Pegida, Legida - Stupida?

  • Ich sehe "Islamisierung" eher als Schlagwort gegen solche Auswüchse wie wir sie im Falle des Berliner "Ehrenmordes" erleben. Mit dem Islam hat das theoretisch wenig zu tun [...]


    So weit, so gut. Keiner will wohl gerne Ehrenmorde sehen. Solche perversen Auswüchse des Islams sehen auch Muslime mit Schrecken (schon weil sie selbst meist die Opfer sind, so wie auch der IS viel mehr "schlechte" Muslime mordet als Andersgläubige). Aber sieht PEGIDA das auch so differenziert? Klingt eher nicht danach. Sonst würde dieser Fall nicht von einem der Leiter der Bewegung als typisch für den Islam charakterisiert: "Ist sie doch selbst schuld, wenn sie mit einem Moslem zusammen ist/ sich auf den Islam einlässt. Da passiert so was eben."


    LE Mon. hist.: Völliger Schwachsinn ist das nicht. Beim Ehrenmord geht es primär um die kollektive Ehre bzw. Schande einer Familie. Bei den von Dir angeführten Fällen geht es um individuelle Gefühle des Gekränktseins/ Machtverlustes (demnach ist der Berliner Fall durchaus ein Ehrenmord: Die Eltern des Täters wollten Maria nicht akzeptieren und keine Enkelin von ihr). Im Ergebnis ist es für das Opfer aber natürlich unabhängig vom Motiv das Gleiche.

  • Ja, du kannst das ja für Schwachsinn halten – aber frage dich mal selbst: Würdest du deine Tochter, ohne jegliche Vorbehalte, gerne mit einem Muslim zusammen sehen? Wenn du jetzt kurz nachdenken mußt hast du die Antwort ja eigentlich schon. Das es unter allen Volksgruppen schwarze Schafe gibt stimmt natürlich. Ich kann mir aber in einer deutschen Familie kaum Vorstellen, dass ein Bruder seine Schwester umbringt, und nach mehrjährigem Haftaufenthalt von der kompletten Familie mit voller Solidarität wieder aufgenommen wird. Es ist einfach Fakt das der Islam ein anderes Verhältniss zu Gewalt hat wie z.B. das Christentum.


  • Wenn dir das Spaß macht, nur zu. Ich hätte da auch noch ein Beispiel http://www.focus.de/panorama/w…-erwuergt_id_4442169.html


    Was du geteilt hast sind dem Motiv nach keine Ehrenmorde (oder werden nicht als solche bezeichnet) sondern Beziehungstaten. Das Ergebnis mag gleich schrecklich sein, aber der Antrieb ist ein anderer.

  • Ich habe keine Tochter, aber ich mußte nicht nachdenken. Es kommt immer auf den einzelnen Menschen an.


    PS: Weil es hier nun persönlich wird. Der Vater meiner Patentochter ist "irgendwie" Moslem, aber nicht praktizierend und auch sonst nicht sehr religiös. ;) Weder ich noch die Mutter haben deswegen irgendwelche Bedenken, auch wenn beide Kinder alleine mit dem Vater zu den Großeltern nach Marokko fahren.


    In den Augen der meisten Pegida-Anhänger_innen bin ich damit wahrscheinlich schon islamisiert oder naiver Gutmensch oder beides zusammen. Naja, ich kann sie ja gleich mal fragen, denn ich will nun in die Innenstadt zum Meinungsaustausch.

  • Ja, du kannst das ja für Schwachsinn halten – aber frage dich mal selbst: Würdest du deine Tochter, ohne jegliche Vorbehalte, gerne mit einem Muslim zusammen sehen? Wenn du jetzt kurz nachdenken mußt hast du die Antwort ja eigentlich schon. Das es unter allen Volksgruppen schwarze Schafe gibt stimmt natürlich.


    Da ich 3 Töchter habe, antworte ich mal. Prinzipiell würde ich gerne Männer für meine Töchter sehen, die ähnliche Werte vertreten wie unsere Familie und die natürlich auch nicht (nicht mal latent) gewalttätig sind. Das gilt für mich aber unabhängig von der Religion oder ethnischen Abstammung der Person - ganz ehrlich. Völlig ohne Vorbehalte sind übrigens generell nur sehr wenige Väter. Aber wir brüsten uns doch gerade so gerne damit, dass die Eltern hier nicht die Partner aussuchen... ;)


    Es ist einfach Fakt, dass der Islam ein anderes Verhältnis zu Gewalt hat wie z.B. das Christentum.


    Es ist einfach Fakt, dass es nicht _den_ Islam gibt.


    Chandler: Ist jetzt schon etwas her. Aber ich hatte diesen Bericht nicht verlinkt, weil ich für oder gegen Einwanderung argumentieren wollte. Es ging lediglich darum zu zeigen, wie gering die Einwanderung von Muslimen inzwischen im Verhältnis zu anderen Gruppen ist. Das ist mE nicht ganz belanglos, wenn PEGIDA und Co im Zusammenhang mit der Einwanderung vor einer Islamisierung des Abendlandes warnen (es sei denn, sie wollen den hier lebenden Muslimen Zwangskastration/ Hormonverhütung verordnen oder aber sie alle unanbhängig von der Staatszugehörigkeit abschieben). Natürlich ist das aber nur eine Stadt.

