Reko vs moderner Neubau - Vom einen zu wenig, vom anderen zu viel?

  • 1) Achtung: Thema wird von rechts instrumentalisiert.

    Ist natürlich Blödsinn. Der Autor des Films sagt ernsthaft, dass man aufpassen muss, beim Kritisieren von hässlichen modernen Gebäuden nicht mit den "falschen" Leuten übereinstimmt. Als würden Meinungen nur noch zählen, wenn man dabei Applaus von den "richtigen" Leuten bekommt. Was ein intellektuell armseliger Quatsch.

  • Zudem es auch einfach nicht stimmt. Was wurde nicht alles darüber geschrieben, dass z. B. die Garnisonkirche in Potsdam zum Pilgerort von Rechtsextremen werden könne. Die einzigen Extremisten, die sich vom Turm angezogen fühlen, sind Linksextremisten. Gleiches beim Berliner Stadtschloss. Die bis heute immer wieder vorgetragenen Vorwürfe haben sich bei genaueren Untersuchungen entkräftet (zumal es 1. ohnehin Schnitte ist, wer für einen gemeinnützigen Zweck spendet und 2. etwaig zweifelhafte Spender in Relation zur riesigen Zahl an Spendern auch nicht maßgeblich sind).


    Und was könnte denn gute Architektur dafür, wenn sich "die richtigen Leute" nicht genug für sie einsetzten? Ginge dieser Vorwurf nicht eher an jene, die sich das Thema nicht aneignen? Ja, diesen Vorwurf mache ich, allerdings nicht der Politik. Rekonstruktionen sind in Deutschland demokratische Projekte, größere Vorhaben allesamt von Parlamenten beschlossen, parteiübergreifend, auch von linken und liberalen Parteien. Es sind die Architektenkammern und der BDA, bzw. deren Mitglieder, welchen der Vorwurf zu machen ist, sowohl die baukünstlerischen Instrumente ihrer Zunft wie auch die öffentliche Meinung viel zu oft links liegen zu lassen.


    Im Übrigen ist die Moderne in vollem Umfang von den Falschen "instrumentalisiert" worden. Hitlers Olympiastation in Berlin ist ein Bau der Moderne, gleiches gilt für Repräsentationsbauten des Faschismus oder Sowjet-Sozialismus. Und in Russland oder China werden heute ähnliche Glas-Stahl-Beton-Schlachten veranstaltet wie im Westen, nicht selten durch die gleichen Architekten.

  • Mir ist das nicht egal, woher das Geld für die Schlossfassade gekommen ist und das betrifft auch alle anderen Projekte.

    Die Millionenspenden irgendwelcher Ewiggrstrigen entwerten die Spenden der vielen demokratischen Kleinspender und nehmen auch mir Freude an dem Projekt.

    Hier wurde im wahrsten Sinne des Wortes, der Bock zum Gärtner gemacht.

    Man hätte besser auf diese Spenden verzichtet, auch wenn dadurch die Fertigstellung verzögert worden wäre, denn dieser sorglose Umgang bringt keinen Vorteil, ich denke gar, er verhindert eher weitere Rekonstruktionsprojekte.

  • Baukörper: Ich finde den Kommentar etwas nebulös. Welche Spender genau stören dich und warum?


    Das Humboldtforum im wiederaufgebauten Schloss ist das vielleicht demokratischste deutsche Bauprojekt. Da finde ich es auch passend, wenn jede/r, die oder der es möchte, dafür spenden kann. Schließlich wird in einer freien Gesellschaft in aller Regel nicht nach Gesinnung selektiert. Und ich finde auch, dass eine große Geldspende für die Legitimation eines Vorhabens nicht schwerer wiegt als eine kleine. One man, one vote.


    Wir haben gerade den Geburtstag des Grundgesetzes gefeiert. "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden", heißt es da zum Beispiel. Den Grundsatz der Gleichbehandlung finde ich wichtig. Für ein vom Staat als gemeinnützig anerkanntes und von Bundestag und Senat beschlossenes Projekt zu spenden, ist nun wirklich kein staatsgefährdender Akt, der irgendeine Benachteiligung nur aufgrund des Ansehens einer Person rechtfertigen würde.


    Bei jedem anderen Projekt, für das viel gespendet wird, ließen sich Spender/innen finden, mit deren Ansichten man nicht einverstanden ist. Das entwertet weder einen Zoo, noch einen Musikverein, weder ein Umweltschutz-, noch ein Wiederaufbauprojekt. Dass sich so sehr auf dieses Thema der Spender gestürzt wurde, zeigt mir nur, wie wenige sachliche Argumente man gegen den großen Erfolg dieses schönen Wiederaufbaus vorbringen kann.

