Dieser Artikel ist schon ein paar Monate alt, beweist aber dass einige Banken in letzter Zeit, ihre Brexit Pläne gegen Frankfurt und zugunsten Paris ändern. Nomura zum Beispiel war einige der ersten Banken die sich öffentlich für Frankfurt als EU Hauptsitz post Brexit ausgerprochen hatte, jetzt wird sie vermutclich ihre EU Hauptsitz nach Paris, wegen der ständigen Charm-Offensive der französischen Regierung verlegen. Andere US Banken wie Citi lassen sich von der Belegschaft umstimmen und siedeln sich zumindest zum Teil auch in Paris an
Finanzplatz Frankfurt
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Der von Wunderknecht referenzierte Artikel muss schon zu denken geben. Andererseits vermute ich mal stark das zur französischen Charmeoffensive auch gehört, dass sämtliche Kanäle der Französischen Regierung, Europlace und der Initiative Choose France/Paris mit ihren guten Beziehung zu den Medien momentan ausgespielt werden. Marketingtechnisch läuft das auf einem ganzen anderen Level und wahrscheinlich mit einer ganz anderen finanziellen Unterstützung als dies in Deutschland bzgl. Frankfurt der Fall ist. Der Französische Ministerpräsident Eduard Philippe ließ es sich zum Beispiel nicht nehmen, Bank of America bei Eröffnung des EU Hubs in Paris persönlich zu begrüßen und ein Loblied auf die Reformen Macron´s singen. Kurz vor Davos lädt dann noch Macron persönlich Wirtschafts- und Finanzchefs alljährlich zum Diner nach Versailles. Das ist gelebte Willkommenskultur und gutes Marketing. Man stelle sich mal vor, unsere Kanzlerin ließe sich bei einem solchen Anlass in Frankfurt blicken…und ein Loblied auf welche Reformen? Ich kann und will es mir leider nicht mehr vollstellen.
Ein paar Beispiele, die aber auch den Nachrichtengehalt des oben zitierten Artikels zumindest etwas zurecht rücken.
Citigroup: irgendwann tauchte Anfang 2019 aus einer namentlich nicht näher benannten Quelle die Aussage auf, dass die Citi-Mitarbeiter anstatt nach Frankfurt nach Paris wollen und sich die Bank in Richtung Paris umorientiert. In einem Artikel von November 2019 bekräftigte jedoch Europe Chief Executive Zdenek Turek, dass die meisten Mitarbeiter nach Dublin und Frankfurt gehen werden.
https://www.irishtimes.com/bus…n-and-frankfurt-1.4091894
In Frankfurt hat die Bank mit der Citigroup Global Markets Europe einen Broker Dealer für die Europäische Union gegründet.
Nomura: Es gibt in der Tat Artikel, in denen behauptet wird, Nomura habe sich um entschieden und den EU Hub anstatt wie ursprünglich in Frankfurt dann doch in Paris angesiedelt. Es waren meiner Erinnerung nach immer Vertreter von Europlace (Vermarkter des Finanzplatzes Paris), die dies behaupteten. Fakt ist aber, dass Nomura 2018 eine Wertpapierhandelslizenz von der Bafin erhalten hat.
https://www.boersen-zeitung.de…php?li=1&artid=2018103028
Auch die nachfolgenden Artikel neueren Datums sprechen klar von einem EU Hub in Frankfurt
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Die Citi Group hat Kristine Braden zum "Head of Europe cluster" ernannt - sie zieht von New York nach Frankfurt. Mit dieser Entscheidung wird wohl Frankfurt eine noch gewichtigere Rolle übernehmen, als dies in den ursprünglichen Planungen der Bank vorgesehen war. Nachfolgend ein sehr interessanter Artikel aus der FT:
https://www.ft.com/content/1c2…60-11ea-a528-dd0f971febbc
Braden wird von Frankfurt aus für die Standorte Paris, Mailand und Madrid verantwortlich sein. Hier noch ein Artikel zu dem Thema aus dem Handelsblatt:
https://www.handelsblatt.com/f…-dXGKEZvietsUM92ZwJ4W-ap4
Ferner gibt es noch gute Nachrichten von der Deutschen Börse. Eurex Clearing gewinnt im Euro Clearing, ein Markt der mehr oder weniger in den letzten Jahren von London beherrscht wurde, weitere Marktanteile und erreicht wohl bald das gesteckte Ziel von 25%.
