Freiraumgestaltung Berliner Schloss/Humboldt-Forum

  • Kann dem User „Gutmensch“ nur zustimmen.


    Es wird mit Rot-Rot-Grün keine Umsetzung des Brunnens geben. Basta. Die Diskussion darüber ist daher mühselig und Zeitverschwendung.


    Das hat auch Wilhelm von Boddien erkannt, der genau deswegen eine Kopie des Brunnens als Lösung vorgeschlagen hat. Allein diese Idee wird schon schwer genug durchzusetzen sein bei diesem Senat (der auch nach der Wahl nicht anders aussehen wird), aber immerhin liegen die Chancen dafür nicht bei Null.

  • BTT: Wie finden wir nun wieder den Bogen zurück? Wir waren beim baulichen Erbe und da genauer beim Arrangement von Neptunbrunnen und Rathausumfeld. Die Menschen nehmen es nach wie vor an und stören sich nicht an stilistischen Brüchen bzw. empfinden diese nicht so. Ob ein moderner Brunnen ähnlich beliebt wäre, ist möglich aber es würde ein über Jahrzehnte bei Berlinern und Touristen beliebtes Objekt ohne Not entfernen. Man würde sozusagen einen an dieser Stelle gesunden/ funktionalen Organismus aufreißen, weil man eine inzwischen längst verheilte frühere Verpflanzung in Frage stellt. Das fände ich ziemlich sinnbefreit, da man Geld und Energie lieber für offene Wunden und hässliche Narben investieren sollte. Auch irgendwo lustig, dass Berlin gerne selbst bei sinnvollen Projekten Geldverschwendung und Subventionierung vorgeworfen wird aber dann wird gefordert, gefälligst die Bundesmittel für so eine dekadente Brunnen-Rochade in Anspruch zu nehmen.


    Die Frage wäre mE eher, wie man das Neue gestaltet. Dazu zählt natürlich auch, ob es hier ggf. wieder einen Brunnen (identischer Gestaltung?) am früheren Standort geben sollte. Da kehre ich zu meiner Wahrnehmung zurück, dass die Zeit bisher nicht reif dafür scheint. Ich spüre eher Freude über die Reko als Phantomschmerz in Bezug auf das alte Ensemble. Ich nehme bisher auch generell nur wenig öffentliches Interesse für das 'Schlossumfeld' wahr. Vielleicht sollte die Reko nun erst einmal wirken und irgendwann in den nächsten Jahren kommt dann eine breitere Debatte darüber auf. Und meinetwegen kann man es dann bei entsprechender Interessenlage sehr gerne machen. Berlin kann notfalls auch gut mit zwei Neptunbrunnen leben. Es gibt ja auch mehrere Zoos, Opern etc. Von wegen Teilung und Wiedervereinigung und so...

    3 Mal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Rein historisch, konzeptionell und meiner Meinung nach auch ästhetisch gehört der Neptunbrunnen schon an seinen ursprünglichen Ort zurück. Zumindest im städtebaulich-historischen Kontext des Schlosses. Jedoch ist der Neptunbrunnen vor dem Rathaus ebenso eine historische Realität und diese zu tilgen fände ich doch sehr fatal. Eine Kopie des Brunnen empfinde ich ebenso als nicht wünschenswert und irgendwie komisch. Dann hättet wir ja zwei davon - warum also.

    Interessanter fände ich eine Neuinterpretation des Neptunbrunnens:

    • Gleiche Bassinabmessung, eventuell sogar eine Vierpass-Brunnenschale
    • mittige Bronzeplastiken des Neptuns
    • Bronzeplastiken der vier Flüsse, Rhein, Weichsel, Oder und Elbe. Wobei auch hier ließe sich das Thema auf vier Flüsse reduzieren. Was wiederum ein Humboldt'schen Thema zuliesse, er war schließlich Entdecker. Gleichzeitig funktionierte mit vier Flüssen auch ein europäisches Thema.

