U-Bahn-Lückenschluss nach Ginnheim (geplant)

  • Die FAZ berichtet über eine Sitzung des Stadtparlaments und eine sich abzeichnende breite Befürwortung für den Lückenschluss mit der Variante 3i über den Uni-Campus (CDU, Grüne, SPD, FDP, VOLT sind alle dafür). Noch in diesem Jahr soll die Beschlussvorlage aus dem Verkehrsdezernat kommen, dem die StVV dann Anfang 2025 zustimmen kann, damit die Planung offiziell beginnt.


    Sehr nachdenklich macht mich aber der früheste prognostizierte Fertigstellungstermin im Jahr 2038. Muss das denn wirklich so lang dauern? Vielleicht kann da ja einer der Foristen ( tunnelklick?) was zu beitragen? Selbst wenn ich mal drei Jahre für die reine Planung veranschlage, würde das immer noch 10 Jahre Bauzeit für 2,5km Tunnel und 1,35km oberirdische Strecke bedeuten. Das muss doch schneller gehen, oder?

  • In anderen Ländern mag so etwas vielleicht schneller gehen. Aber wir sind in Deutschland und da wäre ich selbst bei 2038 mittlerweile eher zurückhaltend.


    Zu viele Vorschriften, schlechte Koordination; beauftragte Sub-Unternehmen, die unterwegs insolvent werden; wechselnde Zuständigkeiten; wechselnde politische Mehrheiten, die lange Beschlossenes wieder neu diskutieren; aus dem Ruder laufende Kosten.... die Liste der Hindernisse ist lang. Und leider kann man die viel zu oft wie eine Schablone auf öffentliche Projekte legen.


    Es hat meines Erachtens jetzt schon viel zu lange gedauert, bis man überhaupt zu der - eigentlich naheliegenden - Entscheidung für die Variante 3i gekommen ist. Wann wurde doch gleich der neue Uni-Campus eröffnet?

  • Nähme man mal die U5 im Europaviertel als Beispiel: Baubeginn 2016 mit vorbreitenden Maßnahmen, Hauptbaumaßnahme (Startbaugrube ab 2018), Tunnelbau 2019 - 2025, also sechs Jahre (allerdings mit Panne), sagen wir, sie hättens auch in 5 Jahren schaffen können, Davor vier Jahre PFV (ab 2012). Jetzt fehlt noch die Ausrüstung und der oberirdische Teil, da waren erste Auschreibungen gescheitert, weil keine Angebote eingingen, Verzögerungseffekt fast zwei Jahre, macht summa sumarum 2012 -2026 oder 2027, mithin 14-15 jahre für 2,6 km Strecke incl. zwei Röhren á 830 m und einer unterirdischen Station.


    Diesen Zeitrahmen übertragen auf die U4 für wesentlich mehr Strecke und mindestens die doppelten Tunnelstrecke, und vielleicht auch noch ein bißchen verkürzt, wenn man keine Panne einplant, also sagen wir 12-13 Jahre +/-, dann ist bei der U4 das Jahr 2038 nicht unrealistisch; rechnen wir zurück: 2038 minus 12 oder 13 Jahre, heißt: in 2025 oder 2026 muss stramm begonnen werden, parallel mit Genehmigungs- und Ausführungsplanung. Und dann darf aber auch nix schiefgehen.


    Und bei aller Rechnerei: die große Unbekannte bei der U4 ist der oberirdische Abschnitt ab Bundesbank nach Norden, wegen des ungewissen Schicksals der Brücken der Rosa-Luxemburg-Hochstraße, das ist noch gar nicht richtig durchgearbeitet worden, weil bisher alle nur auf den Tunnel unterm Park geschielt haben.

  • Mal die Perspektive aus dem Ausland: Ich verfolge hier in Andalusien Infrastrukturprojekte seit mehr als 20 Jahren vor Ort. Málaga hat bspw. seit 2014 zwei Metro-Linien, die aufgrund der Stadtbild-Erhaltung größtenteils unter der Erde verlaufen. Das Stadtparlement beschäftigte sich zuerst ca. Mitte der 1990er-Jahre konkret mit dem Thema. Die Studien wurden ab ca. 1999 beauftragt, die Pläne wurden 2005 beschlossen, Baubeginn der Linie 2 war 2006 und 2008 die der Linie 1. Danach gab es wegen archäologischer Funde und den üblichen politischen und finanziellen Herausforderungen Verzögerungen und sogar Stillstand. Die Fertigstellung der beiden Linien mit 17 Stationen auf insgesamt gut 12 km Länge erfolgte 2014. 2010 startete der nächste Bauabschnitt mit zwei weitere Stationen, ca. 1 km unter dem Flussbett hindurch bis nahe an das Herz der Altstadt. Auch hier gab es in der Bauphase aus den ähnlichen Gründen wie oben enorme Verzögerungen, sodass erst 2023 die Einweihung gefeiert werden konnte. Derzeit laufen die Bauarbeiten für die nächste Phase, der Verlängerung der Linie 2 um drei Stationen und ca. 2 km Länge nach Norden.


