Freiraumgestaltung Berliner Schloss/Humboldt-Forum

  • Mein Grotewohl-Zitat und den Vergleich mit Frau Kahlfeld erkläre ich wie folgt:

    Grotewohl (G.) und Kahlfeld (K.) sind beide Politiker. Beide nahmen Stellung zu einem jeweils politisch, historisch und städtebaulich hoch umstrittenen Thema im Zentrum Berlins.

    G. waren die vielen Proteste gegen die Sprengung des Schlosses klar. Er setzte sich zynisch darüber hinweg.
    „wenn das Schloss weg ist, kräht kein Hahn mehr danach“ Er wurde durch die Geschichte widerlegt.

    K. sind die vielen Proteste gegen das Festhalten des Brunnens am Ort klar. Sie setzt sich zynisch darüber hinweg.

    „Der Neptunbrunnen bleibt ´selbstverständlich´ weiterhin am heutigen Standort“

    K. hält eine öffentliche Begründung ihrer (!?) Entscheidung für unnötig. Das widerspricht demokratischen Regeln.

    In einem in der Bevölkerung und unter Experten umstrittenen Thema ist die politische Meinung einer Partei nie „selbstverständlich“. Das zeigt z. B. auch die neu gegründete Allianz der Bürgervereine. Die Hähne krähen weiter.


    Weitere Antworten an Architektenkind und Gutmensch

    „In der Demokratie spielt nun mal der Volkswille eine entscheidende Rolle.“ Richtig. Da zählt aber mehr als die liebgewordene Gewohnheit der örtlichen Bevölkerung, zumal der Brunnen kein originäres „Bezirkseigentum“ ist. Warum führt man denn jetzt keine öffentliche Volksbefragung durch? Befragungen gab es. Man kann googlen.


    Ich habe in vielen (!) Beiträgen auch in diesem Forum ausführlich und differenziert begründet, warum eine Rückführung des Brunnens (nicht mir privat, sondern) für die Stadt Berlin, für den Schloßplatz und für das Ensemble historisch, städtebaulich, ästhetisch wichtig ist. Ich werde das nicht nochmal wiederholen.


    Ich habe nichts ständig suggeriert, nie von „alternativlos“ gesprochen und nie andere als Banausen bezeichnet.

    Gutmensch, Lese am besten deinen eigenen Beitrag, dann erkennst du, wie du selbst mit Unterstellungen umgehst.

  • Mich haut’s grad vom Stuhl, wohin dieser Thread wieder abdriftet, wenn ich die letzten Beiträge so lese.


    Nochmal als Hinweis:

    A) Weder Frau Kahlfeld, noch ihre Vorgängerin Frau Lüscher sind/waren vor, oder nach ihrer Berufung aktive Politikerinnen. (Welchen Parteien gehören sie nochmal an?) Wenn man jetzt noch den drei letzten Senatsbaudirektor*innen - alle wahrscheinlich eher dem linken Lager zuzuordnen, politische Etiketten anheften will, wird’s ganz komisch.


    B) Frau Kahlfeld plädiert für die Beibehaltung einer Situation die seit 50 Jahren besteht (ein Brunnen). Herr Grotewohl stand für „tabula rasa“ und Abriss der alten Stadtmitte und Errichtung einer neuen Staatsmitte - sowjetischen Vorbilds (eine Stadt).


    Keine Änderungen, brauchen keine Begründungen - erst recht keine ideologischen.

  • Ich muss ja eines zugeben: Als ich in den 90er Jahren zum ersten Mal in Ost Berlin war und zum ersten Mal zum Rathaus Forum kam, fühlte ich mich an mein Hobby, Modelleisenbahn, erinnert: An Anlagen auf denen unmotiviert und ohne Bezug zueinander Gebäude verteilt waren "weil man hingestellt hat, was gerade noch da war", ich fand die Kombination der Kirche mit Fernsehturm und Springbrunnen...bizarr, ganz zu schweigen von den Plattenbauriegeln.


