Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2016

  • Rot-Rot-Grün wäre aus meiner Sicht nicht die schlechteste Variante. Vor allem in der verfehlten Verkehrspolitik erhoffe ich mir da eine bessere Richtung. Mehr ökologische und soziale Aspekte täten der Berliner Politik gut.


    Dennoch halte ich die klar formulierte Präferenz von Müller als riskant. Man kann es zwar positiv werten, dass sich mal ein Politiker eindeutig äußert, es kann aber auch kontraproduktiv sein. Manch ein tendentiell eher biederer konservativer Unentschlossener oder Wankelmütiger wird jetzt aus "Angst" vor so einer Koalition doch wieder CDU oder (noch schlimmer) FDP wählen. Dann gäbe es schlimmstenfalls am Ende doch wieder nur ein elendes "Weiter so wie bisher".

  • Rot-Rot-Grün wäre aus meiner Sicht nicht die schlechteste Variante. Vor allem in der verfehlten Verkehrspolitik erhoffe ich mir da eine bessere Richtung. Mehr ökologische und soziale Aspekte täten der Berliner Politik gut.


    In Sachen Bildungspolitik wäre das in etwa die ultimative Katastrophe. Die Freie Universität ist ja seit jeher eine eher linksliberale Uni aber diesbezüglich teilen dort praktisch alle Dozenten und die allermeisten Studenten die Kritik an den SPD-Bildungsminustern und ihren vielen ideologisch geprägten Reformen ohne vernünftige empirische Grundlagen oder wenigstens wissenschaftlich evaluierte Pilotprojekte. Noch schlimmer: Nicht einmal die ausführenden Schulen bekommen da irgendwelche vernünftigen Handreichungen oder gar entsprechendes Personal und sonstige Rahmenbedingungen gestellt. Einer der schlimmsten Fehler aller Zeiten war etwa die Abschaffung der Vorschule, dicht gefolgt vom kollektiven Zwang zu JÜL, Verkürzung der Gymnasienzeit oder der Einschulung mit 5. Überall sind die Experten und auch die Schulen Sturm gelaufen - jedes Mal haben die Minister es durchgedrückt. Und in den meisten Fällen hat man klar gesehen, dass es ganz großer Müll und pure Geldverschwendung dazu war. Teils wurde es kleinlaut zurück genommen, auf die Wiedereinführung der Vorschule (eine der zentralen bildungspolitischen Forderungen der CDU) warten die Grundschulen hingegen bis heute. Mein Vater als überzeugter Sozi wählt seit Jahrzehnten immer nur SPD. Aber in seinen vielen Jahren als Lehrer hat er nie ein gutes Haar an deren Bildungspolitik gelassen (wie ich überhaupt keinen Lehrer kenne, der dies tut). Und was ich dazu von Linken und Grünen mitbekomme ist keinen Deut besser. Ein sächsischer Bildungsminister (ich glaube CDU, bin aber nicht sicher) hat es kürzlich mal gut auf den Punkt gebracht als er gefragt wurde, weshalb Sachsen sich so an die Spitze setzen konnte. Er habe seinen Lehrern und Schülern einfach die vielen unausgegorenen und frustrierenden Reformen anderer Bundesländer erspart. Diesen Verzicht auf teuren Aktionismus sehe er als einen seiner größten Verdienste. Das erinnert mich persönlich verdächtig an die Aussage vieler Berliner Wirtschaftsexperten, Berlin gehe es wirtschaftlich TROTZ der Politik besser nicht WEGEN (wobei dies auch die CDU mit einschloss). Sorry, aber im Vergleich zum Thema Bildung ist mir die Verkehrspolitik nicht wichtig genug. Unter Rot-Rot fand ich die auch nicht deutlich besser (wobei die Wirtschaftspolitik dafür umgekehrt auch nicht unbedingt schlechter lief). Im Grunde sind die Unterschiede oft marginal, insbesondere so lange die SPD die treibende Kraft bleibt. Ich habe sie bisher als in der Summe kleinstes Übel selbst gewählt, überdenke das gerade aber intensiv, sodass ich wohl in folgende Kategorie fallen dürfte:


    Manch ein tendentiell eher biederer konservativer Unentschlossener oder Wankelmütiger wird jetzt aus "Angst" vor so einer Koalition doch wieder CDU oder (noch schlimmer) FDP wählen.


    FDP sicher nicht. Aber so eindimensional negativ sehe ich die CDU in direkter Alternative zu SPD, Linken und Grünen nicht (mehr). Leider bin ich aber allgemein nicht mehr sonderlich angetan von den Berliner Parteien. Da ist meine Leidenschaft für Demokratie an sich deutlich stärker als dass ich wegen einer der gebotenen Alternativen begeistert und enthusiastisch wäre. Zur Wahl gehe ich deshalb also trotzdem und helfe auch als Wahlhelfer, denke aber dennoch manchmal an das zynische Brecht-Gedicht:


    Ich sitze am Straßenhang.
    Der Fahrer wechselt das Rad.
    Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
    Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
    Warum sehe ich den Radwechsel
    mit Ungeduld?

  • Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin

    ^ Nix zur Wahl oder zur Bildungspolitik, aber ich schließe mich der Lyrik-Stunde an – wobei ich das Brecht-Gedicht nicht zynisch finde, sondern ratlos und traurig. Zynismus ist höhnisch und laut; dieses Gedicht ist fragend und leise. Dazu passend (und Brecht vielleicht paraphrasierend) ein Gedicht des großen und leider viel zu früh verstorbenen Thomas Brasch:


    "Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
    wo ich bin will ich nicht bleiben, aber
    die ich liebe will ich nicht verlassen, aber
    die ich kenne will ich nicht mehr sehen, aber
    wo ich lebe will ich nicht sterben, aber
    wo ich sterbe, da will ich nicht hin
    bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin."

  • Ein anonymer (positiver) Bewerter gestand, dass er keine Ahnung von der Berliner Bildungspolitik habe. Das geht den Politikern, welche diese betreiben, leider sehr ähnlich. Aber an sich reicht schon etwas gesunder Menschenverstand oder NACHFRAGEN bei den Schulen.


    Beispiel Vorschule: Man stelle sich einfach mal eine extrem heterogene Stadt vor, wo die stärksten 5-10% der Schüler ähnlich gute Leistungen erbringen wie die besten in Sachsen oder Bayern aber auf der anderen Seite auch ein großer Teil extrem abfällt und ohne Intervention sehr wahrscheinlich keinen oder einen schlechten Abschluss schaffen wird. Solche Kandidaten schleuse ich immer wieder durch MSA und Abitur. Ohne kostenlose Nachhilfe hätten viele keine Chance und die traurige Wahrheit ist, dass die meisten davon keine solchen Angebote erhalten. Besser wäre es, wenn diese Schüler nicht mit riesigem Rückstand starten müssten.


    Natürlich ist der politische Einfluss endlich aber hier hatte die Vorschule ihre wichtige Funktion. Wer früher kaum Deutsch konnte oder andere Schwierigkeiten hatte, wurde hier möglichst systematisch von ausgebildeten Lehrern schulreif gemacht. Wenn ein Jahr nicht reichte, konnte sogar noch ein zweites dran gehängt werden (wurde nicht als Sitzenbleiben gewertet). Heute beginnen viele Schüler schon völlig überfordert (weil die Kita es nicht wuppt). Und die Lehrer verzweifeln natürlich, weil sie so immer weniger Stoff schaffen. In der Praxis verlieren sie regelmäßig die besten und schwächsten Schüler und das über Jahre.


    Nun nehme man noch JÜL (jahrgangsübergreifendes Lernen) hinzu. Bedeutet, dass 1. und 2. Klasse gemeinsam unterrichtet werden - sprich noch mehr Heterogenität. Wurden Lehrer systematisch dafür geschult? Nein! Hat man zunächst erprobt, wie so etwas hier bei uns gut funktioniert? Nein, reicht ja, dass das in Finnlands Dorfschulen super klappt.


    Als nächstes soll nun die vollständige Inklusion kommen, i.e. körperlich oder geistig behinderte wie auch verhaltensextreme Schüler sollen regulär mit in den Klassen unterrichtet werden. Werden Lehrer systematisch dafür geschult? Nein! Wird entsprechend Personal eingestellt? Nein! Ein paar zusätzliche Rampen und Fahrstühle müssen doch reichen. Da wird ein wirklich schönes Ideal von Comenius (alle zusammen lernen alles lebenswichtige) völlig verhunzt umgesetzt und Schüler wie Lehrer völlig verbrannt.


    Ich kann kaum daran denken, ohne in Rage zu geraten. Es gibt eigentlich nur ein Wort, was mir dazu einfällt: Wahnsinn! Wenn man nicht völlig unzurechnungsfähig oder gewissenlos ist, kann und darf man das unseren Kindern und Jugendlichen mE einfach nicht antun. Und mit der von Backstein geforderten SOZIALEREN Politik hat das in etwa so viel zu tun wie der sprichwörtliche Bock mit dem Gärtner.


    P.S.: Wie zur Bestätigung hier die neuesten Ergebnisse zum Berliner Bildungsdesaster

  • ^ Man kann sich immer leichter Aspekte raussuchen, warum man eine bestimmte Konstellation nicht gut findet, als dass man sich mal positioniert, was man als die beste ansieht.


