^Natürlich wurde die Umsetzung der Bundespolitik auch vor Ort (u.a. und insbesondere in Berlin) schlecht gemanagt. Aber den Menschen geht es mE primär darum, DASS die Flüchtlinge da sind und es zumindest gefühlt massive Probleme mit ihnen gibt. Die Anschläge in Bayern, Sylvester u.a. in Köln und auch viele diffuse teils sogar erfundene Meldungen von onanierenden Flüchtlingen an Kinderspielplätzen oder Grabschern in Schwimmbädern erzeugen landauf, landab eine Wut- und Angststimmung, die nicht unbedingt mit frierenden Menschen vorm Chaos-Lageso oder anderen berlinspezifischen Belangen zu tun hat, sich aber auch hier auf die Wahlergebnis auswirken wird. Da bekommen natürlich auch die Bundesparteien CDU und SPD ihr Fett weg (sodass sich die Lokalpolitiker teils offen von dieser "Berliner Politik" distanzieren oder sich sogar öffentlich fetzen). Die angespannte Wohnungssituation und die generelle Angst vor raueren Verteilungskämpfen in der großen finanzschwachen Gruppe in Berlin kommt natürlich erschwerend hinzu.
Ich weiß auch ganz ehrlich nicht, ob es so klug von der Berliner SPD ist, jetzt volle Konfrontation gegen AFD-Wähler zu fahren und diese kollektiv als "Rechte und Nazis" zu bezeichnen (was in dieser direkten Verknüpfung alle zu Nazis macht). Das wird die Wut auf den arroganten Politiker ohne Gespür für die realen Sorgen und Ängste der Bürger nur schüren und genau frustrierte Protestwähler in einer trotzigen Jetzt-erst-recht-du-A....loch-Stimmung an die Urnen treiben. Da hat Kretschmann mE recht, dass so ein Vorgehen sehr gefährlich und massiv zweischneidig ist. Scheint aber Tenor im Wahlkampfteam der SPD zu sein, wenn auch deren Wahlkampfmanager sich entblödet, durch die hohe Mobilisierung von "Stahlhelm-CDU" und "Schießbefehl-AFD" müsse der links tendierende Wähler seinen Ar... jetzt uunbedingt hoch bekommen. Sonst werde er in einem aanderen Berlin wach werden. Und auch er bezieht sich wie Müller auf Berlins Ansehen in der Welt. Wenn jetzt schon die CDU so breitflächig als "Stahlhelm-Partei" angemacht wird, muss zum einen das Tischtuch massiv zerrissen und zum anderen die Angst vor einer Pleite enorm groß sein. Generell scheint man die CDU in einem bewussten Linksruck mehr und mehr zu isolieren und sich schon fest auf Rot-Rot-Grün einzuschwören. Mir gefällt das ebenso wenig wie die Rhetorik der AFD auf der anderen Seite des Spektrums. Eigentlich antwortet man auf ähnlich niedrigem Niveau und treibt die Spaltung der Gesellschaft aktiv mit voran. Wahrlich keine große Leistung für eine Partei mit so einer großartigen und reichen demokratischen Tradition. Auch die CDU gefällt mir zuletzt immer weniger mit ihren düsteren "Sicherheit wählen" Plakaten (vielleicht ist hierauf der Stahlhelm-Spruch bezogen) und ihrer zunehmenden Zuspitzung auf Rot-Rot-Grün verhindern. Ersteres schürt ebenfalls wieder die negativen Emotionen. Letzteres kann im besten Fall etwas der AFD weh tun (wenn deren Wählerpotential sich denn für strategisches Wahlverhalten erwärmen lässt, was ich teilweise erheblich bezweifle). Im schlechteren Fall wird es nur als weiteres Signal vernommen, dass die alten Parteien zerstritten und mit sich selbst und dem Aufeinanderzeigen beschäftigt wirken.
Ich fühle mich von so was jedenfalls nicht mehr inhaltlich angesprochen oder gar überzeugt, wenn ich zur Wahl gerufen werde, um irgendwas zu verhindern oder gar das Ansehen der Stadt zu retten (oder nicht doch eher den Hintern eines Politikers, der es im Zweifel nicht einmal verdient hat). Jedenfalls isolieren so beide große Volksparteien ein Lager, das insgesamt je größer ist als sie selbst (SPD: CDU- und AFD-Wähler; CDU: Grüne und Linke) wobei die SPD zunehmend jedes Maß verliert und die CDU dann auch noch mal härter zurück schießen könnte (ein Stahlhelm-Image will ja auch gefüllt werden). Wie im schmutzigen US-Wahlkampf könnte dann unabhängig vom "Sieger" der Schlammschlacht eine bescheidene, vorwiegend negative, Stimmung herrschen, wo keiner wirklich zufrieden oder motiviert ist. Vielleicht werden die Damen und Herren Politiker dann begreifen, dass es nur sehr begrenzt auf sie ankommt und sie nun erstmal schauen müssen, wie sie wieder die gesamte Bevölkerung ansprechen und erreichen können.
Das mag alles etwas zu dramatisch klingen aber für mich ist das rhetorisch ein neuer Tiefstand, wie ich ihn zumindest gefühlt noch nie erlebt habe. Im Moment schäme ich persönlich mich besonders für die SPD, die in unserer Familie traditionell immer einen besonderen Stand hatte - trotz viel Kritik in einzelnen Fragen.