    Wenn man in West-Berlin war, mahnte die eindeutige Ruine der KWGK die offensichtliche Zerstörungswut des Krieges an. Beim Rathaus Forum stellte ich keinen Bezug zum Krieg her, ich fand's einfach bizarr.


    Dass es ein Ort ist zu dem viele Berliner eine besondere Beziehung haben, habe ich erst später gelernt und verstehe die Einstellung, dass man an der aktuellen Situation nichts ändern möchte.


    Wer das Werk Begas bewundern möchte, kann das tun, es ist ja da!


    Eine Wasserfontäne in einem schlichten Steinbecken wertet die barocke Schlossfassade ganz sicher nicht ab, im Gegenteil, das wichtige barocke Gestaltungselement Wasser kehrt zum Schloss zurück, was schonmal schön ist.


    Einige Monate stand auf dem Schlossplatz eine hohe Spiegelsäule - ein modernes Element. Auch dieses Element hat die Fassade nicht abgewertet, im Gegenteil, es ergaben sich reizvolle Spiegelungen.


    Ich lasse mich einfach überraschen, wie es weiter geht, denn es ist doch so: Mit dem Humboldt Forum haben wir Berliner quasi ein neues Spielzeug bekommen, das wir erstmal entdecken müssen, ausprobieren können und dann nach Notwendigkeit und Gefallen umändern können.

  • Ich respektiere also, dass die Mehrheit der hier reagierenden und kommentierenden Mitglieder dieses Forums die Gewohnheiten der örtlichen Bevölkerung und ggfs. auch den Erhalt der „Sozialistischen Moderne“ höher bewerten als die künstlerische Ästhetik. Ich hatte im Sinne der Rückgewinnung dieses historisch, künstlerisch und stilistisch stimmigen Ensembles argumentiert. Das war keinesfalls ideologisch und nicht pauschal Retro-fixiert, sondern an diesem Ensemble sachlich begründet. Der krasse Vergleich Grotewohl-Kahlfeld drückt lediglich aus, dass der Berliner Senat eine umstrittene städtebauliche Entscheidung nicht öffentlich begründen und somit sichtbar legitimieren will, sondern dass er sich, ohne zu argumentieren, örtlichen Verhältnissen anpasst. Es wäre in diesem Falle klug und demokratisch gewesen, auch „keine Änderung“ zu begründen. Ich danke den Meinungsgegnern, dass sie reagiert haben. Ich gebe es auf, meinen Standpunkt in dieser Sache in diesem Forum weiter zu vertreten.

  • ... und ggfs. auch den Erhalt der „Sozialistischen Moderne“ höher bewerten als die künstlerische Ästhetik.

    Mit dem Palast der Republik, dem Palast Hotel und dem Ministerium des Inneren der DDR ist in dem Bereich schon einiges an Internationaler Moderne abgerissen worden...das sollte man an dieser Stelle auch nicht unterschlagen.

  • Du magst da anders ticken. Aber in einer Demokratie spielt nun mal der Volkswille eine entscheidende Rolle. Und ich sehe da keine Sehnsucht nach einem heilen Schloßbrunnen.

    Schwierig hier mit so etwas nebulösem wie "Volkswillen" zu argumentieren. Auf einer Straßenumfrage würden wahrscheinlich 90% der zufällig ausgewählten Passanten nicht mal wissen wie der Neptunbrunnen aussieht oder wo er steht. Letztlich ist es eine Fach-Diskussion, die unter Reko- bzw. Architekturfreunden geführt wird. Innerhalb dieses kleinen Zirkels spielen dann allerdings durchaus auch politisch/ideologische Motive bzw. verschiedene Weltanschauungen eine Rolle.