    Gerade beim Thema Politik. Es gibt unzählige Aufgabengebiete von Wirtschaft & Arbeit über Verkehr, Soziales, Bildung, Sicherheit, Ökologie, Flüchtlingspolitik, Stadtentwicklung, Kultur und und und. Die eierlegende Wollmilchsau gibt es auch bei den Parteien und Koalitionen nicht. Bis auf ein paar eingefleischte Stammwähler (wie meine Oma selig "natürlich wähle ich XY, das war bei uns schon immer so") werden die meisten das aus ihrer Sicht kleinste Übel wählen oder, um es positiver auszudrücken, die Partei(en), die noch die meisten Übereinstimmungen mit den eigenen Prioritäten zeigen.


    Für dich ist es anscheinend das Thema Inklusion, ich halte auch andere Themen für mindesten genauso wichtig.


    Mal abgesehen davon ist der tatsächliche Gestaltungs- und Spielraum, den die Parteien auf kommunaler, Landes- und Bundesebene haben, wesentlich geringer als viele denken. Und vielleicht hat Sachsen eine bessere Bildungspolitik, dafür aber anderswo (bekanntlich) massive Probleme. In dem Fall ist mir die vielleicht schlechtere Bildungspolitik in Berlin lieber als das andere. Es ist auch nicht so sinnvoll, bei solchen Themen wie Schul- und Bildungspolitik ein Flächenland mit sehr niedrigem Migrantenanteil und einen Stadtstaat mit einer ganz anderen sozialen Zusammensetzung ohne weitere Differenzierung zu vergleichen.

  • Backstein: Von Dir würde ich eigentlich schon erwarten, dass Du die Beiträge insgesamt lesen und deuten kannst. Ich habe mitnichten nur vom Thema Inklusion geschrieben. Davon abgesehen ist mir bekannt, dass es in der Politik mehr als einen Aufgabenbereich gibt. Für mich gehört Bildungspolitik jedoch zu den wichtigsten, weil die Folgen für die Gesellschaft enorm und weitreichend sind. Die Korrelation von Bildung zu kollektivem Wohlstand aber auch gesellschaftlicher Teilhabe, Drogenkonsum, Teenagepregnancy, Gewalt, genereller Delinquenz und zahlreichen weiteren sozialen Aspekten ist empirisch klar belegt. Und gerade wenn Du Dich für soziale Gerechtigkeit einsetzt, kann es Dir eigentlich kaum egal sein, wenn sich die unterschiedlichen Startbedingungen durch das Bildungssystem Generation für Generation weiter fortsetzen. Heute studieren wieder primär die Kinder von früheren Absolventen. Die soziale Durchlässigkeit tendiert mehr und mehr gegen Null. Das war vor ein paar Jahrzehnten schon mal deutlich anders.


    Übrigens: Bildung war, ist und bleibt Ländersache und ist deutlich leichter und unmittelbarbarer zu beeinflussen als politische Ansichten oder sonstige Probleme, die Du womöglich in Sachsen ausmachst, die aber auch im tiefroten Brandenburg oder den ebenso roten Ostberliner Bezirken nicht selten sind. Der Gestaltungsspielraum liegt also eindeutig bei den Ländern, nicht beim Bund. Und natürlich kann man Berlin und Sachsen nicht 1:1 vergleichen. Aber Berlin und Hamburg, München oder Leipzig schon oder Brandenburg mit Sachsen oder Bayern lassen sich schon in vielen Punkten vergleichen. Sachsen war auch nicht immer Spitzenreiter und ebenso wenig Thüringen oder auch Bayern. Dagegen verabschiedet Berlin eine Reform nach der anderen und nimmt die Hälfte anschließend zähneknirschend wieder zurück, weil Ideologie allein in der Praxis nicht weit reicht. Zu einigen Gründen für den unterschiedlichen Erfolg (allesamt wie gesagt allein Ländersache!) habe ich ja schon etwas geschrieben. Und glaube mir: Ich bin auch tendenziell eher links als konservativ oder gar rechts eingestellt und habe noch nie Union oder aber FDP gewählt. Aber wenn ich die Ergebnisse einfach nicht ignorieren kann, dann werfe ich die alten Wahlgewohnheiten schon mal über den Haufen.

  • Das mit dem Nicht-deuten ist wohl eher dein Problem. Du hast in deinem letzten beiden Beiträgen als Reaktion auf meinen (#21) ausschließlich die Bildungspolitik als schlechtes Beispiel für Rot/Rot/Grün genannt, also tu jetzt bitte mal nicht so.


    Und ich habe weder gesagt, dass ich Rot/Rot/Grün für das Nonplusultra halte noch dass mir die Bildungspolitik egal ist. ich habe nur gesagt, dass es Themen gibt (konkret am Bsp. Verkehr), bei denen ich mir von der Konstellation eine bessere Politik erhoffe.


