Städtevergleiche

  • Vielleicht bebaut man das Gebiet ähnlich wie das Europaviertel in Frankfurt a.M.? ;)


    In Frankfurt wird groß und langfristig positiv gedacht. Keine Angst, das passiert in Nürnberg nicht, sondern nur das Gegenteil. Kurzfristige und negative Denkweise. Spiegelt auch etwas das Wirtschaftsbild der beiden Regionen wieder.

  • Naja, mit der deutlich größeren Boomstadt Frankfurt muss man nicht unbedingt mithalten wollen. Eher sollte man sich an Leipzig orientieren, das in einer ähnlichen „Gewichtsklasse“ liegt, aber baulich mehr auf Qualität achtet als Nürnberg. Was den Stadtteil an der Brunecker Straße betrifft, waren und sind dort keine Hochhäuser geplant, sondern ein kleinteiliger, grüner, weitgehend autofreier Stadtteil, im Nordosten mit Blockrandbebauung. Als solcher wäre der durchaus ein Vorzeigevorhaben. Konkrete Entwürfe kenne ich nicht.


    Wie die Gebäude der TU Nürnberg aussehen werden, ist noch nicht klar. Dort wurde ja jetzt gerade erst der Gründungspräsident installiert und die Uni agiert zuerst mal aus einer Anmietung heraus. Die Uni muss erst mal inhaltlich und personell aufgebaut werden, bevor es richtig ans Bauen geht. Meines Wissens läuft eine Strukturplanung für das Uni-Areal. Aber was die Gebäude im Detail leisten müssen, kann ja erst von ihren künftigen Nutzern definiert werden. Also erst die Profs, dann die Gebäude. Am Ende wird es dort wohl so ähnlich ausschauen wie bei den neueren Gebäuden auf dem Erlanger Südgelände. Bis auf herausragende „Anker-Gebäude“ wie ein zentrales Hörsaalzentrum sind Uni-Gebäude heutzutage ja vor allem funktional. Jedenfalls in Deutschland.


    Hier mal ein Beispiel für ein zur Zeit entstehendes Gebäude für die Astrophysik der FAU in Erlangen:


    https://www.german-architects.…iew/astroparticle-physics

  • jo_an Diese Planungen sind ja nicht nur bekannt, sondern sogar schon jahrelang in Dutzenden Artikeln der Lokalpresse und der Stadt durchgekaut worden. Mich wundert etwas, dass du erst nach neuen Planungen fragst und dann mit diesem Link glücklich bist...

  • Naja, mit der deutlich größeren Boomstadt Frankfurt muss man nicht unbedingt mithalten wollen. Eher sollte man sich an Leipzig orientieren, das in einer ähnlichen „Gewichtsklasse“ liegt, aber baulich mehr auf Qualität achtet als Nürnberg.


    Du solltest dir die Frage stellen warum Frankfurt eine solche Boomstadt ist. Das ist doch genau der Punkt. Historisch gesehen waren beide auf einem gleichen Level. Aber auf Grund einer Reihe von politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen, die in Nürnberg gemacht wurden, hat sich Frankfurt eben deutlich besser entwickelt. Das waren in Nürnberg eben nicht zukunftsorientierte Entscheidungen. Mittlerweile, da hast du recht, ist Frankfurt eine komplett andere Liga.

  • Naja, auch wenn ich mit der aktuellen Politik auf Kommunalebene nicht glücklich bin und finde, dass der Freistaat Nordbayern viel zu lange ignoriert hat, waren die Voraussetzungen für Frankfurt in der Nachkriegszeit doch ganz andere. Erstens ist Frankfurt innerhalb von Hessen als größte Metropolregion quasi konkurrenzlos, andererseits gab es halt da diese Sache mit der Neugründung der Deutschen Bank 1957, was dann halt auch weitere Banken hinterhergezogen hat.

    Mit Hochhäusern hat das aber nur am Rande etwas zu tun. Es gibt boomende Regionen mit wenigen Hochhäusern (München) und Quasi-Geisterstädte mit ganz vielen (Detroit)...