    Es gibt eine Weltanschauung, die sich darum bemüht, historische Architektur in einem möglichst holistischen Gesamtbild zu betrachten, wobei persönliche und/oder politische Motive der Bauherren/Architekten, spätere politische Funktionen etc. in einen wertenden Kanon einfließen, der sich über die reine Ästhetik,- über mathematische Verhältnisse, goldene Schnitte, Sichtachsen, Proportionen und Beziehungen hinaus eine Kontextualisierung erlaubt. Diese soll sich mit dem Referenzpunkt zeitgenössischer Wertmaßstäbe vergleichen und man sieht sich weltanschaulich dazu ermächtigt, "historische Architektur" um zeitgenössische Elemente ergänzen zu wollen oder eine Reko gar gänzlich verhindern zu müssen, um Kongruenz zu den Wertmaßstäben der modernen Demokratien herstellen zu können.


    Diese (Selbst)Ermächtigung des im architektonischen Sinne "woken" Establishments empfinden Rekonstruktionsbefürwörter als anmaßend. Den Versuch einer Herstellung von Kongruenz zu modernen Wertmaßstäben empfinden sie als Konstrukt,- als oktroyieren einer intellektuellen Metaebene, die sich ausschließlich in elitären Echokammern nährt und auf das ästhetische Empfinden der -ihrer eigenen Überzeugung nach- Mehrheit wenig bis keine Rücksicht nimmt. Für sie ist die Ergänzung/Änderung um zeitgenössische Elemente oder gar die Verhinderung einer Reko eine (weitere) art elitärer Paternalismus, der sich an den architektonischen Errungenschaften ihrer Vorfahren versündigt und einer lebensqualitätsfördernden Reperatur des Stadtraumes oft im Wege steht. Sie empfinden den Stadtraum tendenziell als eine Erweiterung ihres Wohnzimmers. Für sie ist die Ästhetik eines Gebäudes wichtiger als dessen Ausdruck. Wenn sie ein Gebäude "aufladen", dann entsteht dies meist aus positiven, sensorischen Stimuli, also aus einem (subtilen) Wohlgefühl.


    Dass es zwischen diesen zwei Gruppen im "kleinen Kreis" der Berliner Architekturwelt knirscht, ist keine Neuigkeit. Da Frau Kahlfeldt selbst eher einen historisierenden Geschmack zu haben scheint, dachten viele sie würde das Pro-Reko Lager befürworten, aber dem ist offenkundig nicht so. Möglicherweise ist ihr die Sache mit dem Neptunbrunnen auch zu "heiß" um sich an dieser Sache im Amt die Finger "verbrennen" zu wollen. Seis drum, wichtig ist, dass überhaupt ein Brunnen kommt und sobald die Leitungen gelegt sind, kann ein Umzug des Neptuns auch in einigen Jahren erfolgen, wenn sich das gesellschaftliche Klima so weit geändert hat, dass dieser Wunsch im politischen Berlin größeren Anklang findet.


    Auch ein sehr simpel gestalteter Brunnen kann vor einer historischen Fassade reizvoll sein, wie man z.B. in Braunschweig am Stadtschloss begutachten kann. https://www.heinze.de/architekturobjekt/zoom/12533546/

  • Ich finde ja, dass es etwas einfacher ist, als dargestellt.


    Der Neptun-/Schlossbrunnen macht auf seinem jetzigen Standort eine gute Figur und es gibt durchaus auch ästhetische Sichtbeziehungen zwischen Brunnen und den ihn umgebenden Gebäuden, vor allem den vier großen: Rathaus, Marienkirche, Fernsehturm und Humboldt-Forum.

    Hinzu kommt, dass diese Konstellation für die Lebenden greifbar ist und sich damit sicher auch genug persönliche Erinnerungen verbinden.

    Das hat dann im Jahr 2023 auch gar nicht mehr so viel mit der DDR zu tun, die selbst Vierzigjährige kaum noch kennen können.


    Im Gegensatz dazu steht dann ein Wunsch nach Rekonstruktion eines Zustands von vor über 80 Jahren, der selbst bei bestem Willen überhaupt nicht erreichbar ist. Die Anforderungen an die Fläche sind heute ganz andere, daher würde die Raumwirkung auch mit Brunnen ganz anders sein, als auf den Fotos von früher.

