Potsdam: Garnisonkirche - Der Diskussionsthread

  • Recht hast Du, Architektenkind. Strafbar ist Sachbeschädung aus gutem Grund dennoch; ich fürchte Luftpost wollte darauf aufmersam machen, dass die Garnisonkirchengegner eben auch vor strafbaren Handlungen nicht zurückweichen. Die Behauptung diese Schmierereien seien von Lutz Boede oder "während des Fernsehgottesdienstes" entstanden habe ich dem Beitrag von Luftpost nicht entnehmen können. Sonntags um 9:00 Uhr früh ist generell keine Zeit für linke Protestler, was an der kleinen Schar Unentwegter zu besichtigen war. Für solche Sachbeschädigungen nutzen die Täter in der Regel den Schutz der Nacht.

  • Ich finde es unredlich, wenn Straftaten "Garnisonkirchengegnern" in die Schuhe geschoben werden, bevor die Täter ermittelt wurden. Solche Schmierereien gibt es ja nun in großer Zahl in der Stadt, daraus eine gezielte Aktion von "Potsdam ohne Garnisonkirche" oder "Die Andere" oder vielleicht sogar von "Potsdamer Mitte neu denken " zu konstruieren, wie angedeutet wird, ist ziemlich abenteuerlich, zumal diese Schmierereien den Initiativen nicht nutzen sondern eher schaden.


    Im übrigen wurde im vorigen Jahr mehrfach die Galerie "Sperl", die das FH-Gebäude nutzt, demoliert. Hier wurde nicht nur geschmiert sondern auch Schaufensterscheiben zerstört, und das mehrfach. Mit der gleichen Berechtigung könnte man behaupten, dass hier Gegner des FH-Gebäudes am Werk gewesen wären.


    http://www.maz-online.de/Lokal…-attackieren-Kunstgalerie

  • ^^ Klar ist das strafbar. Deshalb ist es auch nicht ganz ohne, wenn Luftpost meint, "Die Anderen" als Verursacher benennen zu müssen. Das tut er nämlich sehr wohl:


    Zitat von Luftpost

    So findet also der rechtstaatliche Umgang mit Eigentum Anderer durch diese neudenkenden Anderen statt...


    Er gibt nicht abstrakten "Garnisonkirchengegnern" oder "der Antifa" oder so die Verantwortung, sondern explizit einer in der SVV vertretenen politischen Gruppe. Kann ich schon verstehen, dass Lutz Boede damit ein Problem hat – und gerade Luftpost, der sich seinerseits ja gerne mal "rechtliche Schritte vorbehält", sollte verstehen, dass strafrechtsrelevante Anschuldigungen keine Lappalie sind.


    Aber ich will mich gar nicht aufregen: Wenn Luftpost irgendwas Handfestes gesehen hat, soll er das der Polizei mitteilen. Wenn er hier nur munter vor sich hin spekuliert, sollte er das besser bleiben lassen. Fertig.

  • Tja Luftposts aussagen sind halt mal wieder von der Marke Westdeutscher Opatunismus.;)


    Die Grundaussage ist schon berechtigt. Wozu die Kirche? Es ist immer wieder niedlich wie man beim Haus der Reisens auf irgendwelche Städtebaulichen Altruismen zurechtgestuzt wird und die Höhendominante durch die Kirche ist dann wieder Städtebaulich einwandfrei ........ warum auch immer. (Die Allee braucht einen Höhenbezug auf Mittlerer Strecke :lach:)

  • [...]
    Im übrigen wurde im vorigen Jahr mehrfach die Galerie "Sperl", die das FH-Gebäude nutzt, demoliert. Hier wurde nicht nur geschmiert sondern auch Schaufensterscheiben zerstört, und das mehrfach. Mit der gleichen Berechtigung könnte man behaupten, dass hier Gegner des FH-Gebäudes am Werk gewesen wären.


    Der angesprühte Spruch "baut 10 Kitas statt eine Militärkirche!" lässt jetzt nicht wirklich viel Spielraum für deine Theorie des blinden Vandalismus.

  • Whywolf_Larry "Westdeutscher Opatunismus", soso.


    Klarenbach


    Ich finde unredlich, so zu tun, als wären hier persönliche Anschuldigungen gegen konkrete Personen erhoben worden. DASS es sich bei den Tätern der auf den Fotos klar ersichtlichen Sachbeschädigungen um Gegner des Bauvorhabens handelt ergibt sich aus dem Wortlaut der inskribierten Sachbeschädigung. Da keine Bürgeriniative die "Gegnerschaft" für sich gepachtet hat oder ein Monopol darauf beanspruchen kann, samt und sonders alle Gegner in sich organisiert zu haben würde es weder sinnvoll sein, eine Gruppierung hierfür verantwortlich zu machen - noch hat das hier irgend jemand gemacht.


    DASS es sich bei den Urhebern um Gegner des Bauvorhabens handelt ist indes offensichtlich. Wenn irgendwo ein Hakenkreuz hingemalt wird diskutieren wir auch nicht lange, ob die Urheber nicht vielleicht doch Hindus waren. Das wäre hochgradig untypisch und man muss nicht jede hypothetisch denkbare Eventualität ausschließen, um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass eine Hakenkreuzschmiererei in Deutschland einen rechtsradikalen Ursprung hat.


