Auf die Idee, einen Strang mit diesem Thema aufzumachen, hat mich eine Diskussion im Rathausforum-Strang gebracht, Beiträge #4.157 bis #4.160.
In der aktuellen Diskussion um Wohnraummangel und dessen Beseitigung stellt Dichte bzw. Nachverdichtung eine mMn bisher relativ wenig betrachtete Komponente dar. Bisher wurde eher über Neubaugebiete am Stadtrand oder vereinzelte Lückenfüller in vorhandenen Strukturen diskutiert. Großflächige Wiederherstellung und Nachverdichtung von nach 1945 beseitigten Stadtstrukturen wurde keine große Aufmerksamkeit geschenkt, was ich schade finde und hiermit gerne ändern würde. Ich stelle weiter unten meine Visionen für ein bestimmtes Gebiet vor und werde zukünftig immer mal wieder meiner Fantasie freien Lauf lassen und dank Paint meine Ideen mit der Welt teilen. Jede und jeder ist eingeladen, dem nachzukommen und ebenfalls Ideen für Nachverdichtung, Stadtreparatur oder wie auch immer ihr es nennen wollt, hier zu teilen. Vorab: ich muss meine Gedanken leider in zwei Posts aufteilen, da leider nur 10.000 Zeichen pro Beitrag möglich sind.
Hier aber erst Mal der Stein des Anstoßes bzw. die Steine der Anstöße aus besagtem Rathausforum-Strang.
Immer nur noch auf weitere Verdichtung zu setzen, kann nicht die Lösung der Zukunft sein. Wir müssen Impulsgeber sein, zukunftsgewandte Hauptstadt. Im Moment hängen wir gefühlt 10 Jahre zurück beschäftigen uns mit uns selbst. Das ist nicht Berlin-würdig, rational und transparent.
Berlin verfügt in seiner Innenstadt über eine durschnittliche GFZ von 1,5. Da ist natürlich eine städtische Verdichtung der richtige Weg zumal diese auch wegen der vorhandenen Infraktruktur um ein vielfaches preiswerter ist als der Neubau auf der grünen Wiese.
Da Lamento über das "dichte Berlin" komt vor allem von Menschen, die in kleinstädtischen Umgebungen aufgewachsen sind und denen schon das Vorwende-Berlin groß genug war. Das kann aber nicht der Maßstadt für die Entwicklung der deutschen Hauptstadt sein.
^Das finde ich interessant. Gibt es für die Behauptung, dass vor allem Menschen aus der Provinz gegen ein Verdichtung Berlins an dieser Stelle sind, belastbare Statistiken?
Oder ist das nur ein Bauchgefühl?
^ Unter den politischen Entscheidern, die sich gegen Verdichtung aussprechen, ist kaum ein einziger Berliner. Die Lokalpolitiker, die dauernd Rabatz schlagen, kommen doch alle aus der Provinz: E. Gothe (Mitte) aus Lübeck, F. Schmidt (Kreuzberg-Friedrichshain) aus Köln, R. Lüscher (Senatsbaudrektorin) aus Basel, usw. usf.
Die einzigen Berliner sind bei den Sozialisten zu finden (K. Lompscher), die nicht aus Gründen der Verdichtung dagegen sind, sondern weil das Ensemble ihrer Kindheit aus DDR-Tagen Schaden nimmt und sie fürchten, daß ihr Wählerklientel in den Platten verlieren.
Meine Güte, wenn die West-Berliner auch nur halb soviel Gewese bei der Umgestaltung des Breitscheidplatzes gemacht hätten... Das West-Berlin meiner Kindheit gibt es auch nicht mehr, der Vorgang nennt sich Geschichte. Wir Berliner haben die Wiedervereinigung immer gewollt und jedem von uns war klar, was das für die Nischen der Zeitgeschichte aus der Zeit des Kalten Krieges bedeutet. Andere Metropolen haben derweil über 10 Millionen Einwohner und in Berlin wird wegen 4 % Zuzug p.a. gejammert - das ist wirklich unerträglich selbstmitleidig. Die Landeshauptstadt Potsdam bspw. hat in den letzten 20 Jahren über 40 % (!) mehr Einwohner - eine ähnliche Jammerei ist dort nicht bekannt.
Köln, Lübeck und Basel als Provinz zu bezeichnen ist natürlich schon mal gewagt. Aber ich habe auch das Bauchgefühl, dass Ur-Berliner, wer immer das sein soll, oft eine andere Definition von dicht haben, als Zugezogene. Die typische Berliner Mietskaserne, der Blockrand mit seiner Hofstruktur, ist für mich die klassische Definition von dicht und urban. Niemand, der dort wohnt, würde die Dichte allerdings als negativ empfinden, behaupte ich mal. Für mich stellt dies die erstrebenswerteste Form des Städtebaus dar, da sie viele Vorzüge vereint, die andere Formen (Plattenbausiedlungen als ein drastisches Beispiel) nicht aufweisen. Bei jeglichem Plädoyer pro Blockrand sollte es natürlich nie wieder zu so Wohnformen wie zum Ende des 19. Jahrhunderts kommen, als 10 Menschen in einer Wohnung wohnten und sich ein Etagenklo teilten. Nennen wir es halt den modernen Altbau, der die Fehler der Mietskaserne hinter sich gelassen hat, modernisiert wurde und in seiner heutigen Form nicht umsonst die vermutlich beliebteste Wohnform ist, sofern man sich das Wohnen in einem Altbau in Friedrichshain, Kreuzberg, im Westfälischen Viertel oder Prenzlberg leisten kann. Aber das ist wieder eine andere Baustelle.