  • es gibt durchaus auch ästhetische Sichtbeziehungen zwischen Brunnen und den ihn umgebenden Gebäuden, vor allem den vier großen: Rathaus, Marienkirche, Fernsehturm und Humboldt-Forum.

    Brunnen und Fernsehturm haben zwei völlig unterschiedliche Maßstäblichkeiten. Und diese unterschiedlichen Maßstäblichkeiten zwischen Brunnen und Fernsehturm wirken genauso katastrophal wie ein überdimensioniertes Kreuzfahrtschiff vor der grazilen Kulisse der Stadt Venedig.


    Für die Sichtbeziehung Brunnen-Fernsehturm gibt es zwei Perspektiven:


    1) Die Perspektive aus Sicht des Brunnens:

    Für jemanden, der direkt am Brunnen steht und sich am Brunnen erfreut, dürfte der Fernsheturm in diesem Moment keinerlei Rolle spielen, weil dieser eine völlig andere Maßstäblichkeit besitzt.


    2) Die Perspektive aus Sicht des Fernsehturms (Blick von oben aus dem Restaurant):

    Wer vom Fernsehturm nach unten schaut, dürfte sich für viele Dinge interessieren, die eher ins Auge springen als der Brunnen. Ein ganzes Häusermeer steht bereit, um betrachtet zu werden. Um aus einer solchen Höhe den Brunnen zu erblicken, muss man das Kinn schon richtig nach unten drücken. Warum aus der Höhe des Restaurants gesehen ausgerechnet eine "ästhetische Sichtbeziehung" zum Brunnen aufgebaut werden soll - während es Dutzende oder Hunderte von anderen Motiven für den Betrachter gibt - ist zumindest erklärungsbedürftig.


    Deine Aussage ist eine wohlklingende Worthülse ohne sunbstanziellen Inhalt.

  • Wenn man sich etwas am Brunnen aufhält/abkühlt etc, nimmt man selbstverständlich auch die umliegenden Berliner Wahrzeichen wahr und verknüpft somit automatisch die verschiedenen Elemente miteinander (da wir ein episodisches Gedächtnis besitzen, können wir auch gar nicht anders). Ich empfehle mal die Google Bildersuche nach "Neptunbrunnen + Alexanderplatz". Dann findet man direkt eine ganze Menge visuelle Verknüpfungen mit umliegenden Bauwerken inkl. Fernsehturm vom Brunnenlevel aus (u.a. einige wo die Lanze bzw. der Dreizack fast parallel zum Turm steht - wie z.B. hier oder auch hier) sowie umgekehrt auch diverse Luftaufnahmen vom Brunnen, wo u.a. auch Kreisformen auffallen, die sich ja auch bei Schaft und Kugel des Fernsehturms wieder finden...


    Und der Fernsehturm besitzt ohnehin eine andere Maßstäblichkeit als (die) alle(rmeisten) anderen Elemente am Platz und kann primär als Hintergrundbereicherung oder aber mit Nackenstarre genossen werden. Trotzdem ist auch er assoziativ eng verknüpft mit zahlreichen umliegenden visuellen Reizen wie bspw. der Weltzeituhr aber u.a. auch Dom und Humboldtforum mit ihren Kuppeln und Kreuzen.

  • Das Argument der Sichtbeziehungen ist lächerlich, weil einfach ALLES mit ALLEM eine Sichtbeziehungen eingehen kann. Jeder Gullideckel kann mit jeder Bordsteinkante eine Sichtbeziehung haben. Und jetzt? Welche Story wollen wir jetzt daraus stricken?