    Es ist noch viel unwahrscheinlicher, dass es sich bei den Urhebern einer Schmiererei mit dem Wortlaut "baut 10 Kitas statt 1 Militärkirche! (sic!)" nicht um Gegner der Garnisonkirche handelt. Die sogleich von dir beklagte Zerstörung des teilweise verwaisten ex FH Gebäudes (als ob das hier ein Auge um Auge, Zahn um Zahn Contest wäre?!) dürfte hingegen den Ursprung v. a. darin haben, dass es sich um ein marodes, teilweise verwaistes Gebäude handelt, nicht nur in der ostdeutschen Provinz ist derlei gerne mal Zielobjekt für Leute mit zuviel Tagesfreizeit und zu wenig Grips. Die "broken window theory" heißt so, weil das ein weltweites Phänomen ist und keine Erfindung garstiger ex-FH Abrißbefürworter aus Potsdam.

  • Die Grundaussage ist schon berechtigt. Wozu die Kirche? Es ist immer wieder niedlich wie man beim Haus der Reisens auf irgendwelche Städtebaulichen Altruismen zurechtgestuzt wird und die Höhendominante durch die Kirche ist dann wieder Städtebaulich einwandfrei ........ warum auch immer. (Die Allee braucht einen Höhenbezug auf Mittlerer Strecke :lach:)


    PS: zu deinem restlichen Post sei noch angemerkt, dass du hier Äpfel mit Birnen vergleichst. Die Architektur von Gebäuden von Glaubensgemeinschaften ist in besonderer Weise durch das Grundgesetz als Teil der Religionsausübung (Glaubensstätte) geschützt, so ist zB auch keinerlei Denkmalschutz gegenüber einer Glaubensgemeinschaft durchsetzbar, selbst wenn die katholische Kirche jetzt beschließen würde den Kölner Dom abzureißen. Umgekehrt sind Glaubensgemeinschaften auch in besonderer Weise frei in ihrer Gestaltung bei Neubauten (egal, ob diese architektonische Rekonstruktionen sind oder nicht, baurechtlich handelt es sich um einen Neubau). Öffentliche Einflussnahme ist hier nur in minimalem Umfang möglich, umgekehrt sind alle öffentlichen Stellen in besonderer Weise verpflichtet, die freie Religionsausübung zu gewährleisten (=das bedingt mehr, als diese nur "nicht zu stören").


    In den Neuen Ländern, die häufig als der atheistischste Landstrich der Welt bezeichnet werden, mag dieser Gedanke ungewohnt sein, er steckt dennoch ganz tief im Grundgesetz und ist zu achten und zu respektieren. Daher wünschte ich mir generell etwas mehr Zurückhaltung bzgl. dieses Bauprojekts. Dafür werben den staatlichen Zuschuss zurückzuziehen? Von mir aus! Wenn ihr dafür Mehrheiten findet, be my guest, so ist es halt dann. Aber sich in die eigentliche Architektur einmischen? Nur ganz eng beschränkt über die gesetzlichen Bauvorschriften möglich, Architekturgeschmack oder "Rekonstruktionen" kommen dort aber mit keiner Silbe vor.


    Die übliche Rekogegnerschaft kann man an jedem Profanbau frank und frei ausleben, nicht aber an einem Kirchengebäude. Deren Gestaltung ist Sache der jeweiligen Glaubensgemeinschaft und wie diese sich letztlich entschieden hat, nämlich pro Reko, ist bekannt. Es steht Jedermann gut zu Gesicht, die Religionsfreiheit zu respektieren und somit auch diese freie Entscheidung über die Architektur einer zukünftigen liturgischen Stätte dieser Religionsgemeinschaft.

  • Der angesprühte Spruch "baut 10 Kitas statt eine Militärkirche!" lässt jetzt nicht wirklich viel Spielraum für deine Theorie des blinden Vandalismus.


    Streng genommen ist das nicht nur Vandalismus. Der Täter hat nur Glück, dass die Kirche noch nicht fertiggestellt ist und daher eine andere Wand "herhalten" musste. Ansonsten könnte er sich möglicherweise u. a. der Gemeinschädlichen Sachbeschädigung und Störung der Religionsausübung strafbar gemacht haben (beschimpfender Unfug durch Herabwürdigung der Bedeutung der Glaubensstätte durch die Schmiererei mit der Aussage "baut 10 Kitas statt 1 Militärkirche!", im Grunde aber schon durch jegliche Schmiererei/Farbbeutel an sich, der Aussagegehalt kommt lediglich erhärtend hinzu). Ggf. wäre dann sogar das Vorliegen eines Staatsschutzdelikts wg. politisch motivierter Straftat gegen eine Religionsgemeinschaft zu prüfen.


    Mit Glaubensgemeinschaften ist eben besonders sensibel umzugehen, das bildet auch das Strafrecht ab.

