Auf den Spuren des Dresdner Oberleitungsomnibusses
(Deutsche Fotothek) – Bild von der offiziellen Eröffnung der Obuslinie C am Münchner Platz, 1.11.1947 Beachtenswert die Zielbezeichnung.
Heute sind wir gleislos unterwegs, widmen uns aber dennoch einem elektrischen Verkehrsmittel. Bereits unmittelbar nach Kriegsende verfolgte die aus der Dresdner Straßenbahn AG hervorgegangene Dresdner Verkehrs-Gesellschaft unter Professor Alfred Bockemühl intensive Planungen zur Ergänzung des hoffnungslos überlasteten Straßenbahnnetzes mit einem für Dresden neuartigen Verkehrsmittel, dem Oberleitungsomnibus. Dabei sollte eine Ringlinie entstehen, mit der das völlig zerstörte Stadtzentrum weiträumig umfahren werden konnte, und von der dann weitere Strecken abzweigen sollten. An einen Kraftomnibusbetrieb war zu diesem Zeitpunkt nicht zu denken, die meisten Busse fielen in Naußlitz den Bomben zum Opfer, und die wenigen noch einsatzfähigen Fahrzeuge mussten als dringend benötigte Lastkraftwagen herhalten…
Letztlich verwirklicht wurde von den großen Plänen nur der Südostabschnitt, der weitestgehend der vor dem Kriege verkehrenden Omnibuslinie C folgte. Somit wurde dieses Liniensignal auch für die neue Obuslinie gewählt, die letztlich mit einer Handvoll bei Schumann in Werdau karossierter Henschel-Ansaldo-Obusse der Kriegsbauart (Normgröße II) am 8.11.1947 feierlich eröffnet wurde. Zuvor musste in ganz Deuschland, also auch den Westzonen, unter größten Mühen das Material für den Bau zusammengesammelt werden. Befahren wurde zunächst in einem heutzutage auf der berühmt-berüchtigten 61 unvorstellbaren 20-Minuten-Takt nur der Abschnitt Münchner Platz – Körnerplatz. Diverse Verlängerungen und Verlegungen sollten in den Jahren danach erfolgen, bis 1964 die größte Ausdehnung des eigentlich nur aus einer Tangentiallinie bestehenden Netzes erreicht wurde. Von Löbtau bis Weißig konnte man nun elektrisch fahren. Die einstige Obuslinie besteht noch heute fast unverändert als 61, allerdings seit 1975 ausschließlich dieselbetrieben.
Streckenführung mit Haltestellen zum Zeitpunkt der Eröffnung. Der Abschnitt Fritz-Förster-Platz – Münchner Platz wurde bereits nach einigen Wochen wieder eingestellt, da zwei Posten der Sowjetarmee am Landgericht einen geordneten Betrieb unmöglich machten. Erst 1953 verkehrte am Münchner Platz mit der Straßenbahnlinie 15 wieder ein Nahverkehrsmittel.
Wir folgen auf einem recht langen Marsch der Obuslinie C auf ihrer ursprünglichen Route vom Münchner Platz nach Loschwitz. Hier blicken wir auf das Landgerichtsgebäude, heute Georg-Schumann-Bau der TU Dresden, vor dem sich für wenige Wochen der Endpunkt der Obuslinie befand.
Landgericht zur Erbauungszeit. An einen Obus war da noch nicht zu denken.
Ehemaliger Endpunktbereich mit Haupteingang.
Schemenhaft erkennen wir das Landgericht hinter dem kantigen Henschel-Obus am Eröffnungstag. (Deutsche Fotothek)
Die sehr kurzlebige Wendeanlage am Münchner Platz. (Deutsche Fotothek)
Blick zur Georg-Schumann-Straße, an der sich der Wendekreis befand. (Deutsche Fotothek)
Zurück in die Neuzeit. Turm des Landgerichts.
Weiter ging es zunächst durch die George-Bähr-Straße.
Blick zurück zum Landgericht.
Am Zeunerbau in der George-Bähr-Straße, Kreuzung mit der Helmholtzstraße. Es herrscht sonntägliche Ruhe im sonst so emsigen Universitätsgebiet.
Lageplan der TU mit den für „Erstis“ völlig kryptischen Gebäudeabkürzungen, und der Fotograf schwelgt in Erinnerungen. Was waren das noch für Zeiten, als man in zwanzig Minuten vom Schumann-Bau zur August-Bebel-Straße hetzen musste…
Reste der gutbürgerlichen Jugendstilbebauung der Südvorstadt an der George-Bähr-Straße.
Gegenüber der Haupteingang des Zeunerbaus.
Potthoff-Bau, einst errichtet als Verkehrshochschule und heute Heimat der entsprechenden Fakultät der TU. Das Gebäude dürfte, abgesehen von der ehrenvollen Ergrauung, noch so ziemlich den Ursprungszustand der frühen Fünfziger widerspiegeln. Die DDR-Topflampe passt zum t´risten Ambiente.
