Unterwegs im Lockwitztal (Schluss)
Epilog
Nach der Übernahme der Lockwitztalbahn durch die Dresdner Straßenbahn AG 1942 firmierte die Bahn unter der Liniennummer 31. Ansonsten änderte sich zunächst wenig, sichtbar wurden Neuerungen zuerst mit der 1944 beginnenden Umlackierung der Wagen vom leuchtenden rot-gelb in das städtische Crème mit Flügelwappen. Ende der 1960er Jahre wurde der zum Teil noch von 1906 stammende Fahrzeugpark durch die Umspurung von Stadtspurbeiwagen und die Übernahme von Triebwagen aus Erfurt ein letztes Mal „modernisiert“, wobei die „neuen“ Fahrzeugen einen sehr markanten grasgrünen Anstrich erhielten.
Es zeichnete sich aber Mitte der siebziger Jahre ab, dass eine „große Lösung“ für die herabgewirtschaftete Strecke her musste. Die Wahl stand zwischen Ertüchtigung der Meterspurstrecke und TATRA-Neufahrzeugen, einer Umspurung in Stadtspur oder dem Ersatz durch Bus. Schnell legte man sich auf die letzte Variante fest, und der „Verkehrsträgerwechsel“ wurde unter strenger Geheimhaltung vorangetrieben. So kam die Stilllegung am 8. Dezember 1977 für viele doch recht überraschend. Nun übernahm die Linie 96 auf unverändertem Fahrtweg mehr schlecht als recht die Aufgaben der Bahn, zumal aus dem versprochenen Gelenkbuseinsatz niemals etwas wurde. Die Talstraße wurde recht schnell saniert und verbreitert, hier verschwanden die Gleise zuerst. In Niedersedlitz, Lockwitz und Kreischa jedoch waren sie zum Teil bis tief in die neunziger Jahre und noch darüber hinaus sichtbar und wurden erst bei den umfassenden Straßensanierungen der letzten zwei Jahrzehnte fast restlos beseitigt.
Die Wagen wurden vor Ort in Kreischa verschrottet oder nach Brandenburg und ins Kirnitzschtal abgegeben. Hier sind noch heute zwei ehemalige „Lockwitztaler“ beheimatet. Im Straßenbahnmuseum Dresden hat neben einem der Ex-Erfurter auch der Postwagen eine neue Bleibe gefunden, dessen Wagenkasten war aus einem Garten geborgen und in mühevoller jahrelanger Kleinarbeit wieder zu einem echten Wagen zusammengebaut worden.
Ehemaliger Erfurter Wagen im Straßenbahnmuseum, Zustand Ende der sechziger Jahre. Rechts daneben ein originales Haltestellenschild der Lockwitztalbahn.
Postwagen der Lockwitztalbahn im Straßenbahnmuseum.
Bilder der Linie 31 in den letzten Betriebsjahren findet man übrigens im Netz zuhauf. Außerdem sei zur Lektüre dringend Mario Schatz‘ hervorragendes Buch „Meterspurige Straßenbahnen in Dresden“ (Kenning 2007) verwiesen, leider nur noch antiquarisch und meist zu völligen Mondpreisen erhältlich. Ich werde daher an dieser Stelle auf Verlinkungen verzichten und schließe mit Zeitdokumenten der Stilllegungsära.
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Der allerletzte Fahrplan der 31 aus dem Fahrplan 1977/78 mit zugehöriger Haltestellenübersicht.
Linienschild der 31 aus den siebziger Jahren (Replik). Auffällig die Lücke zwischen den Haltestellen Hummelmühle und Gombsen – hier war im ursprünglichen Drucksatz von 1969 noch die bereits stillgelegte Haltestelle „Hartsteinwerk“ eingefügt.
Beim Verkehrsträgerwechsel betrieb man wenig Aufwand. Bei den 31er-Schildern wurden, wenn sie nicht gerade Souvenirjägern in die Hände fielen, die Liniennummern überklebt und sie fanden nun beim Bus Verwendung. Für neu hergestellte Busschilder benutzte man einfach die alte Siebvorlage und ersetzte nur die Liniennummer. Das war recht simpel, denn alle Haltestellennamen und Anschlüsse blieben zunächst unverändert. Bemerkenswertes Detail: In Kreischa heißt es in der Haltestellenliste noch immer „Straßenbahnhof“ – und das bei einem Busschild!
1986 wurde die 96 von Niedersedlitz nach Leuben verlängert. Hierfür verwendete man ebenfalls die alten Schilder, die nun zum Teil zum zweiten Mal überklebt wurden. Neue Plastikschilder wie dieses gab es erst ein, zwei Jahre später.
Schautafel zur Lockwitztalbahn im Straßenbahnmuseum. Hier in groß.