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Verkauf der Borsa Italia: Euronext hat wohl im Rennen um die Borsa Italia die besseren Karten.
https://amp2.handelsblatt.com/…chte-karten/26175238.html
Wieder mal ein Beispiel, wie die französische Politik sich auf höchster Ebene wieder einmischt, wenn es darum geht den Finanzplatz Paris zu stärken. Euronext liegt wohl im Rennen um die italienische Börse (Borsa Italia), welche die LSE zum Verkauf gestellt hat, vorne. Momentan läuft der Verkaufsprozess und Bieter können bis heute Angebote einreichen. Interessant an der Borsa Italia ist wohl insbesondere die MTS, einer Plattform für Staatstitel. Angeblich sind unter den Interessenten Euronext, Deutsche Börse und SIX (Schweizer Börsenplatz, der Anfang des Jahres erst noch die spanische BME übernommen hat). Hier scheint sich nach diversen Presseberichten wieder Präsident Macron persönlich zu bemühen. Es wird wohl an einem Deal gebastelt, der Italien über die Staatsbank CDP dann Einfluss und eine direkte Beteiligung an der Euronext einräumt.
Ich bin mal gespannt, ob sich die deutsche Regierung hier auch zu Gunsten der Deutschen Börse einbringen wird oder wieder mal untätig zuschaut und stattdessen die Deutsche Börse alleine agieren lässt. Nur mehr Geld zu bieten wird hier nicht ausreichen, weil sich der italienische Staat - wie erwartet - hier aktiv in den Verkaufsprozess der LSE einmischen wird und eine Mitspracherecht vorbehalten wird. Meiner Meinung nach müsste die deutschen Regierung bei solchen – den Finanzplatz betreffenden - Themen viel mehr in Erscheinung treten und alle politischen und diplomatischen Register ziehen. Ich erinnere an die Blamage beim Rennen um die EU Bankaufsichtsbehörde EBA. Auch hier lag am Ende Paris vorne.
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Unter deutschen Wählern lassen sich mit der Stärkung der deutschen Finanzindustrie nur äußerst wenig bis gar keine Punkte sammeln.
Das haben die deutschen Banken sich aber vor allem selber zuzuschreiben. Ob Hypo Real Estate, WestLB, HSH Nordbank, SachsenLB, Berenberg, die jahrzehntelangen Skandale bei der Deutschen Bank und nun der Totalschaden und volkswirtschaftliche Blamage Wirecard, hier ist vor allem das Handeln der Banker anzuprangern. Die Politik hat mit Milliardenschweren Rettungsprogrammen viel politisches Kapital ausgegeben und es entstand beim Wähler der Eindruck, dass sich die Politiker vom Too Big To Fail haben erpressen lassen (d.h. Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren). Ich finde die derzeitige Zurückhaltung der Politik beim Thema Lobbyarbeit für die Finanzbranche daher vollkommen verständlich.
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Von nur an den Pranger stellen und immer auf die bösen Buben zu zeigen kommt der Standort Frankfurt nicht voran.
Den Wandel professionell zu begleiten und zu unterstützen zeichnet hingegen gute Politik und -beratung aus. Die Best Practice - Beispiele sind halt dazu in Paris und leider nicht in Frankfurt oder Berlin zu finden.
Und eben das fehlt hier bei uns - wie der eine oder andere schadenfroh und zufrieden feststellt?
Der Bedeutungsverlust der heimischen Finanzinstitute reiht sich somit ein in den Abgesang auf die Automobil-, Chemie-und Pharmaindustrie usw.
Schade, der deutsche Wohlstand braucht und hätte weitsichtigere Politik(er) und Meinungsmacher verdient.
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Ich finde es angesichts der Cum-Ex / Cum-Cum Geschäfte, Wirecard, der Deutschen Bank Skandale, Negativzinsen, Bankgebühren für Alles, tausender geschädigter Anleger und verlorener Arbeitsplätze unangebracht, anderen Schadenfreude oder Zufriedenheit über die gegenwärtige Situation des dt. Finanzplatzes zu unterstellen. Niemand ist glücklich über die permanenten Skandale, blinden Lobbyismus, unzureichendes und selbstgefälliges Management oder politisches Versagen bis hinauf in das Bundesfinanzministerium.
