Dresdner Stadtgespräch

  • Ich verfolge die Stadtentwicklung insbesondere von Dresden, aber auch von anderen Städten seit vielen Jahren. Daraus ziehe ich meine Schlüsse. Über die Umsetzung vieler Planungen werde ich immer wieder enttäuscht. Ich denke nicht, dass es hier an der Bürgerbeteiligung fehlt, eher an der Durchsetzungsfähigkeit und der Wirtschaftskraft städtebauliche Planungen auch über die Jahre konsequent zu verfolgen.

    Die genannten Beispiele sind alle bisher noch in der Konzeptphase. Wenn da am Ende mal wirklich etwas Gutes dabei herauskommt, dann werden das sicher gute Vorbilder sein. Bisher sind sie das aber eben nur im Ansatz. Für das Leipziger und das Magdeburger Beispiel ist die Komplexität zudem eher bei weitem nicht mit dem Stadtraum entlang der Petersburger Straße vergleichbar. In Leipzig ist die primäre Herausforderung der Umgang mit dem Stasibau In Magdeburg fällt mir da eigentlich gar nichts ein, außer vielleicht der Frage, wieviel Aussicht die dahinterstehenden Platten auf die Elbe behalten sollen.

    In Dresden wird die Diskussion viel umfangreicher und ich prophezeie, dass es damit gar nichts wird, wenn man hier mit einer weitgehenden Forderung nach der Rekonstruktion des einstigen Stadtraumes oder gar von Einzelbauten kommt.

    Ich bin hier aber wirklich offen, was man hier am Ende bekommt. Nur vor der Beibehaltung des Status quo fürchte ich mich.

    Wenn ich eine Stadt nennen soll, wo aus meiner Sicht viel richtig gemacht wurde, dann ist das Ulm mit seinem Straßenrückbau in der ehemaligen Straßenschneise durch die Altstadt. Vergleichbar mit Dresden ist das aber auch nur bedingt, denn in Dresden soll es zwar dichter, aber auch nicht zu dicht werden. Ich wünsche mir einen urbanen Stadtraum, der Altstadt und Vorstadt verbindet, aber auch einen hochwertigen Grünraum als Teil des Altstadtringes, der aber mehr als nur eine Allee mit Begleitgrün ist.

  • Vergleichbar mit Dresden ist das aber auch nur bedingt, denn in Dresden soll es zwar dichter, aber auch nicht zu dicht werden. Ich wünsche mir einen urbanen Stadtraum, der Altstadt und Vorstadt verbindet, aber auch einen hochwertigen Grünraum als Teil des Altstadtringes, der aber mehr als nur eine Allee mit Begleitgrün ist.

    Und dass genau das kein Konsens ist, ist das Problem. Hier geht es nicht um ein bisschen Kosmetik neben einer Straßensanierung, sondern um Stadtumbau im großen Maßstab - also um's Grundsätzliche. Das darf keine reine Verwaltungsaufgabe sein, bzw. nicht ohne die Bevölkerung und externe Experten einzubeziehen. Hier wird ein sehr zentraler Stadtraum in fast einzigartiger Ausdehnung und Lage betrachtet, und nicht irgendeine Fläche in der Peripherie. Was hier geplant und umgesetzt wird, wird also ewig Bestand haben. Da sollte man schon mal nachfragen, ob das, was angeblich konsensual "werden" soll, überhaupt eine entsprechende Reputation hat, oder ob ein Zustand, der bereits "ewig" bestand, bzw. bestanden hätte, nicht ebenso berechtigt wäre, diese ungeheure städtebauliche Lücke zu füllen und damit einen großen Teil des Stadtkörpers zu definieren.


    Mag sein, dass es eine hervorragende Lösung gibt, die nichts mit dem historischen Stadtgrundriss zu tun hat - von mir aus! - aber Ideen von Studenten (ich vergleiche mal meine Ideen und Erfahrungen als Student mit denen nach einigen Jahren Berufserfahrung - nichts für ungut, aber in diesem Stadium der Karriere ist man vielleicht nicht immer der beste Ratgeber) als einzige Grundlage für ein dann reines internes Verwaltungsverfahren zu verwenden, und andere Stimmen vollständig zu ignorieren, bzw. gar nicht erst nach solchen fragen zu wollen, finde ich der Aufgabe nicht angemessen.


