Projekt "Main Yard" im Allerheiligenviertel (in Bau)

  • Und wieso kann man nicht wenigstens die Fassade erhalten und nur hinten dran neu bauen?

    "Ornament ist Verbrechen" (Adolf Loos, 1910)


    Solange diese Doktrin (oder Schlachtruf) der Moderne in beinahe jeder Architektur-Hochschule und den großen Büros hierzulande als heiliger Gral gilt, ist diese ideologische Bulldozer-Mentalität die logische Konsequenz,

  • Der Standsicherheitsnachweis wird üblicherweise nicht für den Bestand, sondern im bzw. bis zum Ende vom Genehmigungsverfahren für das mit der Genehmigung in Stand zu setzende Vorhaben erbracht. Gutachter werden hierbei von den Bauherrn/Vorhabenträgern bezahlt. Soweit die technischen Regelungswerke Ermessensspielräume enthalten, können diese für den Geldgeber ausgenutzt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass der Bauherr aufgrund der veränderten Bausituation am Markt Geld für den Erhalt und die aufwendige Sanierung sparen wollte. Der Erhalt des Altbaus hätte dem Quartier Charakter verliehen, wonach nicht nur neu gestaltete (flache) Fassaden vorhanden gewesen wären. Neben der städtebaulichen Anordnung und den unterschiedlichen Gebäudehöhen mit divergierenden Dachaufbauten war der Erhalt des Altbaus das Highlight des Projekts.

  • Denkmalschutz abgerissen, mit 70er-Kitsch erstzt



    Es ist immer wieder traurig zu sehen, wie oft städtische Entwicklungen so schief laufen können und wie naiv die Menschen dabei sind. Jetzt soll in dem Neubau die alte Rotlichtkneipe aus den 70ern “möglichst authentisch” wieder entstehen – wahrscheinlich als Trost für den Abriss (FR Rundschau). Aber mal ehrlich, wer trauert dieser Kneipe wirklich nach? Sie war keine kulturelle Institution, sondern vielmehr ein Schandfleck, wenn man den Berichten Glauben schenkt. Hätte dort eine Spielhalle gestanden, würde man wohl auch versuchen, diese wieder auferstehen zu lassen? Wichtig ist doch das alte Gebäude, das als Relikt des Krieges ein Stück der einstigen Schönheit dieser Stadt verkörperte. Solche Entscheidungen können nur getroffen werden, wenn die Investoren nicht aus der Stadt kommen und die Verantwortlichen so naiv sind, sich überhaupt mit solchen Vorschlägen zu beschäftigen. Und leider passiert genau das viel zu oft. Das Einzige, wofür sich die Stadt hätte einsetzen müssen, war der Erhalt des alten Gebäudes oder ein Neubau in identischer Form.


    Ich höre die Investoren aus München schon lachen: “Wir haben den Frankfurtern das letzte schöne und denkmalgeschützte Gründerzeitgebäude in dem Viertel abgerissen und als Trost eine 70er-Jahre-Rotlichtkneipe in einem Neubau angeboten. Jetzt suchen sie eifrig nach alten Binding-Schildern, damit das Ganze so originalgetreu wie möglich aussieht.” 😆


    Ich sage euch, die einzige Möglichkeit, wie der Investor noch sein Gesicht wahren kann, ist, das alte Gebäude „möglichst authentisch“ wieder aufzubauen – außen wie innen. Versucht man aber vorherzusagen, was wirklich entstehen wird, tippe ich auf eine moderne, glänzende Plastikfassade, die dem Original ästhetisch nicht im Geringsten das Wasser reichen kann. Und die Kneipe kann der Investor gerne vergessen. Große Investoren und städtische Bürokraten können kein Kult schaffen oder wiederbeleben – das dürfte doch klar sein. Warum wir überhaupt diese Art von „Kultur“ brauchen, bleibt mir ein Rätsel.

  • Von wegen das Gebäude sei nicht standsicher gewesen:

    Auf diversen Presse-Bildern des Abrisses kann man sehen, dass über dem noch intakten EG-Bereich ein grosser Haufen Schutt der bereits abgebrochenen oberen Geschosse liegt. Das ist ein Mehrfaches an Gewicht einer reinen Wohnnutzung (z.B. Möbel etc.). Spätestens hier hätte "STOP" mit dem Abriss gemacht werden müssen.

    Das verbleibende KG und EG hätten im Original erhalten und wieder ertüchtigt werden können (ohne Gefahr für Passaten / Verkehr auf der Strasse). Ab 1. OG bis DG hätte dann die originale Fassade samt originaler Deckenhöhen wieder aufgebaut werden können [technisch dann natürlich gerne in Stahlbeton-Bauweise statt Holzbalkendecken - sollte mindestens wieder 150 Jahre halten ;-)].