    Genauso wenig wie aber die grünen oder Linken alle Verkehrsprobleme lösen können, wird sich die Bildungspolitik unter Schwarz/sonstwas revolutionär ändern. Und das jeder unterschiedliche Prioritäten hat, sollte nicht so schwer zu verstehen sein.

  • Rot-Rot-Grün wäre aus meiner Sicht nicht die schlechteste Variante. Vor allem in der verfehlten Verkehrspolitik erhoffe ich mir da eine bessere Richtung.


    Soll das ein Scherz sein?
    Die SPD regiert in Berlin seit 2001, also seit über 15 Jahren, davon eben 9 Jahre mit der PDS/Linke, 1 Jahr Grüne.
    In diese Zeit fällt auch das BBI-Desaster.


    ich habe nur gesagt, dass es Themen gibt (konkret am Bsp. Verkehr), bei denen ich mir von der Konstellation eine bessere Politik erhoffe.


    Eben diese Parteien, vor allem die SPD, sind für die von ihnen kritisierte Verkehrspolitik verantwortlich.

  • Sie dürfen ja CDU oder sonstwas wählen. Und auf die SPD würde ich auch gern verzichten, nur ging es um realistische Koalitionen.


    Die CDU regierte eine lange Zeit vor 2001. Muss ich Ihnen auflisten, welche und wie viele Skandale in diese Zeit fielen?

  • Die (West-)Berliner Versorgungsmentalität u. die polit. Folgen

    Sie dürfen ja CDU oder sonstwas wählen. Und auf die SPD würde ich auch gern verzichten, nur ging es um realistische Koalitionen. Die CDU regierte eine lange Zeit vor 2001. Muss ich Ihnen auflisten, welche und wie viele Skandale in diese Zeit fielen?


    Ich glaube, in puncto Inkomptenz und Vetternwirtschaft nehmen sich die beiden (ehemals) großen (West-)Berliner Parteien SPD und CDU nichts, was mit Sicherheit mit den spezifischen Bedingungen West-Berlins zu tun hat, unter denen sie groß geworden sind: Die Kombination aus maximalen Transfers aus dem Bundeshaushalt (von bis zu 50 % des Landeshaushalts vor 1990) bei minimaler Rechenschaftspflicht bei der Verwendung dieser Mittel (weil alle froh waren, dass es in West-Berlin überhaupt irgendwie weiterlief) war noch nie eine Formel für gutes Management.


    Dass die Ost-Berliner Großpartei, DIE LINKE, mit ihren Wurzeln in der ehemaligen DDR-Staatspartei nicht gerade für ein verantwortungsvolleres Wirtschaften stand, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. (Allerdings muss man anerkennen, dass noch nie so konsequent gespart wurde wie während der SPD-PDS-Senate unter Wowereit.)


    Vermutlich hat sich seit der Wende dennoch einiges gebessert, nicht zuletzt durch den Wegfall der Bundeszuschüsse und den Zuzug vieler Neu-Berliner. Aber meistens dauert es halt eine ganze Weile, bis die veränderte Realität sich auch in einer geänderten Mentalität niederschlägt.


    Solche Albernheiten wie die Proteste gegen die geplante Abschaffung der Reiterstaffel der Polizei (vor ca. zehn Jahren) und gegen die Abschaltung der Beleuchtung der AVUS (vor ca. 15-20 Jahren) kenne ich aus den Bundesländern, in denen ich vorher gelebt habe, jedenfalls nicht.

    4 Mal editiert, zuletzt von Carlo ()

  • Sie dürfen ja CDU oder sonstwas wählen. Und auf die SPD würde ich auch gern verzichten, nur ging es um realistische Koalitionen.


    Die CDU regierte eine lange Zeit vor 2001. Muss ich Ihnen auflisten, welche und wie viele Skandale in diese Zeit fielen?


    Ich dachte, es ginge um die diesjährige Abgeordnetenhauswahl und aktuelle Verkehrspolitik, welche Sie kritisiert haben. Und dafür sind nun mal im Wesentlichen SPD und Linke verantwortlich.


    Welche Relevanz historische Verfehlungen da haben sollen, erschließt sich mir nicht. Von den damals Verantwortlichen steht im September jedenfalls keiner zur Wahl.

  • Du hast in deinem letzten beiden Beiträgen als Reaktion auf meinen (#21) ausschließlich die Bildungspolitik als schlechtes Beispiel für Rot/Rot/Grün genannt.


    Das wird jetzt etwas müßig. Aber so stimmt das doch einfach nicht. Du selbst hast argumentiert, Rot-Rot-Grün sei für Dich nicht die schlechteste Variante, weil Du Dir eine bessere Verkehrspolitik davon erhoffst. Zudem hast Du ganz allgemein auf soziale und ökologische Aspekte verwiesen, die so womöglich mehr beachtet werdeb könnten. Was genau hätte ich da antworten können, wenn Du selbst so im Allgemeinen bleibst?