  • Es ist einfach Fakt, dass es nicht _den_ Islam gibt.


    Da muß ich jetzt aber entschieden Wiedersprechen – natürlich gibt es DEN Islam. Es mag verschiedene Auslegungen des Qur'an geben und auch verschiedene Strömungen im Islam. Aber alle Richtungen des Islam basieren einzig und alleine auf dem Qur'an. Es gibt kein altes und neues Testament, es gab auch keinen Martin Luther oder ähnliches. Die Frage ist nur wie Wörtlich man den Qur'an nimmt. Dort ist Gewalt als adäquates Lösungsmittel nämlich durchaus gang und gäbe.


    Ich habe überhaubt nichts gegen Muslime im Privaten. Ich kenne mehrere Muslime, und überhaubt setzt sich mein Freundeskreis mehrheitlich aus Zuwanderern zusammen. Das ist in Stuttgart warscheinlich auch Normal, aber da könnt ihr in Leipzig ja nicht mitreden – es gibt ja schließlich keine Auländer ;-). Ja, sogar meine Freundin ist Ukrainin. Es geht, zumindest mir, überhaubt nicht um Fremdenfeindlichkeit, sondern schlicht und Einfach um nicht zu leugnende kulturelle Unterschiede. Und mit diesen muß man eben auch umgehen können um Missbrauch zu unterbinden.

  • Ich kenne mehrere Muslime, und überhaubt setzt sich mein Freundeskreis mehrheitlich aus Zuwanderern zusammen. Das ist in Stuttgart warscheinlich auch Normal, aber da könnt ihr in Leipzig ja nicht mitreden – es gibt ja schließlich keine Auländer ;-).


    Leipzig liegt zwar in Sachsen, gehört aber nur sehr bedingt dazu.


    2011 betrug der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung in den Stadtstaaten Bremen 28,2 Prozent, Hamburg 27,0 Prozent und Berlin 24,8 Prozent sowie in den Flächenländern Baden-Württemberg 26,2 Prozent, Hessen 25,3 Prozent und Nordrhein-Westfalen 24,2 Prozent. In Ostdeutschland lag der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung bei lediglich 4,7 Prozent.


    Auf Gemeindeebene gilt, dass je größer die Einwohnerzahl der Gemeinde ist, desto größer ist tendenziell auch der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung. Während der entsprechende Anteil im Jahr 2011 in den Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern durchschnittlich deutlich unter zehn Prozent lag, hatte in den Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern durchschnittlich etwa jede vierte Person einen Migrationshintergrund.
    http://www.bpb.de/wissen/NY3SW…rationshintergrund_I.html


    In Stuttgart haben knapp 40 Prozent aller Einwohnerinnen und Einwohner und über 50 Prozent aller Kinder und Jugendlichen einen Migrationshintergrund ( http://www.stuttgart.de/migration ).


    In den kernstädtischen Ortsteilen Leipzigs lagen die Anteile von Menschen mit Migrationshintergrund an der jeweiligen Gesamtbevölkerung am Jahresende 2012 in Volkmarsdorf bei 31,0 Prozent, Zentrum-Südost 30,7 Prozent, Neustadt-Neuschönefeld 30,5 Prozent, Zentrum 22,0 Prozent, Zentrum-West 18,0 Prozent, Zentrum-Nord 17,5 Prozent, Lindenau 13,6 Prozent, Zentrum-Ost 13,2 Prozent, Grünau-Mitte 13,2 Prozent, Reudnitz-Thonberg 13,0 Prozent, Altlindenau 12,5 Prozent, Zentrum-Süd 12,3 Prozent, Gohlis-Süd 12,1 Prozent, Lößnig 12,1 Prozent, Zentrum-Nordwest 12,0, Anger-Crottendorf 11,7 Prozent, Eutritzsch 11,0 Prozent, Schönefeld-Abtnaundorf 10,2 Prozent ...


    Auf die Stadt Leipzig insgesamt gesehen betrug der Anteil 2012 9,3 Prozent und absolut waren es knapp unter 50.000 Menschen mit Migrationshintergrund. Die Suburbia wiederum hat normalsächsische bzw. ostdeutsche Verhältnisse: Baalsdorf mit 30 Personen und 1,8 Prozent; Miltitz mit 55 Personen und 2,9 Prozent; Althen-Kleinpösna mit 60 Personen und 2,9 Prozent; Plaußig-Portitz mit 64 Personen und 2,5 Prozent; Liebertwolkwitz mit 1,6 Prozent, Knautkleeberg-Knauthain mit 1,8 Prozent und Thekla mit 2,5 Prozent ... .