Vor uns taucht das Wahrzeichen der TU auf, der Beyer-Bau mit seinem Observatorium. Errichtet wurde er 1913 und beherbergt heute unter anderem die Fakultät für Bauingenieurwesen.
Beyer-Bau, Details. Die Architektur erinnert an angloamerikanische Universitätsgebäude.
Kurz vor dem Fritz-Foerster-Platz endet die George-Bähr-Straße heute in einer Sackgasse. Wir blicken auf den einstigen Endpunkt „Südvorstadt (Fritz-Förster-Platz)“, ab 1951 „Technische Hochschule“. Hier endeten die Obusse der Linie C nach dem missglückten Experiment mit dem Münchner Platz.
Ehemaliger Audimax des Potthoff-Baues am Fritz-Foerster-Platz.
Am Fritz-Foerster-Platz, dem ehemaligen Sedanplatz, blicken wir einer verdieselten 61 auf dem Weg nach Löbtau hinterher.
Die 61 entstand 1964 mit der Verlängerung der Obusstrecke nach Löbtau (Willi-Ermer-Platz) und doppelte ab dem Fritz-Förster-Platz die ältere „C“, die 1965 in 62 umbenannt wurde, bis Gruna. 1966 wurden beide Linien schließlich zur 61 zusammengelegt. Die 60er-Nummern waren ursprünglich einzig den Obussen vorbehalten – dies war der Grund, warum die 61 bis 2009 als einzige über eine solch exotische Linienbezeichnung verfügte. Von einer Umnummerierung nach der endgültigen Verdieselung 1975 nahm man aus unbekannten Gründen Abstand.
Willers-Bau der TU am Zelleschen Weg.
Ende der fünfziger Jahre fährt eine „C“ mit einem der originalen Henschel-Obusse Richtung Weißig, welcher wiederum einen neueren LOWA-Anhänger zieht. Der Anhängerbetrieb wurde recht schnell eingeführt und bestand bis zum Ende des Obusbetriebes, denn von Beginn an herrschten auf der Linie mit ihrem dichten Studentenverkehr chaotische Zustände. Bekanntlich hat sich daran ja bis heute nichts geändert… (Deutsche Fotothek)
Treffz-Bau mit der Erweiterung aus den 2000er Jahren, die ich für wenig gelungen halte.
Dichtes Grün beherrscht den Zelleschen Weg, der Willers-Bau ist kaum noch zu erkennen. Davor ein aktueller Obus-Ersatz in Form eines Lion’s City G.
Die gleiche Perspektive in den fünfziger Jahren. Der Henschel-Obus zieht einen der sehr rustikalen Beiwagen der ersten Anhängergeneration. Diese wurden auf Fahrgestellen von LKW-Anhängern aufgebaut und präsentierten sich entsprechend hochbeinig. Mit der Eleganz der Dresdner Straßenbahnwagen konnte das kantige Obus-Material der ersten Stunde kaum mithalten, aber es erfüllte seinen Zweck. (Deutsche Fotothek)
In den erhaltenen Wall des einstigen Sportplatzes geschnittener Haupteingang der im Stadionrund versenkten SLUB.
Blick zurück zum Fritz-Foerster-Platz mit dem Turm des Beyer-Baus. Die SLUB-Uhr wird hoffentlich bald den Gleisen der geplanten Straßenbahnverbindung weichen.
Die Haltestelle „Sportplatz“ wurde erst nachträglich eingerichtet, zu Beginn wurde der noch viel schmalere Zellesche Weg bis zur Ackermannstraße ohne Halt durchfahren. In den 1990er Jahren wurde sie in „Räcknitzer Marktweg“ umbenannt, den noch sperrigeren heutigen Namen erhielt sie nach Eröffnung der neuen Bibliothek.
Der denkmalgeschützte Andreas-Schubert-Bau entstand von 1956 bis 1960 und präsentiert sich heute in optisch hervorragendem Zustand.
Wir nähern uns der Ackermannstraße. Im Hintergrund die studentischen Hochhaustürme an der Wundtstraße.
Anfang der siebziger Jahre sah es hier so aus, der Zellesche Weg wird gerade verbreitert. Der Ikarus 66 ist wohl für einen ausgefallenen Obus eingesprungen, denn noch hängen die Fahrleitungen. (Deutsche Fotothek)
Schließen möchte ich den ersten Beitrag dieser Serie mit einem Schilderdokument. Die „E61“ stammt von 1976/77, also wenige Jahre nach Kompletteinstellung des Obusses. Haltestellenlagen und -bezeichnungen entsprechen ebenso wie die Streckenführung noch exakt dem Obus in seiner letzten Erscheinungsform. Ein sehr wertvolles Zeitdokument, auch wenn ich leider nicht über ein derartiges Schild der „echten“ 61 verfüge.
Fortsetzung folgt…