Oper und Schauspiel: neuer Standort / Alternativlösungen?

  • Das Grundstück ist für eine Erbpacht zu teuer. Als Verkaufspreis wäre das vielleicht noch ok, aber beim Verhandeln hat jemand offensichtlich vergessen, was Zins und Zinseszins ist. Die FAZ hat das in diesem Artikel mit einer Abzinsungs-Rechnung schon dargestellt.


    Alternativ könnte man auch folgende fiktive Rechnung aufstellen:

    • Die Stadt zahlt einmalig die 35 Mio. €.
    • Die Differenz zwischen 210 Mio. € und 35 Mio. € sind 175 Mio. €. Diese werden zu einem Zinssatz von 3% jährlich über 199 Jahre angelegt.
    • Vom Zinsgewinn jedes Jahres werden die 1,99 Mio. € jährliche Pacht bezahlt. Die restlichen Zinsgewinne vergrößern das angelegte Kapital.
    • Nach 199 Jahren hat die Stadt dann ein Endkapital von etwas über 39 Mrd. € (!!!), genauer gesagt 39.033.969.501,71 €
    • Bei 2% Verzinsung sind es nur knapp 4 Mrd. €, genauer gesagt 3.984.411.521,66 €
    • Bei 4% Verzinsung (auf diese lange Frist sicher nicht unrealistisch) sind es über 307 Mrd. €, genauer gesagt 307.243.414.744,95 €

    Insofern hat porteño völlig recht. Wenn die Stadt das macht, hat sie sich gnadenlos über den Tisch ziehen lassen. Denn die Banker von der Helaba wissen offensichtlich sehr genau, was der Zinseszinseffekt ist. Um Albert Einstein zu zitieren: "Der Zinseszins ist das achte Weltwunder. Wer ihn versteht, verdient daran, alle anderen bezahlen ihn".

  • Kurioserweise ist der Betrag, den die Stadt der Helaba zahlt, sehr ähnlich zu der Summe, den die Helaba an die Frankfurt Sparkasse quasi von Mutter-zu-Tochter-Gesellschaft in 2018 für die 50% Beteiligung am CBT Tower Grundstück bezahlt hat:

    https://finanz-szene.de/bankin…er-helaba-und-der-fraspa/


    Nur damals hat die Helaba 50% an einem 94.000 m2 Bruttogeschossfläche Hochhaus gekauft und jetzt kauft die Stadt nur ein Grundstück für ein Theater. Die 63.500 m2 BGF laut Hochhausrahmenplan verbleiben aber alle bei der Helaba für das 175m Hochhaus...


    Muss noch hinzugefügt werden, dass die aktuelle wirtschaftliche Lage im Immobilienmarkt darüber hinaus einen erheblich niedrigeren Preis pro m2 BGF rechtfertigen würde? :/

  • Da hat der FAZ-Praktikant aber Spass an seinem Excel gehabt ... der Passus über Inflation leuchtet mir auch nicht ganz ein.

    Ich würde jetzt mal davon ausgehen, dass da alles mit rechten Dingen zugegangen ist und das so passt, es gehen in solche Festlegungen sicherlich auch weitere Parameter ein, z.B. wer übernimmt die Abbruchkosten, Anwalts- und weitere Kaufnebenkosten, wie ist das ganze zeitlich gestaffelt ... und zu dem Helaba-Beispiel sei gesagt: zwischen 2018 und jetzt liegen 20 Prozent Inflation.


    Die relevante Benchmark sollte aus meiner Sicht auch nicht das ursprüngliche Arrangement sein sondern der Grundstücksmarktwert.


    Ist auch alles egal, das sind Peanuts, selbst wenn da 20 Mio oder so "zu viel" bezahl wurden, dann sprechen wir von 1% der Gesamtinvestitionssumme.

    Ob es wirklich gerechtfertigt ist, für ein Nischenobjekt wie Oper / Schauspiel derartige Beträge auf Kosten der Allgemeinheit aufzubringen, ohne das Thema mal in der nötigen Breite zu diskutieren, das ist aus meiner Sicht das kritische Thema.


