen in München mindestens so viel Grund, wie der Strukturwandel seit den späten 1970er in Nürnberg.


    Trotzdem, vielleicht auch gerade deswegen, war Nürnberg in den meisten Jahren keine arme Stadt und ist es im Vergleich heute schon gar nicht (siehe hier: Nürnberg - Lounge, Nbger Südosten: Neubau Konzertsaal an der Meistersingerhalle [gestoppt] und hier: Nürnberg - Lounge). Dazu kommt, dass das Umland um Nürnberg extrem wirtschaftsstark ist mit vielen Konzernen und sehr gesundem Mittelsand und damit auch nach Nürnberg einstrahlt. In den meisten anderen Großstädten ist es umgekehrt: da strahlt die Stadt stärker ins Umland.


    Nürnberg kam auch stark aus der Finanzmarktkrise 2008/09 heraus. Das war so nicht absehbar und sicher auch für einige überraschend. Struktur, Branchen und Zahlen waren bis vor einem Jahr sehr positiv. Inzwischen häufen sich aber leider die negativen Schlagzeilen und es kommt zunehmend zu Pleiten, Verlagerungen und Schließungen, was weniger Arbeitsplätze und Steuern bedeutet. Es ist zu hoffen, dass die Stadt das Niveau halten und wieder ausbauen kann. Und hier kann der Freistaat mit TUN und anderen Projekten kräftig mithelfen.

  • Planer, ich stimme Deiner Darstellung weitestgehend zu. Kleine Präzisierungen allerdings zu den Hochschulstandorten: Die heutige Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist ja keine bayerische Gründung, erst recht nicht in Konkurrenz oder als Ersatz für die Nürnberger Universität in Altdorf, sondern war 1743 eine markgräflich-brandenburgische Gründung, die dann nach 1806 in eine staatlich-bayerische Institution überführt wurde. Die in Nürnberg angesiedelten Erziehungswissenschaften und die Wirtschaftswissenschaften der FAU gehen zwar auf städtische Gründungen zurück, sind aber m.W. beide schon seit Anfang der 1960er Jahren Teil der Universität und damit staatlich. Diese beiden Fachbereiche kommen heute auf über 10.000 Studierende und damit in etwa doppelt so viele wie die neu gegründete TU Nürnberg im Maximalausbau je haben wird.


    Die besondere Hoffnung der TU Nürnberg liegt aber auch nicht in ihrer Größe, sondern in ihrem beabsichtigten Status als "Modelluniversität". Ob dabei der geplante Verzicht auf Fakultäten und deren Ersetzen durch interdisziplinäre Departments den ganz großen Quantensprung bringt, weiß ich nicht. Allerdings wird die geplante Personalausstattung und damit die gute Betreuungsrelation sowohl bei der Qualität des Studiums Vorteile bringen als auch bei der Akquise von Professoren, die weniger Studierende zu betreuen haben und sich mehr auf die Forschung konzentrieren können.


    Bei der Diskussion des Studierenden-Anteils in Nürnberg, darf man m.E. zwei Dinge auch nicht ganz vergessen. Die Studierendenzahl pro Kopf der Gesamtbevölkerung Nürnbergs ist zwar gering. Aber zum einen pendeln viele Studierende zum Studium nach Erlangen (so wie damals auch ich), zählen aber offiziell als "Erlanger Studierende". Und zum anderen gibt es in Nürnberg auch noch die gerne vergessene und seit 50 Jahren ebenfalls staatliche Technische Hochschule (oder Fachhochschule), die mit 13.000 Studierenden zu den größten ihrer Art gehört.


    Nimmt man die staatlichen Hochschulen zusammen und rechnet die TU Nürnberg schon mit ein, kommt der Großraum Nürnberg auf einen fast identischen Studierenden-Anteil an der Bevölkerung.


    Nürnberg-Erlangen-Fürth (518.000 + 128.000 + 112.000 = 758.000 Einwohner)

    FAU: 39.000 Studierende

    TU Nürnberg: 6.000 Studierende

    TH Nürnberg: 13.000 Studierende

    Studierenden-Anteil: 7,6% (ohne TUN 6,9%)


    München (1.485.000 Einwohner)

    LMU: 52.000 Studis

    TU München: 42.000 Studis

    TH München: 18.000 Studis

    Studierendenanteil: 7,5%


    Dass LMU und TU München von der wissenschaftlichen Qualität her in einer anderen Liga spielen, und das natürlich auch mit staatlicher Unterstützung zu tun hat, steht dann wieder auf einem anderen Blatt.