    Natürlich würden auch freie Formen bzw. Interpretationen funktionieren. Ich finde nur bei einer Interpretation sollte immer noch der Ursprung erkennbar sein, ohne jedoch plakativ zu sein. Namhafte Künstler haben wir zu genüge in Deutschland.

  • Berlin kann notfalls auch gut mit zwei Neptunbrunnen leben. Es gibt ja auch mehrere Zoos, Opern etc. Von wegen Teilung und Wiedervereinigung und so...

    Du hast es erfaßt. Ein guter Einwand. Und man fragt sich erneut, was an Berlin so schwer zu verstehen ist. Berlins spezifische Geschichte ist sein Schatz und seine Identität. Auch in anderen Debatten haben wir ja irgendwelche Zugezogenen aus Villingen-Schwenningen, die wollen, daß Berlin eine "tolle Weltstadt" wird und endlich auch so aussieht wie alle anderen Weltstädte auch.


    Dabei ist an Berlin ja gerade so interessant, daß es so ungewöhnlich ist.


    Die Vorschläge für einen "Humboldtbrunnen" finde ich gut. Das hatte ich auch schon gedacht. Und wo ist überhaupt die Sehnsucht nach etwas Neuem, wie es eigentlich für eine Stadt wie Berlin typisch war? Berlin hat mal Maßstäbe gesetzt. Also sollte man auch mal etwas Neues, Kreatives wagen. Das Thema des Humboldtforums sind ja die außereuropäischen Kulturen. Es wäre also auch ein Brunnen denkbar, der sich darauf bezieht.


    Ein interkultureller Brunnen würde sicherlich auch die Grünen begeistern, für die ja schon das christliche Kuppelkreuz eine enorme Zumutung war. :) Aus derselben Ecke müßten wir dann aber vielleicht auch Rassismus- und Exotisierungsvorwürfe hören. Man könnte Allegorien der Kontinente oder der größten Flüsse der Kontinente in so einem Brunnen unterbringen.


    Also ein Humboldtbrunnen wäre schon etwas. Na ja. Und ich bin wieder mal fassungslos, wie man eine solche Poesie nicht wertschätzen und begreifen kann. Das wäre ja eine wunderschöne Neukomposition des Stadtbildes unter Einbezug der historischen Verwerfungen. Genau so sollte Städtebau sein.


    Man sieht an diesen Debatten, daß es tatsächlich häufig nur um den schnöden Kampf rechts gegen links und umgedreht geht. Das sind sozusagen Stellvertreterkriege, wo sich jede Seite noch mal ihrer Auserwähltheit und moralischen Richtigkeit versichert. Das Gefühl hat man jedenfalls bei manchen Leuten der Translozierfraktion, die mit der Umsetzung auch gleich das schlimme SED-Unrecht etc. wieder rückgängig machen wollen. Das ist sozusagen Kalter Krieg im Städtebau.


    Einige Linksparteileute sind sicherlich ähnlich drauf. Aber die besseren Argumente liegen mehr als offensichtlich aufseiten der Status-quo-Befürworter.

  • Ich bin da total auf Gutmenschs Linie. Ein Humboldtbrunnen ist in der Tat eine phantastische Idee, die viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Wo, wenn nicht an dieser Stelle? Ein Duplikat des Neptunbrunnen wäre irgendwie albern. Was käme als nächstes? Eine Kopie des großen Kurfürsten?


    Vielleicht sollte man aber wirklich erst einmal abwarten, bis alles fertig ist - also Umfeld inkl. der unsäglichen Wippe, U-Bahnhof, Spreetreppe - und wie es von BerlinerInnen und Besuchern angenommen wird. Vielleicht gibt am Ende doch alles zusammen ein stimmiges Bild ab.