  • ^Ich finde das absolut nicht lächerlich und auch nicht willkürlich oder künstlich bemüht. Hast Du die empfohlene Bildersuche denn überhaupt Mal probiert oder Mal selbst etwas länger Zeit auf dem Platz verbracht? Schon auf den beiden verlinkten Bildern erkennt man mE doch wirklich sehr gut, dass der Brunnen optisch überhaupt keinen Bruch zum Fernsehturm oder der Kirche bedeutet, sondern sich optisch harmonisch einfügt. Hier noch mit Dom, oder hier mit Rotem Rathaus, oder hier nur mit Kirche und hier die Sicht von oben mit der bzw. den Kreisform(en). Die Bilder sprechen mE für sich und waren alle direkt unter den ersten Ergebnissen. Nirgendwo wirkt der Brunnen deplatziert auf mich. Er hat ähnlich wie die Siegessäule seinen festen Platz in der Stadt gefunden.


    Zumindest ich habe es schon immer so empfunden und bin damit auch nicht allein. Jedenfalls war ich schon wiederholt mit ganzen Schulklassen dort und der Brunnen ist neben dem Fernsehturm DAS Highlight für die Kinder am Alex. Sie verbringen dort am Wasser am liebsten ihre Zeit und schauen sich dann primär von dort ausgehend die Umgebung an. Natürlich wird das ganze dann episodisch miteinander verknüpft. Das könnte hypothetisch ziemlich sicher auch mit einem etwas anderen Brunnen gut funktionieren (wenn er passend zum Umfeld entworfen wird), aber inzwischen wurden Generationen darauf geprägt und würden den Brunnen dort entsprechend vermissen. Ähnlich ist es mit den 4 (bzw. 2x2) riesigen Löwen des alten Kaiserdenkmals, die ihren mE sehr passenden neuen Platz im Tierpark gefunden haben.


    Wenn überhaupt, würde ich am Humboldtforum eine Replik aufstellen. Aber auch ein ggf. etwas schlichterer oder aber spektakulärer moderner Brunnen kann sich hier bei passender Gestaltung sicher gut einfügen. Man hat hier jedenfalls alle Möglichkeiten inkl. Spiegelbecken oder Fontänen oder Kaskaden oder oder oder und sollte den Ansatz nicht schon vor den ersten Entwürfen verteufeln. Und wenn es am Ende passend zum Gedanken des Humboldtforums ein (attraktiver!) orientalischer Brunnen der 4 Ströme wird, geht davon das Abendland auch nicht automatisch unter, wie man hier teilweise ja fast schon glauben könnte.

    Einmal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Die von Dir verlinkten Bilder widerlegen meines Erachtens Deine These. Die optische Achse ist nämlich nur "erlebbar", wenn man den Bildausschnitt mit grosser Sorgfalt auswählt und dann noch ein starkes Zoom einsetzt. Dass der Brunnen dort gut besucht und genutzt wird - auch von Kindern, wie Du sagst - trifft meines Erachtens keine Aussage über den Ortsbezug. Der Brunnen ist als Objekt an sich attraktiv. Er wäre es auch auf einer Autobahnraststätte oder in Hellersdorf.

    Am Ende ist die Frage, welche historische Einbettung "gewinnen" soll: Die aus der DDR stammende. Oder die aus den (überwiegend) bürgerlichen Zeiten davor. Diese Frage stand ja schon bei der Sprengung des Schlosses ebenso wie beim Abriss des Palasts der Republik auf der Agenda. Und zieht sich auch immer wieder in ähnlicher Form durch die Diskussionen in diesem Forum.

    Aus meiner Sicht ist die DDR mit 40 Jahren Anteil - und das nur in einem Teilstaat - ein Wimpernschlag der deutschen Geschichte. Je mehr Zeit vergeht umso deutlicher wird das werden. Und umso mehr werden andere historische Einbettungen "gewinnen". Ohne diesen Wandel wäre schon das Humboldt-Forum an sich gegen die DDR-Städtebau-Freunde nicht durchsetzbar gewesen.