    Daraufhin habe ich ausgiebig anhand von konkreten Beispielen erläutert, weshalb für mich linke Bildungspolitik in Berlin miserable Sozialpolitik darstellt (Du wünschst Dir ja sozialere Politik und da gehört Bildung für mich unbedingt dazu, weil viele andere Maßnahmen erst ansetzen, wenn die wirkliche Chancengleichheit längst verbaut ist). Nebenbei habe ich zudem auch anklingen lassen, dass mE zumindest die bisherige Verkehrspolitik der SPD und der Linken nicht großartig anders war als die jetzige (Dein konkretes Thema) und dass auch die aktuelle Wirtschaftspolitik nicht den besten Ruf genießt (und Kapital ist auch bei Marx die Grundlage für politischen, kulturellen und sonstigen Spielraum)...


    Dann machst Du den Einwurf/ Vorwurf (?), es könne ja jeder irgendein einzelnes Thema anbringen und verengst meine gesamte Argumentation dabei auch noch auf einen Teilaspekt Inklusion als wäre dies das einzige Problem (und das wo Du selbst genau EIN konkretes Thema, i.e. Verkehrspolitik, genannt und dieses nicht einmal ausgeführt hast). Da bekomme ich ehrlich gesagt nicht das Gefühl, dass Du ähnlich ernsthaft auf meinen Beitrag eingehst wie ich auf Deinen. Wenn Du mehr konkretes zur Verkehrspolitik geschrieben hättest, hätte ich es natürlich auch noch konkreter beantworten können. Aber was genau Du Dir von einer grünen Beteiligung erhoffst, hätte ich ja allenfalls spekulieren können.


    Und ich habe weder gesagt, dass ich Rot/Rot/Grün für das Nonplusultra halte noch dass mir die Bildungspolitik egal ist.


    Ersteres habe ich nicht behauptet. Letzteres habe ich zugegebenermaßen daraus gefolgert, dass Du meinen Beitrag so abgebügelt hast, nachdem Dir Verkehrspolitik offenbar wichtig(er) erscheint. Es fühlt sich eben auch nicht jeder direkt von Bildungsthemen betroffen aber indirekt sind wir es mE doch, weil Fehler hier besonders folgenschwer sind. Mir ist Verkehrspolitik umgekehrt auch nicht unwichtig und ich habe den Verkehrsthread auch immer interessiert verfolgt. Vom Impact her sehe ich Bildung aber dennoch deutlich gewichtiger, zumal hier der Einfluss auf Länderebene so groß ist.


    Genauso wenig wie aber die grünen oder Linken alle Verkehrsprobleme lösen können, wird sich die Bildungspolitik unter Schwarz/sonstwas revolutionär ändern.


    Je nach Gewicht in einer möglichen Regierung stimmt das oder stimmt das nicht. Wenn die CDU nur die Vorschule wieder einführt und/ oder ein Desaster beim Thema Inklusion oder sonstigen unausgegorenen Reformen verhindert, würde mir das schon erst mal reichen. Der positive Effekt wäre gewaltig. Umgekehrt ist das Thema Elektromobilität und Verringerung von CO2-Ausstoß längst auf der Bundesagenda und auch die Fahrradlobby treibt unsere Politiker voran, so wie auch die BVG und der private Fernbussektor bereits erheblich investieren. Ich sehe da momentan zu wenig, was das Land Berlin da aus eigener Kraft besser machen kann. Aber wie gesagt kannst Du ja gerne Aspekte nennen, die Dir hier wichtig wären. Vielleicht würde ich dann durchaus zustimmen und das mit in Betracht ziehen.


    Und das jeder unterschiedliche Prioritäten hat, sollte nicht so schwer zu verstehen sein.


    Nein. Aber wie gesagt hast Du selbst soziale Aspekte für Berlins Politik als wichtig genannt. Und von daher hatte ich eigentlich gedacht, dass meine Prioritäten in Sachen Bildungspolitik vielleicht gar nicht so verschieden von Deinen sind. Aber natürlich weiß ich auch nicht, welche sonstigen sozialen Aspekte Dir noch wichtig wären. Mein Eindruck ist aber allgemein, dass sich die Parteien in Sachen bezahlbarer Wohnraum etc. oft nicht groß unterscheiden (in Sachen Hartz-IV-Sätze etc. auch oft gar nicht in der Hand haben). Und von irgendwelchen schwammigen Aussagen in den Programmen wird ja leider auch nichts besser...