    Ach und wer schon einmal im trostlosen Schwenningen war, kann besagte Zugezogene durchaus in ihrer Weltstadtsehnsucht verstehen :D8o

    (ich bin es übrigens nicht, komme aus dem Nachbarlandkreis Rottweil)

  • Naja, erstmal wird ja offenbar der Fernwärmeknoten so umgebaut, daß der Schloßbrunnen technisch-baulich zurückkehren kann. Das ist doch schonmal etwas und etwas anderes als beim Großen Kurfürsten, wo durch den Neubau der heutige Rathausbrücke eine Rückkehr des Standbildes aus Charlottenburg unmöglich gemacht wurde.


    Dann muß der Brunnen an der Marienkirche ja in den nächsten Jahren saniert und dafür abgebaut werden. Wir werden ja sehen, wer zu diesem Zeitpunkt Regierender Bürgermeister ist und wie sich ein/e solche/r dann durchsetzen kann. Es hätte auch keiner damit gerechnet, daß plötzlich Katrin Lompscher nicht mehr Bausenatorin ist. Auch das Amt des Senatsbaudirektor wird in einem Jahr neu besetzt.


    Mit dem gleichen Recht auf dem Schloßplatz eine Neuinterpretation des Brunnens zu fordern kann man dies auch für den Platz an dem namenlosen Platz zwischen Marienkirche und Rathaus tun. Hier könnte die Moderne ja viel angemessener zeigen, daß sie solche Bauaufgaben lösen kann. Der amtierende Müllemeister hatte diese Lösungsvariante ja schon angedeutet.

  • Mit dem gleichen Recht auf dem Schloßplatz eine Neuinterpretation des Brunnens zu fordern kann man dies auch für den Platz an dem namenlosen Platz zwischen Marienkirche und Rathaus tun. Hier könnte die Moderne ja viel angemessener zeigen, daß sie solche Bauaufgaben lösen kann. Der amtierende Müllemeister hatte diese Lösungsvariante ja schon angedeutet.

    Das Argument ist prinzipiell richtig. Aber es ignoriert eben die Geschichte nach 1945. Ich hätte erst mal gar nichts gegen diese Option, aber sie ist eben schwächer, da viel mehr Wirbel gemacht wird. Man produziert eine unnötige Entfremdung auf dem Rathausforum. Und warum soll die Moderne nicht am Schloß zeigen, was sie kann? Solche Kontraste sind doch auch viel "erotischer", spannender und passen viel besser in unsere Zeit. Das zeigt sich immer wieder ziemlich eindrucksvoll. Beide Seiten gewinnen durch solche Kontraste, da man sich durch den Gegensatz stärker an der klassischen Schönheit der Gebäude erfreuen kann und gleichzeitig die Moderne stärker strahlen kann, als wenn sie unter sich wäre.


    Beispiele gibt es viele: Reichstag und Kuppel, Zeughaus und Pei-Bau, Gedächtniskirche und Eiermannbauten, Fernsehturm und Marienkirche.


    Ich verstehe ja grundsätzlich die Traditionsfraktion, zu der ich mich letztlich auch zähle. Aber diese Biedermeiersehnsucht am Schloß ist meines Erachtens kontraproduktiv und schafft eine konservative Form von Künstlichkeit.


    Man zerstört mit dieser Variante mehr, als man wiederzugewinnen glaubt.


    Die Linken haben meines Erachtens ein neurotisches Verhältnis zur Vergangenheit, wie man an der Schloßdebatte sah und am Umgang der DDR mit den "Altlasten". Aber ich will jetzt eben auch nicht das neurotische Verhältnis der Konservativen zur Geschichte, die mit Brüchen und der Moderne nicht klarkommen und ohne Rücksicht auf Verluste ein künstliches Altberlin anstreben.


    PS: Warum willst du der Moderne mutwillig Aufgaben zuschanzen, wo bereits eine funktionierende Lösung besteht? Und warum kann die Moderne auf dem Rathausforum angeblich viel angemessener zeigen, was sie drauf hat? Das ist eine willkürliche Konstruktion. Am Schloß kann die Moderne viel besser zeigen, was sie kann. Das Rathausforum ist mit dem Fernsehturm und den Plattenriegeln etc. bereits ziemlich modern. Da schafft der Neptunbrunnen eine angenehme Erdung.