    Ähnliche Zeitleisten gibt es von anderen städtischen und staatlichen Bauprojekten in Andalusien, wie bspw. von Autobahnen, Landstraßen, Bahnhöfen, Häfen, Flughäfen etc.


    Auffällig ist, dass insbesondere Studien-, Vor-, Genehmigungs- und Ausführungsplanungsphasen hier schneller gehen. Ich lehne mich vielleicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass die demokratisch gewählten Entscheidungsträger mehr als bei uns bereit sind, sich für ihre Ziele einzusetzen, Verantwortung zu übernehmen und Prozesse entsprechend voranzutreiben. Öffentliche Planauslegung, Bürgerinformation und -beteiligung gibt es auch hier, aber nicht so, dass das Gefühl aufkommt, man spiele auf Zeit, fürchte sich vor Gegenwind, wolle niemandem vor den Kopf stoßen oder drücke sich um Entscheidungen.

  • OK, wenn du die völlig vermurkste U5-Verlängerung als Maßstab nimmst gebe ich Dir recht. Auch der Punkt mit der Rosa-Luxemburg-Straße ist valide. Und ja, es müssen auch noch drei Stationen (1x unterirdisch, 2x oberirdisch) gebaut werden.

    Aber bei drei Jahren Planzeit und 10 Jahren Bauzeit reden wir von 385m Strecke pro Jahr. Damit kann man doch nicht zufrieden sein. Vor knapp 60 Jahren hat man es geschafft die A-Linie von der Hauptwache bis zur Nordweststadt (9,1km, davon 3,1km unterirdisch) in fünf Jahren zu bauen. Heute würde man dafür wohl fast 30 Jahre brauchen.

  • Du wirst lachen: 1965 hat das PFV für die ersten drei PFV rd. sechs Wochen bsi 3 Monate gedauert und der PFB hat 1,5 Schreibmaschinenseiten umfasst, der Erläuterungsbericht für den Abschnitt Humser Straße > Volksbildungsheim zwei Seiten, fünf oder sechs Lagepläne und einen Querschnittsplan; ähnlich knapp für die Abschnitte Volksbildungsheim > Rampe Gr. Gallusstraße und Roßmarkt > Theaterplatz. Kaum zu glauben, aber wahr.

  • Warum wird bei solchen Diskussionen immer der Aufhänger "x Jahre für nur y Meter Strecke" genutzt? Da schneidet ein Anschluss- oder Verlängerungsprojekt eigentlich immer signifikant schlechter ab als der Neubau einer am Stück geplanten Linie.

    Die Bauzeit sollte doch eigentlich ziemlich unabhängig von der Streckenlänge und Stationsanzahl sein, da sich diese Arbeiten gut parallelisieren lassen (Stationsausstattung offensichtlich, aber auch Tunnelröhren lassen sich oft parallel oder sogar von mehreren Angriffen gleichzeitig auffahren).


    Die Bauzeit hängt weitgehend daran, wie viele Abhängigkeiten es zwischen Bauschritten gibt, bzw. davon, wie viel Geld pro Jahr und wie viele Ressourcen gleichzeitig verfügbar ist.

  • Mit entsprechendem politischen Willen muss man das doch beschleunigen können.


    Vorschläge:

    -Planung und Ausführung als eine Ausschreibung an einen Generalunternehmer statt vieler kleiner Ausschreibungen.


    -Einbindung Genehmigungsbehörde und Betroffenen vor Start des förmlichen Planfeststellungsverfahren, sodass frühzeitig bei potenziellen Genehmigungshindernissen gegengesteuert werden kann.


    -Weniger Rücksicht auf bauzeitliche Einschränkungen hinsichtlich Straßen, Grünflächen, Lärm, Bestandsstationen, etc. nehmen, um die Anzahl der Bauzustände zu verringern.


    -Keine Stückelung in Planfeststellungsabschnitte, sondern ein einziges Verfahren.


    -Finanzierung vor PFB klären, sodass bei Erlass sofort mit den Bauarbeiten begonnen werden kann.

  • Die Genehmigungsbehörde sitzt im Grunde von Anbeginn mit am Tisch und wird natürlich in Zweifelsfragen vorab zu Rate gezogen, das ist längst Praxis.

