Ich finde, dass deutsche Städte auch ohne solche Konservierungen von Einschusslöchern und anderen Fassadenschäden eindrucksvoll zeigen, dass der Krieg und die Architekten der Nachkriegszeit grossen Schaden angerichtet haben. Aus meiner Sicht wäre es daher erfreulich, dass bei Sanierungen von Gebäuden, die Krieg und Nachkriegszeit überdauert haben, die Spuren von Krieg, Wetter und Zeit beseitigt würden, um die ursprünglich vom Architekten beabsichtigte Wirkung erleben zu können. Bei der Sanierung eines 60er Jahre Gebäudes käme vermutlich auch keiner auf die Idee, bei der Fassade Feuchtigkeitsschäden oder Graffitis zu konservieren, um zu zeigen, was das Gebäude bereits alles durchgemacht hat.
Aber für Kriegschäden scheinen hier andere Maßstäbe zu gelten, wie Neues Museum, das hier besprochene Gebäude oder auch die Wiederverwendung der nicht sichtbar sanierten Säulen beim Potsdamer Stadtschloss zeigen.

Galerie Bastian + Sanierung Wiwi Fakultät HU [realisiert]
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Zumindest scheint die Fassade jetzt (halbwegs) sauber(er) zu sein. Ansonsten volle Zustimmung! Wobei ich bei solchen Steinfassaden (oder den Kolonnaden der Museumsinsel) immer befürchte, dass sie dann durch das Ergänzen der Schusslöcher mit "frischem" Stein statt wie ein Schweizer Käse aussehen, wie ein Flickenteppich. Man sieht ja den krassen Farbunterschied zw. den alten und den neuen Säulen. Aber an dieser Stelle am Fenster würde es vielleicht nicht so auffallen. Echt überflüssig...
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Die Nachkriegszeit ist überall spürbar, jedoch nicht die Kriegszeit. Gebäude mit Kriegsspuren findet man nur mit der Lupe, Nachkriegsbausünden hingegen blind. Das konservieren von Kriegsspuren heißt NICHT zwangsläufig den zum Großteil beschissenen Wiederaufbau zu verteidigen oder einem Schuldkult nachzuhängen - das sind zwei Paar Schuhe. Man kann auch m.E. nicht sagen "zuviel des Guten". Entweder man machts ganz weg oder lässt es ganz da - welche Spuren sollen denn getilgt werden? Das Dauerfeuer auf die Ostfassade, oder eher die Schusswechsel an der Nordseite? Vielleicht die Granateinschläge? Berlin brannte, Deutschland ging unter - dieses Gebäude ist ein äußerst seltenes Original in situ (!) liebe Museums- und Plexiglas-Auschnittsfreunde mit seinen deutlichen Narben vom April ´45. Und jede einzelne trägt es mit Würde.
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Zusammen mit dem Neuen Museum erhitzt sich hier offensichtlich wieder der alte Streit darüber, an was erinnert werden soll, an die reine Entstehungszeit der Gebäude oder auch an die Spuren der Gefechte am Ende des Dritten Reiches, worüber in diesem Thread schon einmal übel getobt wurde. Was das Neue Museum angeht, bleibe ich bei meiner Meinung, dass es als eine Mahnung gegen den Krieg, der auch immer die Zerstörung von Kulturgütern mit sich zieht dieses Antlitz von aussen und innen zu Recht trägt.
Dagegen bin ich beim Fakultätsgebäude eher skeptisch, ob diese Bewahrung der Kriegsschäden auch auf weitere Gebäude übertragen werden sollte, denn eigentlich sollte da das Neue Museum schon reichen (Wobei am Pergamonmuseum auch solche Spuren zu sehen sind).
Fazit: Die Frage bleibt, wie weit diese Art des Erinnerns gehen darf oder sollte, aber wenn es nicht auf diese Weise geschieht, wie sehen denn die Alternativen aus, kann da jemand einen vernünftigen Vorschlag auf den Tisch legen? -
Man kann auch m.E. nicht sagen "zuviel des Guten". Entweder man machts ganz weg oder lässt es ganz da - welche Spuren sollen denn getilgt werden? Das Dauerfeuer auf die Ostfassade, oder eher die Schusswechsel an der Nordseite? Vielleicht die Granateinschläge?
Die Maxime: "Entweder ganz oder gar nicht." halte ich bei so einem Vorgehen für Unsinnig. Dann müsste die ausgebrannte Ruine erhalten werden. Eine Nutzung wäre unmögich.
Im Gegenteil bedeutet die Konservierung von Zeitspuren immer, dass mit Fingerspitzengefühl und auch mit ästhetischem Anspruch eine Auswahl getroffen wird, während alles was zu technischen Problemen oder Nutzungseinschränkungen führt behoben wird.
In diesem Fall finde ich die Schäden am Fenster (unteres Foto) zu weitgehend und hässlich. -
Über Sinn und Unsinn der didaktischen Ruinenromantik ist in der Tat im Strang über das Neue Museum ausreichend diskutiert worden. Ich fürchte, es gibt hier kaum neue Argumente.