  • Die optische Achse ist nur "erlebbar", wenn man den Bildausschnitt mit grosser Sorgfalt auswählt und dann noch ein starkes Zoom einsetzt. Der Brunnen ist als Objekt an sich attraktiv. Er wäre es auch auf einer Autobahnraststätte oder in Hellersdorf.

    Also ich kann hier nur für mich und mein Umfeld sprechen, aber ich erlebe die Stadt nie als Aneinanderreihung isolierter Elemente. Auch wenn ich am Alex bin, dann ergeben sich somit fortlaufend visuelle Bezüge. Und wenn ich nah um den oder direkt am Brunnen bin, dann erlebe ich die anderen Gebäude immer aktiv mit. Es mag kein homogenes Ensemble sein, es ist für mich aber durchaus ein harmonisches und reizvolles Zusammenspiel aus dem Brunnen und den gezeigten Bauwerken. Natürlich sind die verlinkten Bilder da Highlights aber so ähnlich nehme ich es aus eigener Perspektive tatsächlich jedes Mal wahr. Und sicher könnte der Brunnen auch in Hellersdorf je nach Standort positiv wirken (das Autobahnsetting halte ich dagegen für absurd). Da wäre der Verlust aber ein sehr viel geringerer als am jetzigen Standort.


    Am Ende ist die Frage, welche historische Einbettung "gewinnen" soll: Die aus der DDR stammende. Oder die aus den (überwiegend) bürgerlichen Zeiten davor.

    Gerade diese Frage finde ich insgesamt sogar eher uninteressant und nachrangig. Der Palast der Republik hat mE einfach nicht dorthin gepasst und das Bild gestört, weshalb ich die Rückkehr der Schlossfassaden begrüße (ebenso auch bei der Bauakadamie, die ich zwar nicht als alternativlos aber doch als beste aktuell denkbare Alternative ansehe). Das geht mir beim Neptunbrunnen anders. Und wenn man jetzt konsequent den Schiedsrichter der Geschichte spielen wollte, dann müsste man u.a. auch jeden Nazibau sprengen und die Siegessäule zurück versetzen. Dann müsste man im Grunde sogar fast die gesamte Stadt zurück bauen, da die meisten früheren Systeme bei näherem Hinsehen und nach heutigen Maßstäben eher unsympathisch werden. Ich persönlich versüre jedenfalls weder DDR-Ostalgie noch Preußen-Nostalgie. Für mich geht es um die heutigen Bedürfnisse und natürlich auch um ästhetische Fragen.


    Neben dem Humboldtforum kann ich daher ebenso mit einer Replik des Neptunbrunnens als auch mit einem modernen Entwurf leben. Da ich die ganze Frage inkl. Forderungswut zunehmend anstrengend finde und die bisher entstandenen Grünflächen am Humboldtforum auch schon attraktiver und zeitgemäßer als irgendwelche Barockrabatten finde, tendiere ich aber immer stärker zu letzterem.

  • Das Argument der Sichtbeziehungen ist lächerlich, weil einfach ALLES mit ALLEM eine Sichtbeziehungen eingehen kann. Jeder Gullideckel kann mit jeder Bordsteinkante eine Sichtbeziehung haben. Und jetzt? Welche Story wollen wir jetzt daraus stricken?

    Kommt da jemand nicht mit einem anderen Standpunkt klar? Oder warum bemühst du hier diesen doch recht anspruchslosen und willkürlichen Relativismus? :)


    Ich finde es ja immer merkwürdig, was hier für Kriege geführt werden. Subtext: Du kannst gar keinen sinnvollen Standpunkt vertreten aus diesem und jenem Grund. Das Sitzen auf solch einem hohen Roß macht letztlich jede Diskussion sinnlos und offenbart einen totalitären Standpunkt. :)


    Diese Figur gibt es jedenfalls hier häufiger. Die Sache mit den Sichtbeziehungen läßt sich nicht so einfach wegpolemisieren, wie dies Architektur-Fan durchexerziert. Wohl aber kann man die Bedeutung verschiedener Sichtachsen, Kontexte usw. unterschiedlich bewerten.