  • Historisch gesehen waren beide auf einem gleichen Level.


    Naja, DS-17, die Zeit als Nürnberg und Frankfurt in "der selben Liga" spielten ist 400 Jahre her. Tatsächlich war Nürnberg wirtschaftlich/politisch damals sogar die bedeutendere Stadt. Spätestens ab dem 18. Jahrhundert änderte sich das, und einer (von vielen) wirtschaftlichen Gründen lag wohl auch daran, das in Frankfurt die (tlw. jüdischen) Bankiersfamilien sich wirtschaftlich "freier" entfalten konnten - während der Nürnberger Stadtrat die Juden schon sehr viel früher praktisch aus der Stadt geschmissen hatte und insg. eine rigide Wirtschaftspolitik betrieb. Frankfurter Familien wie die Rothschilds oder Bethmanns legten schließlich den Grundstein für den Aufstieg zur Finanzmetropole. Die Nürnberger Dynastien erstarrten und verschwanden derweil von der Bildfläche...


    Aber auf Grund einer Reihe von politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen, die in Nürnberg gemacht wurden, hat sich Frankfurt eben deutlich besser entwickelt.

    Sicher war, wie oben geschrieben, der Abstieg Nürnbergs zum Teil den Patrizierfamilien im 17. und 18. Jahrhundert zu zuschreiben. Ihr Streben nach Anerkennung durch den "echten" Adel zwang sie zur Kopie deren Lebensstils - und das bedeutete eben "arbeiten lassen" und es sich im "Schlösschen" gemütlich machen. Die vielen Herrensitze im Nürnberger Umkreis legen da ein Zeugnis ab. Die Patrizier ließen die Zügel zunehmend locker und Nürnberg verlor dadurch tlw. den Anschluss.

    Aber insgesamt wichtiger waren im 17./18 Jahrhundert mindestens zwei andere Gründe:

    • Die Verschiebung der Handelsrouten durch Aufkommen der neuen Welt und der damit verbundenen Schifffahrt im effizienteren Stil
    • Die Verheerungen des 30-jährigen Kriegs welche Nürnberg in die Schuldenfalle trieben (erst 1806 wurde dieses Problem durch die Bayern "gelöst")

    Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Nürnberg nur noch ein Schatten seiner selbst und die meisten hätten laut gelacht wenn man es wirtschaftlich mit Frankfurt verglichen hätte.

    Der Aufstieg Nürnbergs setzte dann erst wieder mit der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts ein. In München wollte man keine Fabrikschlote und in Nürnberg hatte ein gewitzter Mittelstand sich durch die Jahrhunderte gerettet und ergriff nun seine Chance. Heraus kamen gut laufende Firmen die Nürnberg wieder zu einem gewissen Wohlstand und Wachstum verhalfen.


    Die Folgen des unglückseligen III. Reiches führten dann im 20. Jahrhundert in die Zerstörung der bis dato gut konservierten Altstadt - des Markenkerns. Und wirtschaftlich auf lange Sicht noch schlimmer: aufgrund der politischen Teilung Europas lag Nürnberg plötzlich im wirtschaftlichen Abseits, im "toten" Winkel zwischen CSSR und DDR und war damit fast schon "Zonenrandgebiet". Die heute gern verklärten Zeiten mit Grundig und Quelle überdecken die dadurch entstandenen Makro-Nachteile die in den 80ern immer sichtbarer wurden.


    Erst die Wiedervereinigung brachte Nürnberg wieder die alten Chancen zurück, die es nach dem Krieg verloren hatte. Anders als in Frankfurt wurde hier auch nichts durch "große Politik" direkt oder indirekt kompensiert. Die Erbmasse Berlins hatten ja Frankfurt (Finanzplatz und beinahe Hauptstadt) München (Industrie- und Versicherungszentralen) und Hamburg (Medien) weitestgehend erhalten, Nürnberg war da politisch zu vorbelastet und wohl auch zu unbedeutend...



