Leipzig: Überblick akut einsturzgefährdeter Gebäude in der Stadt
Mod. Cowboy: Aus gegebenem Anlass (aktueller Abriss zweier denkmalgeschützter Gebäude sowie dem im folgenden Beitrag vorgestellten Interview mit HausHalten e.V.) können hier akut vom Einsturz bedrohte Gebäude in Leipzig dokumentiert sowie über deren Situation gesprochen werden.
Im Zusammenhang mit den Abrissen in der Slevogtstraße und Edlichstraße erschienen in der LVZ vom 8.3.2013 gleich drei Artikel.
LVZ-Online, 08.03.2014
http://www.lvz-online.de/leipz…/r-citynews-a-229821.html
Auf der Frontseite hieß es:
60 bis 80 Baudenkmälern droht der Abriss
HausHalten e.V. schätzt, dass derzeit zwischen 60 und 80 Gründerzeithäuser akut vom Einsturz bedroht sind. Nachdem es in den vergangenen Wochen wiederholt zu Not-Abrissen von ruinierten Gebäuden kam, fordern die Fachleute nun ein Sofortprogramm der Kommune, um weitere Verluste zu verhindern.
Der Vereinsvorstand Fritjof Mothes verweist auf die guten Erfahrungen in anderen Städten mit einem Ankaufträger, der bedrohte Häuser von finanzschwachen Eigentümern erwirbt, sie sichert und anschließend an sanierungswillige Interessenten weiterveräußert. Es sei nicht günstiger, wenn die Kommune in einer Ersatzvornahme die Gebäude abreissen läßt und dann meist auf allen Kosten sitzenbleibt.
Im Lokalteil gibt es unter einer ähnlichen Überschrift ein Interview mit Fritjof Mothes (43) über das dahinter steckende Dilemma und über Wege, den Abriss weiterer Baudenkmäler in Leipzig zu verhindern.
60 bis 80 Altbauten in Leipzig sind akut vom Einsturz bedroht
Verein "HausHalten" fordert Rettung per Sofortprogramm
Mothes geht von stadtweit noch 60 bis 80 Häusern aus, die verloren gehen könnten, wenn nicht alsbald gehandelt wird. Als Beispiele nennt er Gebäude in zentraler Lage wie das ehemalige Hotel Bayerischer Hof in der Wintergartenstraße, vor allem aber städtebaulich wichtige Häuser entlang der Einfallstraßen wie Georg-Schumann-Straße, Lützner Straße, Eisenbahnstraße oder an der Wurzner Straße/Edlichstraße.
Gegen Ende des Interviews wird Mothes nach dem konkreten Fall Slevogtstraße 23 gefragt und warum das Haus nicht mehr gerettet werden konnte und nun für der 100.000 Euro abgerissen wird.
Das Verfahren zog sich bereits seit Jahren hin. Es ist der typische Fall eines gutwilligen Eigentümers, der in einigen tausend Kilometern Entfernung lebt, nicht mit der nötigen Kapitaldecke ausgestattet ist. Und dem das Projekt dann über den Kopf wächst. Hinzu kommen Sprachbarrieren, auch zu wenig konstruktive Kontakte zwischen Verwaltung und Eigentümer sowie festgefahrene Verwaltungsakte. Dieser Mix führte letztlich zum Abriss. Nachdem wir von dem Fall erfahren haben, hat "HausHalten" in letzter Minute einen erfahrenen sanierungswilligen Investor ins Spiel gebracht. Der wurde sich zwar mit dem Eigentümer einig, konnte aber wegen der festgelegten Terminkette für den Abriss nicht mehr schnell genug handeln. Es war schlicht zu spät. Genau deshalb soll das von uns geforderte Sofortprogramm frühzeitig ansetzen.
