Willy-Verbleib der Oper als Appell an die Vernunft
Ich verstehe die Tendenz im Forum sich über spektakuläre Großprojekte und mutige Architektur zu freuen und über passende Baufelder zu spekulieren. Dazu zähle ich mich grundsätzlich auch. Allerdings birgt ein solches Unterfangen beträchtliche Risiken und Frankfurt wird von den Marktmechanismen, die zur vorhersehbaren Elbphi-Kostenexplosion führten, vermutlich nicht verschont bleiben.
Da die richtige Prioritätensetzung von staatlichen Konsumausgaben ein Steckenpferd von Dir ist, Rohne, bin ich schon etwas überrascht, dass nun gerade bei der „Nice to Have“ Oper am Main ein Exempel statuiert werden soll. Dir wird nicht entgangen sein, dass es die Stadt seit Jahren nicht mal schafft die Spotlights am Goetheplatz zu reparieren (am Mainufer an vielen Abschnitten ähnlich) oder den Eisernen Steg nicht wie eine Müllhalde mit zerstörten Aufzügen aussehen zu lassen. Die Verwahrlosung vieler VGF U-Bahn Stationen (besonders Hauptbahnhof) ist ebenso kein gutes Aushängeschild. Die städtische Aufwertung des Allerheiligenviertels und des Bahnhofviertels stockt, die Hauptwache bleibt ein fieser Krater, die unwirtliche Konsti bleibt ein hoffnungsloser Fall bzw. eine Platte ohne jegliche Aufenthaltsqualität und die Berliner Strasse mit ihrer Fußgängerbrücke ein Ausdruck der Hilf- und Einfallslosigkeit. Die mangelnde Bereitschaft der Stadt an vielen Ecken in Pflege und langzeitigen Erhalt zu investieren, ist sicherlich keine neue Erkenntnis, aber es zeigt, dass die Kassen knapp und die Mittel äußerst limitiert sind.
Bedeutet eine knappe Kassenlage, dass wir von allen städtischen bzw. öffentlichen Großprojekten in Frankfurt per Definition Abstand nehmen sollten? Nein, denn der Bau eines komplett neuen Gebäudes für Schauspiel und Oper am Willy-Brandt-Platz ist eine Notwendigkeit aufgrund jahrelanger Abnutzung und der nötigen technischen Erneuerung, sowie der Einhaltung der ständig steigenden Auflagen des Brandschutzes. Eine Investition ist, mit anderen Worten, ohnehin unausweichlich und dafür darf man natürlich auch mal Geld in die Hand nehmen, alleine schon um konkurrenzfähig zu bleiben. Solange Oper und Schauspiel am Willy beisammen bleiben, kann auch gerne ein spektakuläres neues Ausrufezeichen hier entstehen. Dieser Weg scheint nun auch eingeschlagen worden zu sein.
Zusammengefasst, sprechen gegen die Mainoper zu viele Faktoren:
- Schwächung des Stadtkerns durch Abzug der Oper vom Willy ist ohne gleichwertigen Ersatz vorprammiert.
- Raab-Karcher liegt verdeckt im Schatten der Brücke, ein frei liegendes "Wow Effect" Opernhaus wie in Sydney, Kopenhagen, Oslo oder Hamburg ist somit bereits jetzt ausgeschlossen.
- Zerschlagung des Alleinstellungsmerkmals „Symbiose Oper und Schauspiel“, welches das Ensemble schwächen wird.
- Elbphi II Kostenexplosion hängt als Damokles-Schwert über dem Projekt und wird ständig hieran gemessen werden, einen Medienbonus wie HH hat Frankfurt zudem nicht.
- Eine spektakuläre Mainoper hätte über Jahre hinweig eine eingebaute Verknappung der Kartenverfügbarkeit & Preissteigerungen zur Folge zum Nachteil der Frankfurter Bürger. Das ist bei Willy-Verbleib weniger der Fall.
- Andere (wichtigere) Brot und Butter Infrastrukturprojekte werden liegen gelassen und die städtebauliche Pipeline wird sich weiter aufstauen. Bei Willy-Verbleib beider Häuser wäre das weitaus weniger der Fall.
- Anders als die meisten anderen Städte, die sich eine solche Oper leisten können, ist Frankfurt keine Hauptstadt, geschweige denn Landeshauptstadt, wo unvorhergesehene Zusatzkosten mal ebenso "absorbiert" werden. Wiesbaden hat auf "Frankfurter Abenteuer" bestimmt auch keine gesteigerte Lust.