Denkmalschutz für Berliner Nachkriegsmoderne

  • < und << im Sommer habe ich diese Aufnahme gemacht. Das historische Café Achteck hinterm Französischen Dom (Nordostecke) hat es erwischt. Ich hoffe sehr, dass es wiederkommt, restauriert und benutzbar. Ansonsten wäre das skandalös. Die 'provisorische' Teerverfüllung läßt mich allerdings schlimmeres vermuten.

    Ansonsten bin ich schon ein Fan der Gartengestaltung wie sie jetzt ist. Gerade im Sommer sind die kleinwüchsigen Baumgruppen der einzige Schattenspender weit und breit.

    Foto von mir:


    foto0xjik.jpg

  • Da die Platzgestaltung im Sinne der Wiederaufbauleistung durch die DDR unter Denkmalschutz geraten ist, wird diese wohl auch in diesem Sinne erneuert werden- ich denke man bezieht sich da dann neben der notwendigen aktualisierung technischer Bedürfnisse im Untergrund auf die gärtnerische Gestaltung, ergo dürfte das Café Achteck wohl auch obsolet sein

    Den Schiller wird man aber wohl kaum wieder wegräumen. Die Gestaltung des Platzes der Akademie arbeitete mit dem Aufmarschcharakter der Pflasterung aus den 30er Jahren - das heißt, zu meinem Bedauern ist eine Anlehnung an die geschmackvolle Anlage aus Rasenparterres und Brunnen wie zu wilhelminischer und Weimarer Zeit nunmehr ausgeschlossen.

  • Hier nochmal die von der DDR nicht mehr fertig gestellten Friedrichstadtpassagen von Prof. Gieske kurz vor ihrem Abbruch 1992. Man könnte fast von einem Neoeklektizismus sprechen, wie er sich in Las Vegas findet. (Vergleiche Robert Venturis 'Learning from Las Vegas') Ein bisschen Venenig, ein bisschen Beaux Arts und das ganze verklebt mit dem einen oder anderen "Jugendstil"-Mosaik. Sehr lustig und eigentlich gut gemeint. Man beachte die Dachgauben und die eigenwilligen Schindeln.


    https://www.ddrbildarchiv.de/i…hstadtpassagen-24110.html


    https://www.fotocommunity.de/p…olfram-schumacher/5543111


    https://www.ddrbildarchiv.de/i…lange-umschlag-24331.html

  • < nicht zu Vergessen das DDR Spiel-Casino in der Friedrichstrasse, direkt an der Kreuzung mit der Leipziger Strasse.

    Das fast fertiggestellt war bei Mauerfall und im Inneren auch durch eine Anzahl hervorragender Mosaike brillierte und sich auch sonst durch seine äussere Erscheinung nicht verstecken musste. Es fiel ähnlich schnell dem Abriss anheim und somit der allgemeinen Erinnerung wie das DDR Aussenministerium.


    https://images.app.goo.gl/NLq7WeDuu3L7J2E16


    oder diesen hier im Forum vieldiskutierten und jetzt leider verhunzten Kandidaten.


    https://images.app.goo.gl/W3mfmhMgimoKZhLW9


    von daher ist die Entscheidung der unter Denkmalschutzstellung einiger schützenswerter Solitäre aus DDR Zeiten nur zu begrüssen.


    ,,, es lohnt sich den mittleren link von Georges Henri mal durchzuklicken, dann wird einem bewusst, dass quasi alle Grossbauten die DDR Staatlichkeit repräsentierten, wie PdR oder Aussenministerium, das Domhotel ..etc abgerissen wurden. Und wir wundern uns über Missverständnisse im warsten Sinne des Wortes.... zwischen Ost und West.

    Einmal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Nannte man das Casino nicht abfällig usbekischer Bahnhof?


    sicher zeigte man sich bei diesen Bauten mehr von der verspielten Seite - was ihnen eine charmante Schrulligkeit gab, den Charme verspielen diese Bauten dann aber auch mit zunehmender Grösse.


    In der Weinmeisterstrasse dürfte sich noch immer ein Plattenbau mit Jugendstilzitaten befinden - die stilisierten Störche fand ich immer ganz nett anzuschauen und lenkten den Blick weg von der trüben

    grauen Platte.


    Ich sah diese Bauten immer als Unikum die mir so eigentlich nur aus Berlin bekannt waren.

