Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2016

  • Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2016

    Gemäß den Umfragen ist das Rennen in Berlin nach wie vor offen. Eine "Groko" ist weder ein Automatismus noch unbedingt die Koalition mit der größten Mehrheit, denn CDU, SPD und Grüne sind in Berlin derzeit in den Umfragen quasi gleichauf auf ca. 20 % der Wählerstimmen (die +/- 1 % sind in der margin of error). Und in Baden-Württemberg gibt es bereits ein grün-schwarzes Bündnis. Wir leben in politisch volatilen Zeiten, das Tagesgeschehen unmittelbar vor der Wahl kann da noch einigen Ausschlag geben. Und genau deswegen ist das Rennen nach wie vor offen. Aktuell ist es für jede Zweierkoalition knapp, da wird es auf jeden Prozentpunkt ankommen.


    Sollte die SPD in die Opposition müssen und grün/schwarz oder schwarz/grün das Ruder übernehmen halte ich den Umzug für ausgemachte Sache. Beide Parteien haben sich entsprechend positioniert, der Bund hat längst das Geld dafür zugesagt, es kostet den klammen Landeshaushalt also nicht einmal etwas.


    Und die SPD muss wohl definitiv im Vergleich zu 2011 ganz enorm Federn lassen und wird um ca 1/3 zurecht gestutzt jedem Koalitionspartner Zugeständnisse machen müssen. Da lässt sich in den Koalitionsverhandlungen solch ein Punkt (ein Koalitionspartner hat sich dafür ausgesprochen, der Bund zahlt es obendrein) recht schnell abfrühstücken, würde ich erwarten, sodass selbst dann der Umzug wohl als sicher erwartet werden kann. Bei SPD+CDU+FDP, SPD+CDU+Grüne oder CDU+Grüne+FDP analog (mit der Linkspartei will außer der SPD niemand koalieren).


    Anders wäre es nur, wenn aus irgend einem Grund SPD und Linkspartei zusammen eine Koalition hinbekommen sollten. Der Trend aus den Umfragen der letzten Monate geht aber eigentlich in die genaue gegenteilige Richtung, immer weiter weg von einer möglichen Regierungsmehrheit für SPD+LP. Sollte also dieser unwahrscheinlichste aller Fälle nicht eintreten würde ich sagen, wir können uns schon einmal auf den Umzug des Neptunbrunnen freuen. Vielleicht sogar zeitgleich zur Eröffnung des Humboldtforums, Wahlen sind ja bald und die Finanzierung hat der Bund ja schon zugesagt.

  • ^ Eine Zwei-Parteien-Koalition (inkl. Groko) halte ich für nahezu ausgeschlossen: Keine der aktuellen Umfragen würde so eine Variante erlauben. Und wenn sich der Trend fortsetzt, wonach die AfD bei Wahlen besser abschneidet als in Umfragen, hätten wir fünf Parteien zwischen 15 und 25 Prozent, aber keine einzige darüber. Ich halte nach wie vor die rot-rot-grüne Variante für wahrscheinlich – eine Mehrheit hätte sie mit Sicherheit, und dass sie bei Pumpernickel nicht vorkommt, dürfte eher dessen ideologische Prämissen spiegeln, als die Realität der Berliner Parteienlandschaft.


    In der Tat wäre eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei ein Hindernis bei der Versetzung des Neptunbrunnens, ich würde diesen Faktor aber nicht überschätzen: Wie Architektator sagt, ist noch Bewegung in der Frage der Umfeldgestaltung – und wenn ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben oder Entwurf in Auftrag gegeben wird, dürften die Linken wegen des Standorts des Brunnens wohl kaum ihre Regierungsbeteiligung in Frage stellen. Auch in Brandenburg beweist die Linken-Landtagsfraktion ja ein (positiv ausgedrückt) pragmatisches Verhältnis zu ihrem Programm – siehe z.B. die Zukunft der Braunkohle.