    Und zwischen Schloß und Marstall geht es eben wieder ziemlich historisch zu. Da schüfe ein moderner Kontrast eine neue Spannung. Sorry für die Polemik, aber dieser Reko-Talibanismus zeigt eben sehr deutlich sein Gesicht, wenn ihm etablierte moderne Traditionen und Befindlichkeiten völlig schnuppe sind und man mit aller Gewalt wieder ins historische Märchenland zurück will.

  • Das Argument ist prinzipiell richtig. Aber es ignoriert eben die Geschichte nach 1945.


    Ich ignoriere auch die Geschichte der Inneneinrichtung meiner Wohnung in jedem Jahr aufs Neue.


    Ich sag mal so: Da das HU-Forum eh ein seltsam zusammengewürfelter Hybrid aus Hohenzollern Fassade und modernistischem Innenhof und Ostflügel darstellt ist es eigentlich auch wurscht was im Umfeld steht. Da momentan auch noch ein Einheitsdenkmal mit rein zeitgenössischem Design ohne Bezug zum Forum vor die Eingangstür geknallt wird braucht man sich auch kaum mehr Gedanken um ein "stimmiges" friederizianisches Umfeld machen.


    Nichtsdestotrotz is meine gegenwärtig größte Hoffnung für die Gegend ein zu 100% fassadengetreuer Wiederaufbau der Bauakademie.

  • Nichtsdestotrotz is meine gegenwärtig größte Hoffnung für die Gegend ein zu 100% fassadengetreuer Wiederaufbau der Bauakademie.

    Den halte ich z.B. auch für sehr geboten. Es geht also keineswegs darum, Tradition, da wo sie schön und sinnvoll ist, zu verhindern. Ich bin auch ein Gegner der Wippe. Besser wären die Kolonnaden plus ein kleines modernes Einheitsdenkmal, da wo früher der Wilhelm zu Pferde ritt.


    Ein "Humboldtbrunnen" wäre wohl das Beste für das Schloß, da es ja nun längst kein reines Schloß mehr ist, sondern noch mehr Museum als schon in den Zwanzigern. Die Bedürfnisse bzw. Erfordernisse haben sich eben gewandelt. Jetzt brauchen wir einen Brunnen für ein Museum.


    Hat jemand Ideen, wie man in so einem Brunnen humboldtsche Themen unterbringen kann? Ich kenne mich da mit den Möglichkeiten und historischen Traditionen der Brunnengestaltung nicht aus.

  • ^ Zum Thema (neuere) Brunnengestaltung kann vielleicht das jüngst erschienene Buch "Achtung vor dem Blumenkübel! Die Fußgängerzone als Element des Städtebaus" Anregungen liefern. Besonders beeindruckt -- sprich: schockiert -- hat mich da ein Brunnen aus Wanne Eickel, dessen Bild die FAZ treffend so kommentiert: "Sozusagen Kunst: Ein mittelinteressantes Wasser-Stein-Lampenarrangement [...], das die Aufenthaltsqualität zugegebenermaßen nicht wesentlich erhöht."


    Auch wenn ich (vor dem Hintergrund des Arguments von Arty Deco in #688) die Idee eines neu gestalteten Brunnens nicht grundsätzlich ablehnen würde, ziehe ich auch hier eine Rekonstruktion vor. Und auch hier wäre das eher -- und leider -- ein Ausdruck von Notwehr gegenüber der (in diesem Fall: befürchteten) Ästhetik der Moderne als eine grundsätzliche Einstellung.


    Vielleicht könnte man als Kompromiss eine original Lauchhammer-Pumpe aufstellen? Das hätte zwei Vorteile:

    1. Diese Straßenbrunnen wurden (meines Wissens) auch in der DRR nicht systematisch abgebaut, haben also gewissermaßen ein Unbedenklichkeitssiegel gegen Wilhelmismus, Kolonialismus und "Biedermeiersehnsucht". (Die sozialistische Errungenschaft, den Neptunbrunnen auf das Rathausforum verlegt zu haben, bliebe sowieso erhalten.)
    2. Mit so einer Pumpe würde Berlin seine Absicht unterstreichen, architektonisch in der Landesliga zu verbleiben und garantiert keinen Anschluss an Weltstädte zu suchen. Wer solch einen Brunnen aufstellt, der zettelt sicherlich keinen Weltkrieg mehr an.