  • ^ Großartig, wie man ein an sich schon fadenscheiniges Argument drei Beiträge lang zuspitzen und weiterdrehen kann, bis am Ende science fiction übrigbleibt. Dass eine Parole gegen den Bau der Garnisonkirche eine Schändung der Garnisonkirche darstellen würde, wenn man sie auf die fertiggestellte Garnisonkirche gesprüht hätte, taugt jedenfalls prima als Zeitreise-Paradoxon. Und es zeigt, was passiert, wenn rein juristische Logik den Kontakt zur Wirklichkeit verliert.


    Aber im Ernst. Eigentlich weißt Du genau, dass es weder den Gegnern noch den Befürwortern der Garnisonkirche groß um Religionsausübung geht. Den Gegnern geht es darum, ein politisch umstrittenes Projekt zu verhindern; den Befürwortern (zumindest den ehrenhaften unter ihnen) geht es um die Rekonstruktion eines architektonisch wie städtebaulich prägenden Gebäudes. Beide Seiten haben stärkere und schwächere Argument. Dass es der Reko bedürfe, weil Potsdams Protestanten – 500 Meter von der meist leeren Nikolaikirche entfernt – einen weiteren Platz zum Beten bräuchten, ist eines der schwächsten. Aber naja, man kann es ja mal versuchen.


    Solange man sich selbst ernstnimmt, sollte man aber nicht versuchen, einer bloßen Bauplanung den besonderen Schutz anzudichten, der laut Art. 4 GG einem Gotteshaus zukommt. Denn eine Kirche ist nur dann eine Kirche, wenn sie als solche geweiht ist – ohne Weihe ist sie ein Stück Architektur wie jedes andere auch. Ebensowenig stellt die Aussage, man solle statt der Kirche lieber Kitas bauen, per se einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit dar. Strafbar ist hier einzig und allein die Sachbeschädigung: Selbst nach der Weihezeremonie darf man sich ungestraft vor die Kirche stellen und Flugblätter verteilen, man hätte statt eines klerikal-militaristischen Monstrums lieber zehn erz-atheistische Kitas bauen sollen. Das Recht, Religion und Gläubige zu kritisieren, ist von Art. 4 nämlich ebenfalls gedeckt.

  • Die ganze Debatte zeigt doch ganz gut, wie bigott einige Rekolobbyisten sind. Wenn ein Gebäude der Nachkriegsmoderne auf die übelste Weise demoliert wird, dann ist das "normaler" Vandalismus, der mit der "broken Windows"-Theorie erklärt wird, wenn es aber um Schmierereien gegen ein Rekoprojekt geht, dann ist das natürlich klar politisch motiviert und ein Fall für den Staatsschutz.
    Im übrigen stellt sich für mich eher die Frage nach dem "cui bono". Die BI "Potsdam ohne Garnisonkirche" hat mit Sicherheit kein Interesse an solchen Schmierereien, denn ihr nutzen sie nicht. Gleiches gilt für "Christen brauchen keine Garnisonkirche". Nach den Diskussionen und den Versuchen einiger Rekofans, diese Schmierereien auszuschlachten, stelle ich mir eher die Frage, ob nicht Garnisonkirchenfans hinter der Sache stecken können. Denn solche Sachen kann man wunderbar nutzen bei dem Versuch, die Garnisonkirchengegner zu diffamieren.

  • Bei aller gedrechselter und gestelzter Rabulistik bleibt es dabei, dass diejenigen, die die Sachbeschädigung begangen haben, damit eine politische Aussage verbunden haben. Das ist das Verurteilenswerte: es genügt manchen aus dem politischen Lager der Linken nicht die Aussage, die politische Diskussion, der Streit um die richtige Meinung, sie brauchen auch die Aktion in Form der Destruktion. Ohne alle Linken in einen Topf werfen zu wollen, aber Berlin un Umgebung ist ja gut besetzt mit Leuten, die nicht nur argumentieren sondern handeln. Die regelmäßigen Brandstiftungen und das damit verbundene Abfackeln von Autos ist nur ein Beispiel. Gern geht auch mal eine Fensterscheibe drauf, ein Polizeiauto, wird mal eine Torte geworfen, auch gern mal eine eisgekühlte! Es ist leider in unserer Republik Mode geworden, sich in eine Sachbeschädigung zu begeben oder auch die Verletzung von Menschen in Kauf zu nehmen. Und damit Herr Boede und Co. nicht argumentieren, ich sei auf dem rechten Auge blind, ja auch die rechtsradikale Szene ist da nicht besser.

  • ^^zu dieser Agent Provocateur These sage ich jetzt mal nichts, die steht in ihrer Absurdität für sich.


    ^^^
    Es mag dir schwer fallen dies hinzunehmen, unsere Rechtsordnung misst aber nun einmal mit zweierlei Maß. Es gibt das allgemeine Recht und das gibt das spezifische Religionsrecht. Du kannst keinen Mitarbeiter eines privaten oder öffentlichen Krankenhauses entlassen, wenn er sich scheiden lässt. Das geht den Arbeitgeber einen Kericht an. Du kannst aber mitunnter einen Mitarbeiter eines kirchlichen Krankenhauses entlassen, wenn er sich scheiden lässt, zigmal ausprozessiert worden und dann eine Frage des Einzelfalls, aber prinzipiell möglich und auch Realität. Um das ganze mal jenseits des Strafrechts anschaulich zu machen. Das zeigt recht anschaulich, dass das Grundgesetz nicht etwa nur "Tempel und Riten" besonders schützt, sondern die Sphäre der Glaubensgemeinschaften, die besonders privilegiert ist, sehr weit reicht. Wir haben keine laizistische Rechtsordnung.