    Ich bin heute viel in Frankfurt und mag die Stadt. Und ja, es ist beeindruckend was dort alles gebaut wird. Im Volumen übertrifft Frankfurt ja sogar die deutlich größeren Städte Hamburg und München. Das Stadtbild Nürnbergs würde ich aber dann doch zumindest im Zentrum immer vorziehen. Auch die städtische Verwaltung etc. erscheint mir in Nürnberg besser zu laufen. Ich weiß nicht wieviele Plaster- und Lampentypen in Frankfurt verbaut werden, es hat alles keine Struktur und es wirkt häufig so, als würde jeder machen wie er denkt.

    Ebenso hatte Nürnberg mehr Weitsicht bei der Planung des ÖPNV. Die Frankfurter mit ihrem total verbauten und häufig ziemlich unansehlichen Stadtbahnsystem tun mir da fast schon Leid.


    Fazit: Nürnberg und Frankfurt trennen heute Welten was Wirtschaft und Politik betrifft, Nürnberg kann hier keinesfalls wirklich mithalten. Was Lebensqualität und Stadtbild betrifft, sehe ich es aber in Summe fast umgekehrt...


    d.

  • Erstmal Hallo zusammen, als bisheriger fleißig stiller Mitleser hat mich diese Diskussion zur Eröffnung eines Benutzerkontos motiviert.

    Nicht vergessen darf man während des 19. und 20. Jahrhunderts auch, dass man in München zufrieden war, in Nürnberg Steuereinnahmen durch die florierende Industrie einzusacken, die man in München in die Verwaltung, Museen und sonstige hübsche Dinge stecken konnte. Bereits um 1900 bemühte sich Nürnberg um die Technische Universität, die angesichts der Wirtschaftsstruktur ganz klar nach Nürnberg gehört hätte, statt in die verschlafene Residenzstadt München. Auch nach dem 2. Weltkrieg verstummten diese Forderungen nicht, dieses Interview mit OB Urschlechter aus dem Jahr 1967 mag als Beleg dienen, dass man in Nürnberg schon gerne gewollt hätte, aber nicht durfte.
    Spätestens in den 1970ern hätte man in den Münchner Ministerien auch mitbekommen können, dass Nürnberg mit seiner industriellen Ausrichtung ernsthafte Probleme bekommen würde. Damals wäre auch noch genug Geld da gewesen, um in den Bereichen Hochschulen, Kultur und Verwaltung eine Scheibe vom Kuchen nach Nürnberg reichen zu können, geschehen ist aber wenig. Mehr noch als Nürnbergs Rolle während der NS-Zeit (da hatte München genauso viel zu verstecken), mag wohl der politische Widerwillen gegenüber der SPD-Hochburg ausschlaggebend gewesen sein. Die schwarz-katholischen Mittelstädte Bamberg und Würzburg sind in dieser Zeit ja mit Universitäten beehrt worden. Erst in den letzten 10-15 Jahren hat sich an dieser Politik ernsthaft etwas geändert, nachdem München mittlerweile in seinem eigenen Erfolg zu ersticken droht.


    Diesen Diskussionsstrang könnte man vermutlich in ein eigenes Thema auslagern.

  • ^ Eine ähnliche Problematik kennen wir in Leipzig seit 30 Jahren auch. Da hilft es nur eine starke Bürgerschaft zu entwickeln inkl. fähiger Lokalpolitiker, die die Interessen der Stadt auch im Zentrum der Entscheidungen angemessen vertreten.

  • In Sachsen ist es meiner Meinung nach aber noch bedeutend ungerechter, da der Größen- und somit Bedeutungsunterschied zwischen Dresden und Leipzig kaum vorhanden ist. In Bayern ist es aufgrund der Einwohnerzahl eher angemessen, dass alles nach München geht. Das „Opfer“ in Bayern ist für mich übrigens nicht Nürnberg, sondern Augsburg. Vergleicht man die Stadt mit Regensburg oder Würzburg, die ja nichtmal halb so viele Einwohner haben, finde ich Augsburg ziemlich schlecht aufgestellt. 300.000 Einwohner und nichtmal eine S-Bahnlinie? Das ist doch ein schlechter Witz. Man behandelt die Stadt als Vorort von München und gibt ihr nichtmal die Chance sich selbst weiterzuentwickeln.