Dass man nicht nur mit dem Finger zeigen darf, sondern dann auch Veränderungen herbeiführen muss, ist klar. In Deutschland scheitert es jedoch zu oft schon an Ersterem. Es waren doch gerade die BaFin, die FIU, das BMF, Finanzminister und auch Länderregierungen, die über viele Jahre untätig zugeschaut haben oder sogar aktiv an Skandalen beteiligt waren. Wo hat da die Politik nur den Finger gerührt? Wer nichts erkennt, erkennen will, der initiiert auch keine Verbesserungen.
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Die EBA ist letztendlich deshalb nach Paris gegangen weil die Pariser angeboten haben die Kosten für den Standort zu mindestens für eine bestimmte Zeit zu übernehmen.
Und die Deutsche Börse ist nicht inkompetent, sie weiß wenn sie die Hilfe von der Politik braucht kann sie es auch aufrufen. Aber ich glaube kaum ,dass die Mailänder Börse so interessant ist. Euronexts Strategie alle kleinere Börsen aufzukaufen ist keine Garantie für Wachstum. Die hohen Schulden die sie dafür macht, müssen irgendwann auch abbezahlt werden.
Deutsche Börse hat stets betont sie will mehr organisch wachsen
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Aber hier ist es offensichtlich doch so, dass die Deutsche Börse die Borsa Italia für sehr attraktiv hält. Das Angebot muss über mehrere Milliarden Euro betragen. Das legt die Börse ja nicht einfach so auf den Tisch. Die kennen die Borsa Italia sehr gut aus dem Merger-Prozess mit der LSE.
Jetzt auch auf einzelne Skandale in der Finanzwirtschaft abzustellen und damit dass mangelnde Interesse der Politik zu begründen, überzeugt mich überhaupt nicht. Zum einen ist doch punktuell die Politik selber involviert und somit Teil des Problems. Zum anderen gibt es z.B. auch in Frankreich unzählige Pfuschereien in der Finanzwirtschaft (Steuerhinterziehungsprozess der UBS in Frankreich). Trotzdem wird die Finanzbranche vom dem ehemaligen Investmentbanker Macron durch eine nachhaltige Wirtschaftspolitik extrem gefördert. In Frankreich adressiert die „Willkommenskultur“ unter Marcon eben die Wirtschaft und Unternehmen. Das macht für mich sehr viel Sinn, da es langfristig Arbeitsplätze und Wohlstand schafft und Anziehungskräfte für andere Unternehmen erzeugt. Das führt zu einem weiteren Bedarf an Bürofläche und fördert den Bedarf - ich hoffe von uns allen gewünscht - an Hochhäusern. Die will ich aber in Frankfurt sehen.
Auf die Stoßrichtung der aktuellen deutschen Willkommenskultur will ich nicht eingehen. Das bestimmen hier ja ohnehin die Medien und die Politik… und die läuft dann nur noch hinterher.
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Die ganze Aufregung vermag ich nicht ganz zu verstehen. Auch ohne die eingeforderte Intensivierung der “Lobbyarbeit” aus Berlin und Wiesbaden für die ohnehin hervorragend vernetzte und umtriebige deutsche Finanzindustrie wird ja derzeit ein regelrechtes Feuerwerk an neuen Hochhaus-Projekten in Frankfurt abgebrannt. Mit dem gerade erst angekündigten Präsidium, dem hoch gehandelten Millennium Gelände, dem Icoon, dem Four, dem ONE, dem (furchtbaren) Molenkopf-Hochhaus oder dem Fraspa Tower (oder Kleineren Projekten wie Junghof oder einem möglichen Tower auf OpernPlatz 2) sieht’s doch ganz in Ordnung aus. Diese Projekte stellen eine klare marktseitige Bejahung des Wirtschaftsstandortes Frankfurt dar. Sie kamen trotz des bei vielen Banken mit Erfolg praktizierten Homeoffice-Modells, trotz der anstehenden Konsolidierungs- und Automatisierungswelle im Bankensektor und trotz der harten Fintech Konkurrenz aus Regionen mit deutlich niedrigeren Office Mieten und quer subventionierten Payment Dienstleistern aus Silicon Valley (Apple und Google, die PayPal nacheifern). Soll heißen: der Markt hat diese Faktoren im Blick und plant/baut dennoch eifrig weiter, da es sich dennoch zu lohnen scheint in der Bankenhochburg Frankfurt in die Höhe zu bauen.