    Und nein, solange du dich nicht strafbar machen willst stellst du dich besser nicht mit Schriften, die eine Kirche als "klerikal-militaristisches Monstrum" bezeichnen, vor diese Kirche, das tangiert dann nämlich nicht mehr nur Straftatbestände des Elfen Abschnitts des StGB.


    Der spezifische Grundrechtsschutz hat mit der Weihung übrigens nichts zu tun. Die Weihung ist kein Rechtsakt, sondern ein kirchliches Zeremoniell und genauso rechtlich irrelevant wie zB eine "kirchliche Trauung". Der Grundrechtsschutz umfasst alles, was mit einer Glaubensstätte in Zusammenhang steht. Auch dazu gibt es zig Prozesse, bis dahin, dass schon jemand wegen § 167 I Nr. 2 StGB verurteilt wurde, weil er das Bauschild zu einer Moschee verschmierte. Hier befindet sich sogar schon eine Kapelle auf dem Grundstuck!


    Worum es sekundären, zivilgesellschaftlichen Befürwortern des architektonisch als "Rekonstruktion" bezeichneten Bauvorhabens gehen mag ist dabei irrelevant. Es kommt darauf an, dass hier nicht irgend ein historischer Freundesverein als Bauherr auftritt, sondern die Glaubensgemeinschaft selbst, wobei selbst die Fördergesellschaft eine kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts ist und somit, ebenso wie zB ein kirchliches Krankenhaus der kirchlichen Sphäre zuzuordnen ist und ebenfalls besonderen grundgesetzlichen Schutz genießt.


    Farbbeutel und Schmiererein gegen Synagogen und Moscheen kommen indes (leider) noch wesentlich regelmäßiger vor, diese sind ebenso regelmäßig als Staatsschutzdelikt klassifiziert und dementsprechend sofort vor dem Oberlandesgericht zu verhandeln, wo entsprechend scharf hingeschaut wird, eine Verurteilung wg. eines Staatsschutzdelikts in einem Führungszeugnis soll sich am Arbeitsmarkt ähnlich verheerend auswirken wie eine Verurteilung wg. Sexualdelikten. Da interessiert dann auch niemand mehr, wie das jemand politisch verbrämen mag.


    Glaubensgemeinschaften sind schlicht sensibel zu behandeln und deren Stätten nicht mit Schmiererein oder Farbbeuteln zu versehen, für mich ist v. a. "science fiction" wie du die Ungeheuerlichkeit dieses Verhaltens überhaupt versuchen kannst kleinzureden.

  • ^^^ Ach, mit "cui bono" wäre ich vorsichtig. Erdogan hat den Putsch gegen sich nicht angezettelt, trotzdem ist er der Nutznießer. Die AfD wollte und will keine Flüchtlinge aufnehmen, trotzdem hätte sie ohne den Flüchtlingszustrom nie den heutigen Erfolg erreicht. Und viele politisch Engagierte und Enragierte tun Dinge, die ihrer Sache nüchtern betrachtet eher schaden als nutzen. Insofern halte ich es schon für wahrscheinlich, dass ein oder mehrere Reko-Gegner für die Parolen verantwortlich sind – aber als Einzelperson(en), nicht im Auftrag irgendeiner Initiative oder Gruppe.


    Was die Attacke auf die FH angeht, gebe ich Klarenbach recht: Den Angriff auf die FH zum Ergebnis des noch nicht erfolgten Abrisses zu erklären und folglich den Abriss als Schutz vor weiteren Angriffen zu empfehlen – das ist eine Chuzpe, die man erstmal haben muss. Im Umkehrschluss müsste man auf den Bau der Garnisonkirche allein deshalb verzichten, damit es später nicht zu einer Herabwürdigung der Kirche durch Leute mit Sprühdosen kommen kann.

  • Einfach so dahingesprühte politische Parolen oder geplatzte Farbbeutel würde niemand als street art bezeichnen, auch die Verursacher nicht. Und sie für eine zeitgenössische Erscheinung zu halten, ist eine Illusion von Leuten, die meinen, einen forwährenden Sittenverfall zu erleben – also von Vergangenheitsverklärern. [...] Das Phänomen ist Jahrtausende alt



    Ja, Grafitti/Wandschmiereien (die Grenze ist manchmal fließend, aber generell kann das erstere Kunst sein, das zweite nicht) gab's schon immer. In Pompeji wurden auch ganz eifrig Obszönitäten an die Wände geschmiert, und noch der letzte "Schütze Arsch" der Roten Armee des Jahres 1945 konnte den Reichstag nicht verlassen, ohne zum tausendsten Mal "Iwan was here" (oder so ;)) an die Wand gekritzelt zu haben.