  • Wirtschaftlich steht meines Wissens Augsburg jedoch ganz gut da. Und kann sich an einer Uni erfreuen.

    Sehr deutlich wird die Abgehängtheit Nürnbergs bei der Pro-Kopf-Verschuldung.

    Neulich berichtete die NN.

    Nürnberg kratzt an den 4000 und München an den 400.

    Korrigiert mich bitte, wenn ich grob daneben liege.

  • Jein, München hat derzeit eine ziemlich geringe Verschuldung, weil viele notwendige Sanierungsmaßnahmen (z.B. an Schulen) in den letzten Jahren aufgeschoben wurden. Es wurde bereits von der Stadtspitze angekündigt, dass da einiges gemacht werden muss und die Verschuldung bis 2026 auf 4-6 Mrd. € steigen wird. (Es ist schon ein halbes Jahr her, dass ich das gelesen habe, aber in etwa sollten die Zahlen passen.)

  • Sehr deutlich wird die Abgehängtheit Nürnbergs bei der Pro-Kopf-Verschuldung.

    Ich erinnere mich an den Artikel in der "nn", da wurde Nürnberg im Vergleich zu anderen bayrischen Kommunen dargestellt. Da schneidet die Stadt in der Regel bei Schulden und Arbeitslosigkeit schlecht ab. Das liegt aber weniger daran, dass Nürnberg als "echte Großstadt" tatsächlich so schlecht dasteht, sondern das München so außergewöhnlich stark ist. Denn im Bundesschnitt liegt Nürnberg bei Verschuldung so im Schnitt und in der Anzahl von Arbeitslosen zusammen mit Frankfurt, Stuttgart und München auf den niedrigsten Plätzen.


    Nürnberg konnte sich die hohen Schulden bislang gut leisten, weil es auch sehr hohe Steuereinnahmen im Vergleich aufweist und die "Besitztümer" der Stadt beträchtlich sind. Auch zahlt sich die mittelständische Struktur mit den wenigen "Großen" inzwischen aus. Ich meine ich hab da mal eine Statistik aus nem Städteranking in der Lounge gezeigt.


    Bislang ging die Wette der Stadt gut auf, man hielt die Investitionen die letzten 20 Jahre hoch und die Stadt wuchs und zog "Steuerzahler" an. Ob das nach Corona nun so weiter gehen kann, wer weiß. Ich hoffe es aber...


    d.

  • Bislang ging die Wette der Stadt gut auf, man hielt die Investitionen die letzten 20 Jahre hoch und die Stadt wuchs und zog "Steuerzahler" an. Ob das nach Corona nun so weiter gehen kann, wer weiß. Ich hoffe es aber...


    d.

    Ich bin da durchaus zuversichtlich, Nürnberg ist noch immer mehr eine Industrie- und Gewerbestadt als eine Start-up-Kreativmetropole. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass sich die vorhandenen Betriebe schnell erholen können. Zumindest wenn man mit Handwerkern spricht erleben die gerade goldene Zeiten, die können sich nicht daran erinnern dass die jemals so überrannt wurden mit Aufträgen. Der Anteil der erwerbslos-daheimsitzenden ist in Nürnberg vielleicht nicht ganz so stark gestiegen wie in anderen Großstädten. Vermute ich aber nur.


    Übrigens, diese Diskussion verschiebe ich dann mal in die Franken-lounge.

  • Da kann ich mich euch nur anschließen. In die Zukunft Blicke ich durchaus positiv.

    Auch was den Immobilienmarkt angeht, scheint Nürnberg gut mitzuspielen. Ich meine öfters gelesen zu haben, dass Nürnberg eine kleine Klasse für sich ist.

    Natürlich nicht in der Liga von Berlin, Frankfurt, München, Düsseldorf, Köln, Stuttgart, Hamburg aber dann in vielen Statistiken eben direkt folgt, oft auch mit gewissem Abstand zu den übrigen sogenannten B-Städten.