Ein riesen Vorteil vom klassischen Blockrand ist die effiziente Nutzung des Stadtraums, der mMn das kostbarste Gut einer Stadt ist und mit dem entsprechend nicht verschwenderisch umgegangen werden sollte. Der Berliner Blockrand dürfte deutlich mehr Wohnraum pro Fläche bereit stellen, als andere Wohnformen, trotz Begrenzung nach oben durch die Traufhöhe. Als abschreckendes Beispiel fällt mir da immer die Fläche zwischen Storkower Str., Michelangelostr., Greifswalder Str. und Kniprodestr. ein. Hier ein Link zur Orientierung, wo ich gedanklich gerade bin.
https://www.google.com/maps/@5…465991,749m/data=!3m1!1e3
Klar, Grünflächen wie der Einsteinpark sind gut und sehr wichtig fürs Stadtklima. Die alte und an vielen Orten leider durch Krieg und autogerechte Stadt zerstörte Stadtstruktur bot aber ebenfalls viel Raum für grün und Naherholungsgebiete, was man anhand der vielen Parks der Stadt gut sehen kann. Berlin war schon immer eine sehr grüne Stadt, trotz der enormen Dichte der Stadt insbesondere vor 1945. Begrünte Innenhöfe tragen ebenfalls zum positiven Stadtklima bei. Dichte einerseits und Platz für Natur und Erholung, jenseits von Beton, Straße und Backstein, andererseits schließen sich also nicht aus. Im oben genannten Bereich Storkower/Greifswalder/Michelangelo/Kniprode dagegen fehlt die Dichte komplett und es wird wertvoller Platz verschwendet. Gleichzeitig ist die Aufenthaltsqualität zwischen diesen monotonen Blöcken sehr gering, das subjektive Sicherheitsgefühl nicht das beste. Dass die wirtschaftliche Situation der dort lebenden Menschen dazu beiträgt und Spannungen/Kriminalität/Verwahrlosung mit sich bringt, brauche ich vermutlich nicht erwähnen. Diese negativen Eigenschaften weisen fast alle Nachkriegssiedlungen auf, sei es nun im Osten Mahrzahn, Hellersdorf, die genannte Ecke in Pankow), oder aber im Westen (Märkisches Viertel, Gropiusstadt, Heerstraße Nord).
Unabhängig von der sozialen Struktur der Bewohnerschaft bin ich der Meinung, dass gewisse Wohnformen diese negativen Effekte stärker befördern, als es andere Wohnformen tun. Es ist auch die Art der Kommunikation unter den Bewohnenden, die in Platten immer anders abläuft als im Altbauquartier. Ich merke das ganz stark innerhalb meiner eigenen Familie. Ich wohne im Moabiter Altbau, Hinterhaus, während meine Mutter in einer Ost-Platte wohnt. Soziale Durchmischung dürfte relativ ähnlich sein, aber bei mir kommt man viel eher in Kontakt mit seinen Mitmenschen. Um jetzt hier das ganz große Fass aufzumachen behaupte ich, dass Plattenbauten die soziale Isolation fördern, während man im dichten Altbau fast zwangläufig über seine Nachbarn stolpert und mit ihnen in touch kommt, weil es alleine der Aufbau des Hauses und dessen Dichte mit sich bringt. Ich habe mal die steile These aufgestellt, dass man insbesondere in der DDR diese Form des Wohnens gewählt hat, um die Kommunikation zwischen den Menschen zu minimieren, denn Menschen, die sich austauschen, könnten ja auf blöde und revolutionäre Gedanken kommen. Aber das ist ein Thema für sich und definitiv auch eine Diskussion für Psychologen und Soziologen und würde hier jeden Rahmen sprengen.
Ein weiterer und heutzutage wahrscheinlich der wichtigste Aspekt von Blockrandbebauung in seiner ursprünglichen Form ist das Vereinen von Wohnen und Arbeiten und dessen energetische Bilanz. Das garantierte und garantiert kurze Wege und vermeidet dadurch unnötigen Verkehr. Einer von vielen Gründe, warum heutige Städte meist im Verkehr ersaufen und dadurch verringerte Lebensqualität bieten, sind Schlafstädte wie Mahrzahn, Hellersdorf oder Heerstraße Nord, wo lediglich gelebt, aber kaum gearbeitet wird. Das erzeugt Verkehr, hin zur Arbeit und zurück, ungemeine Pendlerströme und ineffiziente Strukturen. Ähnliches gilt für den Gütertransport, der früher effizient in großen Mengen per Eisenbahn an verschiedenen Ringbahn-Güterbahnhöfen ankam und dann per Spedition feinverteilt wurde. Heute gibt es zwei oder drei große Güterverteilzentren außerhalb der Stadt und die ganzen LKW stauen sich auf den entsprechenden Ein- und Ausfallstraßen, mit entsprechenden Kollateralschäden wie Abgase, Stau, kaputte Straßen durch schwere LKW etc. Der Neoliberalismus verkauft uns das als modern und Zeitgeist. Aber von der energetischen Seite betrachtet ist es nicht mehr als ungemeine Ressourcenverschwendung und gelebte Ineffizienz, von denen vor allem die Automobilindustrie profitierte und profitiert, da sie dadurch den Bedarf nach PKW und LKW aufrechterhalten kann. Der Allgemeinheit entspringt durch diesen Strukturwandel keinerlei Fortschritt, sie hat sogar dafür zu zahlen, und sei es durch die durchschnittlichen 150 Stunden, die jeder Berliner jährlich im Stau steht.