    Persönlich habe ich den Eindruck, dass in meiner Kindheit in den 80ern mehr gesprayt wurde als heute – Originalität verbraucht sich halt irgendwann … . Dass die Geschichte festen Gesetzmäßigkeiten folgt ("Früher war alles besser" bzw. umgekehrt "Neues bedeutet immer Fortschritt") glaubt außer ein paar unverbesserlichen Marxisten sowieso niemand mehr. ;)


    Trotz ihres unterschiedlichen künstlerischen Werts bleiben Graffiti und Wandschmiereien Sachbeschädigung. Das macht ihren subversiven Charme aus, hat aber im Interesse der betroffenen Eigentümer auch seine volle Berechtigung. Als Mittel der politischen Auseinandersetzung stehen sie beide daher auf einer Stufe mit dem Einschmeißen von Fensterscheiben.

  • Bei aller gedrechselter und gestelzter Rabulistik bleibt es dabei, dass diejenigen, die die Sachbeschädigung begangen haben, damit eine politische Aussage verbunden haben.


    Ja, aber wenn man zu Sachbeschädigungen als Mittel der politischen Debatte greifen muss, hat man diese in aller Regel bereits verloren.


    Insofern sagen diese Wandschmierereien mehr über die Hilflosigkeit der Stadtreparaturgegner aus als über alles andere. Wer konkret dafür verantwortlich ist, ist mir persönlich egal. Dass sich Lutz Boede von den "Anderen" hier schon einmal präventiv gegen diesbezügliche Vorwürfe verwahrt, ist aber schon bemerkenswert. :D


  • Was die Attacke auf die FH angeht, gebe ich Klarenbach recht: Den Angriff auf die FH zum Ergebnis des noch nicht erfolgten Abrisses zu erklären und folglich den Abriss als Schutz vor weiteren Angriffen zu empfehlen – das ist eine Chuzpe, die man erstmal haben muss. Im Umkehrschluss müsste man auf den Bau der Garnisonkirche allein deshalb verzichten, damit es später nicht zu einer Herabwürdigung der Kirche durch Leute mit Sprühdosen kommen kann.


    Hier fällst du wohl gerade eher auf Klarenbachs typische Verdrehungen der Tatsachen rein. Dabei ist die Sache doch recht simpel und ein Großteil der sich hier entspinnenden Diskussion überflüssig.


    Die ganze Debatte zeigt doch ganz gut, wie bigott einige Rekolobbyisten sind. Wenn ein Gebäude der Nachkriegsmoderne auf die übelste Weise demoliert wird, dann ist das "normaler" Vandalismus, der mit der "broken Windows"-Theorie erklärt wird, wenn es aber um Schmierereien gegen ein Rekoprojekt geht, dann ist das natürlich klar politisch motiviert und ein Fall für den Staatsschutz.


    Also bittschön, die Schmiererei ist eine politische Forderung per se. Das kann man ja wohl kaum bestreiten. Auch dass die Verursacher zum Lager der Kirchen-Gegner gehören ist mit dem Satzinhalt Fakt. Das ist schlicht nicht zu leugnen. Natürlich sind dafür nicht die Führungsköpfe der Initiativen verantwortlich aber die haben mit Sicherheit auch keine Kontrolle über den linksradikalen Rattenschwanz der sich an ihre Iniativen rangeheftet hat. Nicht ganz ohne Selbstverschulden, denn schließlich ist die Argumentation fast ausschließlich gesellschaftlicher/historischer und nicht städtebaulicher Natur.
    Die Sachbeschädigung an der zweifelsohne ruinösen FH ohne jeglichen Hinweis zu einer Aktion der Abrissbefürworter zu erklären, ist hingegen der größte Schwachsinn, den ich hier seit langem gelesen habe. Aber gut, wer wer kennt sie nicht, marodierende "Rekolobbyisten", Altersdurchschnitt 50+.

    2 Mal editiert, zuletzt von Saxonia ()

  • Zitat von Carlo

    Dass sich Lutz Boede von den "Anderen" hier schon einmal präventiv gegen diesbezügliche Vorwürfe verwahrt, ist aber schon bemerkenswert.


    Das hat er nicht präventiv getan, sondern in Reaktion auf Luftpost, der diesen Vorwurf explizit erhoben hat. Davon abgesehen freue ich mich, dass wir in Sachen Sprüherei mal fast einer Meinung sind. Zumindest politische Parolen hat es früher viel mehr gegeben, und sosehr ich den guten Marx als Analytiker des Kapitals und brillanten Publizisten schätze – mit seiner proletarischen Geschichtsphilosophie lag er genauso daneben wie Hegel mit seiner bürgerlichen. Hier im Forum ist es aber weniger der Marx als der Spengler, von dem so einige nicht loskommen können...