  • Ziegel:

    Oh doch, wenn der Spendenempfänger weiss, wer gespendet hat, dann ist es nicht egal. Und als ebenfalls nicht Kleinspender, ist es mir gar nicht egal, wenn mein Name auf einer Spendentafel möglicherweise neben bekannten Nazianhängern steht.

    Das ist dann für mich Grund genug, nicht weiter zu spenden und die Freude an dem Projekt zu verlieren. Zumal ja lange genug über diese Problematik diskutiert wurde.

    Zum Grundgesetz ist hier nur zu sagen, dass es Hass und verfassungsfeindliche Gesinnung nicht schützt. Gleichberechtigung für Rechtsradikale und Hassprediger wird es nicht geben. Wenn du magst, kannst du deinen Standpunkt da ja mal überdenken.

  • Baukörper Wenn dubiose Gestalten aus dubiosen Gründen für so ein Projekt spenden, dann ist das imagetechnisch sicher nicht "völlig egal". Am problematischen ist sicher, wenn solche Personen tatsächlich auf irgendwelchen Plaketten namentlich erwähnt und geehrt oder sogar als Namensgeber für einen Saal o.ä. verewigt werden. Da wurden mW aber auch schon Namen getilgt, nachdem es den Verantwortlichen zur Kenntnis kam.


    Und ich sehe sonst auch keine Veranlassung, dass man so etwas bei einem gemeinnützigen Projekt proaktiv prüfen und die Spenden verhindern hätte müssen. Die Spenden erkaufen keine Deutungshoheit über den Bau, inhaltlich bemüht man sich dort zudem um einen Austausch zwischen den Kulturen auf Augenhöhe inkl. Aufarbeitung des kolonialen Erbes. Dieser Prozess, der sonst weitgehend anonym stattgefunden hätte, findet so im Zentrum der Stadt hinter maximal repräsentativen Fassaden statt. Umgekehrt habe ich nach wie vor keine Pilgerströme irgendwelcher Staats- oder Verfassungsfeinde erlebt.


    Ich würde insgesamt dafür plädieren, sehr viel unaufgeregter mit solchen Themen umzugehen. Wo entsprechende Personen oder Gruppen gezielt die Öffentlichkeit suchen und die gesellschaftliche Ordnung oder zumindest Meinungsbildung beeinflussen wollen, muss man sie natürlich entschlossen stellen. Sollten solche Akteure im Verborgenen die Staatsform oder gar Menschen verfolgen, gehört natürlich auch präventiv ermittelt.

    Den Menschen aber hinterher schnüffeln und einen impliziten Generalverdacht aussprechen (ja, sogar ein Engagement/eine Spende im Voraus von einer Recherche und Gesinnungsprüfung abhängig machen), das fände ich dann in der Tat sehr kontraproduktiv und völlig unangemessen. Das wäre dann mE nämlich selbst ein Instrument undemokratischen und faschistoiden Handelns. Vor allem habe ich den Eindruck, dass das immer nur in einer Richtung gefordert wird.

  • Baukörper: Ich hatte auch eine konkrete Frage gestellt und fände eine ebenso konkrete Antwort hilfreich für eine möglichst faktenorientierte Diskussion.

  • Auf jeden Fall sollte es bei derartigen Projekten eine rote Linie geben, bei deren Überschreiten Spenden auch abgelehnt werden können. Schwieriger als die Formulierung dieser Linie dürfte die konkrete Entscheidung sein, wann sie überschritten ist. Im Fall des Berliner Schlosses hat ja vorwiegend die Causa Bödecker für Aufregung gesorgt. Der Fall war schon so grenzwertig, dass selbst die Angehörigen dafür plädierten, die Ehrentafel für den Spender zu entfernen. Man muss bei solchen Sachlagen sehr sensibilisiert vorgehen, um die unzähligen unbescholtenen Spender nicht in Misskredit zu bringen. Diese Herausforderung sehe ich schon.

  • bei derartigen Projekten

    Mich würde interessieren, wie "derartige Projekte" definiert sind und wie genau die Grenzziehung, welche Spenden annehmbar sind, ganz praktisch ablaufen soll. Es gibt ja Unmengen von Spendenprojekten, die, sobald die Gemeinnützigkeit anerkannt ist, allesamt staatlich legitimiert sind. Sollen Vereine AG gründen, welche öffentliche Publikationen von Spender/innen nach verfassungsfeindlichen Äußerungen durchforsten? Oder reichen Abfragen bei den Verfassungsschutzämtern? Das hätte im Falle Bödeckers jedenfalls nichts ergeben.