„Die Politik“ hat somit gerade ganz andere Themen zu lösen als auf Scampi-Events hochtrabende Lobby-Arbeit für Banken zu betreiben (z.B. ob es Lufthansa in 6 Monaten noch gibt, wann Schulen eröffnet werden dürfen, wie geht es mit der Messe Frankfurt weiter, wie überleben Gastronomien/Hotels in den Wintermonaten, etc). President Macron hat mit seinem Neoliberalen Kurs in Frankreich, den ich sogar gutheiße, den Eindruck geweckt, dass er Paris (mal wieder) über den Rest des Landes stellt, also genau die Sorte Politik, welche die “Gillets Jaunes” aus allen Bevölkerungsgruppen auf den Plan gerufen haben (der sehr ähnliche London-Zentrismus in UK war ein wesentlicher Faktor, der zum Brexit führte, wo war die Lobbyarbeit für Newcastle, Coventry und Birmingham???). Macrons Care Package für die Investmentbanker-Noblesse aus Paris taugt daher wohl kaum als besonders Erfolgs versprechender Anschauungsunterricht für Berlin. Übrigens konnten viele Banken die Corona-Volatilität am Markt für sich nutzen um einige der besten Trading Monate der vergangenen Jahrzehnte einzufahren. Das ist doch auch schon mal was wert für die keineswegs schlecht dastehende Frankfurter Bankenlandschaft, die sich der vollkommen berechtigten Kritik aus den Verfehlungen der letzten 20 Jahre mit etwas mehr Demut offen stellen sollte. Aus Fehlern wird man schließlich stärker, aus Kritikunfähigkeit eher nicht. -
Fokus auf allein die Finanzwirtschaft hat auch nie jemand verlangt. Die deutsche Politik aber macht doch derzeit genau das Gegenteil, da wird überhaupt nix mehr für getan. Fehlende politische Unterstützung für Frankfurt beim Werben um die Brexit-Banker ist da ein Punkt, der auch völlig zurecht hier thematisiert wurde. Und nicht nur bei den umzugswilligen Banken. Auch bezüglich einer Ansiedlung der EBA in Frankfurt, wofür bei entsprechender Unterstützung ja tatsächlich sehr gute Chancen bestanden hätten, kamen von der deutschen Regierung nichts als kaum ernst zu nehmende Alibi-Aussagen. Großartig Interesse hatten Merkel und Co doch allein an der nicht gerade mit jener Stadt in Verbindung zu bringenden EMA für Bonn - am Ende stand man komplett mit leeren Händen da. Genauso dieser katastrophale Deal, die bis dahin schlechteste Verteidigungsministerin überhaupt als Kommissionspräsidentin zu bekommen, und dafür Lagarde als EZB-Präsidentin zu akzeptieren...
Vergiss mal bitte nicht, dass die ganzen Bürotürme auch irgendwie gefüllt werden müssen. Zwar steht sie nicht gerade einsam an der Spitze (glücklicherweise, Diversität ist allein schon aus Gründen der Krisenfestigkeit anzustreben), aber in jeglicher Hinsicht (Beschäftigtenzahlen, BIP, Gewerbesteuer, etc) ist die Finanzwirtschaft unzweifelhaft eines der wichtigsten, und mit Abstand das bekannteste, Wirtschaftsstandbeine der Stadt. Und gerade sie ist neben dem Flughafen und vielleicht noch der Messe, die Basis schlechthin, für die auch internationale Bedeutung der Stadt.
Seit der - übrigens allein durch die Politik verursachte (die Finanzkrise zuvor war nur der Brandbeschleuniger) - Euro-Krise kommt von der deutschen Regierung aber überhaupt keine Unterstützung der deutschen Finanzwirtschaft mehr. Man hat eine völlig verfehlte Banken- und Eurorettungspolitik betrieben (konkret die sogenannte Euro-Rettung war eigentlich nur eine Rettung des französischen Bankensystems) und jetzt, nachdem man gemerkt hat, dass man da ziemlich unsinnige Mittel eingesetzt hat, will man mit den eigenen Banken überhaupt nix mehr zu tun haben und wirft nur noch Steine in den Weg.