    Bei den jeweiligen Altersgruppen sind die Zahlen noch mal deutlich höher. So beträgt der Anteil der unter 6-jährigen Migrant_innen an den unter 6-jährigen Leipziger_innen 50,8 in Neustadt-Neuschönefeld und 54,9 in Zentrum-Südwest. Bei den 6- bis unter 15-Jährigen sind es in Zentrum-Südost 55,9 Prozent. Zusammengefaßt liegt der Anteil der unter 15-jährigen Migrant_innen an der Bevölkerung im Alter von unter 15 Jahren insgesamt in Zentrum-Südost bei 55,4 Prozent, Neustadt-Neuschönefeld 52,6 Prozent, Zentrum 47,5, Volkmarsdorf 47,2, Zentrum-Nord 32,7 Prozent ... . In der Altersgruppe der 18- bis unter 40-Jährigen haben 12,3 Prozent aller Leipziger_innen einen Migrationshintergrund, der höchste Anteil ist auch hier wiederum im Ortsteil Zentrum-Südost mit 38,5 Prozent.


    http://www.leipzig.de/fileadmi…ericht_Leipzig_2013_3.pdf


    Von den rund 100.000 Ausländer_innen in Sachsen leben etwa 33.000 in Leipzig, also ziemlich genau ein Drittel (http://www.deutsches-architekt…d.php?p=462272#post462272 ). Auf die Gesamtbevölkerung des Bundeslandes gesehen sind es aber nur 13,2 Prozent der Sachsen und Sächsinnen, die hier leben (534.941 von 4.044.785 Einwohner_innen am 31. Mai 2014).


    Auch deshalb sind so viele Menschen in Leipzig wenig erfreut, wenn vor allem aus der Suburbia und sächsischen und thüringischen Kleinstädten und Dörfern anreisende Wut- und Angstbürger_innen - gestern ca. 1.700 - , darunter viele bekennende Nazis und extreme Rechte, sich im Zentrum der Stadt auf den Augustusplatz stellen und von den Problemen einer angeblichen "Überfremdung" faseln.

  • Ok, das verstehe ich jetzt nicht. Hieß es nicht Pegida wäre Schwachsinn da es ja praktisch keine Ausländer in Sachsen gibt?


    Also mal im ernst: Ich kenne sicherlich mehr Zuwanderer als die meisten hier im Forum. Der Witz ist doch, dass selbst Zuwanderer, z.B. aus Polen, eine klare Einwanderungspolitik von Deutschland fordern. Davon sind wir allerdings weit entfehrnt, denn die Diskussion darüber wird ja praktisch im Ansatz zu nichte gemacht.


    Mal ein Beispiel am Rande:
    Meine Freundin kommt aus der Ukraine, hat in Deutschland studiert, niemals auch nur einen Cent vom Staat bekommen, und gilt als das was man als "Fachkraft" angeblich dringend in diesem Land benötigt. Trotzdem ist es nun so, dass es außer einer Heirat, keine Möglichkeit für sie gibt, länger hier zu bleiben. Gleichzeitig erzählt mir die Politik, in Deutschland herrscht Fachkräftemangel, und diesen könne man nur entgegnen, in dem man Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland holt. Da frage ich mich schon wo eigentlich der Sinn in der derzeitigen Einwanderungspolitik liegt.

  • Ok, das verstehe ich jetzt nicht. Hieß es nicht Pegida wäre Schwachsinn da es ja praktisch keine Ausländer in Sachsen gibt?


    Noch mal: "Leipzig liegt zwar in Sachsen, gehört aber nur sehr bedingt dazu." Das gilt auch für Teile von Dresden.


    Nur stellen sich dann die Ängstlichen und Wütenden aus Coswig, Meißen, Radeburg, Pirna, Altbriesnitz, Kesselsdorf, Heidenau ... , aus Altenburg, Borna, Wurzen, Delitzsch, Schnellroda, Mansfeld (der Manfred: http://www.welt.de/politik/deu…rige-Legida-Rest-auf.html ) ... in Dresden und Leipzig auf die zentralen Plätze.


  • Auch deshalb sind so viele Menschen in Leipzig wenig erfreut, wenn vor allem aus der Suburbia und sächsischen und thüringischen Kleinstädten und Dörfern anreisende Wut- und Angstbürger_innen - gestern ca. 1.700 - , darunter viele bekennende Nazis und extreme Rechte, sich im Zentrum der Stadt auf den Augustusplatz stellen und von den Problemen einer angeblichen "Überfremdung" faseln.


    Weil ich fürchte, dass ich mißverstanden werde und sich die Diskussion an den letzten fünf Worten aufhängt, setze ich noch mal eine Erklärung nach.


    Ich bin nicht naiv oder "sozialromantisch", um neben "Gutmensch" noch ein weiteres Schlagwort zu bedienen, aber ... ;) Natürlich gibt es auch Versäumnisse und dringend anstehende Aufgaben. Es läuft nicht alles glatt, wenn Menschen mit unterschiedlichen Geschichten, Erfahrungen, zum Teil auch Werten zusammenleben. Da gibt es Reibungen, da gibt es Konflikte. Es gibt Bildungsverlierer_innen, es gibt Kriminalität, es gibt auch sogenannte Ehrenmorde, ... . Aber das sind konkrete Probleme und an den konkreten Lösungen wird schon lange gearbeitet. Zum Teil muß da noch mehr geschehen. Darüber kann man diskutieren, sowohl über die Analyse der Probleme als auch über die Lösungsansätze.