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    Welche Linien gezogen werden, müssen die Organisatoren selbst definieren. Das sollte aber im Vorfeld geschehen und offen kommuniziert werden. Solche Linien sollten sich an gesellschaftlichen Normen und Vorstellungen orientieren und sich von den Rändern der Gesellschaft abgrenzen. Geht man dabei zu weit oder nicht weit genug, läuft man Gefahr, die gesellschaftliche Akzeptanz zu verlieren. Das ist also eine Gratwanderung, der man sich bewusst sein muss.


    Und natürlich kann man es einem Förderverein nicht aufbürden, die Gesinnung jedes Spenders zu überprüfen, mal ganz abgesehen von ganz anderen Bedenken. Sollten aber "problematische" Spender enthüllt werden oder offen zutage treten, braucht es ein fertiges Konzept, wie man souverän agiert. Im Fall des Fördervereins für das Berliner Schloss hatte ich aber das Gefühl, dass man auf Enthüllungen wie im Fall Bödecker nicht vorbereitete war und zunächst sehr kopflos unterwegs war. Das hätte sich sicher vermeiden lassen, wenn man solche Entwicklung im Vorfeld einkalkuliert hätte. Wer ein solches Projekt auf die beide stellt, dem muss es doch bewusst sein, dass sich auch eine konservativ-reaktionäre Klientel angesprochen fühlt. Dann muss man sicherstellen, dass nicht auch noch weiter rechts stehende Individuen und Organisationen das Projekt für die eigenen Ziele instrumentalisieren. Irgendwo dort sollte man seine roten Linien ziehen und entsprechend konsequent handeln.

  • Dass das Schloss (auch) als Erfolg von Reaktionären wahrgenommen wird, liegt eigentlich nur an den Kritikern. Hätten die nicht gezielt recherchiert und das Thema dann nicht so aufgeblasen, hätte kein Mensch Notiz davon genommen. Die Idee, dort die Kulturen der Welt zu zeigen und die Sammlungsgeschichte angemessen aufzuarbeiten, gerät fast in den Hintergrund, weil alle nur von Preußen reden. Ich frage mich, wem Herr Oswalt und Co damit einen Dienst erwiesen zu haben glauben.


    Im Übrigen, Tegula, hatte ich doch ganz konkret gefragt, welche Maßnahmen als wünschenswert betrachtet worden wären. Und wie der Verein sie hätte umsetzen sollen und ob das dann auch von jedem anderen Verein, der ähnliche Summen sammelt, verlangt werden könne. Deine Antwort finde ich da eher nebulös bzw. Allgemeinplätze bedienend.

  • Ja, schon schlimm, diese Kritiker. In Preußen war ja noch alles besser, aber jetzt ist es echt schlimm, gibt sogar Frauenwahlrecht, freie Presse und Gewerkschaften...

  • In Preußen war ja noch alles besser, ...

    ... zumindest der Städtebau war in Preußen deutlich besser als der Städtebau heutzutage.


    ... , aber jetzt ist es echt schlimm, gibt sogar Frauenwahlrecht, freie Presse und Gewerkschaften.

    Nur leider ist der Sinn für das Schöne in der Architektur verloren gegangen.

  • Baukörper: Preußen hatte viele Gesichter, außerordentlich fortschrittliche ebenso wie sehr reaktionäre. An die Bedeutung auch der Leistungen Preußens zu erinnern, heißt nicht, diese Zeitepoche einseitig zu verherrlichen. Aber wenn etwas herrlich ist, wie etwa Schlösser und Gärten in Potsdam oder auch die Architektur des Stadtschlosses, dann darf man das feiern und pflegen. Ich freue mich ebenso, wenn Kirchengebäude gepflegt werden, obwohl die Kirchengeschichte weit blutiger ist als die preußische.


    Dass, wie Architektur-Fan schreibt, "der" Städtebau in Preußen (welche Epoche des Städtebaus ist denn gemeint?) deutlich besser wäre als "der" heutige Städtebau, nunja... Die Aussage ist so allgemein gehalten, dass man damit eigentlich auch nichts anfangen kann.