  • spricht er sich gegen eine Koalition mit der CDU aus. Die CDU geht nach Müller "am rechten Rand der Gesellschaft auf Stimmenfang". Als Beispiele nennt er Themen wie "Häuserwahlkampf, Burkaverbot, Bundeswehr im Inneren oder Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft".


    Gleichzeitig fordert er die Grünen auf, ihrerseits ein Bündnis mit der CDU auszuschließen. Das sind erstaunlich klare Worte für einen Politiker, der hier im Forum kürzlich noch als "Regierender Laviermeister" verspottet wurde.


    Ich halte das für ganz gewöhnliche Wahltaktik. So wie die CDU mit der Debatte um innere Sicherheit und Leitkultur sicher durchaus konservative Wähler und evtl. auch möglichst AFD-Anhänger ködern will (sich mE aber fahrlässig von den möglichen Koalitionspartnern SPD und Grüne distanziert), positioniert sich Müller ganz bewusst und gezielt links davon, damit nicht die SPD als Koalitionspartner mit damit in Verbindung gebracht wird und so linke Wähler verlieren könnte, ohne andererseits selbst die konservativen anzusprechen. Hier zu schweigen hätte Müller fahrlässig zwischen die Fronten gesetzt. Dass er zugleich die Grünen unter Zugzwang setzt ist strategisch sicher auch nicht dumm. Denn so isoliert er die CDU zusätzlich bzw. erwidert deren Schwenker durch eine deutliche Gegenbewegung. Wenn auch die Grünen diesen Ball aufnehmen, wird die CDU zumindest für taktische Wähler unattraktiver - so diese denn solchen Aussagen denn Glauben schenken. Denn ob die Koalitionsaussagen bei sämtlichen möglichen Wahlergebnissen Bestand haben werden, muss man immer erst mal abwarten. Dennoch glaube ich, dass Henkel sich strategisch naiv bis unklug verhalten hat aber erst die Ergebnisse werden es zeigen.


    Zu den vermeintlich klaren/ offenen/ ehrlichen/ mutigen Worten: Wenn sich der Aufsichtsratsvorsitzende des BER wenige Wochen vor der Wahl um die unbequeme Wahrheit einer offenbar unumgänglichen weiteren Verschiebung drückt und weiter explizit oder implizit behauptet, das sei alles bis 2017 zu schaffen - dann zweifle ich an dieser Aussage recht erheblich. Aber da nehmen sich die Politiker an sich alle nichts. Die letzte ehrliche, mutige Aussage war mE die von Lafontaine zu den Kosten der Wiedervereinigung. Gelohnt wurde es ihm mit einem krachenden Sieg des Sabblers Kohl. Später äußerte Lafontaine die zynische Erfahrung, dass die Menschen ganz einfach belogen werden wollen (egal wie offensichtlich) und dass er es nun auch so mache. Wir bekommen da nur die Politiker, die wir verdienen bzw. durch kurzsichtiges Wahlverhalten und ein ebenso kurzes Gedächtnis selbst erziehen...


    Übrigens war mir der fleißige und sagen wir zumindest sporadisch recht authentische Müller dennoch sehr lange sehr sympathisch und ist mir auch jetzt noch deutlich näher als Henkel. Aber als offen und mutig würde ich ihn nicht oder nur eingeschränkt bezeichnen. Wenn es nur um Henkel vs. Müller ginge, wär mein Votum dennoch klar. Auf Seiten der CDU gefallen mir einige/ einzelne der Positionen aber es fehlt an charismatischen Politikern. Letztlich sehe ich in der Summe nicht eine attraktive Option, will aber nicht zuletzt durch die Erfahrungen mit Kreuzberg keinen heftigen Linksrutsch für Gesamtberlin erleben. Schwarz-Grün fände ich momentan eigentlich inhaltlich am Spannendsten (je nachdem, wie man sich da arrangieren würde) aber da muss die CDU wohl erst wieder/ noch mehr zurückrudern. Das wäre aber generell angezeigt. Henkel scheint manchmal als wenn er im falschen Bundesland gelandet wäre. Daher hätte ich ihn auch ungern als Bürgermeister was mir letztlich nur Rot-Schwarz als kleinstes Übel ließe. Aber ich wähle nicht nur nach Personen und auch nicht zwangsläufig taktisch für oder gegen ein bestimmtes Bündnis.

  • @ jan85: Ehrlich gesagt wollte ich weder eine große Diskussion noch einen Politstreit vom Zaun brechen. Ich habe nur auf einen Beitrag reagiert, der die mögliche Konstellation Rot/Rot/Grün als "schade für Berlin" bezeichnet, und entgegnet, dass ich diese Konstellation eben nicht als die schlechteste ansehe. Auch ich kann nur realistische Koalitionsvarianten betrachten und andere nach derzeitigen Stand mögliche erscheinen mir persönlich als weniger wünschenswert. Ich könnte übriges auch mit einer Grüne/Linke/CDU Koalition leben, da für mich CDU und SPD allein gleichermaßen wenig attraktiv sind und sich in vielen Dingen kaum unterscheiden. Nur ist diese Variante wohl nicht realistisch.


