Paulskirche: Generalsanierung und "Haus der Demokratie"

  • Vom Haus der Demokratie...

    Am Samstag hat sich in Frankfurt ein Team der Bundesstiftung Baukultur mit Vertretern der Stadt, nicht näher genannten Experten und Bürgern getroffen, um über die Paulskirche und das mit ihr verbundene Haus der Demokratie zu diskutieren. Die FAZ berichtet heute darüber, online leider (noch?) nicht frei verfügbar. Die FAZ hat mit dem Vorsitzenden der Bundesstiftung Baukultur gesprochen, Reiner Nagel.


    Der Kreis hat sich mit einem von anderer Seite geäußerten Vorschlag auseinandergesetzt, das Haus der Demokratie als "Signature Building" nach Guggenheim-Art zu bauen. OB M. Josef wird mit dem Statement zitiert, es brauche hier kein Leuchtturmprojekt, die Pauklskirche sei der Leuchtturm. Mit ähnlichen Worten wird Nagel zitiert, Frankfurt brauche keinen Guggenheim-Effekt, Frankfurt habe die Paulskirche. OB Josef möchte auch nicht von einem Haus der Demokratrie sprechen, sondern von einem Ort der Demokratie. Der OB lehne einen großräumigen Neubau auf dem Paulsplatz ab, um nicht einen öffentlichen Raum zu verlieren, der bei den Bürger als Treffpunkt und Versammlungsort etabliert sei.


    Es scheint, dass auch in diesem Kreis das Kämmereigebäude Paulsplatz 9 als Haus oder Ort der Demokratie zumindest nicht auf Ablehnung gestoßen ist; allerdings müsse das neobarocke Gebäude umfassend umgebaut werden: Öffnung des Erdgeschosses, Dachaufbau und moderne Fassaden-Elemente, die auf das Haus der Demokratie hinwiesen. Für einen solchen Umbau soll sich auch der Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege aufgeschlossen gezeigt haben, das Kämmereigebäude sei "denkmalpflegerisch robust" (...was es all gibt...!).

    Planungsdezernent Gwechenberger sieht Entwicklungschancen über den Ort hinaus für die Innenstadt und erwähnt die Aufwertung der Achsen Hauptwache - Paulsplatz - Römerberg sowie Willy-Brandt-Platz - Braubachstraße mit Karmeliterkloster und Bethmannhof.


    Die Stadt will in diesem Jahr einen Ideenwettbewerb ausloben, darauf aufbauend im Anschluss einen Architekturwettbewerb, so dass 2028 mit dem Bau begonnen werden könne.


    Das gute an dieser Nachricht ist aus meiner Sicht, dass öffentliche Aufmerksamkeit dieser Art das Projekt vielleicht aus der behäbigen Amtsführung städtischer Stellen heraushebt und ihnen ein bißchen Dampf macht. Bisher jedenfalls hat sich die Stadt in puncto Paulskirche nicht mit Ruhm bekleckert, aber es kann besser werden, wenn von außen mehr darauf geachtet wird.

  • Öffnung des Erdgeschosses, Dachaufbau und moderne Fassaden-Elemente

    Hat Frankfurt so viel Denkmalsubstanz aus der Vorkriegszeit, dass es sich weitere modernistische Umgestaltungen dieses ohnehin auf entstellende Weise notdürftig zusammengeflickten Gebäudes leisten kann?


    Sind Touristen oder gar Frankfurter nicht in der Lage, einen besonderen "Ort der Demokratie" zu finden, wenn dieser in einem denkmalgerecht sanierten Altbau untergebracht ist, sondern nur dann, wenn moderne Fassadenelemente darauf hinweisen? Vielbesuchte Museen, bei uns in Leipzig z. B. das Panometer in einem ehemaligen Gasometer, kommen ohne schrille Gebäudestatements aus, sondern glänzen mit historischen Außenfassaden (Panometer: bisher 4 Mio. Besucher). Der Inhalt macht's.


    Werden eigentlich bei der Gestaltung dieses Ortes innovative demokratische Elemente in den Architekturwettbewerb integriert, z. B. in Form einer vorgeschalteten Bürger/innenbefragung, offene Workshops zur Erarbeitung der Auslobungskriterien, Möglichkeiten zur Kommentierung der Wettbewerbsbeiträge vor der Prämierung, Vertreter von Vereinen und Initiativen in der Jury? Oder heißt es nur wieder "demokratisch", ohne dieses Wort mit Leben zu füllen?