  • Nur geht es hier eben überhaupt nicht um Preußen, sondern um die Entwicklung und Gestaltung der heutigen Stadt. Wenn man da immer wieder absurde Vorschläge und Angriffe vorträgt, wird man irgendwann entweder nicht mehr ernst genommen oder kognitiv halbwegs leistungsfähige Menschen fühlen sich abgestoßen und dafür womöglich von anderen, vernünftiger artikulierten Positionen angezogen.


    Und da hat Ziegel schon einen Punkt: Die einzigen, die sich im Kontext des Humboldtforums konsequent der Vergangenheit zuwenden, sind doch wohl eindeutig die Reko-Gegner und nicht die vermeintlichen "Reaktionäre". Es gibt in und um das Gebäude keine Barockfeste und keine Preußenhuldigung. Selbst die vermeintlich bösartigen Spender haben öffentlich kein kulturelles Kapital daraus geschlagen. Im Grunde gab und gibt es hier überhaupt kein Problem (auch wenn man in Einzelfällen entsprechend reagieren musste und Namen ja entsprechend getilgt wurden - also nach wie vor kein Problem). Es gibt aber fortlaufend eine absurde Hexenjagd, wie sie im tiefsten Mittelalter kaum stumpfsinniger geführt hätte werden können.


    Ich wundere mich überhaupt, wie wenig reflektiert gerade die Eliten im links-grünen Lager agieren (damit meine ich speziell das Kreuzberger links-grün, das sich selbst gerne zum Nabel der Welt erklärt aber bereits im benachbarten Neukölln schon kaum noch echte Strahlkraft besitzt und zumindest überwiegend eher durch vernünftigere Parteikollegen vertreten wird). Aber die Weltverklärer aus diesem Lager jagen munter weiter eine Sau nach der nächsten durchs Dorf und sind gefühlt den ganzen Tag nur noch damit beschäftigt, sich ihrer vermeintlichen moralischen Überlegenheit immer wieder neu zu versichern.

    Damit kann man das eigene Lager vielleicht hochputschen, aber das wird doch sonst niemanden mehr überzeugen. In der Zwischenzeit wird woanders doch weiter gelebt und im besten Fall wirklich gearbeitet, reale Probleme adressiert und debattiert und hoffentlich irgendwann auch mal gelöst. Und am ganz anderen Ende des Spektrums wird eine Kraft immer stärker, die sich über diesen Selbsthuldigungs- und Selbstzerstörungsmodus und ein absurdes Fettnäpfchen nach dem nächsten nur ins Fäustchen lacht und das eigene Glück kaum noch fassen kann. Wenn eine türkische Integrationsbeauftragte bspw. einer Frau Baerbock erklären muss, dass Mannheim dem Islamismus und nicht dem Rechtsextremismus zuzurechnen ist und dass das selbst der arabische Bäcker um die Ecke besser und vor allem ehrlicher sowie fairer einordnen kann, dann sollte man vielleicht irgendwann doch mal wach werden.

    Oder um den Kontext doch noch zurück zum "Schloss" zu schlagen: Wenn der Verband der Muslime nur noch mitleidig auf die Selbstzerfleischung reagiert und anmerkt, zumindest SIE hätten überhaupt kein Problem mit den Fassaden oder auch einem Kreuz, spätestens dann sollte man sich vielleicht mal Projekte zum Gestalten suchen statt sich immer weiter nur an Phantomen der Vergangenheit abzuarbeiten. Aber das ist jetzt auch schon 7 Jahre her und es merkt an entsprechender Stelle offenbar noch immer niemand. Die empören sich auch dann noch weiter stellvertretend für Minderheiten, wenn diese bereits Teil der Mehrheitsgesellschaft geworden sind und sich eher fremdschämen.

  • Ziegel:

    Renaissance, Barock, Klassizismus, Historismus, Jugenstil ... gemeint sind alle Epochen, bevor die autogerechte Stadt ihre brachialen Schneisen in die Stadtlandschaft geschlagen hat. Du kannst dir gerne eine der genannten Epochen heraussuchen.

  • jan85: Die Selbstzerfleischung und das trügerische Gefühl moralischer Überlegenheit, im linken politischen Lager ist sicher ein Problem, auch für die ganze Gesellschaft, weil dringend notwendige Veränderungen dadurch eher verzögert und verhindert werden. Andere sind da klarer und somit leider auch schon weiter.