  • Ich finde, wir sollten die Grünen nicht verleumden. Weder sind die Grünen für einen Umzug des Neptunbrunnens noch haben die Grünen eine rot-rot-grüne Koalition ausgeschlossen. Eine Regierungsbeteiligung der CDU halte ich nach den jüngsten Entgleisungen von Herrn Henkel für sehr unwahrscheinlich. Daher gibt es keinen Grund für Pessimismus.

  • ... ich gehe auch von Rot-Rot Grün aus, wobei das nicht mein Wunsch ist. Was mich bei dieser Konstellation arg stört, ist die autofahrerfeindliche Verkehrspolitik der Grünen und Linken aber auch bei Teilen der SPD. Andererseits müssten die Linken und Grünen dann Farbe bekennen bei Themen wie Wohnungsbau, Bildung, Drogenpolitik usw..


    Viel wird davon abhängen ob die FDP ins Parlament kommt. Sollte sie knapp scheitern, könnten schon ~ 45 % der Wählerstimmen für eine absolute Mehrheit reichen. Das wird aber keine Zweierkoalition erreichen.


    Gespannt können wir auf das Abschneiden der AfD blicken. Ich vermute sie bei 12-13 %. Dabei hatte ich selbst schon überlegt, sie zu wählen, mittlerweile sind die mir aber zu Republikanerhaft, arbeiten nur noch mit Ressentiments, daher werde ich sie nicht wählen.


    Insgesamt ist die Wahl doch recht deprimierend. Henkel,Müller und Pop wirken auf mich farb und Ideenlos.

  • Es ist insgesamt ziemlich deprimierend wie sich die Berliner Parteienlandschaft präsentiert.
    Es gibt keine charismatischen und fähigen Kandidaten, Müller ist sozusagen der Einäugige unter den Blinden, die CDU völlig daneben, jemanden wie Henkel als Spitzenkanditat zu präsentieren, der genau das Problem der CDU in Großstädten verkörpert, langweilig, ideenlos und rechts zu sein.
    Die Berliner CDU ist ein armseliger Haufen, der mit dem richtigen Kandidaten schon lange an der Regierung wäre und durch die eigene Unfähigkeit das Sterben der SPD seit Jahren hinauszögert.
    Die Grünen haben Ihre Chance mit Künast vergeigt, Bewegung reinzubringen und können jetzt froh sein - in welcher Konstellation auch immer - an die Regierung zu kommen.
    Ich hoffe, es wird vielleicht noch ein Zweierbündnis möglich, alles andere macht das Regieren fast unmöglich und würde nur elende, nie endende Streitereien nach sich ziehen - vielleicht schafft es ja Rot Grün, das wäre für die Stadt sicherlich nicht die optimale Lösung, weil beide Parten darauf zu sehr konzentriert sind die soziale Stadt zu verwalten anstatt pro-aktiv den ökonomischen Wandel gerecht zu werden und voranzutreiben. Aber unter den gegebenen Umständen sehe ich keine bessere Alternative, leider.
    Den Einzigen den ich für bemerkenswert halte, wäre der Expirat Herr Delius, aber leider hat er keine Partei hinter sich. Aber von der Persönlichkeit ist er der Einzige, der für mich was drauf hat, auch wenn ich mit vielen seiner Ansichten nicht unbedingt übereinstimme.

  • ... ich gehe auch von Rot-Rot Grün aus, wobei das nicht mein Wunsch ist. Was mich bei dieser Konstellation arg stört, ist die autofahrerfeindliche Verkehrspolitik der Grünen und Linken aber auch bei Teilen der SPD. ...


    Ich hingegen hoffe auf diese Konstellation, die zwar auch nicht ideal, aber unter den nach derzeitigen Umfragen gegebene Möglichkeiten m. E. noch die beste ist. Und keine Angst, soo schlimm wird es für die Autofahrer sicher nicht werden. ;) Vielleicht wäre diese Koalition dann nur weniger fußgänger-/radfahrerfeindlich und würde den ÖPNV stärker fördern. Aber ich fürchte, viel würde sich auch dann nicht ändern.


    Ob der Neptunbrunnen dann umzieht oder nicht ist mir sowas von schnuppe und stellt ein vergleichsweise unbedeutendes "Problem" dar.