Die ewige Niedrigzinspolitik der EZB, die nichts anderes ist als eine verdeckte Staatsfinanzierung (und damit hochgradig illegal), die in ihrem Ausmaß aber nicht nur die deutschen Sparer hart trifft sondern vor allem auch den hiesigen Banken das traditionelle Geschäftsmodell versaut, begrüßt man sogar. Damit konnte man ja die deutsche Staatsschuld senken obwohl man sich einen von Jahr zu Jahr perverser aufgeblähten Staatshaushalt mit Sozialgeschenken nach Gießkannenprinzip gegönnt hat. Nächste Streich wird die Finanztransaktionssteuer sein, wobei da der Schaden für die Banken sogar noch halbwegs überschaubar bleiben wird. Hauptsächlich leiden werden die Privatleute, die versuchen mit Aktien ihre, dank Reformstau bei der Rentenversicherung, erwartbar nicht gerade üppige Altersvorsorge etwas zu verbessern.
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Natürlich müssen die genannten neuen Büro-Projekte mit Mietern gefüllt werden. Wer in Frankfurt baut, rechnet ja auch mit den üblichen Dienstleistern aus der Bankenbranche. Wie ich meine, scheinen die Planer in ihrer Kosten-Nutzen und Standortsanalyse hohe Erwartungen in die Entwicklung der Frankfurter Bankenlandschaft zu setzen, sonst würde man nicht bauen. Die Sogwirkung der EZB, die immer mehr systemische Banken regulieren wird, scheint hier ein besonders triftiger Grund zu sein, gepaart mit Frankfurts Investments in seine Infrastruktur (Ausbau Flughafen, Ausbau Datencenter, schnellere Netzwerke, Ausbau Messe etc). Jede Ausweitung der Kompetenzen der EZB (und diese werden mit jeder Krise mehr und sind natürlich weniger medienwirksam als ein Beauty Contest um die EBA) ist ein Bedeutungsgewinn für Frankfurt. Eine relativ kleine EBA ist bzw war also keineswegs der “Must-Have” für den er hier gehalten wird.
Die Eigenverantwortung der Banken kommt mir in der Diskussion noch viel zu kurz. Die Fehl-Entscheidungen und Täuschungsmanöver von Hypo Real Estate und Wirecard auf Staatsversagen zu schieben (zu viel oder zu wenig Regulierung, je nachdem wie es gerade in die Argumentation passt), lässt aus, dass es oft Finanz-Lobbyisten, die die Rechtsschreibung entscheidend mit gestalten. Staatsversagen mag auch vereinzelt eine Rolle spielen, aber Bankenversagen (Managerversagen, Stichwort Aufsichtsrat Deutsche Bank) bedarf einer besonders nahen Betrachtung.
Zusammen gefasst: Rhein Main muss sich derzeit wesentlich mehr um die Zukunft des Flughafens, der Messe und seiner Hotellerie kümmern als um die Banken (bei denen nicht wenige Dank der Marktentwicklung der letzten 6 Monate mit satten Boni ausgestattet werden dürften). Die „Existenzängste“ der Banken hätten viele andere Frankfurter Gewerbe, die komplett auf Reisefreiheit angewiesen sind, wohl derzeit nur allzu gerne. -
Wobei man fairerweise schon die Politik in die Verantwortung nehmen muss, von wem und wozu sie sich beraten lässt. Dummheit schützt vor Strafe - in diesem Fall vor Verantwortung - nicht. Bspw. ist das BMF in der Verantwortung, wenn es sich wie im Fall Cum-Ex vom Bundesverband Deutscher Banken Gesetze im Wortlaut diktieren lässt, wenn es trotz Warnungen der Finanzverwaltung nicht genau prüft, ob der Gesetzestext im Sinne des Staats oder der Banken ist. Nur hüllen sich die Generationen an Finanzministern seit langem in tiefem Schweigen.
Dass einigen Banken und Lobbygruppen Gier (je länger die letzte Krise her ist, desto mehr), kurzfristige Gewinnmaximierung, moralische Versuchungen (too big to fail) und damit oft ein Eigenverschulden vorgeworfen werden kann und muss, gehört natürlich auch zur Wahrheit dazu. Leider trifft es am Ende häufig gerade diejenigen am härtesten, die am wenigsten mit den Skandalen zu tun haben.