    Zur Illustration hier noch ein Bild eines typischen Lauchhammer (Quelle: Wikipedia, Eintrag "Formen Berliner Straßenbrunnen"):


    Berlin%2C_Mitte%2C_Zinnowitzer_Strasse%2C_Wasserpumpe_%28Fisch_Typ_I%29.jpg

  • Was hat denn die Rückführung des originalen Schloßbrunnen an den originalen Standort mit "Reko" zu tun? Da wird doch überhaupt nichts rekonstruiert - der Brunnen ist doch da, auch in seiner unterschiedliche Zeitschichten repräsentierenden Fassung. Mit dem Russengranit der Schale würde doch auch vor dem Schloß Nachkriegsgeschichte erlebbar. Und da der Brunnen zur Sanierung ohnehin abgebaut wird ergäb sich eine ideale Chance zur Rückführung.


    Mit "Biedermeier" hat das genausowenig zu tun wie mit "Disneyland". Biedermeier ist die Zeit um 1850 - der Schloßbrunnen ist viel später entstanden. Und Disney hat gar keine bestehenden Gebäude in seinen Filmen verwendet sondern Fantasiebauten.


    Deshalb wäre die Rückfuhrung nur konsequent und auch machbar. Die letzten 50 Jahre würde überhaupt nicht "ignoriert" - der Brunnen bleibt ja in aller Schönheit erhalten. Aber das vom Senat "Rathausforum" genannte Areal wird ja ohnehin umgebaut und postmodern modernisiert - warum sollte man hierbei nicht auch ein Wasserspiel neu entwerfen. Es ist doch pure Nostalgie, sich der Versetzung zu wiedersetzen, die an der Breiten Straße viel größere städetbauliche Wirkung entfalten würde als am RF. Die dominante Achse durch den Fernsehturm wirkt auch ohne Schloßbrunnen und würde auch mit einem anderen Wasserspiel wirken.

  • Bin immer wieder fassungslos, wie man solche Argumente vor sich selbst durchgehen lassen kann. Der Brunnen wird eben örtlich rekonstruiert. Man muß hier nicht den sprachlichen Erbsenzähler spielen. Es ist klar, worum es geht. Oder glaubst du im Ernst, ich würde das von dir unter "Reko" Suggerierte verstehen? Reko steht in diesem Zusammenhang natürlich für eine Rekonstruktion des Stadtbildes.


    Vom Russengranit wissen ich und vermutlich 99% der Besucher nichts. Die Nachkriegsgeschichte besteht nun mal vor allem darin, daß der Brunnen versetzt und das Schloß gesprengt wurde. Diese Geschichte wird noch einmal ein ganzes Stück unkenntlicher gemacht, wenn man den Brunnen transloziert. Der jetzige Brunnen ist gewissermaßen der Grabstein des alten Schlosses.


    "Biedermeier" ist eine Metapher, keine historische Einordnung. Auch Disney ist eine Metapher - für Künstlichkeit.


    Dieses zweckgerichtete Dummstellen und Verdrehen sind mir immer wieder ein Rätsel. Denn man kann ja gerne für die Translozierung sein. Aber daß hier Ideologie am Werk ist, sieht man sehr schön an der gewollten und herbeikonstruierten Argumentation oben.


    Und natürlich werden durch eine Translozierung die letzten 50 Jahre ignoriert. Wie kann man das nur leugnen?