  • Ich halte nach wie vor die rot-rot-grüne Variante für wahrscheinlich – eine Mehrheit hätte sie mit Sicherheit, und dass sie bei Pumpernickel nicht vorkommt, dürfte eher dessen ideologische Prämissen spiegeln, als die Realität der Berliner Parteienlandschaft.


    Diese Aussage ist irgendwie typisch du, sorry ;)


    Hier teile ich gerne etwas meiner politischen Prämissen. Ich hielte es für dringend geboten, dass die SPD mal wieder in die Opposition kommt (nicht nur aber besonders im Land Berlin). Demokratischer Wechsel ist wichtig und insb. in Berlin hat sich einfach historisch immer wieder gezeigt: wenn eine Partei zu lange durchgehend die Regierung stellt, dann entwickelt sich Filz, entwickeln sich die Dinge zu einseitig, usw. Die SPD, sowohl in den Ländern wie im Bund, hat dringend Opposition notwendig - damit die Karrieristen, die naturgemäß kein Interesse an Opposition haben, sich anderweitig orientieren und ausscheiden, die Partei wieder zu programmatischen Wurzeln zurück kehren kann (oder generell wieder eine Programmatik bekommt und Regierung nicht mit bloßem Verwalten verwechselt) und sich im Widerstreit mit der Regierung als Oppositionspartei wieder ein kritisches Profil herausbilden kann, die SPD wieder zu ihrer Rolle zurück findet die Stimme der Kritischen zu sein, nicht die Stimme des Establishment und Status Quo (Stand jetzt).


    Darum wünsche ich mir eine Abwahl der SPD, in der Tat, um der SPD Willen. Eine weitere technokratische, pragmatische, rhetorisch geschulte Legislaturperiode der "Alternativlosigkeiten" überlebt die (fast schon ehemalige) Volkspartei SPD nämlich nicht mehr als solche. Aber wir brauchen sie. Also braucht sie die Rosskur der Opposition. Die ist nämlich nicht per se "Mist", wie Münte einmal meinte, sondern Teil der Demokratie.

  • Eigentlich ergibt sich dein Ausschluss einer rot-rot-grünen Koalitionen einfach aus diesem Satz.


    (mit der Linkspartei will außer der SPD niemand koalieren).


    Wenn nun aber die Grünen doch lieber mit der Linkspartei+SPD als mit der CDU+SPD koalieren wollen dann trifft deine Analyse der Situation nicht mehr zu.


    Die eigenen Wünsche sind ja von einer Beschreibung aus der Beobachterposition über Umfrageergebnisse und wahrscheinliche Koalitionen zu trennen.

  • Also man kann wohl mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass eine Regierungsbildung nicht an den Grünen scheitern wird. Egal ob es für r2g reicht oder "nur" zu Kenia. Ist letztlich alles trüb.
    Schön wäre es, wenn die die FDP für die kümmerlichen Reste der Piratenfraktion ins Abgeordnetenhaus einzieht. Deren (ehem.) Führungspersonal, zu dem auch Delius gehört, hat sich mittlerweile ja ohnehin offen zu den Genossen der Linkspartei bekannt.

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  • Ich finde, wir sollten die Grünen nicht verleumden. Weder sind die Grünen für einen Umzug des Neptunbrunnens [...]


    Oh doch. Grüne, CDU und Piraten sind für eine historische Platzgestaltung rund um das Stadtschloss (Beweis hier). Und dazu gehören natürlich auch Neptunbrunnen, Adlersäule und Rossebändiger. Aber solche Falschbehauptungen sind wir von Genosse K. ja gewohnt.