    Wir haben FAZ / FR / FnP / HR uvvm. in der Stadt und niemand nimmt sich des Themas mal so wirklich an? Bei solchen Summen müssen alle Optionen auf den Tisch, alle! Und ich erwarte eine Einbeziehung breiter Bevölkerungsschichten.

    Wenn man dann entscheidet die Milliarden auszugeben, dann ist das OK, aber ohne echte Debatte finde ich das hochgradig problematisch.

  • Die Stadt hat nicht die Wahl zwischen Kauf und Erbbaurecht, wenn der Grundstückseigentümer nicht verkaufen will. Das Grundstück gibts also nur im Erbbaurecht oder gar nicht, der Erwerb als vermeintlich günstigere Option scheidet aus.


    Der Erbbauzins wird in der Regel bemessen in einem Prozentsatz des Grundstückswertes; üblich sind zwischen 2 und 6% des Bodenwerts des unbebauten Grundstücks, es gibt keine gesetzliche Vorgabe.

    Der Bodenrichtwert 2022 betrug 24.000 €/m², in der BRW-Karte 2024 stehen 17.000 €/m². Das Grundstück soll 5.500 m² groß sein. Daraus ergäbe sich ein Grundstückwert von 93,5 - 132 Mio €, rechnen wir der Einfachheit halber mal mit 100 Mio €.


    Es stand in Rede eine jährliche Erbpacht von 1,99 Mio € sowie eine Vorauszahlung von 35 Mio €; diese auf 199 Jahre laufzeit verteilt, wären rd. 175 €/a, so dass man sagen könnte der jährliche Erbbauzins sind 2,175 mio €/a, das entspricht 2,175% eines Grundstückswertes von 100 Mio €. Auf 199 Jahre gerechnet zahlt die Stadt nominell rd. 431 Mio €. Der Erbbauzins bleibt aber über 199 Jahre nicht gleich, sondern kann kraft Gesetzes oder kraft vertraglicher Anpassungsklausel entsprechend der Veränderung des Bodenwertes oder der allgemeinen Lebensverhältnisse (Preise und Einkommen, § 9a ErbauRG) angepasst werden; dies über 199 Jahre zu prognostizieren ist seriöserweise nicht möglich. Die FAZ lässt diesen Umstand in ihrer Bewertung des Geschäfts unberücksichtigt.


    Was wir (noch) nicht wissen ist, ob die Überschreitung eines irgendwie berechneten Barwertes bis zu besagten 210 Mio € die Wertsteigerung des Grundstücks in den nächsten 199 Jahren und die künftige Anhebung des Erbbauzinses abgilt. Wenn es sich wirklich um eine Einmalzahlung handeln sollte und später keine Anhebung mehr erfolgt, wäre das in meinen Augen kein unseriöses Geschäft. Der städtische Haushalt wird mit den Zinsen belastet, die auf den Betrag von 210 Mio € jährlich anfallen, aber nicht auf 199 Jahre, sondern nur auf die Tilgungsdauer.


    Ich kenne die Zinssätze auf Kommunalkredite nicht, aber rechnen wir mit 2,5% und einer Tilgungsdauer von 75 Jahren, müssten aus dem städtischen Haushalt jährlich 2,5 Mio € Zins und Tilgung aufgebracht werden; das ist nicht sehr viel mehr als ein jährlicher Erbbauzins von 2,175 Mio €, der im Normalfall vielleicht nach einigen Jahren und Jahrzehnten noch ansteigen würde.

  • sipaq : deine Alternativrechnung wäre so'ne Art Zins-Perpetuum Mobile - macht keinen Sinn. Woher soll die Stadt 210 Mio € oder auch nur 175 Mio € nehmen? Sie müsste sie am Kapitalmarkt aufnehmen und dafür Zinsen zahlen; Auf die Zinserträge werden Kapitalertragssteuern fällig. Die Stadt müsste für ihre Kapitalanlage mehr Zinsen erhalten als sie zu zahlen hätte. Ich würde grob schätzen, dass die zu zahlenden Zinsen und Steuern neben der immer noch fälligen Erbpacht daraus am Ende kein gutes Geschäft machen.


    Würdest du 175 Mio € für 3% anlegen, erhieltest du 5,250 Mio € Zinsen pro Jahr; davon gehen 25% Kapitalertragssteuer ab, verbleiben 3,9355 Mio €. Du wolltest davon noch die Erbpacht bezahlen (minus 1,99 Mio €), verbleiben 1,9475 Mio €.