    Das Hilton sehe ich da in einer ganz anderen Liga. Der Charakter ist für mein Dafürhalten eher austauschbar.


    Für mich persönlich ist die Niederlegung vom Aussenmimisterium kein Verlust, und ich empfinde mich, mit der Tilgung dieser Bauten, auch nicht irgendwie als angegriffen.


    Mit dem Staatsratsgebäude haben wir eh einen relativ großzügigen DDR Staatsbau vor Ort, beim Abriss des Domhotels bin ich Zwiegespalten weil der Ersatzbau stadträumlich keine Wirkliche Aufwertung geschaffen hat sondern eigentlich im gleichen plumpen überdimensionierten Flächenbild verharrte.


    Teile des PdR hätte selbst ich in das Humboldforum versucht zu integrieren dann hätte man sich die Stellafassade schenken können und das Gebäude hätte trotz kontroverser Erscheinung mehr historisches Gewicht.


    Den einzigen wirklich empfundenen Verlust hatte ich bisher beim Ahornblatt.


    Grossbauten der DDR hingegen hatten in mir zumindest nie einen wirklichen Freund und ihr Abriss war für mich eher befreiend und bot Möglichkeiten beide Teile der Stadt auch baulich zu synchronisieren.

  • Ich kenne das Casino als "Haus der Unterhaltung". Usbekischer Bahnhof habe ich auch schon mal gehört. Mit eurem "Dom-Hotel" ist vermutlich das Palasthotel gemeint. Dort habe ich 1989 Silvester gefeiert. Gott war das piefig. Aber Endell hat mit seiner Bewertung des Ersatzes recht.

  • Ich glaube, dieser Ehrentitel ist ein bisschen gewandert. In manchen Artikeln gehört er den Friedrichstadtpalast. Die ehemalige Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung Dorothee Dubrau, dokumentiert die postmoderne Bauphase Ostberlins in ihrem doppelbändigen Architekturführer von 2009; hier heißt es zu den drei neuen Quartieren der Friedrichstadt-Passagen: "Aufgrund ihrer neuen Fassade bezeichnen die Berliner sie sofort als "kasachischen Bahnhof". Dobrau schrieb den "usbekischen" Bahnhofsbegriff auch schon 1995 in einem Arikel den Friedrichsstadt-Passagen zu:


    http://www.dorothee.dubrau.eu/…risse_in_Berlin_Mitte.pdf


    Und auch in Herrmann Rudolphs 'Berlin - Die Wiedergeeburt einer Stadt: Mauerfall, Ringen um die Hauptstadt, Aufstieg zur Metropole' von 2014 heißt es: "... Erich Honecker höchstselbst ... wollte die Straße ... zur "attraktiven Geschäftsstraße unserer Hauptstadt" machen. Das Paradeobjekt dieses Wunsches sollten die Friedrichstadt-Passagen werden, ein gewaltiger Gebäuderiegel, dessen wilde Ornamente den Wortwitz der Berliner herausforderten: Mal wurde er als "usbekischer Bahnhof" verspottet, mal als "Tuntenbrosche".


    Übrigens: Betrachtet man die Metro von Taschkent, dann sieht man, dass der angebliche Volksmund bei seinem Spitznamen hier gar nicht so falsch lag: https://www.reiseknipse.de/201…raum-metro-taschkent.html

    3 Mal editiert, zuletzt von Georges Henri ()

  • Interessante Debatte. Wir sollten aber die Epochen auseinanderhalten. Palast der Republik, Palasthotel und Außenministerium gehören allesamt in die Siebzigerjahre und sind noch von der Moderne geprägt (wobei das Hotel einen Übergang darstellte). Die Bauten in der Friedrichstraße und am Gendarmenmarkt sind zehn bis fünfzehn Jahre jünger und Ausdruck einer eklektischen Plattenbau-Postmoderne - oder eines Plattenbau-Historismus' wie das Westin Grand oder das Hilton.