    @ Pumpernickel:


    Vorausgeschickt sei, dass ich mich nicht als Atheisten im Sinne von Richard Dawkins & Co. verstehe. Deren Kritik an der Religion läuft darauf hinaus, die im Zuge der Aufklärung unhaltbar gewordenen Heilslehren durch eine naturwissenschaftliche Sinnstiftung zu ersetzen, die genausowenig haltbar ist. Dawkins Reduktion von Gesellschaft auf Biologie ist heute so verkürzt, wie es Marx' Reduktion von Gesellschaft auf Klassenkämpfe vor 100 Jahren war. Letztlich sind Religion, Wissenschaftsutopie und Parteikommunismus allesamt Ausdruck eines Bedürfnisses nach Transzendenz und Sinn. Dieses Bedürfnis gilt es zu respektieren, jedes Lösungsangebot – gerade das religiöse – ist aber zu hinterfragen.


    Du kannst aber mitunnter einen Mitarbeiter eines kirchlichen Krankenhauses entlassen, wenn er sich scheiden lässt.


    Ich weiß, aber muss ich einen solchen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Mitarbeiters gutheißen, nur weil die von Steuergeldern finanzierte Krankenhausleitung im Auftrag eines Weltanschauungskonzerns agiert?


    Und nein, solange du dich nicht strafbar machen willst stellst du dich besser nicht mit Schriften, die eine Kirche als "klerikal-militaristisches Monstrum" bezeichnen, vor diese Kirche, das tangiert dann nämlich nicht mehr nur Straftatbestände des Elfen Abschnitts des StGB.


    Erklär mal! Eine Kirche, in der Jahrzehnte lang Gottes Segen für Preußens Expansionskriege erteilt und anschließend die Fahnen des geschlagenen Feindes präsentiert wurden, kann man mit Fug und Recht klerikal-militaristisch nennen (über das "Monstrum" kann man streiten, das hat mit Architekturgeschmack zu tun). Warum sollte das verboten sein, solange nicht der Gottesdienst gestört wird, sondern die wenigen Gläubigen und vielen Touristen nur vor dem Gebäude, im öffentlichen Raum mit der Geschichte des Hauses konfrontiert werden?


    Die Weihung ist kein Rechtsakt, sondern ein kirchliches Zeremoniell und genauso rechtlich irrelevant wie zB eine "kirchliche Trauung".


    Das wusste ich nicht, danke für die Aufklärung.


    Es kommt darauf an, dass hier nicht irgend ein historischer Freundesverein als Bauherr auftritt, sondern die Glaubensgemeinschaft selbst.


    Das darf bei so einem Gebäude nur dann das entscheidende Kriterium sein, wenn die Angehörigen dieser Gemeinschaft sonst keine Möglichkeiten hätten, ihrem Glauben nachzugehen. Da dies nicht der Fall ist, hat die Potsdamer Öffentlichkeit mitzureden. Alles andere wäre eine Kapitulation der säkularen (nicht: laizistischen) Gesellschaft vor religiösen Partikularinteressen.


    Glaubensgemeinschaften sind schlicht sensibel zu behandeln...


    Was heißt für Dich "sensibel behandeln"? Darf ein Historiker über die "Deutschen Christen" veröffentlichen – oder ist das "unsensibel", weil es die hiesigen Lutheraner mit der Tatsache konfrontiert, dass ein Großteil ihrer Vorfahren auf das Widerlichste dem Hitlerkult verfallen waren? Darf ich Katholiken an die Verbrechen der Reconquista erinnern? Darf ich über die Geschichte mit der Jungfrauengeburt lachen? Darf ich anmerken, dass sich der IS mit seiner Ideologie durchaus auf den Koran berufen kann und westliche Imame keineswegs frei von islamistischen Versuchungen sind? Oder ist das alles "unsensibel"? Wenn Du das bejast, würdest Du schon wieder eine Kapitulation der Aufklärung vor partikularen Weltanschauungs-Gruppen befürworten.


    ...und deren Stätten nicht mit Schmiererein oder Farbbeuteln zu versehen, für mich ist v. a. "science fiction" wie du die Ungeheuerlichkeit dieses Verhaltens überhaupt versuchen kannst kleinzureden.


    1. Niemand hat hier "die Stätte einer Glaubensgemeinschaft" geschändet. Du hast Dir nur ausgedacht, dass es jemand getan haben könnte, wenn es die Kirche schon gegeben hätte. Die "Ungeheuerlichkeit", die ich angeblich kleinrede, hat nicht stattgefunden.
    2. Ich habe an keinem Punkt die Sprüherei verteidigt, wohl aber deren Inhalt, und zwar als legitime Meinungsäußerung. Allerdings halte ich "Kitas statt Kirchengebäude" für ein schwaches Argument und würde es mir nicht zueigen machen. Wer die Garnisonkirche nicht will, sollte sich was Besseres überlegen, als dass man das Geld anderswo sinnvoller ausgeben könnte – das ist ähnlich blöd wie "Brot statt Böller".
    3. Wenn jemand ein religiöses Gebäude beschmiert, hängt es immer noch vom Inhalt ab, ob es sich um eine "Ungeheuerlichkeit" handelt. Schreibt jemand "Susi liebt Achmed" drauf, ist das vielleicht verboten, aber doch eher süß als ungeheuerlich. Bei "Juda verrecke" oder "Tod den Christen" handelt es sich um politische Kriminalität, die entsprechend verfolgt gehört. Dazwischen gibt es viele Grautöne, über die sich nur im Einzelfall sprechen lässt.