    Mit "gut mitspielen" meine ich, das Geld das hier umgesetzt wird, inwiefern das für Bevölkerung oder Stadt gut ist, ist nochmal eine andere Sache.


    Die Prokopfverschuldung vedeutlicht natürlich in erster Linie innerbayerische Disparitäten, die wie ich finde enorm sind. Nicht nur im direkten Vergleich Nürnberg-München. Und ja, auch dieser Interpretation schließe ich mich an:

    In welcher einer Liga spielt eigentlich dieses München? In der Schweizer?

    Das groß angelegte Schulbauprogramm läuft in München nun übrigens schon seit ein paar Jahren.

  • Nürnberg und Frankfurt trennen heute Welten was Wirtschaft und Politik betrifft, Nürnberg kann hier keinesfalls wirklich mithalten. Was Lebensqualität und Stadtbild betrifft, sehe ich es aber in Summe fast umgekehrt...

    Wobei auch Frankfurt gegenüber der Hauptstadt Wiesbaden zumindest auf landespolitischer Ebene ein "Handicap" besitzt. Im DAF gibt es in den Forentiefen schon zahlreiche Beiträge über daraus folgende kulturelle / finanzielle Benachteiligung, wobei Gefühl und Fakt in diesen auch nicht immer zu unterscheiden sind.

    Im Volumen übertrifft Frankfurt ja sogar die deutlich größeren Städte Hamburg und München.

    Das Bauvolumen ist in Hamburg und München relativ und absolut höher als in Frankfurt (Wohnungsbau / Bürogewerbe). In Frankfurt ist es jedoch deutlich höher als im ebenfalls größeren Köln und um ein Vielfaches größer als im etwas kleineren Stuttgart.

    Bereits um 1900 bemühte sich Nürnberg um die Technische Universität, die angesichts der Wirtschaftsstruktur ganz klar nach Nürnberg gehört hätte, statt in die verschlafene Residenzstadt München.

    Anfang des 19. Jh. gab es ja in Augsburg, Nürnberg und München die "Polytechnischen Schulen", zu deren Fortbildung eine "Technische Hochschule" innerhalb der von Landshut nach München verlegten LMU dienen sollte. Nur hat das nicht recht funktioniert, sodass Ludwig II die Münchner Polytechnische Schule später zur Hochschule umstrukturieren ließ. Dass die TU 1868 in München gegründet wurde, ist wohl also genauso den jeweiligen persönlichen Vorlieben und Wünschen der gerade am längsten Hebel sitzenden politischen Persönlichkeit zu verdanken, wie der Umstand, dass Nürnberg - mit THN & benachbarter FAU sicher nicht unterversorgt - heute doch eine eigene Technische Universität erhält. Nur heißt der König heute Markus ;).

    Spätestens in den 1970ern hätte man in den Münchner Ministerien auch mitbekommen können, dass Nürnberg mit seiner industriellen Ausrichtung ernsthafte Probleme bekommen würde. Damals wäre auch noch genug Geld da gewesen, um in den Bereichen Hochschulen, Kultur und Verwaltung eine Scheibe vom Kuchen nach Nürnberg reichen zu können, geschehen ist aber wenig.

    Nur mit wenig wertschöpfungssteigernder Verwaltung und ein paar Kulturbetrieben hätte der spätestens in den 80ern voll durchschlagende Strukturwandel in Nürnberg und im fränkischen Raum (Textil-, Unterhaltungsindustrien) nicht kompensiert werden können (die gestartete Umsiedlung verschiedenster Behörden in bayerische Kleinstkommunen ist auch mehr Kosmetik als echter Wirtschaftsfaktor). Vielleicht interpretiere ich das falsch, aber deine Darstellung der Nürnberger Wirtschaft wirkt auf mich recht düster, und unterschlägt, dass dort und im Umkreis zahlreiche Hidden Champions ansässig sind und den Strukturwandel für sich hervorragend zu nutzen wussten.