    Arwed ich finde deine Beiträge leider manchmal etwas ... uneindeutig oder widersprüchlich. Einerseits bist du "wirklich offen" bzgl. des Ergebnisses, andererseits kommen von dir immer wieder Zaunspfähle gegen alles, was mit "Rekonstruktion" auch nur im entferntesten zu tun hat, oder was von jemandem geäußert wurde, der Rekonstruktionen positiv gegenüber steht. Einerseits findest du gute Beispiele, wie Ulm, andererseits willst du sie nicht gelten lassen, weil angeblich andere Ziele verfolgt werden sollen, während wir ja eigentlich bei dieser Frage ganz am Anfang stehen. Einerseits siehst du die Art und Weise der Planungen bisher als ausreichend an, andererseits beschreibst du, dass diese Planungen aber (vielleicht wegen der Art und Weise?) nicht durchsetzungsfähig sind. Einerseits fragst du nach objektiven Vorteilen für meinen Vorschlag, andererseits willst du sie nicht anerkennen, weil du irgendwelche Zwangspunkte siehst, die ja eigentlich erst diskutiert werden sollen.


    Daher mal meine ganz offene Frage: Hast du selbst eine einigermaßen konkrete Vorstellung, wie dieser Stadtraum am Ende aussehen sollte, bzw. kannst du einzelne Aspekte dazu mal detaillierter formulieren? Oder kannst du Aspekte der verschiedenen Vorschläge, die es ja bisher schon gab, bzw. die gerade entwickelt werden, nennen, die dir besonders sinnvoll, bzw. überhaupt nicht sinnvoll erscheinen? Ich würde gerne versuchen, deinen Standpunkt besser zu verstehen, da du ja nicht völlig fachfremd zu sein scheinst und ich deine Reaktionen von der Art und Weise her - ich sage mal - wohl nicht unrepräsentativ sind.

  • Es war eine stundenlange Sitzung der Kommission, die kurzen Bemerkungen seitens Heckmann waren eher außerplanmäßig, das Thema war eine Vorstellung des Uni-Projektes durch die Städtebauprofessorin Mensing de Jong. Es ist daher völlig überzogen, jetzt reflexartig und vorwurfsvoll den Mangel an Bürgerbeteiligung rauszuhauen. Dafür ist es noch viel zu früh, darum ging es in der Sitzung nicht. Es wurde immerhin bekannt gegeben, daß es an dieser Schneise planerisch vorangehen soll, das ist doch sehr positiv, darüber kann man sich freuen. Ich glaube, die meisten haben das überhört, auch die Presse schrob nichts dazu. Egal.

    Und natürlich wird seit Jahren überall auch Bürgerbeteiligung durchgeführt - ob formell oder darüber hinaus, das verlangen ja schon die EU-Vorgaben (wo genau ist die Rechtsgrundlage der EU für Bü.bet.?). Das ist dann ein nächster Schritt, bekannt zu geben, wann und wie man die Bü.Bet. einbettet.

    Ich selbst sehe zur Petersburger als überaus Komplexthema wenig Sinn in übermäßiger Bürgerbeteiligung, da kommen eh die (meist unreflektierten) Wünsche von allen Seiten und das wird ein Riesenknollen oder -misthaufen, mit dem die Verwaltung aber vermutlich gut umzugehen imstande ist. Das wird dann schön "gesteuert ausgewertet" und in "Zielkorridore" oder sowas geleitet. Daher würde ich auch keine "Dresdner Debatte" hierzu durchlaufen wollen (1 Jahr).


    Wichtig wäre zB mal ein Leitungsplan von irgendeiner Stelle - zB vom Rathenauplatz oder gerne vom Pirni-Platz. Kommt da jemand mal ran?