    Die Aufteilung in Planabschnitte kann Sinn machen, weil die Verfahren sonst überkomplex werden (siehe Nordmainische S-Bahn); bei der U4 war das bisher aber kein Thema

    Die Finanzierung wird natürlich vorab geklärt. Die Förderfähigkeit wird planungsbegleitend immer überprüft.

    Moderne Projektmanagementmethoden (Building information modeling - BIM) ermöglichen es, aus einer Gesamtplanung, deren Informationsgehalt im Laufe des Verfahrens immer dichter wird, zwecktentsprechende Auszüge zu fertigen, für die Genehmigung andere als für Zuwendungsgeber und andere als für die Vergabe; das macht man schon länger nicht mehr nacheinander, sondern parallel.

    Wenn der Magistrat eine Bau- und Finanzierungsvorlage zur Abstimmung stellt, ist mit dem Beschluss auch die Finanzierung gesichert, ohne Baubeschluss keine Planung, kein Geld.


    Was heute sehr viel Zeit kostet, sind die vorbereitenden Gutachten zu allen möglichen Schutzgütern, Wasser, Boden, Luft, Lärm, Flora, Fauna, Mensch, Erschütterung und die Abstimmung mit Betroffenen (Trägern öffentl. Belange, Strom, Gas, Wasser, Leitungen aller Art, privaten Betroffenen ...) Zum Teil, wie bei der U4 wurden z.B. die hydrologischen Gutachten sehr früh schon für die Machbarkeitsstudie eingeholt (zwei Jahre für Baugrundaufschluss, Monitoring über eine Vegetationsperiode (= mind. 1 Jahr); und die Abstimmung mit begleitenden Planungen (bei der U4 z.B. die Verkehrs- und Stadtplanung bzgl. der Brücken der Rosa-Luxemburg-Straße, da hängt ziemlich viel dran, was parallel geplant werden muss.

  • Man kann solche Projekte nicht einfach vergleichen. Es kommt auch sehr viel auf den Untergrund und die Bebauung an. Beispiel Gotthard-Basistunnel mit 23 Jahren vs. Eurotunnel bei rund 9 Jahren. Bauzeiten von anderen Bauwerken lassen sich nicht einfach per Dreisatz anwenden.

  • Die STVV stimmt wohl im Februar mit der Magistratsvorlage M_16_2025 über den Streckenverlauf des Lückenschlusses der Stadtbahn zw. Bockenheimer Warte und Ginnheim - nämlich die Variante 3i - ab.


    Diese Variante erfüllt 84% der nachfolgenden Haupt- und Unterkriterien:

    - ökologische Qualität

    +++~ THG-Bilanz

    +++~ Ressourcenverbrauch

    +++~ Hydrogeologie und Grundwasser

    +++~ Baumbestand und Grünanlagen

    - ökonomische Qualität

    +++~ Baukosten

    +++~ Fördermittel

    +++~ Lebenszykluskosten Bauwerk

    - soziokulturelle Qualität

    +++~ Sicherheit

    +++~ Denkmalschutz

    +++~ Immission und Schallschutz

    - Städtebau und Standort

    +++~ städtebauliche Potenziale und Erschließung

    +++~ Verdichtung Stadtraum

    +++~ Bildung, Forschung und Entwicklung

    +++~ Mobilitätswende

    - Prozessqualität

    +++~ baubedingte Eingriffe

    +++~ Bauweise


    Die Variante 1d erfüllen 51% der Kriterien und noch 32% die Variante 1a.


    Bis 2027 wird wohl noch der gesamte Planungsprozess dauern.

    Einmal editiert, zuletzt von main1a ()

  • In diesem Moment hat die Stadtverordnetenversammlung dem Vortrag des Magistrats M16 (Link) und damit der Umsetzung von Variante 3i zugestimmt und weitere Planungsmittel freigegeben.

    Damit wird der Uni Campus Westend mit einer eigenen Station an das U-Bahn-Netz angeschlossen.


    Vertiefende Informationen finden sich auch in vorhergegangenen Beiträgen im Strang.

  • Die Stadtverordneten haben soeben mit großer Mehrheit die Vorlage M_16_2025 beschlossen und damit die Voraussetzung für die Aufnahme der sofortigen Weiterplanung des Lückenschlusses zwischen Ginnheim und Bockenheim auf der Trassenvariante 3i geschaffen.


    Dafür: Grüne, CDU, SPD, VOLT, FDP, Linke, BFF-BIG, AfD

    Dagegen: Gartenpartei, Ökolinkx

  • Wow, sogar die üblichen "Dagegen"-Fraktionen Linke und AfD sind dafür. Das zeigt echt, wie breitgefächert die Zustimmung zum Lückenschluss ist.