Baukörper Da bin ich etwas verwirrt, was Du wie verstanden hast.
Der erste Link enthält ein Plädoyer für einen (originalgetreuen?) Wiederaufbau als symbolische Korrektur des hier an dem Ursprungsbau vollzogenen historischen Unrechts. Da ist Gideon Joffe einer von vielen Unterzeichnern und eine potentiell abweichende Position zumindest nicht erkennbar.
Der zweite Link beschreibt mE primär verschiedene Prioritäten und deren finanzielle Hintergründe. Ich verstehe das eher so, dass die Jüdische Gemeinde das symbolische Projekt des Synagogen-Wiederaufbaus zwar von der Idee her unterstützt aber auf ihrer eigenen Agenda zunächst wichtigere Baustellen sieht - und vor allem zu finanzieren hat. Daher wollen bzw. können sie sich nicht finanziell beteiligen.
OT: Meines Erachtens ergibt das aber auch so (also von der erwünschten symbolischen Geste her und unabhängig von der Architektur oder Nutzung) Sinn, wenn Staat und Gesellschaft den zugefügten Schaden nicht nur aus eigener Initiative reparieren, sondern auch vollständig selbst bezahlen. Dass Saleh in Moscheen Spenden für eine Synagoge sammeln wollte, ist dabei mE ein interessanter Kniff aber nicht unbedingt ein Widerspruch, da die muslimischen Gemeinden Teil der modernen deutschen Gesellschaft sind.
Potentielle Missverständnisse gibt es ansonsten wie so oft bei den Begrifflichkeiten: Inwiefern ist "Wiederaufbau" als Synonym oder in Abgrenzung zu einer originalgetreuen Rekonstruktion zu verstehen?
Zunächst einmal ist da natürlich ganz pragmatisch der Umstand, dass ja nicht die eigentliche Synagoge in dieser Funktion wiedererrichtet werden soll. Denn früher hatten wir hier einen großen orthodox ausgestalteten Betsaal (für 2.000 Menschen) mit angegliedertem Gemeindezentrum in Nebengebäuden. Heute gibt es stattdessen einen nach wie vor bestehenden Synagogenbetrieb in einem erhaltenen Nebengebäude, der nun umgekehrt um ein großes Gemeindezentrum auf den Dimensionen der alten Synagoge ergänzt werden soll.
Dass man dieses Gemeindezentrum exakt wie die zerstörte Synagoge gestaltet, wäre unabhängig vom Sinn theoretisch sicher dennoch eine Option gewesen. Es ist aber offenbar unklar, inwiefern das je so behauptet wurde. Auf der Webseite der Synagoge steht es wie folgt:
Am Ort des ehemaligen Hauptgebäudes der Synagoge am Kottbusser Ufer, heute Fraenkelufer, soll ein jüdisches Kulturzentrum entstehen. Dieses soll sich in Größe und Form am Original orientieren und eine Antwort auf die Bedürfnisse der stark wachsenden jüdischen Bevölkerung in Berlin geben.
Der Neubau soll architektonisch an den neoklassizistischen Bau von Alexander Beer anknüpfen und Raum bieten für Kultur und Bildung, einen Kindergarten, für nachbarschaftliche und interkulturelle Begegnungen, Feierlichkeiten, Veranstaltungen, Ausstellungen und mehr.
Neben der Realisierung am historischen Ort und in den historischen Dimensionen ist also die Rede von einer Orientierung bzw. einem Anknüpfen an der Architektur des Ursprungsbaus. In meinen Augen sind die Umrisse der alten Synagoge in den Visualisierungen analog dazu auch eher blass und diffus gehalten, was gewissermaßen wie ein Platzhalter bzw. eine Orientierung verstanden werden könnte. Zudem werden ja mehrfach die Nutzung bzw. die Bedürfnisse betont, die hier nun einmal nicht mehr im Beten und Lesen der Tora mit tausenden Gläubigen liegen werden, sondern in erheblich kleinteiligeren kulturellen Aufgaben.
Dass der Siegerentwurf dann doch sehr deutlich von der historischen Synagoge abweicht und das überraschen mag, sehe ich zunächst ähnlich. Den Vorsitzenden des Vereins Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelstraße scheint das aber nicht zu stören bzw. er mag es anders wahrnehmen. Die Jüdische Allgemeine gibt ihn wie folgt wieder: Der Entwurf habe besonders überzeugt. Er greife auf die Formensprache von Alexander Beer, den Architekten der ursprünglichen Synagoge, zurück. Da sehe ich persönlich wie gesagt kaum Ähnlichkeiten, auch nicht bei näherem Hinsehen.
Allerdings spannend: In dem Artikel wird anders als auf der Webseite der Synagoge zugleich geschrieben, dass die Gottesdienste künftig dann nicht mehr im Nebengebäude stattfinden sollen. Das suggeriert ja, dass der Neubau dann doch u.a. auch wieder als Synagoge genutzt werden könnte?