  • Sabine Bangert hat auch nach dem Zeitungsartikel lediglich kritisiert, dass das Schlossumfeld einen „urbanen steinernen Platz mit Null Aufenthaltsqualität“ darstellen würde. Vom Neptunbrunnen war in dem Zitat keine Rede. Die vollständige Aussage von Sabine Bangert lautet laut dem Parlamentsprotokoll wie folgt:


    "Sabine Bangert (GRÜNE) erklärt, nach ihrem Eindruck werde vor dem Humboldt-Forum ein urbaner steinerner Platz mit null Aufenthaltsqualität entstehen. Die Planung sei ziemlich uninspiriert. In Anbetracht dieses großen Projekts hätte man auf die Außengestaltung etwas mehr Mühe verwenden sollen. Das Innenleben des Humboldt-Forums werde sicherlich farbig und lebendig sein, sodass dieses Steinpflaster drum herum sehr dürftig wirke. Es würde auch nicht viel an Qualitätsverbesserung bringen – und sie wäre auch dagegen –, wenn man den Neptunbrunnen und die Rossebändiger hinzunehme. Im Sommer werde es in dieser „Granitwüste“ wohl brütend heiß sein. Sie sei von der Planung enttäuscht und hoffe, dass sie nicht so umgesetzt werde. Wie bewerte Senatsbaudirektorin die Planung? Was sei hinsichtlich der Belebung des Platzes vorgesehen?"


    http://www.parlament-berlin.de…/protokoll/k17-068-ip.pdf


    Fazit: Sabine Bangert ist gegen eine Rückführung des Neptunbrunnens und der Rossebändiger auf den Schlossplatz.
    Aber solche Falschbehauptungen sind wir von unserem Rechtsausleger A. ja gewohnt.

    Einmal editiert, zuletzt von Klarenbach ()

  • @ Pumpernickel:


    Chandler sagt, worum es mir ging – Du hattest bei Deinen Koalitions-Denkspielen schlicht übersehen, dass sich die Grünen eine r2g-Koalition selbstverständlich offenhalten. Und da der Berliner Landesverband als Antagonist zum konservativ-ökolobileralen Kretschmann-Flügel fungiert, halte ich diese Variante für sehr viel wahrscheinlicher als Kenia. Mit "ideologische Prämissen" meinte ich, die Linkspartei ist Dir derart zuwider, dass Du die politische Wirklichkeit in Berlin ausblendest: Man könnte sagen, die Linkspartei ist für alle derzeit im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien koalitionsfähig (mit Ausnahme der CDU). Dir jedoch scheint sogar eine Regierungsbeteiligung der FDP wahrscheinlicher zu sein, obwohl diese in den meisten der aktuellen Umfragen nicht einmal über die Fünf-Prozent-Hürde hüpfen würde. Naja, wir werden sehen...


    Was Deine Hoffnungen auf eine Ablösung der SPD als stärkste Kraft angeht... – ja mei: Klar bilden sich Filz und Korruption, wenn eine Partei ununterbrochen an der Macht ist. Trotz der aktuellen Schwächelei hat es aber noch keine Umfrage gegeben, die nicht wenigstens hauchdünn die SPD vorne sah. Ich kann mir keine Koalition ausmalen, an der sie nicht beteiligt wäre, und nur eine, in der sie nicht den Regierenden stellt: r2g mit den Grünen als stärkster Partei. Sollte die CDU vor der SPD liegen, hielte ich dennoch r2g unter Michael Müller für die wahrscheinlichste Variante.


    Sonst aber vielen Dank für den Link zu dieser Umfragenseite. Sehr informativ. Ich frage mich, was mit Forsa los ist? Dass die tendenziell ein bisschen Sozi-freundlich rechnen, ist bekannt. Aber fünf bis sechs Prozentpunkte mehr als bei allen anderen Instituten? Das kommt mir krass vor. Ebenso glaube ich zwar, dass die AfD derzeit nicht mehr so angesagt ist wie bei den Märzwahlen – dass sie nur acht Prozent erreichen sollte, hielte ich aber für zu tief gegriffen. Die 15 bis 13 Prozent der anderen Institute erscheinen mir realistischer.

  • Demokratischer Wechsel ist wichtig und insb. in Berlin hat sich einfach historisch immer wieder gezeigt: wenn eine Partei zu lange durchgehend die Regierung stellt, dann entwickelt sich Filz, entwickeln sich die Dinge zu einseitig, usw.
    ...
    Darum wünsche ich mir eine Abwahl der SPD, in der Tat, um der SPD Willen. ...