    Das Problem liegt doch aber nicht darin, dass eine Islamisierung mit jedem weiteren Moslem und mit jeder Moschee droht und wir morgen auch alle Muslime sind, dass Asylbewerber_innen deutsche Kinder klauen wie in Dresden-Klotsche ( ), dass "jeder Kanacke schlecht ist" (https://www.youtube.com/watch?v=9EZA293UFZ - Minute 1:48), dass Grünflächen in Köpenick von Flüchtlingen kaputtgemacht und Bäume für sie gefällt werden müssen (ebd. 2:16), dass die ISIS morgen "hier von drüben kommt" und allen den Kopf abschneidet (ebd. 5:05), dass der Islam das deutsche Rentensystem kaputtmacht (ebd. 5:20), dass die Flüchtlinge "hierher kommen und Bazillen und sonstwas mitbringen" (https://www.youtube.com/watch?v=PxeUvYitoAc 5:05), dass "die Ausländer" alle im Sommer mit weißen Hemden und weißen Hosen in der Straßenbahn sitzen und Bier trinken und schon 0,4 Prozent Ausländer zu viel und sowieso alle Schmarotzer sind (https://www.youtube.com/watch?v=Bl0KPaLPL7g 9:00), dass der Islam in 20, 30 Jahren als Staatsreligion eingeführt wird (33:30), dass wir in 20 Jahren nicht mehr Weihnachten feiern können, sondern dann in die Moschee rennen müssen (https://www.youtube.com/watch?x-yt-ts=1422579428 11:57).


    Der Grundtenor ist ja, dass es in Berlin-Neukölln und Köln ganz ganz schlimm ist, was man ja jeden Tag im Fernsehen sehen kann (https://www.youtube.com/watch?x-yt-ts=1422579428 21:50), dass es in westdeutschen Städten ja schon zu spät ist, um irgendetwas zu machen, und sich Pegida dafür einsetzt, dass es nicht so extrem wird wie "dort" (https://www.youtube.com/watch?v=Bl0KPaLPL7g 21:54). Vor allem in Stuttgart soll es ja dramatisch sein und deshalb fährt man als ex-Polizist aus Stuttgart, Karlsruhe oder Mannheim nach Dresden, um dort zu demonstrieren (https://www.youtube.com/watch?x-yt-ts=1422579428 0:45).


    Ich möchte aber nicht, dass mir hier Menschen erzählen, die Lösung würde darin liegen, dass unsere Gesellschaft - in dieser Stadt und im ganzen Staat - wieder homogener und "rein deutscher wird " und alles nur so sein muß wie in ihren Dörfern, Klein- und Vorstädten oder in Leipzig vor 30, 50 oder mehr als 70 Jahren. Von den knallharten Nazis und Neurechten wie Kubitschek rede ich dabei gar nicht, das ist hoffentlich selbstverständlich.


    Ich will nicht (unwidersprochen lassen), dass ein autokratisches Regime wie das von Putin als leuchtendes Vorbild genannt wird.


    Wird fortgesetzt.


    Eine eindrückliche Gegenüberstellung von Bildern und Kommentaren:


    NDR Panorama 29.1.2015: Dresden heute, Rostock damals
    https://www.youtube.com/watch?v=GV5gM3QBCrw


    Ein kleiner Eindruck, was gestern so bei Legida an Redebeiträgen gehalten wurde:


    Legida 30.01.2015: "Manneszucht gegen die psychisch kranke Antifa"
    https://www.youtube.com/watch?v=Y8E9AdGhBaM

  • Ich will nicht (unwidersprochen lassen), dass ein autokratisches Regime wie das von Putin als leuchtendes Vorbild genannt wird.


    Zu DDR-Zeiten mochte man die russischen Besatzer nicht, deren Sprache man zwangsweise lernen mußte. Das war Konsens unter der Bevölkerung. Nur die (offiziellen) Eliten sahen das anders. Man liebte Amerika mit seinem way of life. Jetzt, wo der Liberalismus des Westens gesiegt hat, sehnen sich Teile der Bevölkerung nach einem autoritären Regime. Es macht sich bemerkbar, dass im Osten 56 Jahre Diktatur geherrscht hat - im Westen nur 12.

  • [N]atürlich gibt es DEN Islam. Es mag verschiedene Auslegungen des Qur'an geben und auch verschiedene Strömungen im Islam. Aber alle Richtungen des Islam basieren einzig und alleine auf dem Qur'an. Es gibt kein altes und neues Testament, es gab auch keinen Martin Luther oder ähnliches. Die Frage ist nur wie Wörtlich man den Qur'an nimmt. Dort ist Gewalt als adäquates Lösungsmittel nämlich durchaus gang und gäbe.


    Wie Du schon richtig schreibst, kommt es doch weniger auf den Glaubenstext als auf dessen Auslegung und noch mehr die konkrete Lebensweise an (im Christentum berufen sich übrigens praktisch alle - selbst die Reformierten oder kleinere Gruppen wie Zeugen Jehovas oder Mormonen - auf das Alte und das Neue Testament, aber sie interpretieren und gewichten die Dinge sehr unterschiedlich). Es ist doch allgemein bekannt, dass es auch in der Geschichte des Islams von Beginn an Abspaltungen gab und selbst innerhalb einzelner Glaubensschulen moderate und radikalere Strömungen vorkommen. Wie bzw. ob der einzelne Muslim das dann - gerade im säkularen Ausland - lebt ist dann noch mal eine ganz andere Frage. Selbst ein wenig diplomatischer Buschkowski macht da ganz klare Unterscheidungen, äußerte sich bspw. einmal hocherfreut, dass Neukölln eine sehr liberale Moschee bzw. Koranschule abbekommen hat und die Salafisten woanders in Berlin gelandet sind.