    Ich habe die Verkehrspolitik als Beispiel genannt, weil sie mit am ehesten etwas mit den Themen dieses Forums zu tun hat. Und Verkehrspolitik besteht nun einmal nicht ausschließlich, nicht einmal vorrangig aus dem Flughafen. Der interessiere ich persönlich vergleichsweise wenig, da ich vielleicht 1 oder 2 x im Jahr fliege, mich aber tagtäglich in der Stadt bewege und aufhalte. Und ich erzähle nichts neues, wenn ich meine Kritik an der aus meiner Sicht viel zu autofixierten Verkehrspolitk wiederhole. Und hier unterscheiden sich Grüne/Linke deutlich von CDU/SPD.


    Prinzipiell finde ich Inklusion übrigens nicht schlecht. Natürlich ist sie auch kein Allheilmittel und es müssen bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden, wo sicher hoher Verbesserungsbedarf besteht. Es geht bei Inklusion ja nicht primär darum, einen schwer geistig behindertes Kind in einer normale Klasse zu unterrichten. Aber warum soll ein Kind, das im Rollstuhl sitzt und ansonsten fit ist, nicht in eine "Normalschule" gehen?


    Soweit, so gut. Und nun zurück zur Architektur.

  • Backstein: Danke für die Antwort. Kann auch sein, dass wir uns etwas missverstanden haben. Deine Aussage, dass sinngemäß nur biedere Spießbürger oder Herumirrende CDU wählen (bzw. nicht SOD, Grüne oder Linke) wählen könnten, klang für mich halt etwas zu eindimensional positiv bezüglich der linken Parteien und auch bewusst provokativ. Wenn Du hingegen global gar keine großen Unterschiede zwischen CDU und SPD ausmachen kannst, geht es Dir scheinbar ähnlich wie mir.


    Was den Flughafen angeht, betrifft mich dieser persönlich auch nicht wirklich (nur etwas lauter könnte es werden). Für die Stadt insgesamt halte ich ihn dennoch für immens wichtig aber die großen politischen Entscheidungen dürften hier generell gefallen, der Spielraum entsprechend klein sein. Jetzt nochmal die SPD oder Linke dafür abstrafen, hielte ich auch für albern.


    Das Grundkonzept der Inklusion ist mE sozial zu begrüßen, so wie eine gewisse Heterogenität im Klassenzimmer oder sonstwo in der Gesellschaft ja per se eher etwas gutes ist. Es geht allein darum, wie solche Reformen in der Praxis angegangen werden. Da kann ich aus vielen direkten und mittelbaren Erfahrungen leider nicht viel gutes aber extrem viel negatives berichten. Neben großen Kämpfen (statt miteinander) von Politik und Schulen kostet das einen Haufen Geld und schadet den Beteiligten oftmals erheblich mehr als es nutzt. Es reicht eben nicht eine Idee schön zu finden oder populär zu machen. Sie muss sich in der Praxis bewähren. Behinderte Schüler dürfen in einer Klasse nicht untergehen, verhaltensextreme nicht den ganzen Unterrichtsablauf massiv stören (ich verfüge über genügend eigene Lehrerfahrungen um zu erkennen, was schaffbar und zumutbar ist und wo es grenzwertig wird). Die Folgen möchte ich keinem der Beteiligten und auch nicht der Gesellschaft zumuten. Und wie gesagt lässt sich das auf das gesamte Thema Bildung ausweiten. Die Abschaffung der Vorschule trifft nicht die gut behüteten Kinder, sondern die sozial Schwachen. Und die holen den Rückstand mangels Privatnachhilfe und Sorglospaket der Eltern meist nie wieder auf, wohingegen die Kinder der Eliten Einsen abräumen oder für noch bessere Chancen und weniger geschwindigkeitshemmende Heterogenität gleich auf eine der sprießenden Privatschulen gehen. Momentan zementiert unser Bildungssystem soziale Ungleichheit (was alle Studien belegen aber alle SPD-Bildungsminister ohne Argumente bestreiten). Es ist eigentlich ein Unding, dass nur die CDU für und die vermeintlich sozialeren Parteien gegen eine Wiedereinführung der Vorschule sind.