    Für den Kredit über 175 Mio müsstest du Zinsen zahlen. Soll das für dich nicht zu einem verlust führen, dürftest du für deinen Kredit selbst nicht mehr als 1,1 % Zinsen zahlen; ist das realistisch? Liegt der Zins darüber, darfst du noch ordentlich zuschießen. Also: nix mit Zinseszins.

    3 Mal editiert, zuletzt von tunnelklick () aus folgendem Grund: Berechnung eingefügt

  • Hast Recht, Gemeinden zahlen nicht 25%, sondern nur 15% Kapitalertragssteuern. D.h. nach Abzug von Steuern und Erbpacht bleiben von deinem Zinsertrag 2,473 Mio € übrig. Der für das 175 Mio-€-Darlehen zu zahlende Zinssatz dürfte nicht mehr als 1,41% betragen; ist genauso unrealistisch. Wenn du nur 1,5% Zinsen dafür zahlen müsstest, dürftest du schon 152.000 € jährlich drauflegen.

  • Wenn die Stadt jetzt eine 199jährige Anleihe über 175 Mio. € begibt, dann liegt der Zinssatz ziemlich sicher deutlich unter dem, was am Kapitalmarkt aktuell bei langfristiger Anlage erreichbar ist (4% - 6% nach Steuern). Ich würde mit ca. 2,5% als Anleihezins rechnen. Das ist ungefähr die Größenordnung, in der vergleichbare langlaufende Staatsanleihen (z.B. 100jährige Anleihen aus NRW oder aus Österreich) aktuell liegen.

  • Die Stadt soll sich billig Geld leihen, es geschickt anlegen und aus dem Differenzgewinn das Grundstück finanzieren?

    Super Idee, soll sie gleich noch mit der eine Milliarde für die Schulen machen, oder am besten gleich mit 1, 2 oder 3 Fantastillion und die Zukunft ist gesichert...


    kann dann weg.

  • Muss man wirklich noch diese grundsätzliche Diskussion führen, ob sich Frankfurt als eine der großen Finanzmetropolen (weltweit) eine Oper und ein Schauspielhaus leisten darf?


    Frankfurt steht im Wettbewerb mit anderen Städten in Deutschland, aber natürlich auch mit europäischen Metropolen. Solche kulturellen Einrichtungen sind wichtige Faktoren, wenn es um die Ansiedlung von Unternehmen und anderen Institutionen geht. Im Übrigen sind beide Häuser doch ziemlich gut besucht. Ich würde keine der Einrichtungen in Frage stellen. Ich finde gut, dass nach so vielen Jahren endlich interessante Lösung gefunden wurde und freue mich auf die Wettbewerbe!


    Zu Recht kann man kritisieren, dass die Stadt am Schauspielhaus-Standort mit der Erlaubnis eines weiteren Hochhauses auf dem Grundstück, auf einfache Weise hätte viel Geld einnehmen können (zwecks Gegenfinanzierung). Da fehlte Mut; der neue Hochhausrahmenplan setzt ja gerade bewusst auf die Verknüpfung von "Hochhäusern" und "Kultur". Insoweit ist diese Entscheidung für mich nicht nachvollziebar; ggfls. sollte man einfach den Plan hier noch einmal nachbessern. Ausnahmen vom HH-Plan gab es ja in der Vergangenheit auch.

  • Bei der Rechnungen mit einem Endkapital von 307 Mrd. EUR erstaunt es mich, dass die öffentliche Hände noch über ihre Schulden stöhnen (Mr. Greensill grüßt).


    Die EZB senkt wieder die Leitzinsen. In den vergangenen 25 Jahren schwankte der 'Zins für das Hauptfinanzierungsgeschäft' zw. 0 und 4,75 % (de.statista.com).


    Um das Szenario zu komplettieren müsste noch die Inflation, schwankte in den vergangenen 25 Jahren zw. 0,3 und 6,9 %, (de.statista.com) und die anfallenden Steuern, Gebühren und Provisionen gegen gerechnet werden, besonders wenn das Geld zuvor geliehen werden muss.