    Das mag sein. Speziell die CDU in Berlin unter Diepgen, Landowsky und Konsorten war damals ein riesiger Filzapparat.


    Dein Wunsch nach Abwahl der SPD in die Opposition wird aber kaum in Erfüllung gehen, da die heutige Berliner CDU viel zu blass ist und einen sehr schwachen Spitzenkandidaten aufgestellt hat. Wobei sie ja auch niemand Vorzeigbares hat. Genauso wir die SPD auf Bundesebene.


    Wichtig ist erst einmal das Ende der großen Koalition. Da ist fast jede andere Konstellation besser - mit Ausnahme von Schwarzgelb (zum Glück wenig wahrscheinlich) und natürlich den Rechtsbraunen, mit denen aber hoffentlich niemand koalieren wird.

  • Architektenkind, Backstein


    In der Tat. Die Groko-Apologeten kapieren leider bis heute nicht, dass sie unfreiwillige, mittelbare Helfershelfer von AfD & Co. sind. Die Volksparteien hießen nicht Volksparteien weil sie viele Prozente machten, sondern weil sie nicht nur ein enges Spektrum vertraten, im Gegenteil, weil sie innerhalb sog. Parteiflügel ein sehr breites Spektrum vertraten und somit ihre grundgesetzliche Aufgabe der sog. "politischen Willensbildung" in besonderer Weise erfüllten. Rechtsaußen und Linksaußen wurden jeweils über die Parteiflügel von SPD und Union in demokratische Prozesse eingebunden und dabei auch stetig gemäßigt.


    So und nicht anders meinte Strauß auch seinen berühmten Ausspruch, dass es keine demokratisch legitimierte Partei rechts der Union geben dürfe - in der würde sich das rechte Spektrum sozusagen verselbstständigen und die mäßigende Verbindung zum Liberal-Konservatismus abreißen und Voila, genau so geschah es mit der Merkel-Union und der AfD, die quasi eine Ausgründung von Teilen des rechten Parteiflügels der Union, v. a. der CDU, darstellt, so geschah es auch schon zuvor mit der Ausgründung des linksgrünen Parteiflügels bei Gründung und Wachstum der Grünen-Partei, gerade weil die Grünen "Fleisch vom Fleische der SPD" waren wird von beiden Parteien bis heute "rot-grün" als Wunschkoalition betrachtet.


    Die Volksparteien haben, angefangen bei der SPD, inzwischen auch bei der Merkel-Union, zunehmend dabei versagt, die Zerfaserung und Zuspitzung des politischen Spektrums zu verhindern und schrumpfen dabei natürlich auch durch diesen Prozess. Das ist aber das Symptom und nicht die Ursache des langsamen Sterbens der ehemaligen beiden, großen bundesrepublikanischen Volksparteien. Das muss man unbedingt verstehen, weil man nur so erkennt, wie unglaublich schädlich die "Grokos" sind. Die sind quasi der Brandbeschleuniger für diese Selbstzerstörung, da dabei gezwungenermaßen das Ideenspektrum, das beide Parteien repräsentieren, noch schmaler wird (vgl. "kleinster gemeinsamer Nenner").


    Und daher sind die Grokos indirekt auch die Beförderer der Zerfaserung der Parteienlandschaft und zunehmenden Fundamentalismus allerorten; nicht nur bei den üblichen Verdächtigen wie Nazis oder Antifas, auch andere Themen wie agressiver Feminismus und Genderismus usw. - die Fähigkeit zum Konsens sinkt in unserem politischen Leben immer weiter. Man kann es bei jedem halbwegs kontroversen Thema sehen und hören.


    Die Leute suchen sich nur noch ihre Cliquen mit Gleichdenkenden, in denen man sich gegenseitig auf die Schulter klopfen kann, wie geil und wissend man doch ist und wie doof alle anderen, man schließt sich auch in der entsprechenden Medien-Bubble ein, nichts ist im Internet einfacher als sich nur noch selektiv mit redaktionellen Inhalten und Diskussionen zu befassen die einem ständig Bestätigung im eigenen Weltbild geben, sodass dieses immer bornierter und engstirniger wird. Ja ganz neue Weltbilder sind durch diese "Blasenbildung" entstanden, vgl. das einstige Kuriosum der sog. Reichsdeutschen, das inzwischen richtig um sich gegriffen hat und schon zu Tätlichkeiten in unseren Gerichtsgebäuden geführt hat, dabei ist das quasi ein exklusives Produkt des Internet, wo sich diese Leute ständig gegenseitig zitieren und auf die Schulter klopfen und sich dabei gegenseitig aufschaukeln und immer tiefer in ihrem Wahn versinken.