Vergessen wird aus meiner bei all' dem Didaktizismus, der uns mit erhobenen Zeigefinger erklären möchte wie schlimm der 2. Weltkrieg war (als wenn wir derlei Belehrungen bedürften) das geistige Urheberrecht der Architekten. Warum darf ich denn bei diesen Ruinencollagen nicht - wenigstens in Teilen - erkennen wie das Haus vom Architekten gemeint war?
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Die Nachkriegszeit ist überall spürbar, jedoch nicht die Kriegszeit.
Entschuldigung aber das halte ich für großen Unsinn. Wenn es etwas gibt, was alle deutschen Großstädte verbindet dann wohl die sichtbaren Kriegsspuren. Das kann jeder der sich etwas für Stadtbilder interessiert eigentlich kaum übersehen. Die Bandbreite reicht von der obligatorischen Kirchenruine (Hannover, Hamburg, Berlin, Erfurt, Ludwigshafen, Wismar, Anklam usw.), über Kirchen ohne Turmhelme bis hin zu Häusern mit den opulentesten Fassaden die nur noch von einem Flachdach gekrönt werden. Auch Einschusslöcher sind bei etwas aufmerksamen Hinschauen in eigentlich jeder Stadt die im Sturm genommen wurde noch zu sehen.
Ich bleib dabei, dass ich es grundsätzlich gut finde wie man dort vorgegangen ist. Allerdings hätte ich wie bereits oben schon jemand anmerkte die Fassade um die Fensterlichten ebenfalls lieber erneuert gesehen. Beim Sockel kann man mAn nicht viel machen. Der ist extrem zerschossen und das ist wohl auch am Einprägsamsten. Nach oben hin verliert sich der Blick für den gemeinen Fußgänger ohnehin.
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also wirklich, die Fassade ist zu 90 % erhalten. So viel Fantasie hat ja wohl jeder, um sich vorzustellen wie es gemeint ist.
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von saxonia: [...] Kriegsspuren [...] Die Bandbreite reicht von der obligatorischen Kirchenruine (Hannover, Hamburg, Berlin, Erfurt, Ludwigshafen, Wismar, Anklam usw.), über Kirchen ohne Turmhelme bis hin zu Häusern mit den opulentesten Fassaden die nur noch von einem Flachdach gekrönt werden
Ich meine die unmittelbaren 1945 eingefrorenen Momente wie bei besagtem Haus ggü dem Neuen Museum. Deine Beispiele sind ja erst in der Nachkriegszeit zu dem gemacht worden, was sie sind. Kirchenruinen wurden beräumt (die DD FRauenkirche war da ne Ausnahme), Flachdächer wurden auch erst nach dem Krieg drauf gesetzt, Stuckreste womöglich abgeschlagen, Reste von Kirchtürmen weggesprengt: die Berliner Gedächtniskirche z.B. hatte viel mehr vom Krieg übriggelassene Spitze- die jetzige Turmhaube wollte Eiermann genau so, also wurde nachgeholfen. Das Portal vom Anhalter Bahnhof tut auch nur so, als wäre es der einzige Rest aus ´45 - allerdings erst seit 1959...
Wie gesagt, das Unmittelbare so weit es geht Unverfälschte finde ich schützenswert, Zeugnisse des Umgangs mit einem Gebäude nach dem Krieg nur sehr bedingt. -
Wie gesagt, das Unmittelbare so weit es geht Unverfälschte finde ich schützenswert, Zeugnisse des Umgangs mit einem Gebäude nach dem Krieg nur sehr bedingt.Die nahezu vollständige Vernichtung der Berliner Innenstadt und damit einhergehende Brachlandschaft sollte ja eigentlich genügend Kriegsspurenromantik bieten... deutlich eindrücklicher jedenfalls als ein paar konservierte Einschusslöcher.
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Vielleicht für den der weiß wie die Gebiete vor dem Krieg aussahen. Die Überbauung dieser Brachlandschaften kann man aber m.E. nicht als Kriegsspurenromantik abstempeln da hier einfach neue Strukturen geschaffen wurden bzw. werden. -
Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der HU, Kupfergraben
Danke für die Info und die Bilder, Rotes Rathaus. Das musste ich mir auch gleich mal vor Ort abschauen!
Mein Eindruck ist etwas zwiespältig... Aus einigen Metern Abstand sieht das Gebäude eigentlich gut aus - in Würde gealtert, mit viel Patina. Speziell im oberen Bereich fallen die konservierten Schadstellen dann nicht so auf. Aus der Nähe hingegen ist es doch etwas zu viel des Guten (oder Schlechten) - speziell das Sockelgeschoss sieht so doch recht gruselig aus, wie Rotes Rathaus' zweites Bild in #892 gut zeigt.
Dennoch bin ich froh, dass die Bauarbeiten endlich abgeschlossen werden und das Gebäude wieder sichtbar ist. Hier ergänzend noch ein paar Aufnahmen, zunächst von der Bodestraße aus, von wo aus für mich der positive Eindruck überwiegt:
Einige Details sowie Schadstellen:
Insgesamt dennoch ein schönes altes Gebäude:
Hier noch mal die Info-Plane, die das gewollte Ergebnis zu rechtfertigen versucht ("behutsam und geschichtsbewusst"):