    Daher teile ich die Meinung von Kaiser97: Die Stadt sollte die Gegenfinanzierung über den Bau eines Hochhauses auf einem Teilareal der Doppelanlage mittels Erbpacht offensiv angehen.

  • ^^


    Jedes Mal dasselbe wenn man die Kosten eines sündteuren Kulturprojekts kritisiert, das primär einer winzigen (Kultur-)Elite dient: "Aaaaaaber die Führungskräfte, die Standortfaktoren, die Unternehmen ..... für die brauchen wir das ja unbedingt". Typischerweise ohne Beleg, ohne Quantifikation und ohne gerechneten Business Case.


    Ich kenne privat viele Kulturfreaks (über meine Mutter, nicht aus Frankfurt) und beruflich viele Führungskräfte: da gibt es kaum eine Überschneidung, die weit überproportional vertretene Gruppe der Opernbesucher dürften Lehrer und Beamte sein. Nichts gegen Lehrer, sollen sie ihren Spass haben, aber das Standortfaktoren-Argument glaube ich so einfach nicht. Irgendeinen Effekt wird es haben, aber erlaubt es das jegliche vernünftige Grenze einfach zu sprengen ohne Diskussion?


    Wir reden hier von einem der teuersten deutschen Kulturbauwerke aller Zeiten (in einer relativen kleinen Stadt), das den fiskalischen Handlungspielraum auf Generationen einschränken wird, und es gibt nicht einmal eine vernüftige Diskussion? Die Luxus-Prestigbautenlösung ist wirklich die einzig denkbare? Null kreative Lösungsansätze werden diskutiert oder gefordert, keinerlei Kostenbewusstsein ist vorhanden, kaum eine gesellschaftliche Debatte wird angestossen?


    Wenn das Ergebnis einer breiten Debatte wäre, dass es Luxus-Prestigelösung sein muss, meinetwegen, aber so ist es einfach schwach, die Wunschlösung der Politiker und deren Umfeld wird als alternativlos durchgeprügelt.


    Ich wette man kriegt für einen Bruchteil des diskutierten Budgets eine vernünftige Lösung hin, aber nein, es muss der Goldrand sein.

  • Ich finde auch, dass man solche Dinge durchaus grundsätzlich hinterfragen darf und auch sollte. Es geht nicht darum, ob Frankfurt ein Theater oder eine Oper haben sollte (oder Berlin drei), sondern ob horrende Baukosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis stehen. In Hamburg hat man sich mit der Elbphilharmonie einen hervorragenden Stadtbaustein gegönnt, der breiten Bevölkerungsschichten Nutzen und Identifikation bietet. Über den Aufreger der Kosten wird dort oder auch in Sydney wohl nur noch anekdotisch geredet. Kaum jemand wird diese Bauten missen wollen. Herausragende Kunstwerke verursachen eben manchmal aberwitzige Kosten, ich finde, das sollte eine kulturbewusste Gesellschaft auch durchstehen können. Es darf aber nicht der Regelfall werden, wann immer ein Gebäude marode geworden ist.


    Vielleicht hilft auch ein Blick in die Frankfurter Vergangenheit. Für das Operngebäude spendeten die Bürger 480.000 Gulden, damals eine enorme Summe für gerade einmal 8.000 steuerpflichtige Bürger. Wenn der High Society, den ansässigen Unternehmen und den Expats die Kultur so wichtig ist wie behauptet, kann man in diesen Kreisen ruhig mal zu Spenden aufrufen. Früher war die höhere Gesellschaft bei so etwas zu mehr Eigeninitiative bereit.


    Auch das Schauspielhaus ist ein interessantes Beispiel. Heute wird bei euch über ein Hochhaus auf einem Teil des Grundstücks diskutiert. Zur Jahrhundertwende standen dort neben dem Theater auch ein großes Restaurant, Wohn- und Geschäftshäuser, die der Finanzierung dienten. Ebenso in Berlin, wo der Vorgänger der Komischen Oper nur der Kern eines Komplexes aus Hotel und Cafés war.