Daher ist es zwar notwendig, dass die EZB in Frankfurt zusätzliche Kompetenzen erhält, gleichzeitig wird dadurch aber ihre Verantwortung immer größer, ihre Verantwortung für ein politisch und durchaus auch wirtschaftlich divergierendes Euroland. Ich bin gespannt, ob sich Lagarde der Volatilitäten erfolgreich entgegenstellen kann.
OT: Je mehr Macron Paris zum Bankenzentrum aufbläht, desto größer wird die Fallhöhe. In einem monozentralistischen Staat wie Frankreich kann das im Krisenfall weitaus dramatischere Folgen haben, als im polyzentrischen Deutschland.
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Naja - so einfach ist es am Ende nicht. Der französische Staat ist wesentlich mehr in der Wirtschaft eingebunden bzw. hat wesentlich mehr Anteile an den großen Unternehmen als es in Deutschland noch der Fall ist. Dementsprechend ist das "Lenken" in Frankreich auch ein wesentlicherer Bestandteil als bei uns in Deutschland. Man könnte dazu sogar noch den historischen Vergleich der Tradition des franz. Zentralismus mit jener Tradition des deutschen Dezentralismus ziehen. Aber das ist sicher zu viel Geschwafel.
Wie dem auch sei, gab es ja eigentlich einmal größeres Interesse jene Börsenplätze von Frankfurt und Paris zusammenzufassen um eine große Europäische Börse zu etablieren. Aber das klappte meines Erachtens, vor allem wegen der Deutschen Börse nicht. Die wollte unabhängiger und Marktnäher agieren als eine politisch grundierte Zusammenarbeit. Dass die Euronext durch ihre europäische Expansion der letzten Jahre die größeren Chancen verwundert dann auch nicht.
Nur sehe ich aber genau da auch keinen Vorteil für Frankfurt. Weder für die Börse noch für den Standort. Die Deutsche Börse hat sich damals gegen eine Politik von Übernahmen kleinerer europäische Börsen mit den jeweiligen Staatsinteressen entschieden. Und für Frankfurt hätten die Übernahmen mit staatlichen Einflüssen kaum einen direkten Effekt gehabt. Operative Geschäfte und Handel bleiben an den Standorten bestehen.
Genau so ist bei der EBA. Die EZB wandelt sich durch die Finanzkrise 2008 mehr und mehr zu einer wirklichen Zentralbank mit politischen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der EU-Staaten. Das ist im krassen Gegenspruch zum ursprünglichen Ziel und geht wesentlich weiter als jemals gedacht. Dadurch hat Frankfurt in der europäischen Finanzpolitik noch einmal stark an Einfluss gewonnen und wird da noch weiter gewinnen. Deswegen fällt die EBA nicht nur nicht ins Gewicht sondern schafft auch etwas Ausgleich.
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Zitat von hedges
Naja - so einfach ist es am Ende nicht. Der französische Staat ist wesentlich mehr in der Wirtschaft eingebunden bzw. hat wesentlich mehr Anteile an den großen Unternehmen als es in Deutschland noch der Fall ist. Dementsprechend ist das "Lenken" in Frankreich auch ein wesentlicherer Bestandteil als bei uns in Deutschland.
Nun, es hat auch niemand geschrieben, dass es einfach wäre. Der stärkere direkte Durchgriff der franz. Politik steht der Aussage nicht entgegen.
Zitat von hedgesDie EZB wandelt sich durch die Finanzkrise 2008 mehr und mehr zu einer wirklichen Zentralbank mit politischen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der EU-Staaten. Das ist im krassen Gegenspruch zum ursprünglichen Ziel und geht wesentlich weiter als jemals gedacht. Dadurch hat Frankfurt in der europäischen Finanzpolitik noch einmal stark an Einfluss gewonnen und wird da noch weiter gewinnen.
Einmal abgesehen von der natürlich symbolrächtigen Höhe des Einflusses, habe ich zwei (ernstgemeinte) Fragen:
Worin liegt denn genau der konkrete Gewinn einer immer einflussreicheren EZB für Frankfurt? Schafft oder sichert dies in der Stadt mehr Arbeitsplätze (abgesehen von denen der EZB selbst), wie hilft dies branchenfremden Unternehmen, der Stadtkasse oder dem Bürger? Und wie groß ist der tatsächliche Einfluss der EZB auf das Wirtschaftsgeschehen aktuell? Durch die jahrelange Nullzinspolitik besteht ja nicht wirklich Handlungsspielraum zur Kursänderung.