  • Also die Guggenheim-Idee finde ich wild, insbesonder da diese Ecke ja ein historisches Ensemble - bald samt langem Franz - ist. Da wird die historische Bedeutung des Gebäudes, dann durch abgefahrene Design-Elemente komplett überlagert, oder wie darf ich mir das vorstellen?


    Am besten hätte mir wohl die Idee eines kleinen paulskirchenbezogenen Demokratiemuseums auf dem Paulsplatz gefallen, aber ich verstehe Josefs Argument.

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    Dann muss mal aus dem Paulsplatz 9 das beste machen, auch absolut OK für mich.


    Generell freue ich mich sehr über eine Aufwertung der historischen Bedeutung der Paulskirche in Frankfurt. Das ist eigentlich ein Gratishighlight, das die Stadt weder für sich noch für Gäste richtig nutzt.

  • Fragen über Fragen, Ziegel. Ich selbst habe mit "Öffnung des Erdgeschosses" primär an eine öffentliche Nutzung gedacht und gar noch nicht so sehr an eine bauliche Umgestaltung. Sicher muss man bedenken, dass dieses Gebäude im Krieg schwer beschädigt worden ist; wer weiß, wieviel originale Bausubstanz nach etlichen weiteren baulichen Veränderungen in den letzten 78 Jahren im Innern noch vorhanden ist? Wüssten wir natürlich alle gern, aber es ist vielleicht noch ein bißchen früh, über Details zu sprechen.

  • Nun, die Veranstaltung vom Samstag (2 Stunden Dauer in der Paulskirche, plus Rundgänge z.B. durch die Kämmerei) mit vielen verschiedenen Beiträgen auf rund 400 Worte in der FAZ einzudampfen ist die eine Sache. Den Artikel (oder auch tunnelklicks Zusammenfassung) zu lesen und zu deuten eine andere. Bereits die Überschrift zitiert die doch ziemlich einhellige Meinung, dass ein Signature-Bau nach Vorbild einer Elbphilharmonie oder eines Guggenheims nicht nötig und auch nicht gewollt ist. Generell nahm dieses Thema nur einen sehr, sehr kurzen Part ein.


    Auch war am Samstag nicht die Rede von „modernistischen Umgestaltungen“ der Kämmerei. Claudia Meixner stellte u.a. zwei Studien vor, die sich mit einer möglichen Flächenbelegung in der Kämmerei beschäftigten - einerseits die Nutzung auf einer kompletten Ebene im Erdgeschoss, mit der Option auf sehr weitläufige Räume (-> Stichwort „Öffnung“) unter Einbeziehung des Innenhofs. Andererseits einer vertikalen Nutzung über mehrere Stockwerke mit der Option des Ausblicks auf die Paulskirche. Im Inneren der Kämmerei sei lt. Harzenetter nicht mehr allzu viel in denkmalschutzrelevantem Zustand, der Umbau damit eher als unproblematisch zu betrachten. Der Kämmerer selbst hege wohl ein großes Interesse, das Gebäude weiter selbst zu nutzen, jedoch ist ein zumindest vorübergehender Auszug für anstehende (und zumindest stellenweise dringend nötige (persönliches Erleben)) Sanierungsarbeiten unumgänglich. Darüberhinaus plane man für den Ort der Demokratie eine Nutzungsfäche von rd. 4000 Quadratmetern, was etwa einem Stockwerk entspreche.


    Demokratie bei der Aufstellung von Wettbewerb etc. entsteht bereits dadurch, dass demokratisch gewählte Organe die Entwicklung des Ortes der Demokratie vorantreiben. Foren aktiver Bürgerbeteiligung sind nach Eingang der Wettbewerbsentwürfe vorgesehen. Auch hier sei betont: Der erste und bewusst offene Wettbewerb beschäftigt sich allen voran mit der städtebaulichen Thematik und bringt noch keinen finalen Einblick in das tatsächliche Aussehen.


    Mir aus der Seele sprachen die kleinen und größeren Seitenhiebe Reiner Nagels, der die Veranstaltung souverän und munter selbst moderierte, beispielsweise zu den Parkplätzen zwischen Kämmerei und Paulskirche, die zugestellte Sicht durch Reisebusse, die brutal trennende Wirkung der Berliner Straße.

    Auch teile ich die - inzwischen ja per Magistratsentschluss festgesetzte - Meinung, dass der Paulsplatz nicht bebaut werden sollte. Gleich von mehreren Seiten gab man sich in der Veranstaltung selbstkritisch, was die Gestaltung von Plätzen in Frankfurt angeht und zählte den Paulsplatz zu einem der besser gestalteten.