    Manchmal denke ich, dass es auch für die künstlerische Qualität nicht immer das Schlechteste sein muss, wenn die Künstler im Rahmen eines wirtschaftlichen Betriebes arbeiten und nicht überwiegend bezahlt durch Steuergeld. Warum also kein privat betriebenes Theater, bei dem die Stadt Karten ankauft, um sie vergünstigt an Bürger/innen mit geringerem Einkommen auszugeben? Das wäre günstiger für die Stadt und die aufgeführten Stücke würden wahrscheinlich auch mehr Menschen gefallen als heute.


    Also zusammengefasst:

    • Spenden einwerben, was eine Architektur voraussetzt, für die gern gespendet wird.
    • (Teil-)Finanzierung durch Nutzungsmischung des Grundstücks
    • Privatwirtschaftliche Betreibermodelle prüfen

    Für die abgefahrene, experimentelle Kunst muss es auch eigene Räume geben und gern auch staatliche Vollfinanzierung. Aber die Frage darf erlaubt sein: müssen in diesem Einzelfall milliardenteure Protzbauten aus der Staatskasse gebaut werden? Ist das eine gerechte Verteilung?

  • Neue Ausstellung im DAM Ostend


    Mäxken hatte am 18. Februar 2018 hier im Strange vom Auftaktveranstaltung der dreiteiligen Veranstaltungsreihe "Welche Zukunft für die Städtischen Bühnen?"berichtet.


    Begleitend dazu fand eine Ausstellung mit dem Titel "Große Oper - viel Theater?"im Deutschen Architekturmuseum (DAM) zwischen dem 24. März und 13. Mai 2018 statt und epizentrum hatte zur Ausstellung am 18. April hier geschrieben.


    Seit Donnerstag zeigt das DAM einen zweiten Teil der Ausstellung mit dem Titel "Ganz große Oper - viel mehr Theater?" mit dem Untertitel "Bühnenbauten im europäischen Vergleich". Die Ausstellung kann man zwischen dem 10. Oktober und 4. Dezember 2024 in der Henschelstraße 18 (aka DAM Ostend) besuchen (Q) weil das DAM am Schaumainkai zurzeit selbst eine Baustelle ist.


    Den Link zur Seite Neue Bühnen Frankfurt hatten wir glaube ich noch nicht.


    Ein Model des CBD mit den favorisierten Standorten wird gezeigt. Die bescheidenen Lichtverhältnisse bitte ich zu entschuldigen.

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    Modell: "Zukunft Städtische Bühnen" (M 1:1000), Stadt Frankfurt | Bilder: main1a

  • Es geht voran. Ein bisschen. Der Magistrat hat sich nun für einen Erbbaurechtsvertrag für das Fraspa-Areal an der Neuen Mainzer Straße ausgesprochen. Die Stadtverordneten müssen noch zustimmen. An der für die Stadt äußert nachteilig erscheinenden Einmalzahlung von 210 Mio. Euro plus Abbruchkosten hat sich nichts geändert. Die Mitteilung der Stadt:


    Neubau Städtische Bühnen: Magistrat spricht sich für Kulturmeile aus 

    Der Magistrat der Stadt Frankfurt am Main hat am Freitag, 22. November, beschlossen, den Standort für das neue Schauspielhaus im Bankenviertel zu favorisieren und den Stadtverordneten die Eckpunkte einer Rahmenvereinbarung für die sogenannte Kulturmeile zur Abstimmung vorzulegen.

    Mit der Landesbank Hessen-Thüringen und der Frankfurter Sparkasse soll eine Rahmenvereinbarung über einen Erbbaurechtsvertrag geschlossen werden. Ziel ist es, dass die Stadt das Schauspiel auf einem rund 5500 Quadratmeter großen Grundstück an der Neuen Mainzer Straße baut. Die Stadt wird von der Frankfurter Sparkasse ein Erbbaurecht an dem Grundstück mit einer Laufzeit von 199 Jahren gegen eine Einmalzahlung in Höhe von 210 Millionen Euro erhalten. Für den Rückbau der Bestandsimmobilie fallen für die Stadt noch einmal 3,75 Millionen Euro an.

    „Ich freue mich sehr, dass die Koalition diesen wichtigen Schritt geht und wir als Stadtregierung zeigen, dass wir bei großen Projekten wie dem Neubau der Städtischen Bühnen handlungsfähig sind und gemeinsam vorankommen“, sagt Kulturdezernentin Ina Hartwig.