  • Civitas fortis, ich habe sehr deutlich geschrieben, was ich aktuell auf der Agenda zur Klärung sehe: Mich hat das Konzept von Querfeldeins begeistert, weil es aufzeigt, wie man die gesamte Stadt als Netz entwickeln kann und damit die Verkehrskonzentration von Petersburger Straße und Carolbrücke weg bekommt. Für letztere läuft jetzt die Uhr. Hier kann und muss man die Bevölkerung jetzt davon überzeugen, nicht erneut so eine Riesenbrücke zu bauen und warum das für die Stadt gut ist.

    Natürlich mache ich mir darüberhinaus auch Gedanken, was ich mir für die östliche Ringstraße wünsche. Auch dazu habe ich schon Gedanken geäußert, die aber noch keine konkrete Planung darstellen. Das sage ich gern nochmal: ich wünsche mir die Konzentration der Straße auf den östlichen Arm, einen Erhalt eines Großteils der Linden und die Aufwertung dieser Flächen zu einem hochwertigen parkartigen Raum. An den Plätzen und am Brückenkopf wünsche ich mir eine urbane Bebauung. Das sollte hochwertige Architektur werden. Wie aber die Plätze geformt werden, ob sie durch Solitäre gebildet werden oder eher geometrisch gefasst, sowie wie hoch die Gebäude werden sollen, all das kann ich Dir noch nicht sagen.

    Kein Gebäude an der früheren Ringstraße ist es aus meiner Sicht wert, rekonstruiert zu werden. Das heißt dabei aber nicht, dass ich Rekonstruktionen generell ablehne. Das tue ich nicht, aber hier definitiv. Ich hoffe, dass das jetzt klar genug war. Deutlicher kann ich mich nicht ausdrücken.

  • Nun, das Ulmer Beispiel stammt aus den 90ern. Damals waren Beteiligungsmöglichkeiten noch nicht so ausgefeilt und akzeptiert wie heute. Da gibt es heute bewährtere Verfahren. Dennoch hat man, für damalige Verhältnisse, vieles an Beteiligung aufgeboten.


    In einem spannenden Vortrag für die GHND hat der damalige Ulmer Baubürgermeister die Neue Mitte Ulm vorgestellt:

    2. Alexander Wetzig, Baubürgermeister der Stadt Ulm a. D. - Neue Mitte Ulm


    "In einem fünfjährigen Diskussionsprozess, davon dreieinhalb Jahre bis zum Wettbewerb, haben wir mit den Menschen geredet. Das sind nur Beispiele: wir haben ein Forum gegründet, ein Innenstadtforum, wo wir darüber diskutiert haben, alle vier Wochen, dreieinhalb Jahre lang. Wir haben das Rathaus zugepflastert mit großen Plakaten; Ulmer Extrablatt; Ausstellungen mitten in der Neuen Straße. Also die Information kam zu den Leuten und nicht die Leute mussten zu den Informationen gehen. Und dreieinhalb Jahre wurde über die Ziele diskutiert: wieviel Verkehr, welche Nutzungen, was für Bauten sollen entstehen? Erst dann haben wir einen Wettbewerb gemacht! Und das Programm des Wettbewerbs entstand aus dem Diskussionsprozess vorher. [...] Und ich habe alle Architekten herausgeworfen, die mit Skizzen kamen."


    Bürgermeinungen haben zu Veränderungen geführt. So wurde im Allgemeinen ein Tunnel verhindert und im Detail ein zusätzlicher Platz in die Planungen integriert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen! Laien sind nämlich gar nicht so doof und können auch mit komplexen Fragestellungen umgehen, wenn Informationspolitik und Verfahren dies zulassen und anregen.


    Vier Erfolgsfaktoren wurden von ihm wie folgt benannt:

    • langjähriges Problembewußtsein und Leidensdruck in der Stadtgesellschaft
    • ausgeprägter politischer Wille von Gemeinderat und Verwaltung
    • Kontinuität einer langjährigen Planungsstrategie zur Wiedergewinnung des öffentlichen Raumes in der Innenstadt
    • Organisation der Planung als Kommunikationsprozeß

    Letzteres bezeichnet er in seiner Präsentation (PDF) als "am wichtigsten".