    Vom Friedrichstadtpalast mag man halten, was man will, aber die Gebäude am Gendarmenmarkt und die erhaltenen in der Friedrichstraße brauchen sich nicht zu verstecken. Ich finde, sie sind für 80er-Jahre-Bauten erstaunlich gut gealtert. Tauscht man die Fassaden aus, geht viel Charme verloren, wie das von Camondo verlinkte Beispiel zeigt. Und auch bei einem Abriss bin ich keineswegs sicher, dass die Nachfolger besser werden. In diesem Sinne zurück auf Anfang: Solange als Alternative Büroraster oder Patzschke-Styropor droht, bin ich mit der bestehenden Bebauung sehr zufrieden.

  • Gibt es denn einen Thread, der sich explizit dem Thema widmet? Es gäbe dazu ja noch allerhand zu teilen. ;)

  • Übrigens: Betrachtet man die Metro von Taschkent, dann sieht man, dass der angebliche Volksmund bei seinem Spitznamen hier gar nicht so falsch lag: https://www.reiseknipse.de/201…raum-metro-taschkent.html

    Die Taschkenter Metro hat in der Tat sehr schöne Bahnhöfe. Es gab in der Sowjet-Union den Anspruch, regionale kulturelle Einflüsse in die Alltagsarchitektur einfließen zu lassen, z. B. bei Metros. Auch die Plattenbauten in Usbekistan erhielten Ornamente, womit der islamische Einfluss Usbekistans berücksichtigt werden sollte.

    Meuser: Usbekistan (jeder-qm-du.de)

  • Mit eurem "Dom-Hotel" ist vermutlich das Palasthotel gemeint. Dort habe ich 1989 Silvester gefeiert. Gott war das piefig. Aber Endell hat mit seiner Bewertung des Ersatzes recht.

    Ich hatte dort in den 90ern mehrere Tagungen. Die runde Freitreppe und das Foyer des Palasthotels waren sehr schön. Heute wäre das Kult. Die Tagungs- und Festräume waren aber in diesem typischen 90er-Stil renoviert worden. Nichts Besonderes. Die Aussicht auf den Berliner Dom war phänomenal. Der Abriss des Palasthotels und des Ahornblatts waren eine Sünde.

  • Das Domhotel wurde im Dezember 1990 am Platz der Akademie eröffnet - seit 1992 heißt es "Hilton" und der Platz seit 1991 wieder "Gendarmenmarkt"....

    Das Palasthotel mit seinen spiegelnden Fensterscheiben und runden Betten (die z. T. auch heimlich gefilmt wurden) war schräg gegenüber vom Berliner Dom.

    Einmal editiert, zuletzt von Vertigo ()

  • Die DDR hatte kurz vorher die Restaurierung des französischen Domes beendet, der Deutsche Dom wurde noch restauriert - warum sollte das Hotel dann nicht auch Domhotel heißen? Zumal Dom hier nicht einen Bischofssitz meint, sondern nur die Kuppeln (franz. Dôme). In den 80er Jahren war die DDR im Bereich Rekonstruktion und Umgang mit der Geschichte nicht mehr so ideologisch - schon gar nicht, wenn es um Devisen ging...

  • Dom-Hotel:

    "Auf historischem Baugrund am Platz der Akademie - dem früheren Gendarmenmarkt - mit Schinkels Schauspielhaus steht dieser Hotelneubau. Das First-Class-Hotel für internationalen Gruppen-, Geschäfts- sowie Tagungs- und Kongreßtourismus bietet hautnahen Kontakt zu Berlins Geschichte, Architektur, Kunst, Kultur und eine exzellente Gastronomie nationaler und internationaler Küche. 370 behagliche Zimmer sind für Sie mit allem Komfort versehen.

    Gastronomie: 3 Restaurants, Hallenbar, Diskothek, Wintergarten, Café, Weinkeller, Bierclub, Bankett- und Kongreßzentrum (600 Plätze)

    Weitere Angebote: Service für Geschäftsleute, Übersetzungsdienst, Schwimmbad, Sauna, Solarium, Whirlpool, Massage, Friseur, Kosmetik, Physiotherapie, Sauerstoff-Therapie, Squash, Bowling, Shops, Parkplatz, Parkhaus, Wagenpflege, Werkstatt, Behindertenzimmer, Kinderbetreuung

    (Hotelführer Interhotel DDR, 1989)"

  • Interessant, dass der Name Gendarmenmarkt zusammen mit dem damaligen Namen Platz der Akademie schon genannt wird. Es gab in der DDR kurz vor ihrem Ende ein Interesse am preußischen Erbe. Es erschienen Bücher und es gab dazu Ausstellungen, die es zuvor nicht gegeben hätte. Auslöser war die 750-Jahr-Feier Berlins. Man konnte ja auch den militärischen Aspekt Preußens etwas wegblenden und auf die nennenswerten Errungenschaften der Aufklärung und des modernen Staatswesens verweisen. Auch im Westen wurde dieser Teil deutscher Geschichte zu jener Zeit etwas salonfähiger.