    8 Mal editiert, zuletzt von Architektenkind () aus folgendem Grund: Rechtschreibkorrektur

  • Das hat er nicht präventiv getan, sondern in Reaktion auf Luftpost, der diesen Vorwurf explizit erhoben hat.


    Gut, geschenkt ... .


    Davon abgesehen freue ich mich, dass wir in Sachen Sprüherei mal fast einer Meinung sind.


    Das sind wir in der Tat. Im Übrigen waren Ihre Ausführungen zu Art. 4 GG (insb. zur Reichweite des Schutzes von "Stätten der Religionsausübung" und zur sogenannten "negativen Religionsfreiheit", dem Recht, keinen Glauben zu haben und zu äußern) sehr zutreffend, aber das habe ich für mich behalten. Wir wollen es ja nicht gleich übertreiben. ;)

  • Die Grundaussage ist schon berechtigt. Wozu die Kirche?


    Auch wenn manche meinen, auch in früheren Epochen habe es Wandschmierereien gegeben - ich glaube kaum, dass damals jeder alles auf jeder Wand kritzeln durfte, wie er nur Lust hatte. Ob auf einer Rekonstruktion oder nicht, von keinerlei Graffitti halte ich etwas.


    Welche Funktion das Gebäude erfüllen soll, wurde hier schon öfter durchgekaut. Ich glaube nicht, dass ein privates Projekt besonderer Begründung bedarf.


    Es ist auch nicht so, dass jedes neue Bauwerk eine besondere Funktion hat, siehe etwa hier unter #32 - die Konstruktion von J.H. Mayer in Sevilla dient oberhalb des Straßenniveaus zu überhaupt nichts - nachts beleuchtet zu werden. Hätte sie alleine deswegen nicht gebaut werden dürfen?
    Einen Posting weiter sieht man unter dem Link einen Platz mit Türmen, die ebenfalls keine Nutzfunktion haben - bloß den Platz flankieren. Dennoch wurden sie gebaut. Sie widersprechen übrigens der hier öfters verwendeten Formulierung der "Vormoderne", die klingt als ob es seitdem nur einen einzigen berechtigten Stil geben sollte - gebaut wurden sie in den 1920er Jahren, in etwa zeitgleich mit dem Bauhaus, welches immer wieder und wieder und wieder nachgebaut wird. Wären die Gegner der Rekonstruktion des barocken Kirchturms zufrieden, hätte man statt des überlieferten Turms einen der Sevillaner Türme nachgebaut, ohne historischen Kontext - bloß zur Potsdams Zierde?

  • Architektenkind


    Es ist weder notwendig, dass Gläubige sonst keine Möglichkeit zur Glaubensausübung hätten (das ist nicht nur kein entscheidendes, sondern gar kein Kriterium), noch habe ich den Begriff der Schändung benutzt, den hast du aufgebracht (gleich 2x im Verlauf der Diskussion) um ihn sogleich spöttisch vom Tisch zu wischen. Vermutlich weil er dir melodramatischer erschien, als der simple Tatbestand der Gemeinschädlichen Sachbeschädigung und Störung der Religionsausübung, denn den könntest du dann ja nicht so einfach spöttisch vom Tisch wischen. Der vorliegende Vandalismus ist aufgrund der vorhandenen Nutzung des Geländes als Kapelle und Pfarrei u. U. sogar schon jetzt vertretbar unter beide Tatbestände subsumierbar, somit könnten diese hier einschlägig sein.


    Und das Recht, Religion zu kritisieren hat nichts mit Art. 4 GG zu tun, sondern Art. 5 mit den dort bezeichneten Schranken sowie der immanenten Schranke, die sich aus möglichem Konflikt den Rechten Anderer aus Art. 4 GG ergibt. Dann ist eine Abwägung vorzunehmen. Sicherlich ist es dir unzumutbar, per se Religion nicht zu kritisieren. Sicherlich ist es dir nicht unzumutbar, nicht vor Kirchentüren zu stehen um dort religionskritische Pamphlete zu verteilen, in denen die Glaubensstätte als "klerikal-militaristisches Monstrum" geschmäht wird, wohl aber den Gläubigen. Überlege dir ein ähnliches Szenario, in dem du dich vor einer Moschee oder Synagoge postierst und kein urbaner Linker bist, sondern Pegida o. ä. angehörst, dann wirst du hoffentlich instinktiv spüren, wieso dem so ist.


    Die negative Religionsfreiheit hat damit überhaupt nichts zu tun. Diese verbietet lediglich dem Staat, dich zu jeglichen weltanschaulichen Handlungen zu verpflichten (Abwehrrecht). Zum Beispiel als Schüler jeglichen Religionsunterricht zu besuchen. Oder auch, was zur Zeit in Mode kommt, Gebetsräume an Hochschulen einzurichten, da wird man argumentieren, dass der Staat im weitesten Sinne atheistische Studenten unausweichlich mit Religion konfrontiert, indem er diesen Raum dort einrichtet und entsprechende Ausübung ermöglicht, das kollidieren positive und negative Religionsfreiheit der Studenten, sodass man in einer Gesamtabwägung dazu kommen muss, solche Gebetsräume einfach abzuschaffen (der gewählte Kniff, solche Räume als "Raum der Stille" o. ä. zu bezeichnen ist niedlich aber rechtlich irrelevant, im Zivilrecht würde man sagen falsa demonstratio non nocet). Aber das ist auch schon ein Extremfall der negativen Religionsfreiheit. Der auch nur möglich ist, weil man sich an einer staatlichen Hochschule in einer staatlichen Sphäre bewegt.