Auf die Frage nach der Ausgestaltung eines städtischen Sofortprogramms zur Rettung solcher Gebäude antwortet er:
Zuerst wird ein vollständiger Überblick benötigt, welche Gebäude aktuell akut gefährdet sind. Dazu gibt es an verschiedenen Stellen im Rathaus, bei "HausHalten" und anderen Akteuren Erkenntnisse, die zusammengeführt werden müssen. Dann braucht es ein zwischen allen Beteiligten eng abgestimmtes Zusammenspiel aus Ansprache und Beratung der Eigentümer, eine konzentrierte Suche nach handlungsfähigen Investoren, das Angebot von Fördermöglichkeiten und manchmal auch Druck. Die Eigentümer müssen vertrauensvoll an die Hand genommen, ihnen verschiedene Optionen dargestellt und Mut gemacht werden. Falls sich herausstellt, dass sie mit der Erhaltung ihres Gebäudes überfordert sind, sollte ihnen - natürlich mit Fingerspitzengefühl - auch ein Verkauf nahegelegt werden. Die Arbeitsgruppe Gebäude des Magistralenmanagements in der Georg-Schwarz-Straße ist genau mit diesem Ansatz sehr erfolgreich. Dort arbeiten Ämter, "HausHalten" und lokale Akteure jetzt Haus für Haus ab - in direktem Kontakt zu den Eigentümern. So ein Vorgehen benötigen wir stadtweit.
Anschließend fragt Jens Rometsch, ob das bereits existierende Gebäudesicherungsprogramm der Stadt nicht ausreichen würde und wie ein solches neues Programm bezahlt werden soll:
Dieses Programm wird von Jahr zu Jahr mit weniger Mitteln ausgestattet und greift außerdem zu kurz. Eine Notsicherung ist nur ein Schritt auf dem Weg zur Wiederbelebung eines Gebäudes. Genauso dringend sind die Eigentümerberatung und aktive Suche nach einem Investor. Oder eine Zwischennutzung durch Künstler, Vereine und Start-Ups nach dem "HausHalten"-Prinzip: also Hauserhalt durch Nutzung. Gebäude, für die sich keine solche Lösung abzeichnet, müssen anders aufgefangen werden. Eine Möglichkeit wäre die Schaffung eines Ankaufträgers, der schnell handeln kann, gefährdete Häuser ankauft und sichert.
Ein Ankaufträger würde die gesicherten Gebäude wieder an den Markt bringen und sie Investoren, aber auch interessierten Gruppen von Selbstnutzern oder Kleingenossenschaften anbieten. Andere Städte haben damit gute Erfahrungen gesammelt. So kann ein großer Teil des eingesetzten Geldes wieder eingespielt werden. Die Alternative Abriss mit allen Folgekosten wie Nachgestaltung der Fläche, Sicherung der Giebel der Nachbarhäuser ist für die Stadt nicht günstiger. Das haben Beispielrechnungen bewiesen. Und das Geld ist dann verloren!
In einem kleinen Kasten unter dem Interview werden Zahlen genannt:
Schon mehr als 800 Abrisse
Von den ehemals 12.500 denkmalgeschützten Gründerzeitgebäuden seien etwa 90 Prozent saniert. Allerdings sind seit der Wende auch mehr als 800 Baudenkmäler dem Abbruchbagger zum Opfer gefallen,
Der Verein "HausHalten" hatte mit mittlerweile 16 Wächterhäusern, von denen bereits die Hälfte dauerhaft an neue Nutzer übergeben werden konnte, in Leipzig ein bundesweit beachtetes Modell entwickelt, wie leere Bauten vor dem Abriss bewahrt werden können. Wächterhäuser gibt es mittlerweile auch in anderen ostdeutschen Städten, aber auch in Bremen und Hof. In Leipzig konzentriere sich die Arbeit der 14 Aktiven mittlerweile stärker darauf, kostengünstige Räume zu öffnen und langfristig zu erhalten, die neue Wohn-, Arbeits- und Lebensformen in der Stadt ermöglichen: etwa Ausbau- oder Atelierhäuser.