    Zur Realsatire wird für mich aber dieses Zitat:


    Aber das vom Senat "Rathausforum" genannte Areal wird ja ohnehin umgebaut und postmodern modernisiert - warum sollte man hierbei nicht auch ein Wasserspiel neu entwerfen. Es ist doch pure Nostalgie, sich der Versetzung zu wiedersetzen, die an der Breiten Straße viel größere städetbauliche Wirkung entfalten würde als am RF. Die dominante Achse durch den Fernsehturm wirkt auch ohne Schloßbrunnen und würde auch mit einem anderen Wasserspiel wirken.

    Das erste Argument kann man genauso gut auf einen neuen Brunnen neben dem Schloß anwenden. Auch der Nostalgievorwurf ist hochgradig realsatirisch, da ja gerade die Versetzung realitätsfremd ist und ein altes idyllisches, orthodoxes Schloßumfeld simuliert werden soll.


    Und die größere städtebauliche Wirkung hat der Brunnen nun mal mehr als offensichtlich vor dem Rathaus. Wie kann man das leugnen? Die Gegend an der Breiten Straße ist ziemlich trostlos, und der Brunnen würde dort zur Randnotiz werden. Der Brunnen auf dem Rathausforum wirkt ja auch deshalb so gut, weil man von dort aus perfekt zum Fernsehturm und Roten Rathaus sehen kann.


    Ich kann ja die Traditionalisten ein Stück weit verstehen, aber man sollte nicht derart die Realität verzeichnen. Es ist verräterisch und läßt auf eine gewisse Fixierung schließen, wenn man die Argumente der Gegenseite auf Biegen und Brechen entstellt.


    Ich verstehe nicht, wie man eine idealisierte Vergangenheit/Tradition derartig zum Fetisch machen kann. Ich bin auch sehr für eine Stärkung der Tradition. Aber eben nicht mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf Verluste.

  • Ich verstehe nicht, wie man eine idealisierte Vergangenheit/Tradition derartig zum Fetisch machen kann. Ich bin auch sehr für eine Stärkung der Tradition.


    Dein größtes Missverständnis ist es zu glauben, dass es einigen Foristen primär um die Rekonstruktion von "Vergangenheit" geht.

    Bei der Gestaltung des HU-Forums geht es mindestens genauso um klassische Fragen der stadträumlichen Bebauung und der Ästhetik.

  • Ich kann ja die Traditionalisten ein Stück weit verstehen, aber man sollte nicht derart die Realität verzeichnen. Es ist verräterisch und läßt auf eine gewisse Fixierung schließen, wenn man die Argumente der Gegenseite auf Biegen und Brechen entstellt.


    Das einzige Argument, das ich von Dir erkannt habe, ist, dass man "Geschichte" nicht "ignorieren" darf.


    Zunächst einmal: Geschichte darf man sehr wohl ignorieren. Man muss das sogar, wenn man (nützlichen) Fortschritt möchte. Man sollte sie nur nicht komplett ignorieren. Die entscheidenden Fragen sind immer: Was ist wichtig? Und: Was kommt stattdessen? (Ich persönlich könnte auf jede Rekonstruktion, Relokation etc. verzichten, wenn das, was stattdessen gebaut oder konstruiert wird, schön ist. Die Moderne produziert aber für meinen Geschmack zu 95% Hässliches.)


    Warum jetzt gerade die Rückverlegung eines Brunnens an seinen historischen Standort, an dem er immerhin 60 Jahre lang stand, warum also eine Würdigung der Geschichte des Brunnens eine so dolle Verletzung Deines historischen Empfindens auslöst, dass Du hier beginnst, verbal um Dich zu schlagen, bleibt mir ein Rätsel. Dein Geschichts-Argument zieht einfach nicht -- insbesondere, weil der Brunnen an seinem Standort auf dem Rathaus-Forum meines Wissens nach nie prägend für das Stadt- oder Heimatgefühl der Ostberliner wurde, anders als etwa der Alex. Das Rathaus-Forum ist ein Unort, den der Brunnen kaum besser macht. Niemand außer skatenden Jugendlichen hält sich dort wirklich gerne auf. Es gibt hier nichts Konservierungswürdiges.