    Die nicht vorhandene Geschwindigkeit in der Planung/Umsetzung kritisierte Peter Cachola Schmal (DAM) sehr deutlich mit einem Hinweis auf die 2048 anstehende 200-Jahr-Feier.


    Um noch einmal das Thema der demokratischen, offenen Beteiligung der Allgemeinheit aufzugreifen: Die Veranstaltung am Samstag stand allen Interessierten offen, wurde vorab unter anderem von der Stadt Frankfurt kommuniziert - sie war mit ca. 100 Personen sehr überschaubar besucht und ich wage die Vermutung anzustellen, dass mehr als 90% aus einem rein professionellen Grund dort anwesend waren. Bürgerbeteiligung zu ermöglichen ist die eine Sache - sie anzunehmen und wahrzunehmen die andere.


    Ich denke, wir können alle gespannt sein, welche Ideen der offene Wettbewerb ans Licht bringen wird. Und ja, Öffentlichkeit kann sicher helfen, dass der Planungsprozess nicht immer wieder ins Stocken gerät.

  • Die Veranstaltung am Samstag stand allen Interessierten offen, wurde vorab unter anderem von der Stadt Frankfurt kommuniziert - sie war mit ca. 100 Personen sehr überschaubar besucht und ich wage die Vermutung anzustellen, dass mehr als 90% aus einem rein professionellen Grund dort anwesend waren.

    Das Argument wird ja immer wieder gebracht. Dabei möge man aber bedenken, dass es jenseits von Informationsveranstaltungen, der Möglichkeit von Stellungsnahmen in B-Plan-Verfahren sowie der mühsamen Arbeit über Vereine und Initiativen kaum Möglichkeiten gibt, auf Städtebau und Architektur Einfluss zu nehmen. Entsprechend ist die Motivation, sich mit diesen Themen zu beschäftigen, eine Sache der Enthusiasten.


    Die Relevanz ist hingegen für jedermann hoch, da Architektur uns alle 24 Stunden am Tag umgibt. Ich schrieb auch nicht ohne Grund von "innovativen demokratischen Elementen", denn meiner Ansicht nach tut es Not, hier innovativer vorzugehen, um Bewusstsein zu fördern und Entscheidungen auf breitere Basis zu stellen. Alle Beispiele, bei denen man das gemacht hat und die mir bekannt sind, haben zu sehr ansehnlichen, überdurchschnittlich guten Ergebnissen geführt.


    Ich empfinde es als großen Gewinn, dass meine Stadt es bei ausgewählten großen aber auch kleinen Projekten gut auf die Reihe kriegt, proaktiv einzubinden. Man veranstaltet Workshops für Kinder und Jugendliche, lost Bürger in Jurys, die Stadtverwaltung ist mit Infoständen vor Ort und spricht Passant/innen an, Umfragen werden gemacht, auch regelmäßige Formate zur Baukultur im dafür eingerichteten Stadtbüro gibt es. Das zahlt sich aus. Bei der Umfrage zur Freiflächengestaltung des Wilhelm-Leuschner-Platzes haben sich zum Beispiel 5.000 Personen beteiligt, nicht nur 100. Gewonnen hat dann ein sehr innovatives Konzept, das breite Unterstützung hat. Anders als der einst von einer klassischen Jury gekürte Entwurf für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal auf dieser Fläche, der nach breitem Unmut vorerst beerdigt wurde.


    Auch der städtebauliche Wettbewerb zum Matthäikirchhof könnte ein Vorbild sein. Ich finde jedenfalls, einen "Ort der Demokratie" stumpf nach Schema F zu entwickeln, wird dem Projekt nicht gerecht. Demokratie muss sich weiterentwickeln. Mit den Vorstellungen der Adenauerzeit wären wir heute auch nicht mehr zufrieden.

    Foren aktiver Bürgerbeteiligung sind nach Eingang der Wettbewerbsentwürfe vorgesehen.

    Das wäre schon sehr gut und eine Leistung, da die Architektenkammern ihre Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW), welche die Öffentlichkeit aus fadenscheinigen Gründen außen vor hält, mit Zähnen und Klauen verteidigen. Klar, denn dabei geht es um Deutungshoheit und letztlich Macht.