    Als nächstes müssen die Stadtverordneten zustimmen. Dann hat die Stadtregierung die Standortentscheidung für den dringend notwendigen Neubau des Schauspiels in Frankfurt unter den Bedingungen des Rahmenvertrags getroffen. Das Schauspielhaus soll neben einem bis zu 175 Meter hohen, neuen Hochhaus mitten im Bankenviertel und an der denkmalgeschützten Wallanlage neu entstehen. Die Oper wird am jetzigen Standort am Willy-Brandt-Platz neu gebaut. Das haben die Stadtverordneten bereits vor gut einem Jahr entschieden.

    Das Grundstück an der Neuen Mainzer Straße, wo das Schauspiel jetzt neu gebaut werden soll, gehört der Frankfurter Sparkasse und steht nicht zum Verkauf. Das langfristige Erbbaurecht ermöglicht es der Stadt jedoch, dort unter angemessenen Bedingungen zu planen, bauen und das Schauspiel zu betreiben.
  • Die RMZ berichtet heute, dass die 210 Mio. EUR für das Erbbaurecht, welches die Stadt an die Sparkasse zu zahlen gewillt ist, von der EU-Kommission geprüft werden müssen. Sollte die EU-Kommission die Höhe des Betrages als unerlaubte Beihilfe klassifizieren, dann könnte der Deal möglicherweise scheitern.


    Ein Gutachter ermittelte für dieses Grundstück eine Verkehrswert von 131,6 Mio. EUR und einen Zuschlag "erhöhte Lagequalität" von 9,2 Mio. EUR. Die Differenz beträgt somit 69,2 Mio. EUR. Ob die EU-Kommission ein Überschreiten von etwa 33% als angemessene Beihilfe toleriert kann ich nicht beurteilen.


    Vielleicht gehen Stadt und Sparkasse nochmal in sich und überdenken ihre Bereitschaft und Forderung hinsichtlich des Pachtzinses.


    Das gleiche scheint wohl auch beim Kauf der Ausweichspielstätte in der Gutleutstraße durch die Stadt zu gelten. Es besteht bei der Stadt wiederum die Bereitschaft einen Zuschlag hinsichtlich der "erhöhten Verfügungsqualität" zu bezahlen. Und dies obwohl diese Immobilie schon seit Jahren auf dem Markt ist.

    Einmal editiert, zuletzt von main1a ()

  • Besagte 69,2 Millionen Euro sollen Entschädigung für Ausfall- und Umzugskosten der Frankfurter Sparkasse sein! Den Betrag mag man nicht glauben, doch er steht auf Seite 8 einer Vorlage des Magistrats vom 22. November, die mittlerweile im Parlamentsinformationsystem der Stadt veröffentlicht wurde.


    In der Tat ein über alle Maßen großzügig bemessener Haufen von Steuergeld, dessen Höhe jedwede Prüfung notwendig erscheinen lässt. Nur mal so: Von der aktuellen Zentrale bis zur neuen Adresse An der Hauptwache 1 sind es 700 Meter Fußweg.

  • Das lässt einem tatsächlich den Mund offenstehen und man muss zwangsläufig an längst vergangene Zeiten denken: Griff in den Kasten - DER SPIEGEL


    Ergänzung: die FraSpa hat 1500 Mitarbeiter, von denen sicherlich nicht alle in der Zentrale arbeiten, den die haben ja beispielsw. noch 50 Geschäftsstellen, sagen wir also mal 1000 Mitarbeiter arbeiten in der Zentrale. Dann kostet der Umzug pro Mitarbeiter 70 Tausend Euro ? Da ist doch was ganz gewaltig faul. Sicherlich gibt es sensible Themen wie Händler und IT, die Aufwände erzeugen können, trotzdem kann das so nicht sein. Ich hoffe unsere "kritische Presse" nimmt sich der Thematik an.


    Treiben wir es auf die Spitze: bei 70.000 EURO pro Mitarbeiter und 700 Meter Umzugsstrecke kostet jeder Meter, den ein Mitarbeiter umzieht 100 Euro?