    Selbst das ist letztlich eine Reaktion vieler Menschen auf den "Grokoismus", sie finden keine politische Heimat mehr, in der sie sich einbringen können. Das, was früher der Ortsverein einer der beiden großen Volksparteien für politisch Interessierte war, das sind heute diverse Internetforen.


    Es ist eigentlich gar nicht absehbar, was das mit unserer Gesellschaft anstellt, diese Zerfaserung, das werden nur Historiker in der Rückschau in Jahrzehnten genau feststellen können. Aber ohne in Alarmismus verfallen zu wollen, so ähnlich begann auch der Fall der Weimarer Republik. Sie starb nicht zuvorderst an Stiefeltritten der Extremisten, sie starb v. a. an einem Mangel an Befürwortern und Verteidigern einer gemäßigten, bürgerlichen Zivilordnung mit Ratio, Augenmaß und gutem Willen als einendes Band aller Beteiligten.


    Ich bin "verdammt nochmal" diese ständige Zuspitzung und immer agressivere Stimmung satt. Wir brauchen wieder eine klassenkämpferische SPD, die auch Frust der Abgehängten aufnimmt und in produktive Bahnen lenkt. Wir brauchen wieder eine Union, die sich für deutsche Identität und Patriotismus (ungleich Nationalismus) einsetzt und dabei auch ein Quentchen des "C" im Namen wiederentdeckt und sich nicht nur von Umfragen treiben lässt, um den konservativen Block, den es nun einmal in unserer Gesellschaft gibt egal und der sich auch nicht wegwünschen lässt, einzubinden und zu mäßigen. Wir brauchen wieder Volksparteien und Alternativen bei Wahlen ("Richtungsentscheidungen"), Konfrontation und Gegensätzlichkeit zwischen diesen Volksparteien. Damit aus den schrillen, gspinnerten Minderheiten außerhalb der Parlamente und in immer neuen Splitterparteien keine schrillen, gspinnerten Mehrheiten werden (und das sollte eigentlich auch die Lehre aus der "deutschen Geschichte" sein, die omnipräsent wiedergekäut wird, ohne sich aber offenbar echte Gedanken darüber gemacht zu haben, dass es nicht wirklich damit getan ist Hakenkreuze zu verbieten und sich vom Holocaust zu distanzieren).


    Nun ist hoffentlich auch Architektenkind klar, dass ich mir da schon etwas mehr Gedanken gemacht habe, als lediglich Ressentiments gegenüber der Linkspartei zu pflegen. Bitte bedenkt auch, welche Signalwirkung heute von Berlin ausgeht. Berlin ist auch politisch inzwischen sowas wie ein Trendsetter dieser Republik geworden. Viele politische Trends, insb. bei jüngeren Leuten, sind zuerst in Berlin entstanden und haben sich von dort ausgebreitet (und selbst die Reichsbürger-Knallköpfe haben ihren "ground zero" offenbar in Berlin/Brandenburg, wenn man die Berichterstattung verfolgt). Die Landtagswahl in Berlin ist nicht nur von regionaler Bedeutung. Wenn der Grokoismus in Berlin zu einem Ende kommt, dann setzt das ein Signal für die nächste Bundestagswahl.

  • Vielen Dank für das lange Protokoll, Klarenbach. Aus dem kurzen Artikel ging leider nicht eindeutig hervor, dass die Grünen tatsächlich gegen einen Umzug des Neptunbrunnens an seinen richtigen Standort sind. Deshalb muss ich dir in diesem Punkt recht geben, was an der grundsätzlichen Kritik von Ökos und CDU am derzeitigen Planungsstand der Platzgestaltung rund um das Stadtschloss jedoch nichts ändert.


    Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Anmerkung von Frank Jahnke (SPD), dem Vorsitzenden des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten, "dass der Bund erfreulicherweise 10 Mio. Euro in Aussicht gestellt habe, sodass die [für den Brunnenumzug, Anm. d. Verf.] angeführten 7,5 Mio. Euro ohne Weiteres aufzubringen seien und man in der Entscheidung frei sei."

  • Michael Müller äußert sich heute in einem Beitrag für den Tagesspiegel zur Zukunft Berlins. In diesem spricht er sich gegen eine Koalition mit der CDU aus. Die CDU geht nach Müller "am rechten Rand der Gesellschaft auf Stimmenfang". Als Beispiele nennt er Themen wie "Häuserwahlkampf, Burkaverbot, Bundeswehr im Inneren oder Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft".


    Seine Vorzugsvariante wäre eine Zweierkoalition mit den Grünen. Gleichzeitig fordert er die Grünen auf, ihrerseits ein Bündnis mit der CDU auszuschließen. Das sind erstaunlich klare Worte für einen Politiker, der hier im Forum kürzlich noch als "Regierender Laviermeister" verspottet wurde.


    http://www.tagesspiegel.de/ber…-henkel-cdu/14020686.html

  • Blöd nur, dass Müllers eigene Bilanz so lausig ausfällt: 26 % Mietsteigerung seit 2010, wie eine IW-Studie zeigt. Seit 2011 als Senator für Stadtentwicklung in direkter Verantwortung, seit Ende 2014 Bürgermeister. Und das in einer nach wie vor sozial schwachen Stadt.


    Wenn Müller dann die Stadt mit Sprüchen wie "Berlin bleibt preiswert" zu plakatieren lässt, finde ich das nicht nur zynisch, sondern auch eine Verhöhnung derjenigen, die eine Wohnung suchen oder Schwierigkeiten haben, diese zu halten.

  • ^ Wir müssen nun nicht Sinn und Unsinn einzelner Slogans auf Wahlplakaten bewerten. Da nehmen sich doch alle Parteien nichts mit ihren beliebigen Worthülsen.


    Ich wäre eh dafür, Wahlplakate abzuschaffen. Sie verschandeln das Stadtbild, kosten unnötig Geld und sind in der heutigen Medienwelt zur Information überflüssig.

  • Bei der derzeitigen politischen Situation, kann es nur auf Rot Rot Grün hinauslaufen, alles andere ist illusorisch, ich sehe keine anderen Mehrheiten.
    Das ist sicherlich schade für Berlin, weil die Stadt eine andere Politik bräuchte aber nun mal nicht zu ändern, solange die CDU es nicht schafft inhaltlich aber vor allem personell attraktiver zu werden.


    Es ist sowieso unmöglich, egal wer regiert, den Spagat hinzubekommen zwischen dem so wichtigen Wachstum und der Weiterentwicklung der Stadt bei gleichzeitig nach wie vor großen sozialen Problemen, und die werden noch größer in der Zukunft, davon ist auszugehen. Die Sozialstruktur in Berlin ist nun mal extrem heterogen zusammengesetzt und dass sich das etwas entspannt in der Zukunft ist eher unwahrscheinlich.


    Wenn es wenigstens zu irgendeiner Zweier Koalition reichen würde, das wäre schon positiv, aber drei Parteien - egal welche - das wird über eine ganze Legislaturperiode bestimmt nicht funktionieren, dazu ist der Profilierungsdruck für jeden viel zu groß. Wir werden es ja erleben.

  • Backstein, sicher hast du Recht, was die Plakate angeht. Dennoch sind sie nun mal da und im Programm (S. 8f. und insbesondere S. 27ff.) steht es für jeden nachlesbar in der Langfassung. Ich finde dies einen dreisten Widerspruch zur Realität, den jeder erkennt, der in den letzten 7 Jahren in Berlin umgezogen ist. Nur so viel zu den oben in #16 angesprochenen "klaren Worten" des Reg. Bürgermeisters.