    Die negative Religionsfreiheit gibt dir keinerlei Rechte im Bezug auf Mitbürger, also im Verhältnis Bürger-Bürger, im Sinne von "ich habe das Recht nicht von eurer Religion belästigt zu werden". Und im Verhältnis Bürger-Bürger treten in der Rechtssystematik in der Tat die Rechte der Atheisten de facto etwas zurück.


    Denn dort greifen Grundrechte als Abwehrrechte nicht mehr, jedoch greift nach wie vor das nur den Religionsgemeinschaften gegebene besondere Privileg "Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet." (Art. 4 II GG), also ein auf die Religionsausübung sowie auch deren Ungestörtheit verengtes Privileg. Gewissensfreiheit o. ä. ist schon nicht mehr davon abgedeckt, was in Art. 4 I GG noch genannt wird. Das ist auch hin Hinblick auf die besonderen Straftatbestände des StGB eine wichtige Bezugsnorm, ohne diesen besonderen Schutz der Religionsausübung (deren Störung wird im Elften Abschnitt des StGB sanktioniert) wären diese strafrechtlichen Normen als lex specialis vermutlich schon längst erfolgreich vor dem BVerfG zu Fall gebracht worden.


    Dadurch ergibt sich de facto eine sekundäre Funktion dieses Abwehrrechts als Leistungsrecht, überall da, wo der Staat nämlich durch Norm (zB Strafrecht, Arbeitsrecht für kirchliche Arbeitgeber,...) oder Verwaltungsakt (zB Bauanträge, Polizeieinsätze gegen Störer der Religionsausübung,...) tätig wird, ist die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung besonders zu berücksichtigen (und Störungen durch Private mit Hilfe des Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht besonders zu sanktionieren). Ein vergleichbares Privileg haben Atheisten, politische Ideologen oder Parteien, Vereine usw. nicht. An alltäglichen Konfliktfällen wird das schön deutlich. So kann man heutzutage erfolgreich gegen das Zeitgeläut eines Kirchtums wg. Lärmbelästigung klagen. Das hat keine religiöse sondern lediglich eine traditionelle Funktion, der Zeitanzeige eben. Aber es ist unmöglich, auch wenn es schon zig Atheisten versucht haben, gegen das Gottesdienstgeläut wg. Lärmbelästigung zu klagen. Das ist hinzunehmen, ungestörte Religionsausübung bei wichtigen sakralen Geläuten steht über jeglichem Lärmschutzinteresse aller Anderen, spätestens höhere Instanzen haben noch immer so geurteilt, Punkt, Basta. Dabei dürfen sogar gesundheitliche Grenzwerte zur Lärmemission geringfügig überschritten werden. Eingefleischte Atheisten mögen das jetzt zu staatlich geschützter "Gesundheitsgefährdung" hochjazzen, aber dass sogar die Abwägung Religionsausübung Vs. Gesundheit der Allgemeinheit mitunter gegen die Gesundheit der Allgemeinheit ausgehen kann zeigt anschaulich die Tragweite, die unsere Rechtsordnung der ungestörten Religionsausübung zugesteht. Auch in den atheistischen Neuen Ländern, mitten in Potsdam.



    Das war in der Weimarer Reichsverfassung noch anders, da gab es lediglich die positive und negative Religionsfreiheit sowie die Formulierung "Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet." und " Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes." (aus Art. 137 WRV), also keinerlei Privilegierung analog Art. 4 II GG. Bevor du nun forderst dieses Privileg zu streichen weil es für dich unbequem sein mag, nicht ungestört Schmähpamphlete vor Kirchen (oder Synagogen oder Moscheen) verteilen zu dürfen: dieses ist auch eine Lehre aus der deutschen Geschichte.



    Das Bundesverfassungsgericht, das nun einmal unsere Rechtsordnung und unser Grundgesetz letztverbindlich auslegt, hat auch schon entschieden, dass selbst eine lose organisierte "katholische Landjugend", die nicht einmal einen eingetragenen Verein gegründet hat, in ihrem komplett "weltlichen Handeln" (es ging um eine Altkleidersammlung um daraus Gelder zu erlösen) besonders durch Art. 4 II GG privilegiert ist (BVerfGE 24, 236). Da braucht es nicht viel Fantasie, um dem Gelände einer Pfarrei und Kapelle, auf dem mit einzelnen Bauteilen für den Neubau einer Kirche geworben wird, ebenso entsprechenden grundgesetzlichen Schutz zuzubilligen und eine entsprechende Sanktionierung (s. o.) von Verletzungen der ungestörten Religionsausübung durch andere Bürger zu bejahen.

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