  • Also von einer "örtlichen Rekonstruktion" habe ich ich noch nie etwas gehört. Wie soll ich das denn verstehen? Der Brunnen ist doch in seiner Fassung der Nachkriegszeit mit originalen Figuren und Becken aus russischem Granit vorhanden und wird zu Sanierungszwecken abgebaut. Wenn man den Brunnen statt an der Marienkirche am Schloßplatz wiederaufbau ist das doch der gleiche Vorgang. Daraus in einem Fall eine Instandsetzung und im Fall des Schlossplatzes eine "Rekonstruktion" zu machen ist doch vorsätzliche Irreführung.


    Nein, im Falle des Aufbaus am Schloßplatz käme ein Einzeldenkmal der Kaiserzeit inkl. der Einschreibungen der Nachkriegszeit (Wissen ist auch eine Holschuld, bester Gutmensch) im Original an seinen orignalen Ort zurück. Wo da die "Reko" sein soll kann ich nicht erkennen.


    Was die Methaphern betrifft habe ich in der Journalistenschule gelernt, daß man diese vermeiden sollte - da man meist mißverstanden wird. Das scheint hier auch so zu sein. "Disney" wild nämlich häufig genug nicht als Metapher sondern als Totschlagargument verwendet. Und mit "Biedermeier" würde ich mich nochmal näher auseinandersetzen und mit fragen, ob das auch die von dir geforderten "99 % der Besucher verstehen. Das ist sicher nicht so.

    Aber wieso würden durch einen Wiederaufbau am historischen Ort "die letzten 50 Jahre ignoriert"? Nur, weil man sich nach weltumspannenden Umwälzungen der Weltgeschichte erlaubt etwas im Stadtbild zu verändern ist das noch lange keine Ignoranz. Es ist - wie so häufig - ein Abwägen zwischen der Wiederaufstellung des Brunnens am "Rathausforum" und der Wiederaufstellung am Schloßplatz. Diese Abwägung muß historische, künsterische und städtebauliche Aspekte mit einbeziehen.

    Der Stadtraum vor dem Alexanderplatz ist aber in vielerlei Hinsicht seit dem Aufbau des Brunnens am Fernsehturm umgstaltet worden. Der Fuß des Turmes wurde völlig verbaut. Das Umfeld der Marienkirche wurde völlig verändernt. Marx und Engels sind fort und die Ostfassade des Palastes auch. Und: da Umfeld des Brunnens wird von Monsigny-Levien Stück für Stück (ohne Wettbewerb) umgestaltet. Das heißt das künstlerische, städtebauliche und auch das architektonische Umfeld hat sich völlig verändert. Warum soll dann ausgerechnet der Schloßbrunnen bleiben wie er ist?

    Am Schloßplatz hingegen fände sich städträumlich tatsächlich eine ähnliche Situation, wie vor dem Kriege. Und der Brunnen wertete in seiner städtebaulichen Stellung die Breite Straße, einstmals die Hauptstadt von Alt-Kölln, massiv auf und eröffnete neue Bezüge. Deshalb glaube ich in der Abwägung, daß der Verlust am Rathausforum zu verkrafte wäre, zumal sich hier wirklich einmal die Elite der Architekten an einem neuen Brunnen versuchen könnte. Es heisst doch immer, daß die zeitgenössischen Architekten die schwierigen Bauaufgaben besser lösen können als bloße historische Lösungen.

    P.S. Ein nicht denkmalfachlicher jedoch nicht minder wichtiger Aspekt könnte noch eine Rolle spielen: die Kosten. Bei einem Wiederaufbau des Brunnens vor dem Schloß glaube ich, daß die Sanierungskosten des Brunnens zu großen Teilen vom Bund und/oder dem Schloßverein aufgebracht würden. Die Wiederaufstellung vor dem Rathaus ginge zu 100 % aus der Landeskasse.

  • ....