    Dennoch, und hier muss ich dir und Ziegel klar widersprechen, greift es zu kurz, nur die Gebäude zu sehen und nicht die Geschichte dahinter. Das gilt für Schlösser genauso wie für Kirchen. Die Fürsten, die diese Gebäude errichteten, hatten ihren Reichtum nicht, weil sie als Jugendliche erfolgreich in "grüne" Projekte investiert hatten.

    Es ist ja kein Geheimnis, dass auch in Deutschland und selbst im glorreichen Preußen, der Reichtum des Adels und des Klerus, auf Ausbeutung, Sklaverei und Kriegsbeute fußt.

    Wenn ich mich also heute vor eine Kirche oder ein Scholss stelle und über die Architektur freue, darf ich das nicht ausblenden.


    Die moralische Diskussion, die wir heute bei Rekonstruktionen führen dreht sich daher um zwei Positionen.


    Die eine Seite sagt: schöne Gebäude können nichts für die Zeit und Umstände in der sie entstanden sind, also lasst uns rekonstruieren.


    Die andere Seite sagt: das Gebäude mag äusserlich schön sein, wurde aber mit Blut und Tränen gezahlt, Rekonstruktionen sind daher zu vermeiden


    Ich persönlich glaube nicht mehr an eine Versöhnung dieser beiden Seiten.

    Schlussendlich halte ich gerade das Berliner Stadtschloss (also die rekonstruierte Fassade) für ein gesellschaftliches Fiasko.

    Äusserlich schön, aber innerlich schon wieder verbrannt. Tausende haben Millionen gespendet und doch nichts gemeinschaftliches geschaffen. Schade!

  • Baukörper: Ich mache mir da keine Illusionen mehr, zumindest nicht in Bezug auf die Berliner Elite im links-grünen Lager (in anderen Bundesländern scheint es ja durchaus besser zu klappen, auch wenn die durch die Bundespartei jetzt auch in Mitleidenschaft gezogen wurden). Wir hatten in Berlin mE DIE Chance, mit einer breiten linken Mehrheit die Stadt nach und nach neu zu gestalten. Das ist im Großen wie im Kleinen kolossal gescheitert. Ich kenne genau einen Bezirk, wo das noch immer niemandem auffällt. Leider ist genau dies der einflussreichste Bezirk und mE extrem überrepräsentiert in dem Lager. Ich habe auch noch nie eine Berliner Landesregierung erlebt, die stärker zerstritten war als RGR und das trotz großer Schnittmengen. Nur so konnte die lange biedere und blasse CDU je wieder so einflussreich werden.


    Aber statt sich ähnlich wie eben jene Hauptstadt-CDU neu zu sammeln wird weiter völlig sinnlose Symbolpolitik betrieben wie bei der Bauakademie oder eben selbst jetzt noch beim bereits fertig gebauten Humboldtforum.


    Und in einem Punkt widerspreche ich Dir tatsächlich vollkommen: Bei und mit solchen Gruppierungen wird niemals Einigkeit herzustellen sein. Das liegt aber absolut nicht am Humboldtforum und auch nicht an dessen Befürwortern. Wie gesagt gibt es ja überhaupt keinen Akteur, der dort gezielt irgendwelche düsteren Kapitel aus der Geschichte aufleben lassen will. Wenn überhaupt irgendjemand hier Geister herbeiruft, dann sind es die arbeitslosen Geisterjäger, die hier permanent Alarm machen, als wenn ihnen ein Spielpartner fehlt. Selbst Muslime haben dagegen deutlich klar gestellt, dass sie keinerlei Problem mit so einem Projekt haben und das Kreuz sogar als historisches Zeugnis befürworten. Auch das Thema Kolonialismus wird hier (ähnlich wie das heutige Modethema cultural appropriation) primär von Weißen im Namen von PoC betrieben. Klar gibt es da auch nach wie vor noch tatsächlich relevante Aspekte aufzuarbeiten, bei denen die Institution Humboldtforum sich aber auch bereits bewegt. In dem modernen und reichlich banalen modernen Fassaden des ethnologischen Museums in Dahlem war das Vorgehen dabei paradoxerweise aber sogar weit weniger progressiv als heute hinter der preußischen Hülle.