    Wogegen niemand etwas einwenden kann, ist eine Beteiligung bei der Ausarbeitung der Auslobungskriterien, also vor Start des Wettbewerbs. Hier könnte zum Beispiel erfragt werden, ob Mehrheiten eher zu einer Rekonstruktion der Dachlandschaft der Kämmerei tendieren oder zu modernen Ergänzungen der Fassade. Das ist zu großen Teilen eine Geschmacksfrage und der Geschmack eines Architekten oder Politikers wiegt nicht schwerer als der von Lieschen Müller.

  • Der oben schon angesprochene Ideenwettbewerb soll nun erst im März 2025 beginnen. Er wird als offener Wettbewerb ausgeschrieben, mit nur wenigen Vorgaben. Räumlich wird er die Umgebung der Paulskirche einschließen. Das Wettbewerbsgebiet wird voraussichtlich im Norden von der

    Berliner Straße und im Süden von der Bethmannstraße begrenzt, östlich von der Neuen Kräme und im Westen vom Kornmarkt. Das Ergebnis dieses Wettbewerbs soll öffentlich ausgestellt und auch Gegenstand einer umfangreichen Bürgerbeteiligung werden. Das schreibt heute die FAZ.


    An den Ideenwettbewerb soll sich ein Architekturwettbewerb bezüglich der konkreten Umsetzung anschließen. Was die Kosten betrifft, geht die Stadt für das Gesamtprojekt samt "Haus der Demokratie" von 150 Millionen Euro aus. Davon sollen 78 Millionen auf die Sanierung der Paulskirche entfallen.


    Zu erwarten ist eine Kostenbeteiligung des Bundes, denn das Vorhaben wurde in ein Förderprogramm "Nationale Projekte des Städtebaus" aufgenommen. Von den Gesamtkosten sollen Bund, Land und Stadt jeweils ein Drittel tragen. Vorerst hat der Bund einen Förderbescheid von 460.000 Euro erteilt

  • Immerhin, ein weiteres Mal wird der Ideenwettbewerb für das Haus der Demokratie nicht verschoben. Pressemitteilung der Stadt von heute:


    Offener Ideenwettbewerb für das Haus der Demokratie startet am 3. März

    In der Paulskirche versammelte sich 1848 das erste deutsche Parlament: die Nationalversammlung. Nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde sie 1948 als „Haus aller Deutschen“ wiederaufgebaut und gilt heute als ein Symbol der Demokratie. Um die Paulskirche angemessen ins Licht zu rücken und einen neuen Ort zur Reflexion über Demokratie in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu schaffen, soll sie nun denkmalgerecht saniert und um ein Haus der Demokratie ergänzt werden.

    Ein wichtiger Meilenstein in diesem Prozess ist der offene Ideenwettbewerb für das Haus der Demokratie, der am Montag, 3. März, veröffentlicht wird. Der Planungswettbewerb wird als einphasiger offener Ideenwettbewerb gemäß der Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW 2013) ausgelobt und richtet sich an interdisziplinäre Teams. Die Planungsteams haben die Gelegenheit, innovative Konzepte für das Areal rund um die Paulskirche einzubringen. Die Bearbeitungszeit beträgt neun Wochen. Ziel ist es, ein räumliches Gesamtkonzept zu entwickeln, das sowohl die historische Bedeutung der Paulskirche respektiert als auch neue Perspektiven für die Zukunft der Demokratie schafft. Die Wettbewerbsergebnisse werden als Grundlage für den weiteren partizipativen Prozess einer breiten Bürgerbeteiligung dienen und in einen nachfolgenden Realisierungswettbewerb münden.

    Die Planungen für das Haus der Demokratie beruhen auf den Empfehlungen der von Bund, Land Hessen und Stadt Frankfurt am Main einberufenen Expertenkommission Paulskirche von 2023. Das Haus der Demokratie wurde zudem als Premiumprojekt in das Bundesprogramm Nationale Projekte des Städtebaus aufgenommen. Mit dem Haus der Demokratie soll ein offener, lebendiger und interaktiver Ort entstehen, an dem Demokratiegeschichte erlebbar wird und gesellschaftliche Debatten Raum finden.
  • Nachdem der Deutsche Bundestag im Juni 2021 die Errichtung einer Bundesstiftung "Orte der deutschen Demokratiegeschichte" beschlossen hatte, hat diese Stiftung jetzt auch eine Geschäftsstelle. Sitz der Bundesstiftung ist die Adickesallee 1, im Haus der Deutschen Nationalbibliothek. Ich nehme an, dass dort vorhandene Ressourcen mitgenutzt werden können. Irgendwie naheliegend.


    Die Stiftung hat inzwischen auch einen eigenen Internetauftritt:


    Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte