Den Begriff "megaloman", also das griechischstämmige Fremdwort für "größenwahnsinnig", sollten wir angesichte solcher Bauten wie dem BND in der Chausseestraße wirklich vorsichtig verwenden. Im Vergleich zu dem genannten Behördensitz hätte sich eine Raschdorffsche Ostseite wie ein Gartenpavillion ausgenommen.
Humboldt-Forum / Stadtschloss - Der Bauthread
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Richtig. Also, wenn die Umgestaltung einer 118m breiten Fassade schon megalomanisch ist, als was bezeichnet man denn dann die Paläste unserer europäischen Nachbarn mit 300-600m Fassadenlängen? In Deutschland wurde eigentlich sogar in der Regel bescheidener und kleiner Gebaut als anderswo. Wer das nicht weiß oder glaubt dem empfehle ich mal einen Besuch in Paris, Wien, St. Petersburg etc.
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Wobei ich für die Größe des BND keine Megalomanie, also Größenwahn, als Ursache sehe. Dazu fehlt dort auch der Pomp und repräsentativ-protzige Anspruch bei der Gestaltung und Architektur. Beim BND-Komplex ging es darum, eine Unmenge an Büros und Nutzfläche auf dem Grundstück unterzubringen. Die paar Gestaltungselemente außenrum wie Plastikpalmen und die großen Kiefern sollen die gebaute Monotonie sogar etwas kaschieren.
Da würde ich auch eher die von Treverer genannten Paläste megalomanisch bezeichnen.
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Damit die geschätzte Leserschaft weiß, wobei es sich bei dem Raschdorffschen Entwurf handelt hier eine Zeichnung:
Quelle:
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Das größte Stadtschloss Deutschlands - und eins der größten überhaupt - ist und bleibt immer noch die Münchner "Residenz" der bayrischen Monarchen; jeder der drei Hauptkomplexe ist alleine schon so groß wie so manches einzelne Schloss, dazu 10 Innenhöfe und alleine 130 öffentlich zugängliche Schauräume des nun dort eingerichteten Museums. Das ist "megaloman", in Anbetracht dessen, dass all das ja letztlich nur der Wohnsitz einer einzelnen (wenn auch königlichen) Familie war.
Ich weiss nicht, wieso man diesem Berliner Stadtschloss immer positive oder negative Superlative andichten möchte, um es wechselweise in den Himmel zu loben oder zu verdammen. Es ist in jeglicher Hinsicht im deutschländischen und europäischen Vergleich ein Schlossbau der 2. Reihe. Aber für die Regionalgeschichte des ehemaligen Preußen und des heutigen Berlin/Brandenburg ist es von geradezu zentraler Bedeutung. Auch wenn wir es aus dem 20. Jh. so gewohnt sind, wo Berlin ein Zentrum des Weltgeschehens in mancherlei Hinsicht war, muss es nicht immer der globale Maßstab sein.
Es reicht doch vollkommen aus, dass diese Fassade zumindest für altpreußische Verhältnisse von barocker Pracht war und unzählige Bildhauer unzählige Stunden damit verbrachten, die Skulpturen zu schaffen - und jetzt wieder neu zu schaffen - um als Gemeinschaftsakt ein Gesamtkunstwerk in das berliner Stadtbild zu zaubern, das uns jeden Tag, mit unzähligen Wetter- und Lichtstimmungen, immer neu zu erfreuen und zu interessieren vermag (schon jetzt!).
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Damit die geschätzte Leserschaft weiß, wobei es sich bei dem Raschdorffschen Entwurf handelt hier eine Zeichnung
Finde ich hingegen gar nicht zu megaloman. Du musst bedenken, dass solch eine Struktur im Jahre 1888 fast schon Pille-Palle war im Vergleich mit der vorindustriellen Bauleistung des Stadtschloss Berlin, wo noch alles mit Muskelkraft von Mensch und Tier erbaut werden musste. 1899 wurde zB das 119 m hohe und massive Park Row Building in Manhattan eröffnet. Ein Bürogebäude. Die Zeit, als Großstrukturen noch solch ein Kraftakt waren, dass diese für Kultstätten (Kirchen, Tempeln,..) und Paläste vorbehalten waren, die war da schon längst vorbei.