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Da ich kürzlich die fehlende politische Unterstützung bzgl. des Angebotes des Deutschen Börse für die Borsa Italia moniert habe, will ich diese - durchaus erfreuliche - Nachricht nicht unter den Tisch fallen lassen. Bundespräsident Steinmeier soll angeblich heute bei einem Treffen mit seinem italienischen Amtskollegen in Rom für das Angebot der Deutsche Börse geworben haben.
https://www.boersen-zeitung.de/index.php?li=1&artid=2020179020&artsubm=bf&r=Banken & Finanzen
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Frage: Was hat der Verkauf der Borsa Italia mit dem Brexit zu tun?
Die Konkurrenzsituation zwischen den Finanzplätzen Frankfurt und Paris würde es ohne den Brexit doch genauso geben. Das Thema hat Relevanz für den Finanzplatz Frankfurt, aber es hat keinen Zusammenhang mit dem Brexit.
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Vielleicht hätte man das Thema auch unter der Rubrik "Ökonomische Perspektiven Frankfurts" adressieren können. Korrekt.
Wir können es aber auch hier schließen, denn die Unterstützung durch einen französischen Präsidentin ist effektiver als die eines deutschen Bundespräsidenten:-). Die LSE verhandelt exklusiv mit Euronext, und das obwohl es preislich unter dem der Deutschen Börse und der SIX Group lag.
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Die Bank JP Morgan verlagert wegen des Brexits einem Agenturbericht zufolge Vermögenswerte von rund 200 Milliarden Euro nach Frankfurt, berichtet heute der ntv-text. Bis zum Jahresende solle die Übertragung der Portfolien in die Frankfurter JPMorgan-Niederlassung technisch abgeschlossen sein.
Damit steige die Bank an der Bilanzsumme gemessen zum sechstgrössten Geldhaus in D auf, berichtete Bloomberg.
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Nun, es hat auch niemand geschrieben, dass es einfach wäre. Der stärkere direkte Durchgriff der franz. Politik steht der Aussage nicht entgegen.
Einmal abgesehen von der natürlich symbolrächtigen Höhe des Einflusses, habe ich zwei (ernstgemeinte) Fragen:
Worin liegt denn genau der konkrete Gewinn einer immer einflussreicheren EZB für Frankfurt? Schafft oder sichert dies in der Stadt mehr Arbeitsplätze (abgesehen von denen der EZB selbst), wie hilft dies branchenfremden Unternehmen, der Stadtkasse oder dem Bürger? Und wie groß ist der tatsächliche Einfluss der EZB auf das Wirtschaftsgeschehen aktuell? Durch die jahrelange Nullzinspolitik besteht ja nicht wirklich Handlungsspielraum zur Kursänderung.
Nein, natürlich steht die getätigte Aussage nicht dem generell und traditionell stärkeren Einfluss der franz. Politik auf wirtschaftliche Belange entgegen. Ich hatte hier nur den Eindruck, es wird eine starke Zurückhaltung an der Bundesregierung bzgl wirtschaftlicher Belange kritisiert. Oder diese als Faktor gesehen, warum die Deutsche Börse mit seinen Planungen bisher eher leer ausgegangen ist.
Zu den Fragen: also bei Finanzdienstleistern oder Finanzinstitutionen ist der Effekt auf die indirekte Wirtschaft tatsächlich nicht gerade hoch bzw bleibt dieser überwiegend im Dienstleistungssektor. Und sicher ist der Effekt an Steuern und Arbeitsplätzen im Kontext mit der vorhanden Masse an Finanzdiestleistern in Frankfurt eher peripher. Ich denke aber dennoch, dass eine administrative Finanzinstitution wie die EZB - als eine der größten und wichtigsten Zentralbanken der Welt - dem Standort Frankfurt schon sehr gut tut. Zum einen, weil es eine administrative Institution ist, was Frankfurt meines Erachtens, immer gerne hat. Zum anderen, weil eben genau hier Deutschland dann einen gewissen Einfluss auf die Politik der Zentralbank hat. Wie die Finanzpolitik dann im einzelnen aussieht, ist eine andere Sache.