Oper und Schauspiel: neuer Standort / Alternativlösungen?

  • Die Magistratsvorlage M177 ist etwas verwirrend, aber wenn ich es richtig verstanden habe, bleibt wohl die denkmalgeschützte Neue Mainzer Straße 55 im Bestand der Sparkasse und wird wohl nicht auf dem Areal des Neuen Schauspielhauses stehen. Sehr abrissgefährdet bleibt aber die Neue Mainzer Straße 53.

    Interessant bleibt die Kostenfrage. Die Machbarkeitsstudie 2017 war noch bei 888 Mio. Euro. Nun 7 Jahre später sind wir bei 1,27-1,3 Milliarden für die Neubauten. Hinzu kommen jetzt die ca. 214 Mio. Euro für das Grundstück. Da es wohl auf einen Schlag bezahlt werden soll, muss die Stadt wohl Kredite aufnehmen. Hinzu kommen auch noch die Kosten für das Interimsgebäude in der Gutleutstraße 324-326.

  • Wie gesagt hier wurde niemand übers Ohr gehauen,

    Doch, und zwar die Stadt und damit der Steuerzahler. Die Summe, die die Stadt hier bereit ist zu zahlen, ist einfach unfassbar hoch.


    Der offizielle Bodenrichtwert liegt bei 17.000 EUR/m². Das macht bei 5.500 m² eine Gesamtsumme von 93.500.000 EUR. Billigt man der Sparkasse noch etwas mehr zu und zahlt ihr die Umzugskosten, so wäre realistischerweise eine Gesamtsumme von 100 Mio. EUR angemessen - also weniger als die Hälfte des im Raum stehenden Betrages. Allerdings wäre das auch der tatsächliche Kaufpreis! Hier soll jedoch nur eine Erbpacht abgeschlossen werden, d.h. nach 199 Jahren fällt das Grundstück (mit Gebäude!) wieder an die Sparkasse zurück!


    Es kann zwar sein, dass die Stadt dann für das Gebäude eine Entschädigung erhält (da bin ich mir aber nicht ganz sicher; außerdem wäre der Buchwert des Gebäudes nach 199 Jahren ohnehin bei 0 EUR). Dennoch muss man bei einem solchen Konstrukt auch den Zinseszinseffekt berücksichtigen - und der ist bei dieser immens langen Laufzeit extrem hoch, das wurde ja weiter oben schon beschrieben.


    Kleines Rechenbeispiel: Angenommen, die Stadt würde die 210 Mio. EUR nicht am Stück zahlen, sondern pro Jahr, verteilt auf die 199 Jahre, jeweils 1 Mio. EUR, dann ergebe das bei einem (niedrigen) Zinssatz von 2 % rund 2,5 Mrd. EUR, die die Sparkasse insgesamt am Ende erhält. Rechnet man aber auf den tatsächlich gezahlten Betrag von 210 Mio. EUR über 199 Jahre dieselbe Verzinsung von 2 %, dann ergibt sich ein Gesamtbetrag von über 10 Mrd. EUR! Nach 199 Jahren hat die Sparkasse also aus den 210 Mio. 10 Mrd. EUR gemacht und das Grundstück gehört ihr wieder. Was ein absurd glänzendes Geschäft für die Bank und was ein absurd schlechtes für die Stadt!


    Oder anders gerechnet: Angenommen, die Stadt nimmt die 210 Mio. EUR am Kapitalmarkt auf. Realistischerweise liegt bei 30 Jahren Laufzeit und 2 % Zinsen die jährliche Kreditrate bei rund 9,5 Mio EUR. Wenn die Kreditlaufzeit aber 199 Jahre betrüge, dann läge die Jahresrate bei rund 4 Mio. EUR. Das ist 4 mal soviel wie die o.g. 1 Mio EUR (genauso wie bei der anderen Rechnung: 2,5 Mrd. zu 10 Mrd.).


    Das heißt insgesamt: Die Stadt zahlt nicht nur doppelt soviel wie das Grundstück eigentlich wert ist, sondern sie zahlt zusätzlich durch den Einmalbetrag auch 4 mal mehr als sie das bei jährlichen Raten täte! Bei einem höheren Zinssatz wären es noch mehr. Und dabei ist die laufende Wertminderung des Grundstücks durch die immer kürzer werdende Restlaufzeit der Erbpacht noch gar nicht berücksichtigt.


    Man kann annehmen, dass die Bänker das sehr wohl wissen und rechnen können. Positiv formuliert, kann man also sagen, dass die Stadt hier ziemlich über den Tisch gezogen wurde, negativ, dass es sich hier mindestens um eine unerlaubte Beihilfe handelt. Darum bin ich sehr gespannt, was die EU dazu sagen wird. Und es ist unfassbar, welche Stümper hier bei der Stadt Steuergeld verwalten.

  • Puh, bei diesen Berechnungen stehen mir als Betriebswirt alle Haare zu Berge. Die verzinst/diskontierst/projizierst gerade so, wie es dir in den Kram passt. Und wenn man über einen Zeitraum von 200 Jahren alle möglichen Zinsberechnungen macht, dann kommt man schnell bei sehr vielen Milliarden raus wenn man es will.


    Ganz davon abgesehen sind irgendwelche Richtwerte hier nicht interessant, Marktwerte aus Transaktionen für vergleichbare Objekte, das wäre spannend.


    Es ging mir bei meiner Analyse auch lediglich darum, die Herkunft dieser sehr ominösen 70 Millionen Euro zu verstehen, nicht das Gesamtkalkül zu untermauern.

  • Für diese rund 200 Mio. € "Basis-Kosten" könnte man z.B. auf dem Raab-Karcher-Areal bereits rund 1/3 Bausubstanz für eine komplett neue Doppelanlage bekommen. Und man hätte in städtebaulicher Hinsicht auch noch einen deutlich besseren, "sichtbareren" Standort dort am Osthafen.


    Hier wird definitiv gegen jedes nachvollziehbare entwicklungsorientierte Interesse der Stadt gearbeitet.

    Einzig die Hintergründe dieses regelrechten "Unfuges" erschliessen sich einem Aussenstehenden nicht.