    Dem einen ist der Neptunbrunnen halt egal, der andere findet das gegenwärtige Ensemble eben reizvoll. Ich gehöre zu letzteren. Den Brunnen kann man immer noch translozieren. Es handelt sich letztlich um Retro-Aktionismus, da man das gegenwärtige Rathausforum unnötig kastriert, eine Tradition auslöscht, eine Wüste am Standort produziert. Und die besondere Berliner Geschichte unkenntlich macht, was auch aus touristischen und anderen Gründen unklug ist.


    Und noch mal: Dieses vermeintlich objektive Getue mit Sichtachsen, Zeiträumen und gesellschaftlichen Prägungen etc. ist letztlich nur eine Krücke, denn es zählt im Endeffekt der subjektive Standpunkt, die ästhetische Bewertung. Man sollte nicht so tun, als ergäben sich irgendwelche objektiven Handlungsanleitungen daraus. Die Nazi-Zeit war ultrakurz und eher suboptimal. Trotzdem lassen wir die Siegessäule so, wie sie ist.


    Jeder bewertet die Sache eben anders. Und da wir kein feudales Schloß mehr haben, sondern ein der Wissenschaft und den außereuropäischen Kulturen gewidmetes Museum, ist ein neuer Brunnen mit neuen Allegorien (z.B. die betreffenden Kontinente oder deren größte Flüsse) naheliegend.


    Man sollte jedenfalls nicht so tun, als ginge es um den Untergang des Abendlandes oder eine existentielle Entscheidung. Wir werden mit beiden Varianten vermutlich gut leben können. :)

  • Und da wir kein feudales Schloß mehr haben, sondern ein der Wissenschaft und den außereuropäischen Kulturen gewidmetes Museum, ist ein neuer Brunnen mit neuen Allegorien (z.B. die betreffenden Kontinente oder deren größte Flüsse) naheliegend.


    Man sollte jedenfalls nicht so tun, als ginge es um den Untergang des Abendlandes oder eine existentielle Entscheidung. Wir werden mit beiden Varianten vermutlich gut leben können. :)

    Da ich etliche Male für die Schloss-Fassade gespendet und noch viel öfter in den letzten 30 (!) Jahren Leserbriefe in verschiedenen Berliner Zeitungen "pro Schloss" geschrieben habe, kann mir die Entscheidung über den Neptun-Brunnen nicht egal sein.
    Vor allem aber ist mir nicht egal, was vor das Portal II. bzw. die Einmündung der Breiten Straße kommt.
    Mit dem Neptun-Brunnen ist klar, dass etwas passendes Schönes den Platz einnehmen wird.
    Aber angesichts der Erfahrungen mit zeitgenössischer Kunst ist das eben NICHT bei einem anderen Brunnen gewährleistet.
    Daher bin ich gegenüber anderen Lösungen als der Rückkehr des Neptunbrunnens äußerst skeptisch.


    Eigenes Foto vom 15.09.2023

    Einmal editiert, zuletzt von Batō () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von ReinhardR mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • ReinhardR Das kann ich grundsätzlich sehr gut nachvollziehen. Wie gefallen Dir denn die bisher gestalteten Grünanlagen? Vielleicht geben die ja einen gewissen Hinweis, mit welchem gestalterischen Stil und Anspruch zu rechnen ist.

  • (u.a. einige wo die Lanze bzw. der Dreizack fast parallel zum Turm steht - wie z.B. hier oder auch hier)

    Und wenn man die Kamera schief genug hält, dann zeigt sogar irgendwann Poseidons Dreizack schnurstracks in den Himmel. Vielleicht hat der Fotograf ja eine Wasserwaage benützt, als er sein Foto gemacht hat? Dann sollte der Fotograf aber besser nicht als Maurer arbeiten, weil sonst alle Wände schief gemauert werden.