    Das „Opfer“ in Bayern ist für mich übrigens nicht Nürnberg, sondern Augsburg. Vergleicht man die Stadt mit Regensburg oder Würzburg, die ja nicht mal halb so viele Einwohner haben, finde ich Augsburg ziemlich schlecht aufgestellt. 300.000 Einwohner und nicht mal eine S-Bahnlinie? Das ist doch ein schlechter Witz. Man behandelt die Stadt als Vorort von München und gibt ihr nicht mal die Chance sich selbst weiterzuentwickeln.

    Eine Kommune ist doch keine leere Dose, allein abhängig vom Freistaat :). Augsburg besitzt nach München, Nürnberg und Ingolstadt die vierthöchste Wirtschaftskraft (MAN, Kuka, MT Aero, NCR etc.), ist drittgrößter Messestandort, weist deutschlandweit die zweitgeringste Kriminalitätsrate auf, Historie und Kultur bieten genug eigene Identität, was sich auch im wachsenden Tourismus widerspiegelt. Als "Opfer" kann Augsburg also bestimmt nicht bezeichnet werden, ganz im Gegenteil, es ist für die Stadt doch eher positiv mit München einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu bilden.

    Jein, München hat derzeit eine ziemlich geringe Verschuldung, weil viele notwendige Sanierungsmaßnahmen (z.B. an Schulen) in den letzten Jahren aufgeschoben wurden. Es wurde bereits von der Stadtspitze angekündigt, dass da einiges gemacht werden muss und die Verschuldung bis 2026 auf 4-6 Mrd. € steigen wird.

    Sanierungsmaßnahmen der Schulen wurden tatsächlich nicht aufgeschoben, sondern weitgehend abgeschlossen. Die angesprochenen Schulbauprogramme I und II sehen das Finanzvolumen hauptsächlich für den Bau neuer Schulen vor. Wie Pilere bereits richtig ausführte, laufen die Programme aber schon seit 2016 / 2017. Dass die Verschuldung seit 2006 von 3,3 mrd Euro auf rd. 630 mio. im Jahr 2019 gesunken ist liegt dann natürlich primär an den seitdem stark gestiegenen Gewerbesteuereinnahmen. Gleichzeitig wurden Investitionen in den U-Bahn-Ausbau weitgehend unterlassen. Investitionen die jetzt mit U9, U5 / U4 Erweiterung anstehen, während Corona die Schuldenlast im vergangenen Jahr schon wieder auf 1,5 mrd. Euro angehoben hat (pro Kopf 988 Euro). Schulden, die, wie du richtig schreibst, in den nächsten Jahren daher weiter massiv steigen dürften.


    Die Verschuldung halte ich aber bei Nürnberg oder München ohnehin für völlig zweitrangig.

    Stattdessen sehe ich es wie Dexter, Nürnberg mag wirtschaftlich gegen München schwach aussehen, aber das ist bei dreifach geringerer Einwohnerzahl auch kaum verwunderlich. Die hier z.T. aufgekommene Diskussion um freistaatliche Ungerechtigkeiten sind daher für mich auch nur schwer nachvollziehbar. Gemessen am BIP belegt Nürnberg übrigens den neunten Platz in Deutschland (pro Kopf oberes Mittelfeld). Und wer weiß, vielleicht ist die neue TU-N tatsächlich so etwas wie ein Katalysator für die Ansiedlung oder Gründung innovativer Unternehmen / Branchen in Nürnberg.

  • An dieser Stelle möchte ich auch noch das Potential ansprechen welches im Städtedreieck N-Fü-Er schlummert.

    Auch wenn das vielleicht nicht mit dem Tempo vorangeht wie man es sich wünschen würde, so sind S-Bahnausbau, StuB, neue Gewerbegebiete und Wohngebierte im Fürther und Nürnberger Norden die richtigen Ansätze, die in den nächsten Jahrzehnten noch mehr Potential freisetzen werden. (Ich bin kein großer Fan des Knoblauchlandes).