    Also ja, ich bleibe dabei: Das Gebäude ist überhaupt NICHT das Problem, nicht mal ansatzweise. Und ein gesellschaftliches Fiasko haben wir hier durch das Humboldtforum schon lange nicht. Das einzige reale gesellschaftliche Fiasko hast Du im ersten Absatz beschrieben und das ist komplett intern begründet, sodass es auch primär intern aufzulösen sein wird. Es ist ja auch nicht die erste politische Elite, die in dieser Form Hybris, Dekadenz und Ermüdungserscheinungen zeigt (mE ist das auch bei der AfD schon zu erkennen, nur dass es in der Opposition nicht zum Tragen kommt und sie weiter die Partei der Unzufriedenen bleibt, bis ggf. BSW oder eine andere Protestgruppierung ihnen doch noch den Rang abläuft). Die beste Anti-AfD-Agenda wäre es hingegen, wenn die etablierten Parteien von links bis rechts sich auf ihre Arbeit konzentrieren und als Volksvertreter auch erkennbar um die Vertretung der Interessen des Volkes bemüht sind. Womit wir bei Humboldtforum und Bauakademie wieder beim Kern des Problems wären: Weder eine Mehrheit noch irgendwelche (nicht-politisch-konstruierten) Minderheiten stören sich wirklich an diesen Projekten. Klüger wäre es mE, sich auf Themen wie bspw. das Tempelhofer Feld zu konzentrieren, wo wirklich eine große Bevölkerungsgruppe ein aktives Interesse zeigt.


    P.S.: Mir ist bewusst, dass nicht alle der betreffenden Akteure und Initiativen auch direkt für eine politische Partei sprechen. Aber solche Initiativen sind doch klar einem weltanschaulichen Lager zuzuordnen. Zumindest geschieht auch oft keinerlei Abgrenzung.

  • Es ist leider schwerer neue Wege zu finden und diese zu vermitteln und durchzusetzen, als bei Altem zu bleiben und einfach zu sagen, früher war eh alles besser.


    Bei der Bauakademie bleibt ja die Kontroverse mit den Fragen, wie würde Schinkel heute bauen oder soll wieder so gebaut werden wie Schinkel es tat.

    Die Rekonstruktion scheint hier der einfachere Weg (s.o.), ob es auch der bessere ist, bleibt dahingestellt.

    Allen Umfragen zum Trotz, gehe ich auch davon aus, dass die weitaus größte Mehrheit die Bauakademie gar nicht kennt, schon gar nicht von früher, daher hilft dies der Legetimation nicht weiter.

    Ich denke, insbesondere um die demokratische Entscheidung pro Schinkel nicht zu konterkarieren, sollte der Kompromiss bei x Seiten rekonstruiert und y Seiten modern gebaut liegen, wobei x grosser 0 sein muss.


    Die sogenannten Vorstudien der Bundesstiftung halte ich für Testballons. Hier muss einfach der demokratische Prozess abgewartet werden. Auf Frau Kahlfelds (@RotesRathaus: hoffentlich gilt hier bzgl. Städtebau nicht nomen est omen ...) und andere politischer Akteure Reaktion hierzu, werden wir bestimmt nicht mehr lange warten müssen.


    Ich erinnere in diesem Zusammenhang gerne an den Versuch, das damals ebenfalls bereits demokratisch beschlossene Einheitsdenkmal zu torpedieren, indem der untergeordnete Wirtschaftsausschuss viel Geld für die Rekonstruktion des Nationaldenkmals bereit gestellt hat. Sowas ist also auch keine links-grüne Spezialität.

  • Die eine Seite sagt: schöne Gebäude können nichts für die Zeit und Umstände in der sie entstanden sind, also lasst uns rekonstruieren.


    Die andere Seite sagt: das Gebäude mag äusserlich schön sein, wurde aber mit Blut und Tränen gezahlt, Rekonstruktionen sind daher zu vermeiden

    Ich proklamiere da ja gerne noch einen dritten Weg. Ich sage: Baut die historischen Bauten wieder auf, um das Stadtbild aufzuwerten und die historische Stadtgestalt zu heilen. Aber nutzt dabei die Möglichkeit, sie zu kontextualisieren. Nutzt die Chance, etwas über ihre wechselvolle und kontroverse Geschichte zu erzählen. Schafft Ausstellungen und Gedenkstätten. Bringt die Menschen dazu, innezuhalten und darüber nachzudenken, unter welchen Voraussetzungen hier Geschichte geschrieben wurde, was sie für uns bedeutet und wie wir unsere zukünftige Gesellschaft formen wollen. Welcher Ort wäre dafür geeigneter als eine Rekonstruktion, die all die Widersprüche in seiner Geschichte aushalten muss? Schaut nicht nur in die Vergangenheit, sondern formt Zukunft. Für mich ist das kein Widerspruch, dies an einem historischen Ort, in einem historischen Bauwerk umzusetzen.