Mich stört diese ständige, unsachliche Verallgemeinerung, dass man mit dem Abzählen der Hochhäuser Rückschlüsse auf die Qualität/Weltstädtischkeit der Stadt ziehen kann. Nur weil Berlin weniger Hochhäuser als Frankfurt oder meinetwegen Manila hat, ist die Stadt deswegen nicht weniger weltstädtisch oder lebenswert. Im Gegenteil flaniere ich lieber am Kudamm mit seiner fast unschlagbar schönen Architektur als durch irgendwelche ausgestorbenen, zugigen Straßen zwischen Glashochhäusern in Atlanta zu irren.
Was für das Stadtbild wirklich zählt ist die Qualität des öffentlichen Raums (wer sieht Kopenhagen nicht in der Top-Liste der weltweit vorbildlichsten Städte?), der Umgang mit dem Verkehr/ÖPNV, die Qualität der Erdgeschosszonen / Läden und nicht zuletzt die Qualität der Gebäude im städtebaulichen und architektonischen Sinne.
Hochhäuser sind eben nur dann ein Gewinn für die Stadt, wenn sie mit den oben genannten Kriterien nicht im Konflikt stehen, also zB aus dem öffentlichen Raum keine dunklen Schluchten machen, keine riesigen Parkhäuser benötigen, die das Straßenbild kaputtmachen, keine toten Erdgeschosszonen mit übergroßen Glaslobbys aufweisen und architektonisch anspruchsvoll ausgeführt sind - inkl. annehmbarer Fernwirkung. Erst dann sind die Vorteile eines Hochhauses, also die symbolische Strahlkraft und die Ausnutzung der Bodenfläche wirklich zu genießen.
Bezogen auf das Kudamm Areal, bin ich mit der Höhe eigentlich ganz zufrieden. Ein 200m Hochhaus wäre an dieser Stelle falsch, denn es würde den einzigen noch verhältnismäßig gut erhaltenden Boulevard der Stadt optisch stark beeinträchtigen. Dass sich irgendein großer Glaskubus in der Sichtachse des Kudamms hinab zum Breitscheidplatz über den Bouelvard erhebt, finde ich städtebaulich nicht wünschenswert - einen Präzedenzfall für solche städtebaulichen Fehler gibt es schon: siehe Brusselization. Wäre der Entwurf ein elegant in den Himmel emporstrebender, abgetreppter Turm mit hochwertiger Sandstein-Fassade im Neo-Art-Deco Stil, könnten wir nochmal darüber reden, aber ich argumentiere auf der Basis, die uns nach der Vorstellung der Signa-Pläne vorliegt.
Ich bin definitiv kein Hochhaus-Gegner und wünsche mir in Berlin am richtigen Ort ebenfalls eine Skyline, gerne auch mit einem Supertall. Die Skyline muss eben nur eine sehr hohe städtebauliche Qualität haben und keine bestehenden Stadträume kaputtmachen. Mich nervt nur, dass das Stadtbild von New York und Tokyo zum Sinnbild einer Weltstadt geworden ist und jede andere Stadt deshalb nun auch so auszusehen hat. Dabei werden dann die vorhandenen Qualitäten der eigenen Stadt, also Berlin, zu schnell außer Acht gelassen und pauschal an jeder Stelle ein 200m Hochhaus gefordert, nur um irgendwie diesem Sinnbild näher zu kommen. Kurz gesagt: Ich wünsche mir lieber Klasse als Masse.