    Als ich noch in Erlangen studiert habe, kam mir das wie eine Weltreise vor. Inzwischen ist die Zugfahrt nicht wesentlich schneller aber meine Wahrnehmung des Ballungsraumes hat sich verändert. Das soll nicht übergriffig gemeint sein, aber Nürnberg wird damit in Zukunft vielleicht auch mehr vom Erlanger Kuchen abbekommen.

  • Anfang des 19. Jh. gab es ja in Augsburg, Nürnberg und München die "Polytechnischen Schulen", zu deren Fortbildung eine "Technische Hochschule" innerhalb der von Landshut nach München verlegten LMU dienen sollte. Nur hat das nicht recht funktioniert, sodass Ludwig II die Münchner Polytechnische Schule später zur Hochschule umstrukturieren ließ. Dass die TU 1868 in München gegründet wurde, ist wohl also genauso den jeweiligen persönlichen Vorlieben und Wünschen der gerade am längsten Hebel sitzenden politischen Persönlichkeit zu verdanken, wie der Umstand, dass Nürnberg - mit THN & benachbarter FAU sicher nicht unterversorgt - heute doch eine eigene Technische Universität erhält. Nur heißt der König heute Markus ;).

    ...

    Nur mit wenig wertschöpfungssteigernder Verwaltung und ein paar Kulturbetrieben hätte der spätestens in den 80ern voll durchschlagende Strukturwandel in Nürnberg und im fränkischen Raum (Textil-, Unterhaltungsindustrien) nicht kompensiert werden können (die gestartete Umsiedlung verschiedenster Behörden in bayerische Kleinstkommunen ist auch mehr Kosmetik als echter Wirtschaftsfaktor). Vielleicht interpretiere ich das falsch, aber deine Darstellung der Nürnberger Wirtschaft wirkt auf mich recht düster, und unterschlägt, dass dort und im Umkreis zahlreiche Hidden Champions ansässig sind und den Strukturwandel für sich hervorragend zu nutzen wussten.


    Ich stimme den allermeisten Deiner Aussagen vollauf zu. Zu den beiden obigen Aspekten nur kurz zwei Gedanken:


    Die Gründung der TU Nürnberg wurde ja (überfallartig) noch 2017 vom damaligen König Horst dem Ausgefuchsten betrieben, nachdem die Verlagerung der Technischen Fakultät der FAU von Erlangen auf´s AEG-Areal in Nürnberg gescheitert war und da die Erlanger Profs auch keine rechte Lust auf den Umzug auf die Bahn-Brache ganz im Nürnberger Süden hatten, wo nun die Uni entsteht. König Markus der Gottgleiche hat diese Grundsatzentscheidung zur Universitätsgründung dann nur weiterverfolgt.


    Stimmt, die vorangegangenen Verlagerungen und Verstaatlichungen des Freistaats in Nürnberg haben nicht direkt bzw. nicht wesentlich zur Wertschöpfung beigetragen. Trotzdem ist m.E. ein Bewusstseinswandel eingetreten und haben die entsprechenden Initiativen das Stadtbild und die Außenwirkung spürbar verbessert. Paradebeispiel ist für mich die Aufwertung der bis dato völlig abgeranzten Luitpoldstraße durch das (schon per se gelungene) Neue Museum. Heute ist die Luitpoldstraße fast so etwas wie der komprimierte Prenzlauer Berg von Nürnberg. Die halbe Verstaatlichung der Städtischen Bühnen zum heutigen Staatstheater haben nicht nur die Stadtkasse entlastet, sondern auch dafür gesorgt, dass heute Persönlichkeiten wie Goyo Montero beim Ballett oder Joana Mallwitz als Musikdirektorin deutschlandweit für Aufsehen sorgen.


    Die beständigen staatlichen Investitionen in die vor Corona höchst erfolgreiche Nürnberger Messe, in die U-Bahn, in die S-Bahn und in den Flughafen wollen wir auch nicht unterschlagen.


    Aus meiner Sicht mag Nürnberger Wehklagen über mangelnde Aufmerksamkeit der Landespolitik vor 20 Jahren noch gerechtfertigt gewesen sein. Mittlerweile ist es das sicher nicht mehr.