  • Es gab in der DDR kurz vor ihrem Ende ein Interesse am preußischen Erbe. ... Auslöser war die 750-Jahr-Feier Berlins.

    Das ging schon etwas früher los: Das Reiterstandbild des Alten Fritz' wurde bereits 1980 wieder Unter den Linden aufgestellt. Christopher Clark schreibt darüber in "Von Zeit und Macht", wo es um das Zeit- und Geschichtsbild preußischer bzw. deutscher Herrschender in verschiedenen Jahrhunderten geht. Wenn ich mich recht entsinne, argumentiert er in etwa: In den Anfangsjahren war das Zeitverständnis der SED auf eine leuchtende Zukunft gerichtet, der man die Gegenwart unterzuordnen habe. Das verblasste in der frühen Ära Honecker zugunsten eines Lobs des "real existierenden Sozialismus" im Hier und Jetzt. Und als es langsam bergab ging, trat die Rückbesinnung auf die Tradition in der Vordergrund.


    Nicht zuletzt erkennbar ist das an den großen Reko-Projekten am Gendarmenmarkt, im Nikolaiviertel oder in Dresden. Ganz weg war Preußen in der DDR aber nie: Die NVA z.B. trat sehr viel "preußischer" auf als die Bundeswehr.

  • Im Westen wurde Preußen zu jener Zeit auch etwas rehabilitiert. Da sich die Nazi-Propaganda gerne bei Preußen bediente, stand es zuvor auch dort lange Zeit im Misskredit. Das mit der NVA stimmt, erinnert mich wieder an die Filmklamotte Top Secret von 1984. So eine Rückbesinnung auf Traditionen gab es in beiden Systemen Deutschlands und darüber hinaus architektonisch mit der Postmoderne in Europa und Amerika. Aus meiner Sicht eine Gegenreaktion auf den zuvor herrschenden Fortschrittsglauben in Ost und West und Zeichen eines gesellschaftlichen Paradigmenwechsels, der ab Mitte der 70er einsetzte.

  • Ich denke, dass die DDR kein einziges Hotel gebaut hat, was auch nur in irgendeiner Weise einen Denkmalschutz verdient hätte. Ich kann mit diesem Pseudostil nicht viel anfangen, dieses Sammelsurium aus verschiedenen Elementen mit relativ einfachen Materialen ist einfach nur banal.

    Die Lage der Hotels war die größte Stärke. Deshalb war der Deal damals für Hilton interessant (außerdem gehörten Dresden und Weimar ebenso dazu), ebenso für Westin diese Häuser zu übernehmen. Die Qualität der Hotels war mit Verlaub einfach nur unterirdisch und für einen Betrieb nach heutigen Maßstäben völlig ungeeignet, vor allem wenn man bedenkt, dass diese die sogenannten 'Luxushotels' waren, was sie übrigens auch heute nicht sind.


    Die Zimmer im Hilton-Dom Hotel waren/sind teilweise nicht größer als 14-17qm, die Decken extrem niedrig und nur mit Millioneninvestitionen konnte das Haus qualitativ einigermaßen hergerichtet werden. Das Westin mag vielleicht den ein oder anderen beeindrucken mit dem großen Innenbereich, es leidet letztlich an den gleichen Problemen. Farben, Materialien und Stil haben allesamt diesen Osteuropacharme. Alle diese Hotels waren nach den gleichen Prinzipien gebaut, das sollte man auch nicht vergessen. Es gab keine individuellen Bauherren, sondern Blaupausen, die für alle umgesetzt wurden.

    Das mag jetzt vielleicht etwas harsch klingen, aber mit Luxushotellerie hat das einfach nichts zu tun. Und wenn man solche Kästen mag, sind die Sowjethotels in Moskau, Bukarest usw. wesentlich authentischer und beeindruckender und hatten diese ganz eigene Charakteristik. die all diesen Häusern in Berlin völlig abgeht.