    Übrigens sieht man mE schon an ganz konkreten Beispielen, dass es eben nicht _den_ Islam und schon gar nicht _den_ Muslim gibt. So tragen in Berlin manche Musliminnen ein recht dezentes Kopftuch zu modischer, moderner Kleidung, andere ein Kopftuch zu traditioneller Kleidung, andere Vollverschleierung und wieder andere gar nichts Derartiges. Trotzdem tolerieren sich bspw. in meinem Nachhilfezentrum Mädchen und junge Frauen gegenseitig und auch die muslimischen Jungs machen da keinen spürbaren Unterschied. Ebenso beten manche regelmäßig, andere nicht. Manche haben viel Ahnung vom Islam, andere weniger.


    Eins widerspricht übrigens der These, dass es einen Islam gibt und darin allgemein Gewalt nach dem Koran Gang und Gäbe bzw. diese allen Muslimen nahe liegen müsste: Die meisten Muslime fühlen sich nicht empfänglich dafür und das scheinbar sogar umso weniger, je besser sie den Koran und den Islam tatsächlich kennen. Denn nach Untersuchungen (leider finde ich gerade keinen Link) sind am ehesten solche Muslime empfänglich für radikale Organisationen und Anschläge, die nur wenig bzw. oberflächlich im Glauben geschult sind. Ihnen kann man - wie auch vielen Europäern - leicht weiß machen, dass der Islam sie tatsächlich zur Gewalt gegen Andersgläubige aufruft. Übrigens habe ich auch schon Websites mit entsprechend selektiven Ausschnitten aus der Bibel gefunden (sogar im Neuen Testament gibt es da noch einzelne Ausschnitte) und auch die Thora ist nicht frei davon. Trotzdem werden heutzutage kaum noch diese radikale Lesarten verbreitet. Es ist wohl kein Zufall, dass auch die Kirche in ihrer militärischen Zeit die Menschen gerne bewusst dumm hielt und ihnen Auslegungen vorkaute, die scheinbar Kriege etc. unterstützten.


    Ich habe überhaupt nichts gegen Muslime im Privaten. Ich kenne mehrere Muslime, und überhaupt setzt sich mein Freundeskreis mehrheitlich aus Zuwanderern zusammen. [...] Es geht, zumindest mir, überhaupt nicht um Fremdenfeindlichkeit, sondern schlicht und Einfach um nicht zu leugnende kulturelle Unterschiede. Und mit diesen muß man eben auch umgehen können um Missbrauch zu unterbinden.


    Es gibt natürlich kulturelle Unterschiede zwischen Ethnien wie es auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern, den Generationen, verschiedenen sozialen Schichten, Berufsgruppen usw. usf. gibt. Manche Feministin würde bspw. sagen, dass es in der Welt ohne Patriarchat keine/ viel weniger Gewalt gäbe. Einige Sozialwissenschaftler werden hingegen vor allem Bildungsdefizite und Wohlstandsgefälle als zentrale Ursache bewerten. Andere sehen die Schuld wiederum primär bei der Religion. Tatsächlich sind mW die meisten Gewalttäter und auch Attentäter männlich, relativ arm und ungebildet sowie in einem bestimmten Alter. So wie etwa in den USA oder in Australien dunkelhäutige junge Männer aus den unteren Schichten besonders häufig Täter aber auch Opfer von Gewalt werden und teilweise ähnlich stigmatisiert sind wie bei uns zunehmend die Muslime. Auch in China und Indien oder im aktuell von den PEGIDAs umschwärmten Russland kommt es zu Anschlägen und Gewaltexzessen. Aber in dem Fall ganz ohne Islam.

  • Das halte ich für falsch, weil wieder generalisierend und vereinfachend. Ich habe als Kind in der Schule Russisch gelernt, nicht immer mit rasender Begeisterung. Ich war 15, als die Wende kam. Heute bin ich sehr froh, dass ich damals die Sprache gelernt habe, weil ich immer mal wieder in ehemaligen Staaten der Sowjetunion unterwegs bin und mich so verständigen kann. Dennoch bin ich kein Fan der aktuellen großrussischen Politik. Mein Russisch reicht noch heute, im Zusammenhang mit der Russland-Begeisterung der Pegida, Legida ... die grotest verzerrenden Nachrichten über Pegida und Legida im russischen Staatsfernsehen zu schauen, wenn ich auch nicht alle Nuancen verstehe. Außerdem reden die in russischen Nachrichtensendung immer viel zu schnell :lach: .


    Den besagten Konsens gab es in meiner Erinnerung nicht, weder bei meinen Eltern noch bei deren Freunden. Sie gehörten alle nicht zu den "(offiziellen) Eliten". Obwohl, meine Oma war in den 1950er Jahren Bürgermeisterin in einem Ort mit 1500 Einwohner_innen im Erzgebirge. :lach:


    Ich denke, der Grund für die Begeisterung für Putin ist ein anderer. In den Augen vieler Pegida-Anhänger_innen macht Putin genau das, was sie sich auch von der deutschen Politik wünschen. "Harte Hand", "klare Ansagen", "kein pseudodemokratisches Rumgerede", kein weicher "Liberalismus", kein "Genderquatsch", keine unterschiedlichen Meinungen und keine politischen Diskussionen. In der Duma wird durchgepeitscht, was der Präsident will und verlangt. Ausländer_innen, vor allem Muslimen und Muslimas und Zuwander_innen aus dem Kaukausus oder Zentralasien, wird das Leben schwer gemacht, Homosexuellen auch. Da reißt auch mal der Präsident oder Ministerpräsident (das Amt wechselt bekanntlich immer mal) einen Schwulenwitz und alle dürfen laut lachen. In Russland gibt es das "Gesetz zum Verbot der Förderung von Homosexualität unter Minderjährigen", das in der Pegida-Bewegung offenbar so dringend gewünscht wird ( http://www.deutsches-architekt…rum/showpost.php?p=462816 ). Das Nationale wird sehr stark betont bis hin zu einem staatlichen Nationalismus. Die russisch-orthodoxe Kirche hat beträchtlichen Einfluss auf die Politik, Kirchenkritik wird nicht geduldet. Die Strafen für alle möglichen Vergehen sind hart, laufend gibt es TV-Dokumentationen über das Leben in den Knästen. Die meisten Medien sind unter staatlicher Kontrolle, die bauen eifrig mit am Nimbus Putins. ...


    Die aktuelle Russland-Begeisterung ist nicht typisch für Ostdeutschland, sie ist typisch für Menschen, die rechts der Mitte zu verorten sind. Es gibt sie genauso in Köln, Frankfurt oder sonstwo, wenn auch vielleicht nicht so häufig und nicht so laut. Aber schau Dir z.B. die Reaktionen auf die gefakten Journalisten von "Russia Today Deutsch" an. Das war nicht in Dresden, sondern in Düsseldorf. https://www.youtube.com/watch?v=9EZA293UFZw ab Minute 3:10


    Sie gilt ebenso für weite Teile der extremen Rechten, etwa der NDP, auch wenn die deutsche Öffentlichkeit immer noch anders über das Verhältnis von deutschen und russischen Nazis denkt und sich wundern würde, wie eng die Kontakte sind. Das gilt natürlich nur bedingt für den deutschen Wald- und Wiesennazi. Ich habe in den letzten Tagen nicht nur einmal gehört, bei Pegida, Legida usw. könnten ja gar keine Nazis dabei sein, denn diese Gruppen wollen ja ein enges Verhältnis zu Russland. Dieses Fehlurteil ist wahrscheinlich noch schwerer auszurotten als die obligatorischen Bilder von 90er-Jahre-Krakenskins mit Bonehead, Domestosjeans und grüner Bomberjacke oder den 18-Loch-Springerstiefeln mit weißen Schnürsenkeln zur Illustration von Berichten über die extreme Rechte.


    Siehe z.B.
    Anton Maegerle: Die Internationale der Nationalisten. Verbindungen bundesdeutscher Rechtsextremisten - am Beispiel von NPD/JN - zu Gleichgesinnten in ausgewählten europäischen Staaten. In: Stephan Braun, Alexander Geisler, Martin Gerster (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten. Hintergründe - Analysen - Antworten. Wiesbaden 2009, S. 461-473.
    Zum Teil bei google Books: https://books.google.de/books?id=K6Je0St5eFYC


    Das ist nicht nur in Deutschland so:


    SPIEGEL online, 02.05.2014
    Europas Populisten: Putins rechte Freunde
    http://www.spiegel.de/politik/…en-russland-a-967155.html

  • Das halte ich für falsch, weil wieder generalisierend und vereinfachend. Ich habe als Kind in der Schule Russisch gelernt, nicht immer mit rasender Begeisterung. Ich war 15, als die Wende kam.
    ...
    Den besagten Konsens gab es in meiner Erinnerung nicht, weder bei meinen Eltern noch bei deren Freunden.

    Ich bin 1951 geboren - da waren die Erinnerungen an Vergewaltigungen durch Russen und die Einführung des Stalinismus bei meinen Eltern noch frisch - auch an die Gerüchte, die Amis kehrten nach Leipzig zurück.


    Im übrigen stimme ich Dir zu 100 % zu.

  • Noch mal: "Leipzig liegt zwar in Sachsen, gehört aber nur sehr bedingt dazu." Das gilt auch für Teile von Dresden.


    Hier ist wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens. ;) Der Migrantenanteil ist in nahezu allen deutschen bzw. gar europäischen Großstädten signifikant höher als im ländlichen Umland. Gehören die auch alle nur zum Teil zu ihren jeweiligen Ländern?
    Darüberhinaus ist diese statistische Bezeichnung "Migrationshintergrund" meines Erachtens relativ nutzlos um Vergleiche mit Westdeutschland oder Stuttgart im speziellen zu ziehen. Der Löwenanteil der Leipziger mit M-Hintergrund kommt nicht aus der Türkei bzw. dem Nahen Osten sondern aus dem europäischen Osten bisweilen sogar Zentralasien. Von denen wiederum sind gut die Hälfte Spätaussiedler.

  • Darüberhinaus ist diese statistische Bezeichnung "Migrationshintergrund" meines Erachtens relativ nutzlos um Vergleiche mit Westdeutschland oder Stuttgart im speziellen zu ziehen. Der Löwenanteil der Leipziger mit M-Hintergrund kommt nicht aus der Türkei bzw. dem Nahen Osten sondern aus dem europäischen Osten bisweilen sogar Zentralasien. Von denen wiederum sind gut die Hälfte Spätaussiedler.


