Paulskirche: Generalsanierung oder Rekonstruktion?
Die Paulskirche wurde zwischen 1789 und 1833 als evangelische Hauptkirche Frankfurts erbaut. In den Jahren 1848 und 1849 war sie Sitz der ersten deutschen Nationalversammlung. 1944 brannte der klassizistische Rundbau nach Luftangriffen auf die Stadt aus. Als erstes historisches Gebäude Frankfurts wurde die Paulskirche nach Kriegsende wiederaufgebaut und im Frühjahr 1948 eröffnet. Äußerlich wurde der Bau wiederhergestellt, abgesehen vom charakteristischen Kegeldach, das durch eine flach geneigte Dachkonstruktion ersetzt wurde. Innen wurde die Paulskirche völlig verändert, indem der frühere Kirchenraum durch ein Zwischengeschoss geteilt wurde. Die Räume wurden betont karg ausgestaltet, in die Fenster Milchglas eingesetzt.
Jetzt muss die Paulskirche saniert werden, das steht fest. In welchem Umfang soll ein Gutachten ergeben, das das Kulturdezernat angeblich bereits in Auftrag gegeben hat. Ergebnisse sollten an sich bereits Ende 2017 vorliegen.
Erstaunliches ist jetzt im Ortsbeirat 1 geschehen: Überwiegend jüngere Mitglieder von FDP und der SPD fordern, das Gebäude "im Rahmen der anstehenden Generalsanierung endlich angemessen gestalten". Damit dürfte die Rekonstruktion des Dachs in historischer Ausgestaltung gefordert sein. Auch eine Umgestaltung beziehungsweise Wiederherstellung der Innenräume, ganz oder teilweise, darunter der historischen Empore einschließlich der Säulen. Das ist der Wortlaut des Antrags vom 23. März 2018, der gestern mit den Stimmen von SPD, FDP und Linkspartei gegen die Stimmen von CDU, Grünen und Ökolinx angenommen wurde.
Betreff: Die Paulskirche im Rahmen der anstehenden Generalsanierung endlich angemessen gestalten!
Der Ortsbeirat möge beschließen:
Der Magistrat wird aufgefordert, die für Ende des Jahres 2017 erwarteten Ergebnisse des bereits in Auftrag gegebenen Gutachtens zur Klärung der Sanierungsbedürftigkeit der Paulskirche dem Ortsbeirat mitzuteilen und die Paulskirche im Rahmen der anstehenden Sanierung mit finanzieller Unterstützung des Bundes endlich in einer Art und Weise zu gestalten, welcher ihrer herausragenden Bedeutung als "Wiege der Demokratie" und deutschen Grundgesetzes angemessen Rechnung trägt.
Begründung:
Die Paulskirche ist zugleich Wiege und wichtigstes nationales Denkmal unserer Demokratie. Sie wurde zwischen 1789 und 1833 errichtet, im selben Jahr als Hauptkirche für Frankfurts Protestanten geweiht und 1848/49 Sitz des ersten deutschen Nationalparlaments. Im Jahr 1944 wurde sie bei einem großen Bombenangriff zerstört und nach dem Krieg sofort wiederaufgebaut, schließlich in den achtziger Jahren renoviert, als Frankfurt sich Hoffnungen machte, Hauptstadt der Bundesrepublik zu werden. Die dort errungenen Grundrechte des deutschen Volkes von 1848 leben seither im heutigen Grundgesetz weiter. Die Frankfurter Paulskirche ist damit das historische Symbol und das politischste, wenn man so will, auch aktuellste all unserer nationalen Monumente.
Leider ist es aber auch jenes Monument, das am tiefsten vergessen scheint (vgl. Benedikt Erenz, DIE ZEIT, Nr. 42/2017). Das ist umso bedauerlicher, als die Paulskirche erst recht in Zeiten, in denen es unsere Demokratie gegen Angriffe und Gefährdungen von allen Seiten zu verteidigen gilt, ein besonders wichtiges Symbol für das Wertefundament der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Derzeit wird in Potsdam die Garnisonkirche neu errichtet, unterstützt mit viel Geld aus dem Bund. In der Paulskirche muss dringend erneuert werden. Wieviel renoviert bzw. ob sie gar grundsaniert werden muss, sollte bis Ende 2017 ein Gutachten klären. Vieles spricht seither für eine Generalsanierung. Eine solche große Sanierung bietet nunmehr die einmalige Gelegenheit, den tristen Bau, insbesondere im Inneren der Kirche, endlich angemessen zu gestalten.
Bester Stoff für ideologische Grabenkämpfe, rechtzeitig zur Fertigstellung der neuen Altstadt. Der im Antrag erwähnte Artikel von Benedikt Erenz wurde hier schon im Altstadt-Salon diskutiert, dort findet sich auch ein Link.
Vom Stand der gerade begonnenen Diskussion im Römer berichtet die FAZ in ihrer Donnerstagsausgabe. Demnach würde sowohl der Bau- als auch der Planungsdezernent eine Neugestaltung nicht kategorisch ausschließen. Ihre Haltung sei jeweils noch ambivalent. Zunächst solle abgewartet werden, was das in Auftrag gegebene Gutachten ergebe. Auch habe man zunächst zu prüfen, wie gut der Status zur Erbauungszeit und zum Zeitpunkt vor der Zerstörung dokumentiert sei.
Die Paulskirche auf einer Ansichtskarte von 1902 und der Innenraum nach einer 1892 erfolgten Renovierung, beide Bilder lassen sich vergrößern.
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