    Auf dem zweiten von dir verlinkten Bild wird vom Bodenniveau ausgehend schräg in den Himmel fotografiert. Sinn? Es handelt sich vermutlich um das schiefe "Beweisfoto", dass zwischen Kirche, Brunnen und Fernsehturm sogenannte "ästhetische Sichtachsen" existieren.


    Ich habe den Eindruck, dass du mit ziemlich schiefen Bildern versuchst, dein Argument gerade zu biegen. Wenn diese Bilder irgendetwas aussagen sollen, dann ist es die völlige Beliebigkeit deiner Argumentation.

  • ^Ich schrieb von sehr ähnlichen Blickbeziehungen wie auf den Bildern. Und da ich schon oft genug selbst auf dem Areal unterwegs war, kann ich das ja wohl beurteilen und denke mir das sicher nicht aus. Aber da mir hier nun gleich mehrfach das Gegenteil unterstellt wurde, verweise ich einfach Mal auf Google Street View! Dort gibt es dutzende auswählbare Standorte rund um den Brunnen und - oh Wunder - es finden sich mehrere Perspektiven, die nahezu exakt meinen verlinkten Bildern entsprechen. Wohlgemerkt aus menschlicher Perspektive. Bitte einfach selbst ausprobieren und dann gerne weiter diskutieren. Aber wahrscheinlich habe ich Google jetzt auch noch gehackt, weil ich den Brunnen am Alex schätze und ihn nicht unbedingt beim Humboldtforum haben muss. Ebenso YouTube, teils etwas flach gefilmt aber doch mit den realen Blickbezügen - siehe hier oder hier oder auch hier (mein persönliches Highlight).


    Ich bin hier jetzt erstmal raus, bis es Entwürfe für den Brunnen am Humboldtforum gibt. Ist echt nicht auszuhalten, wie man hier angegangen wird - und dann noch mit sachlich falschen Behauptungen und Unterstellungen. Ich kann mir vorstellen, dass die ganze Aufregung nach der Realisierung von Brunnen, Treppen und Grün rapide abnehmen wird. Aber womöglich wird selbst bei einer hervorragenden Umsetzung noch immer nicht jeder zufrieden sein...

    2 Mal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Wie gefallen Dir denn die bisher gestalteten Grünanlagen?

    Auf der Südseite des Schlosses ist leider gar nichts.
    Am östlichen Spreearm ist die Trauerweide, die ich so recht passend platziert finde aber die doch recht einsam ist.
    Das Grün auf der Lustgartenseite geht so, wenngleich mir die Bäume zu dicht an der Fassade gepflanzt wurden.
    Wie wird das wirken, wenn die Bäume gewachsen sind?
    Die Baumgruppe an der Nordost-Ecke läßt keine Blickbeziehung durch das Sanchi-Tor auf das Rote Rathaus zu - schade!
    Ansonsten empfinde ich Bäume an dieser Stelle als eine gute Idee.

  • Ich kann beide Seiten verstehen. Es ist nunmal so, dass der Neptunbrunnen an seinem jetzigem Standort etabliert ist, ihn da herauszureißen dürfte auf wenig Gegenliebe stoßen, ganz egal was sich Begas da ursprünglich gedacht hat - nur weil das einmal vor den Schlossplatz gedacht war, heißt ja nicht, dass das auf immer so bleiben muss und nur die 'alte' Wahrheit die einzig richtige ist.


    Die Einzige Möglichkeit die ich für eine Versetzung sehe, wäre eine komplette Neugestaltung des Rathausforums, etwa durch eine Bebabuung. Nur wenn es diesen etablierten Ort so nicht mehr gibt macht eine Umsetzung Sinn - der nächstetabliertere wäre dann eben der Schloßplatz.


    In der Zwischenzeit könnte man auf dem Schloßplatz einen neuen Brunnen stellen, den man bei einer etwaigen Neugestaltung dann auf das neue Rathausforum umziehen könnte. Das wäre dann so ein historischer Wink, der dann auch eine etwaige Neugestaltung mehr legitimiert.