    Warum jetzt gerade die Rückverlegung eines Brunnens an seinen historischen Standort, an dem er immerhin 60 Jahre lang stand, warum also eine Würdigung der Geschichte des Brunnens eine so dolle Verletzung Deines historischen Empfindens auslöst, dass Du hier beginnst, verbal um Dich zu schlagen, bleibt mir ein Rätsel. ..

    Diese Art der Beweisführung wo was länger gestanden hat und dadurch ein größere Berechtigung für dieses oder jenes hat, ist verzeih, aber wirklich Pillepalle.


    Der Brunnen wurde 1951 von seinem Ort vor dem Südportal entfernt. Dann stand er wer weiss wo in Kisten verpackt oder sonst etwas jedenfalls aus dem Öffentlichen Bewusstsein verschwunden. 1969 wird er netterweise vom Magistrat der Hauptstadt wiederaufgebaut, vergrössert und somit der Wirkung auf dem neuen Platz vor dem Roten Rathaus angepasst. Dort steht er bis heute 2020. Wird von Jung und Alt geliebt und den Zahlreichen Touristen ebenso. Ich bin jetzt mal keck und wäge das Interesse der heute lebenden Betliner besonders im engeren Umfeld des RF und MEF an diesem seit nunmehr 51 Jahren währenden Standort als entschieden höher und authentischer als das Interesse jener denen es nur um die Schaffung einer vermeintlich originären Lösung geht.

    Meine güte, man hat einen schönen funktionierenden Brunnen, selten genug in Berlin zu finden, der auch noch von allen geliebt und geschätzt wird, und man kann einfach den Hals nicht vollbekommen weil er angeblich nicht am richtigen Standort steht. Ich würde sagen ein absolutes Luxusproblem, das als solches eigentlich beschämen sollte in Anbetracht anderer Probleme.


    ... und Konstantin, dein P. S. hast du ja erst nach der Lektüre meines Posts geschrieben... so wie ich dieses, dies ist eben nicht nur eine Frage der Finanzen, wenn ich von Problemen spreche ;)

    2 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Ich bin ja mittlerweile hin- und hergerissen, ob ich für oder gegen die Rückkehr des Schlossbrunnens an seinen alten Standort bin. Es gibt meines Erachtens überzeugende Argumente für beide Seiten. Aber letztlich reden wir uns hier völlig umsonst die Kehlen heiser, denn eines sollte allen klar sein: solange RRG regiert, wird sich am Standort des Brunnens nichts ändern! Das wird die einen freuen, die anderen ärgern. Aber letztlich hat Camondo recht: es gibt wahrlich größere Probleme, die einer Diskussion und vor allem Lösung bedürfen.

  • Am pragmatischsten wäre es den Brunnen wieder vor das Humboldtforum zu setzen und die Stelle die dann frei wird, wäre ideal für Marx und Engels, da passen Sie ja ganz gut hin.


    Außerdem wäre dann die Fläche gegenüber des Forums frei und man könnte endlich eine Bebauung planen ohne Rücksicht auf die beiden nehmen zu müssen.

  • Dann doch lieber Marx und Engels vor das Humboldtforum setzen.

    Für den Brunnen auf dem Rathausforum sehe ich keinen Ersatz, er würde dort schmerzlich vermisst.


    Kaum einer der heute lebenden wird sich erinnern, dass der Brunnen mal vor dem Schloss stand. Er würde dort auch nicht die Wirkung entfalten, die er jetzt hat.

  • ^

    Ich halte den Umkehrschluss für wahr. Der Brunnen kann am ME-Forum gerade nicht seine eigentliche Wirkung entfalten, wie denn auch, schließlich ist er ja einst explizit für das Schloss kreiert -und architektonisch auf dieses abgestimmt worden. Am ME-Forum steht er ungefähr so passend, wie Alexander Gauland auf einem antikapitalistischen Veganismuskonvent . Es ist eine machtpolitisch motivierte Zwangsheirat, die den Brunnen mit Marx, Engels und dem Fernsehturmsockel verbindet, keine Folge von ästhetisch abzuleitender Kausalität oder geschichtlicher Kongruenz.