    Ich frage mich, mit Blick auf diese Ulmer Erfahrungen: welcher dieser vier Erfolgsfaktoren ist in Dresden bisher vorhanden?


    Im Übrigen, da du nahezu jeden deiner Beiträge mit Seitenhieben auf Rekonstruktionswünsche schmückst: Rekonstruktionen sind nicht unumstritten, aber bei einer großen Mehrheit sehr beliebt. Auch politisch haben sich in den vergangenen Jahrzehnten immer (Stadtrats-)Mehrheiten zu Rekonstruktionen bekannt. Ob das im vorliegenden Fall auch so funktioniert, wird sich erweisen. Dass die Reko-Petitionen zur Carolabrücke mit Abstand die größte Resonanz fanden, ist schon ein Fingerzeig. Städtebau ist abstrakt und wenig anschaulich. Konkrete Rekonstruktionsvorhaben mobilisieren (natürlich auch Gegner), sie schaffen Aufmerksamkeit, sind emotionale Identifikationsobjekte. Ich denke, solche Ideen sind ein Motor für Veränderungen. Das waren sie bisher, das können sie wieder sein. Das kannst du blöd finden, aber ein bisschen Toleranz und Versöhnlichkeit wäre schön.


    Es kann und soll dort jeder zu seinem Recht kommen und auch Eingeständnisse machen. Es ist genug Platz vorhanden für PKW-Spuren, für Fuß- und Radwege, für Bäume und Wasser, für Rekonstruktionen, für angepasste Neubauten, für extravagante Entwürfe. Es wäre schön, wenn sich alle Interessengruppen um Ausgleich bemühen. Wenn sich die Rekonstruktionsgegner wieder auf die Befürworter einschießen, was soll Gutes dabei herauskommen? Damit der Städtebau möglichst viele Interessen berücksichtigt, ist Zusammenarbeit angesagt. Die Stadt sollte der ehrliche Makler für einen solchen Interessenausgleich sein. Dafür muss sie sich aber erstmal Vertrauen erarbeiten. Ein Selbstläufer wird es nicht.

  • Wichtig wäre zB mal ein Leitungsplan von irgendeiner Stelle - zB vom Rathenauplatz oder gerne vom Pirni-Platz. Kommt da jemand mal ran?

    Das Leitungskataster ist leider nicht im Open-Data-Portal enthalten, d. h. da muss man wohl selber Auskunft beantragen, sofern man berechtigt ist.


    Bei den letzten Offenlagen der B-Pläne im Robotron-Areal waren auch kombinierte und einzelne Lagepläne der Medien enthalten, die sind aber nicht mehr online. Ich habe sie mir lokal gesichert gehabt, aber der Pirnaische Platz ist nicht mit drauf.

  • Zum Abschluß ergriff Planungsamtschef Dr. Lerm das Wort und stellte klar, daß die Leitungsmenge im Untergrund doch ein gehöriges Problem darstellt.

    Ein einfach-mal-Umverlegen kann es angesichts des Aufwandes nicht geben, man könne und müsse nur Abschnittsweise vorgehen, aber nicht die ganze Länge auf einmal.

    Dr. Lerms Herangehensweise klingt für mich pragmatisch. Gleiches erhoffe ich mir für den Baumbestand. Wo sich solche Faktoren gut integrieren lassen, soll man das machen. Aber guter Städtebau darf unter solchen Erwägungen nicht zurückstehen. Dann lieber: sich Zeit lassen, konstant Stück für Stück umsetzen. Grundlage muss ein langfristiges Konzept sein, dass nicht modisch oder unausgereift ist. Leitungen lassen sich verlegen, Bäume umsetzen. Leitungen müssen irgendwann erneuert werden, Bäume sterben ab. Guter Städtebau hat hingegen jahrhundertelang Bestand.