Potsdam: Garnisonkirche - Der Diskussionsthread

  • jan85: Lachen kann ich darüber nicht, wenn du die "mutmaßlich etwas unapetitlicheren Spender", hier verharmlost. Diese Rechtsradikalen verunglimpfen das ganze Objekt und entwerten die Leistung, die da vollbracht würde.

    Bei der Garnisonkirche liegt die Sache noch anders, aber (Ironie an) zum Glück gibt es ja so gut wie keine Rechtsradikalen in Brandenburg oder gar Ostdeutschland, sodass meine Sorge völlig unbegründet ist (Ironie aus).

  • Baukörper Vielleicht verharmlose ich (sicher nicht mit dieser Intention), vielleicht überdramatisieren andere. Darüber müssen wir uns hier nicht streiten, wir können aber meinetwegen darüber reden.


    Faktisch gab es bislang mW weder beim Humboldt Forum noch bei der Garnisonkirche öffentlichkeitswirksame Vereinnahmungsversuche durch irgendwelche problematischen nationalistischen Kreise. Auch die fraglichen Spender für das Humboldt Forum haben kein öffentliches kulturelles Kapital daraus schlagen können (so es denn überhaupt beabsichtigt war). Ich sehe entsprechend auch nicht, wodurch dieses Projekt nun "verunglimpft" wurde. Verunglimpft wird und wurde es dagegen regelmäßig von der anderen Seite her, aber auch das hat nie verfangen (bspw. die vermeintlich vom Kreuz diskriminierten Muslime haben diesen Vorwurf gar selbst öffentlich zurück gewiesen und auch andere Gruppen zumindest nie als Opfer begriffen).


    Auch die Garnisonkirche wird schon jetzt massiv aus dieser Richtung angegriffen: Bei der durchaus staatstragend und nicht etwa rechtsnational besetzten (Steinmeier ist nun nicht gerade Posterboy der neuen Rechten) Eröffnung gab es wütendes Brüllen und Tröten und die Fassade wurde durch einen Farbanschlag verunstaltet.


    Ich habe überhaupt nur zwei aktive Vereinnahmungsversuche eines historischen Gebäudes von rechts in meinem aktiven Gedächtnis:

    - Einmal das Beklettern des Brandenburger Tors durch Identitäre. Eine völlig lächerliche Aktion, die zwar Aufmerksamkeit aber keine entsprechende Resonanz bis auf genervtes Kopfschütteln fand (ganz ähnlich wie bei dem Farbanschlag durch die letzte Generation). Ich weiß nicht einmal mehr, was auf den Transparenten stand und es interessiert auch längst niemanden mehr.

    - Sehr viel ernster (und doch zunehmend in Vergessenheit geraten) war dagegen das versuchte Eindringen in den Reichstag durch ein buntes aber doch vermutlich stark überwiegend klar rechts orientiertes Demo-Völkchen im Kontext der Corona-Maßnahmen. Dabei ging es aber nicht wirklich um das Gebäude an sich, sondern um die Institution. Das hätte man vermutlich also ebenso bei einem modernen Bau getan. Hiergegen wurde im Nachgang zudem angemessen entschlossen vorgegangen und es gab auch keine Nachahmungsversuche mehr (es sei denn, man will das gezielte oder tatsächlich ungewollte Einschleusen von einer Hand voll Störern/Medienaktivisten durch die AfD als solchen zählen).


    Die GK besitzt an sich längst nicht die Symbolkraft wie der Bundestag oder auch die zerbombte Dresdner Altstadt, die ja tatsächlich viele Jahre rechte Kreise angezogen hat - allerdings wohlgemerkt eher die fehlenden Gebäude als die wiedererrichteten. Zudem hat man sich auch dort als Gesellschaft angemessen entschlossen (und seriös) dagegen gestellt und es ist letztlich eher abgeklungen.

    Bei Pegida ist mir zumindest nicht bekannt, ob die gezielt die Symbolik bestimmter Gebäude für sich nutzen wollten. Aber auch die haben sich ja rückblickend relativ schnell wieder aufgelöst.


    Ich bleibe bei meinem Fazit: Man kann bestimmte Tendenzen in der Gesellschaft mit Sorge betrachten. Dass aber gezielt historische Bauten oder deren Rekonstruktionen für einen symbolischen Missbrauch durch rechte Kreise genutzt würden, ist mE eher ein Schreckgespenst, das vor allem linke Kreise herbeireden und im schlimmsten Fall vielleicht noch aktiv heraufbeschwören. Denn natürlich bringt genau dieser wütende Protest den entsprechenden Bauten eine andere Qualität an Aufmerksamkeit/Öffentlichkeit/symbolischer Relevanz, die sie überhaupt erst interessant für solche Kreise machen könnten. Wo ein Hund sein Bein hebt, da geht ggf. auch der Rivale nicht länger gleichgültig dran vorbei. Gerade deshalb würde ich empfehlen, nicht unnötig mit Stöckchen zu werfen und schon gar nicht über jedes Stöckchen zu springen. Wo es sein muss, sollte man geschlossen gegen Vorstöße auftreten. Aber diese Präventivgefechte halte ich weit eher für Brandbeschleuniger als für Löschmittel.

  • Es gibt genügend erhaltene Gebäude, die als "Pilgerstätte" geeigneter sind. Ich glaube jedoch, es bewirkt gar nichts, so durchaus vernünftig zu argumentieren, wie Jan es hier versucht. Denn die Bedenken, wiederaufgebaute Gebäude könnten von Rechtsradikalen vereinnahmt werden, sind nach meiner Beobachtung nur vorgeschoben. Eigentlicher Beweggrund der Kritik ist eine emotionale Abneigung gegen Rekonstruktionen.


    Es gibt eine ganze Phalanx an rhetorischen Angriffen, die bei jedem Rekonstruktionsvorhaben zuverlässig abgefeuert werden. Die Behauptungen sind immer die gleichen und immer gleichermaßen widerlegt. Dass dieses Lager zunehmend schrille Töne anschlägt und nun sogar schon Farbbeutel zur Anwendung kommen, liegt wohl daran, dass die Mehrheitsgesellschaft bisher recht unbeeindruckt reagiert hat.

  • Zwei Monate nach Eröffnung des Turmes wurde der 10.000 Besucher begrüßt.


    Im Tagesspiegel-Artikel (über msn) wird folgende Rechnung aufgemacht:


    "Im Vorfeld der Eröffnung hatte die Stiftung sich jährlich 80.000 bis 90.000 Besucher im Turm erhofft – also rund 220 pro Tag. Bisher liegt der Besucherzuspruch also unter den Erwartungen."


    Um das Ziel zu erreichen, bräuchte man statt 5.000 Besuchern rund 7.000 monatlich. Das war schon sehr optimistisch. Ich würde 50.000 bis 60.000 Besucher pro Jahr schon als enormen Erfolg werten. Die Direktorin der Bauhaus-Stiftung Dessau hat letztens groß verkündet, dass alle ihre Welterbe-Stätten zusammen 100.000 Besucher zählen.