    Hier hätten die "Entscheider" in den Behörden gehörig flexibler "mitdenken" sollen / müssen. Dann wäre dieses Voll-Desater so nicht passiert. Welche eigene bautechnische Expertise haben diese Leute eigentlich ?


    PS:

    In Dresden wurden z.B. das Taschenbergpalais und das Kurländer-Palais rekonstruiert. Dort wurden einzelne alte Ruinen-Wände (beim TB teils über 10 Meter hoch !) die jahrzehntelang Wind und Wetter ausgesetzt waren in den originalen Neubau integriert. - Von wegen "keine Standsicherheit".

    Für wie blöde wird die interessierte Öffentlichkeit eigentlich gehalten ?!

  • Ich kann meinen Vorredner*innen nur zustimmen und sie ermutigen, den Unmut nicht nur hier im Forum sondern auch direkt bei den Verantwortlichen loszuwerden. Jetzt liegt es noch in der Hand, Druck auszuüben und Erklärungen und angemessene Gestaltung einzufordern.

  • Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass wir als außenstehende mehr Ahnung von der Materie (speziell auf dieses Haus) haben als der Denkmalschutz und die Gutachter. Es ist schon durchaus möglich, dass das Haus derart marode ist, dass eine Sanierung nicht mehr lohnt.


    Sollte der Entwickler die Brache jetzt mit einem 08/15 Neubau ersetzen, wäre ich aber auch sehr empört.


    MMn. muss in so einem Fall eine 100%-ige Rekonstruktion der Fassade stattfinden. Die Trauf- und Firsthöhe den Nachbarn anzupassen könnte ich auch noch gut nachvollziehen.


    Man sieht es ja am FOUR. Hier ist die denkmalgeschützte Fassade auch letztendlich abgerissen und durch eine Rekonstruktion ersetzt worden, die der alten in nichts nachsteht. Das wurde toll gemacht.

  • Man hätte die Fassade auch einfach stehen lassen können. Die so genannte "Hamburger Lösung" mit abgestützter Fassade ist bewährt, dahinter kann dann ein Neubau entstehen. Oder man hätte verkünden können, dass die Fassade auf jeden Fall rekonstruiert wird. Alles das ist nicht Geschehen und so entstehen Spekulationen, zumal der Altbau dann doch sehr schnell weg war und keine Begründung abgegeben wurde, warum nicht zumindest die Straßenfassade erhalten wurde.

  • Als unter anderem gelernter Handwerker im Restaurationsbereich kann ich nur sagen: Hier kann alles vorgekommen sein. Mein Herz leidet auch immer mit wenn so etwas abgetragen wird. Vielleicht war aber auch der Mörtel im Mauerwerk schon so schlecht, porös oder marode, dass es sich hier anscheinend wirklich nicht gelohnt den Erhalt zu gewährleisten. Spekulieren bringt aber hier jetzt nichts. Dafür müsste man mehr Einblick in die Materie bzw. in die Abrissgenehmigung usw. bekommen. Das Denkmalamt, Gutachter oder dafür zuständigen Stellen werden sich bestimmt schon ihren Teil gedacht haben als sie den Abriss genehmigt haben. Anbei noch ein Link zum Bericht der fnp: https://www.fnp.de/frankfurt/e…n-frankfurt-93376313.html

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  • Ob ein Gebäude als standsicher gilt, hängt auch von den Ansprüchen bzw. Anforderungen ab.
    Wenn in dem Gebäude große Umbauten geplant waren und entsprechende Standsicherheitsnachweise geführt werden mussten, kam man da sicher schnell an die Grenzen.
    Beim Umbau bzw. Umnutzungen von Bestandsgebäuden werden heutige Maßstäbe angesetzt, die werden vom Gesetzgeber gefordert. Beim Wärmeschutz gibt es Abstriche.
    Um die Standards zu erreichen, hätte man man die Decken wahrscheinlich so viel Beton rein pumpen müssen, dass das ganze Gebäude zusammenbricht.

    Den Umgang mit dem Bestand muss man wollen und zu Kompromissen bereit sein.
    Man kann jedes (alte) Gebäude kaputt rechnen.

    Wenn da jetzt eine Stahlbetonbude mit WDVS-Fassade entsteht, sind doch alle Spatzen gefangen und alle bautechnischen Anforderungen erfüllt.
    Für das grüne Gewissen gibt es ein entsprechend "Klimaschutzsatzung" ein bisschen grünes Lametta an der Fassade. Und als Gimmick gibt es das alte Schild der Kneipe-
    Dann können doch alle ruhig weiterschlafen.

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