    Übrigens finde ich es wünschenswert, wenn in den Loungebereichen eines solchen Forums auch über Politik diskutiert werden kann. Das ist besser, als wenn Menschen gar nicht mehr groß darüber nachdenken und sprechen und am Ende dann allein "aus dem Bauch" bzw. der spontanen Laune oder aber gar nicht wählen. So lange ein gewisses Niveau bewahrt wird und keine einseitige Wahlwerbung oder gar Propaganda verbreitet wird. Das schöne an so einem großen Forum ist mE auch, dass es für sehr unterschiedliche Standpunkte kluge Vertreter gibt, die Wissen, Erfahrungen und Argumente austauschen können.

  • Michael Müller hat in einem Beitrag für die taz vor einem Rechtsruck in Berlin gewarnt. 10 bis 14 Prozent für die AFD würden "auf der ganzen Welt als ein Zeichen des Wiederaufstiegs der Rechten und Nazis in Deutschland" gewertet werden. Gleichzeitig beklagt er die "Passivität vieler Demokratinnen und Demokraten angesichts dieser Entwicklung". Zum Schluss appelliert er an die Wähler, demokratische Parteien zu wählen und dadurch ein klares Zeichen gegen die rechte Gefahr zu setzen.


    http://www.taz.de/Gastkommenta…ael-Mueller-SPD/!5336312/


    Meiner Meinung nach war solch ein Aufruf überfällig, aber ich befürchte, dass er zu spät kommt. Spätestens nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern hätte noch einmal ein Ruck durch die demokratischen Kräfte in Berlin gehen müssen, um den rechten Spuk zu bekämpfen. So wirkt das Ganze wie eine Verzweiflungstat in letzter Minute.

  • ^Er will wohl vor allem die Wähler der linken Parteien aufrütteln, überhaupt zur Wahl zu gehen und so den Anteil der AFD zu reduzieren (und parallel automatisch auch die Chancen für Rot-Rot-Grün noch mehr zu stärken). Mit der taz erreicht man eigentlich auch niemanden sonst. Oder ist der Aufruf auch anderswo erschienen.


    Wenn es Herrn Müller um falsche Signale geht, ist es in der Tat mächtig spät und die potentiellen AFD-Wähler wird er ohnehin kaum für sich begeistern können. Da wäre auf Landesebene allenfalls noch eine aktivere und attraktivere CDU förderlich gewesen (und eine noch gezieltere Kampagne Rot-Rot-Grün zu verhindern, was manch einen AFD-Sympathisanten vielleicht zu einem taktischen Abstimmungsverhalten mit einem Kreuz für die CDU hätte bewegen können).


    Aber im Grunde wird sich ohnehin weiter der Trend fortsetzen, dass die Unzufriedenheit über die Flüchtlinspolitik (obgleich Bundespolitik) auf Landesebene und selbst Kommunalebene für die AFD durchschlägt.

  • Solche Aufrufe bezeugen lediglich die völlige Machtlosigkeit in der politischen Auseinandersetzung. Aus irgendeinem Grund ist man in Deutschland der Meinung, jede neue Partei sei automatisch eine Gefährdung für die Demokratie. Die AFD ist rechstkonservativ bis rechtspopulistisch. Je nach dem, welchen Flügel man sich anschaut. Sie ist in keinem Fall eine faschistische Partei. Der mittlerweile usus gewordene Ausschluss der AFD aus dem "demokratischen" Parteienspektrum entbehrt jeder Grundlage und ist an Hilflosigkeit kaum zu überbieten. Es erinnert eher an eine Sandkastenclique, die den Neuling partout nicht mitspielen lassen will.
    Ganz zu schweigen davon, dass derartige Mobilisierungsaufrufe über Parteigrenzen hinweg das ohnehin fest verankerte Bild von den "Einheitsparteien" unter AFD-Anhängern lediglich reproduzieren und verfestigen.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia ()

  • Aber im Grunde wird sich ohnehin weiter der Trend fortsetzen, dass die Unzufriedenheit über die Flüchtlinspolitik (obgleich Bundespolitik) auf Landesebene und selbst Kommunalebene für die AFD durchschlägt.


    Flüchtlingspolitik ist Bundespolitik?
    Zum einen, gibt es in der Flüchtlingspolitik, auf allen politischen Ebenen, spezifische Zuständigkeiten jeder Ebene und zum anderen, ist die Landesebene mit der Bundesebene so eng verwoben, dass man keine tiefgreifende Bundespolitik machen kann, ohne in den Ländern die Mehrheiten zu haben.
    Mit anderen Worten, selbst eine absolute Mehrheit im Bund würde der AFD nichts nutzen, wenn sie in den Ländern keine Mehrheit zusammenbekommt.


    Zu Michael Müller, das klingt doch recht verzweifelt. Dennoch kann ich mir, für die AFD in Berlin, nur schwer 14% vorstellen. Andererseits hat Merkel der AFD, nach der MV-Wahl, gehörig in die Karten gespielt...
    Naja, wir werden es sehen.