    Hier drehen wir uns mE langsam im Kreis. Das stimmt natürlich, aber genau das war doch der Punkt weshalb wir uns wundern, dass die -GIDAs gerade in Sachsen so aus dem Boden schießen: Über was für eine Überfremdung und Islamisierung sprechen die denn dann überhaupt bzw. inwiefern haben sie eine solche je selbst erlebt? Das gilt umso mehr, wenn die Demonstranten selbst aus kleinsten Kaffs nach Dresden und Leipzig pilgern, um sich kollektiv zu empören. Ist doch irgendwo bezeichnend, wenn die Leiter schon Fälle aus Berlin zitieren müssen wie jüngst erst geschehen...

  • "Überfremdung und Islamisierung" sind als Schlagworte übertrieben aber in den letzten zwanzig Jahren hat sich das Bild in Leipzig schon gewandelt.


    Ich bin Mitte der 90er ins Rhein-Main-Gebiet gezogen, hab dort mein Abi fertig gemacht und einige Jahre gearbeitet und die Vielfalt in der Bevölkerung war dort für mich normal. Aber zum heimatlichen Gefühl bei Besuchen in Leipzig gehörte aber eben rückblickend auch das homogenere Bild der alteingesessenen Einwohner, gern auch mit Lokalkolorit in der Sprache. So wie ich es aus Kindertagen vor dem Wegzug kannte. Zum heutigen Zustand gibt es da schon eine Differenz. Und dort, wo sich die einen heute über eine größere Vielfalt freuen, sehen andere sicher das gewohnte Umfeld so langsam verschwinden und die oftmals durch die Presse gehenden Problemviertel anderer Städte als das, was ihrer Heimat ebenfalls drohen könnte.

  • Nur schließen sich da unmittelbar zwei Fragenkomplexe an:


    Spiegeln die reißerisch aufgemachten Presseberichte, vor allem der berühmt-berüchtigte Taff-Beitrag "Die schlimmste Straße Deutschlands" - https://www.youtube.com/watch?v=T6Zo1cwNw5A - , die Realität vor Ort oder dienen sie lediglich dazu, ein bestimmtes Bild zu festigen und zu bestätigen, was zumindest für die jüngerer Generation schon lange nicht mehr ihrer Wirklichkeit entspricht? Der gesamte Osten, vor allem aber alles links und rechts der Eisenbahnstraße vom Anfang bis Ende ist bei vielen unter 35jährigen "der heiße Scheiß", auch weil sie sich die Südvorstadt, Schleußig und Plagwitz nicht mehr leisten können. Da macht aller paar Tage ein neues "Projekt" auf, ein Laden, eine Galerie, eine Kneipe, ein nicht immer 100 Prozent legaler Klub ... . Es entstehen mehrere Hausprojekte im Kollektivbesitz und andere bilden hier zum Teil selbstgenutztes, zum Teil an Freunde und Bekannte vermietetes Privateigentum. Es gibt zwei Wagenplätze. ... Die öffentliche Meinung gerade auch bei den älteren Leipziger_innen wird aber noch Jahre lang ein anderes Bild von der "No-Go-Area" prägen.


    Stadt bedeutet immer auch Wandel und Veränderung. Können wir es uns als Gesellschaft leisten, lediglich aus nostalgischen Gründen - "Früher war hier alles so schön und deutsch und da gab es immer noch den Modelleisenbahnladen, in dem mir der Opa meine erste Lok gekauft hat, zu Weihnachten 1973." - einen Zustand konservieren zu wollen, der der gesellschaftlichen Realität nicht mehr entspricht? Selbst wenn wir das wollen würden, wie soll das gehen? Wessen Bedürfnisse sind relevanter - die der vor Ort lebenden Menschen oder die der vor Jahren und Jahrzehnten in andere Städte, in die Suburbia oder in andere Stadtviertel gezogenen ex-Bewohner_innen, die die Veränderungen in "ihrer" Straße betrauern?


    Ich bin überhaupt kein Freund von solchen menschlichen Kosten-Nutzen-Überlegungen und halte den Beitrag nicht für völlig durchdacht, aber in dem Zusammenhang gibt es Ansätze, die ich auch auf Leipzig und die obige Fragestellung übertragen kann:


    Zeit online, 31.1.2015
    Pegida
    Die gefährlichen Ängste der Alten
    Wir 20-Jährigen sind nicht verantwortlich für den demografischen Wandel. Wir demonstrieren auch nicht gegen Zuwanderung. Aber meine Generation wird das ausbaden müssen.
    Laura Meschede
    http://www.zeit.de/gesellschaf…g-rente-fachkraeftemangel


    Damit schließt sich der Kreis allmählich zu den Überlegungen über die "Schwarmstädte", die ich hier mal angerissen, aber dann nicht weiter verfolgt hatte. http://www.deutsches-architekt…m/showthread.php?p=462156


    Ich denke schon, dass man sagen kann, dass Leipzig mittlerweile viel mehr mit westdeutschen Großstädten - und insbesondere den dortigen "Schwarmstädten" - gemein hat als mit den Klein- und Mittelstädten in Sachsen. Es ist also nicht nur 16 mal Hoyerswerda neben- und übereinander oder 90 mal Rochlitz. Es unterscheidet sich in der demographischen Entwicklung, im Altersdurchschnitt, im Wahlverhalten ... All das hängt zusammen und hat wiederum unmittelbare Auswirkungen auf die Stadtgesellschaft und die Themen, die hier verhandelt werden. Dabei gibt es offenbar auch einige Menschen, vor allem ältere, die sich abgehängt fühlen von der Dynamik der Veränderung und die merken, dass ihre Ansichten, ihre Wertvorstellungen etc. nicht mehr die vorherrschenden sind. Der Gegensatz wird noch offensichtlicher, wenn man zur Schwester nach Döbeln fährt und mit der über ihren Alltag spricht.