    2 Mal editiert, zuletzt von Rud ()

  • Bei 50 Geschäftsstellen arbeiten sicher mehr als 1.000 Mitarbeiter in der Zentrale. Ich würde mal grob eher auf 1.200 bis 1.250 schätzen. Auf der anderen Seite sind die Zeiten von 100%iger Büropräsenz seit der Covid-Pandemie vorbei, d.h. mehr als 600-800 Arbeitsplätze wird die FraSpa nicht vorhalten müssen in einem modernen Bürokonzept. Ich würde sagen eher 800, da die relativ alte Belegschaft (über 50% sind älter als 50 Jahre) den klassischen Büroarbeitsplatz schon noch schätzt.


    Ich denke aber, dass die Umzugskosten der kleinere Teil sind bzw. da Kostentreiber wie Archiv, Tresor und Schließfächer mit drin sind, die von der Anzahl der Mitarbeiter völlig unabhängig sind.


    Zuguterletzt schreibt Schmittchen ja auch noch von Ausfallkosten. Da fehlt mir leider die Fachkenntnis zu, um grob zu ermitteln wie viele Millionen dafür draufgehen könnten. Insgesamt verbleibt bei mir aber schon der Eindruck, dass die FraSpa für Ihren Umzug sicher nicht draufzahlen wird und am Ende dafür ein hochmodernes Gebäude statt einem Bau aus den 70ern haben wird. Das zusammen mit der zentralen Lage ist für Kennzahlen wie die Mitarbeiterbindung sicherlich nicht unwichtig.

  • Ich habe mehrere Bankumzüge mitgemacht, die sind ziemlich unspektakulär. Bis Freitagnachmittags markiert man seine sieben Sachen oder packt sie in eine Kiste. Montagmorgen betritt man das neue Office, geht an den zugewiesenen Arbeitsplatz und findet dann dort seine sieben Sachen wieder, die man dann auspacken kann. Dann gibt es noch ein Willkommensbrunch in der Etagenküche, man kriegt ein nettes Booklet mit allen relevanten Infos zum neuen Arbeitsplatz und die Vorstände streichen durch die Reihen und fragen ob alles OK ist. Pro "normalem" MA maximal ein halber Tag Ausfall. IT hat die Sparkasse mittlerweile wohl überwiegend ausgelagert, Handel hat sie eh kaum, ja die Tresorfächer könnten ein bisschen was kosten, aber man wird da jetzt auch nicht tausende von Notaren und Sicherheitsleute für ein paar Meter Umzug brauchen. Die 70 MEUR sind einfach absurd, die echten Umzugskosten (inkl. Ausfälle) werden nicht mehr als 10 MEUR sein.


    Ich vermute ich weiß wie diese absurde Kostenposition zustande kommt. Wir dürfen nicht vergessen, das ist eine Kostenschätzung, auf deren Basis der finale Transaktionspreis bestimmt wird. Niemand wird nachträglich fragen ob das jetzt 70 MEUR oder 7 MEUR gekostet hat. Ich glaube auch nicht dass das irgendwas mit Korruption oder Betrug im engeren Sinne zu tun hat.

    Ich gehe davon aus, dass die FraSpa einfach die 200 MEUR haben wollte und die Stadt zur Umsetzung ihrer Wunschidee auch gerne bereit war, diese zu bezahlen. Allerdings wären eben nur 130 MEUR gemäß der EU-Vergabeverordnung als Preis möglich gewesen. Deswegen hat man nach Möglichkeiten gesucht, diese Lücke zu schließen. Offenbar ist es OK, diese Umzugskosten da aufzuschlagen, Und dann hatte irgendein Berater, Wirtschaftsprüfer oder sonst jemand die Idee, auf diese Weise, durch Ausnutzung aller Wahlrechte und Ansatz absurder Parameter 70 MEUR Umzugskosten anzusetzen: das Excelsheet würde ich gerne mal sehen ...


    Ich gehe davon aus, dass eine EU-Stelle das prüfen wird, mal sehen ob die das beanstanden. Wie gesagt hier wurde niemand übers Ohr gehauen, nur sieht es so aus als wollte man durch einen Buchhaltertrick die Vergabeverordnung aushebeln.


    Alles Spekulation, aber nur so kann ich mir das erklären.