  • (überschnitten mit Beitrag von LE.Mon.hist)


    @ kometa,


    ja, das streitet sicher niemand ab, dass sich Leipzig in den letzten zwanzig Jahren auch bevölkerungsspezifisch verändert hat. Mir ging es ja ähnlich: 1995 bin ich nach Frankfurt gekommen und habe dort zum ersten Mal Frauen mit Kopftuch gesehen. Heute ist das auch in Leipzig ein ganz normaler Anblick. Die Stadt wächst jedes Jahr um mehr als 10.000 Einwohner, darunter viele Migranten. Letztes Jahr zählte die Stadt zum Jahresende sogar über 13.000 Einwohner mehr als ein Jahr zuvor. Die Stadt ist im Umbruch, sie verändert sich, vieles zum Guten, manches bleibt auf der Strecke, nicht alles ist toll. Auch das Zusammenleben mit Ausländern verläuft nicht immer reibungslos, ich bin wie LE.Mon.hist auch kein Sozialromantiker oder Multikulti-Verfechter auf Deibel komm raus. Aber, so mein Eindruck, die, die im Zuge von Pegida/Legida Stimmung machen und sich jetzt trauen, den Mund für ihr rassistisches Geseier aufzumachen, kommen mehrheitlich aus dem Umland oder von noch weiter weg, wo alles beim Alten ist. Davon konnte ich mich gestern wieder überzeugen:


    Ich stand eine Weile in der Goethestraße, bevor mir die Situation zu brenzlig wurde. Viele ältere Legida-Anhänger strömten laut schimpfend auf die "linksverseuchte" Stadt mit ihren angeblich von OBM Jung bezahlten Antifa-Horden (was ein Unsinn) in Richtung Augustusplatz. Neben mir standen zwei junge Frauen, die höflich versuchten mit den Legida-Anhängern ins Gespräch zu kommen. Die meisten wendeten sich aggressiv ab, einige blieben und machten ihrem Ärger Luft. Es war erschreckend, welch stumpfer Rassismus die Leute zu Legida treibt. Die von LE.Mon.hist verlinkten YouTube-Videos sprechen Bände. Wenn wir (die Gegendemonstranten) so für "de Ausländor" seien, sollten wir doch alle welche zu Hause aufnehmen, so noch einer der gemäßigteren Kommentare. Dann kippte die Stimmung, als zwei Legida-Hools gezielt Jagd auf Gegendemonstranten machten. Später kam ein älterer Herr hinzu und bespuckte die Leute. Dessen Mütze wurde entwendet und über den Unister-Bauzaun geschmissen. Es war zu dem Zeitpunkt übrigens keine Polizei anwesend, weil diese die 500 angereisten Hooligans vom Hauptbahnhof über den Georgiring zum Augustusplatz begleiteten. Ich hab mich dann schnell in Richtung Grimmaische Straße verzogen, wo die Stimmung besser war.


    Insgesamt kann ich sagen, dass auch der Gegenprotest nicht nur von mal zu mal abnimmt, sondern auch studentischer, linker und teilweise auch radikaler wird. Schade. Beim ersten Mal, als sich noch 30.000 bis 35.000 Leute am Waldplatz befanden, um ein Zeichen gegen diesen Pegida-Stumpfsinn zu setzten, ging es noch viel bürgerlicher zu. Und Legida ist zu einem angereisten Häuflein rechter Hooligans und Pöbel vom Lande zusammengeschrumpft. Aus der angestrebten breiten Protestbewegung von rechts wird es vorerst nichts in der Messestadt, nur noch 1665 Verwirrte wollten gestern das Abendland retten. Dennoch ist die Situation alles andere als schön. Die meisten Leipziger haben diesen Pegida-Rummel gehörig satt, egal ob sie mit dieser Bewegung sympathisieren oder nicht. Sie wissen, dass es dieser Bewegung nicht um Inhalte geht, sondern um Provokation und diffuse Vorbehalte gegenüber Minderheiten sowie um eine Kraftprobe mit der Stadt Leipzig und dass dadurch das Demonstrationsrecht seitens Legida missbraucht wird.



    Noch ein paar Fotos vom gestrigen Abend, damit es auch hier wieder ein wenig bunter wird.



    Goethestraße Richtung Augustusplatz im Schneetreiben vor Beginn der Kundgebung. Vor mir Tumulte, weil der Zugang für Legida-Anhänger gesperrt ist.




    Ausgelassene Stimmung mit Musik hingegen in der Grimmaischen Straße, obwohl auch hier vereinzelt unwissende Legida-Anhänger den Zugang zum Augustusplatz suchten.





    Bilder: Cowboy