Das war beim Bau des Stadtschloss und insb. der Erstellung der Barockfassade, die gerade rekonstruiert wird, noch ganz, ganz anders. Das war ein schöpferisch-kunsthistorischer Höhepunkt und eine Gemeinschaftsleistung einer ganzen Generation und einer ganzen Region, nicht nur eine isolierte, einzelne Baustelle. Diese Leistung unserer Vorfahren wieder in unseren Alltag zurückzuholen und aus dem relativen "Vergessen" archivarischer Dokumentationen zu retten, das ist ein Wert an sich. Dokumentationen auf Papier sind "tot", egal wie detailiert und fundiert, das haptisch erlebbare, detail- und maßstabsgetreue Anschauungsobjekt ist bei bildenden Künsten - zu denen die Steinmetzkunst definitiv gehört - unersetzbar. Bald lebt die schöpferische Leistung einer ganzen Generation wieder auf. Und das ist und bleibt dann ein Tag zum Feiern, ganz egal, an welchem Platz man das Stadtschloss Berlin in irgendwelchen albernen Rankings im internationalen Vergleich einordnen möchte.
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Das schweift jetzt aber auch alles wieder sehr weit ab...
Mir ging es ja in erster Linie darum darauf zu verweisen, dass es bereits früher Umgestaltungspläne für die Ostfassade gab - unter welchem Kaiser auch immer. Es lag ja letztendlich an den Kosten und Setzung von anderen Prioritäten, dass der Raschdorff-Entwurf nicht zur Ausführung kam. Mit Sicherheit lag es aber nicht daran, dass Wilhelm II. die Ostfassade so erhaltenswert fand, dass er sie nicht antasten wollte. Ich würde darauf wetten, dass dieser Teil des Schlosses wohl noch ausgiebig umgebaut worden wäre, hätte die Monarchie noch länger Bestand gehabt. Das bleibt aber Spekulation. Ich halte es aber eben auch für Unsinn, die Gestaltung der Ostfassade nun für sakrosant zu erklären und den Vorkriegszustand für den für alle Zeit als einzig richtigen zu erklären.
Wenn sich die Modernisten hier wirklich ausgetobt und ein Zeichen gesetzt hätten, würde man im Osten des Humboldtforums nun vermutlich ein dekonstruktivistisches Etwas bewundern können. So ist es halt nur etwas monoton langweilig.
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Wenn sich die Modernisten hier wirklich ausgetobt und ein Zeichen gesetzt hätten, würde man im Osten des Humboldtforums nun vermutlich ein dekonstruktivistisches Etwas bewundern können. So ist es halt nur etwas monoton langweilig.
Ich unterstelle Stella als Italiener eine Unverkrampftheit, die deutschen Architekten (zumindest seiner Generation) üblicherweise beim Thema "Reko" fehlt (siehe die Sucht des deutschen Architektur-Establishments nach den schon stereotypen "bewusst gesetzten Brüchen zwischen Alt und Neu"), sodass ich tatsächlich denke, dass er sich ganz bewusst mit einer puristischen Ostfassade zurückgehalten hat, um ganz bewusst dem eigentlichen "eyecatcher" der Rekofassaden in keinster Weise auch nur zu versuchen die Schau zu stehlen oder diese durch zB dekonstruvistischen Schmarn zu "sabotieren" oder sonstwie zu stören. Also gerade keine bewussten Brüche zu setzen, sondern sich vor dem historischen Entwurf zu verneigen und diesem die "Bühne" der architektonischen Inszenierung zu überlassen.
Identisch seine Gestaltung des eigentlichen Humboldtforum inmitten der vier Fassaden: die neue, von ihm geschaffene, Passage hält sich sehr zurück - bildet einen würdigen Rahmen für die rekonstruierten Teile der Portale/Innenhöfe und möchte auch hier diesen nicht die Schau stehlen, sondern genau umgekehrt, ihnen die verdiente und ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen lassen. Und obwohl das auch hier durchaus möglich gewesen wäre hat er es gerade nicht auf irgendwelche "Brüche" angelegt oder gar versucht mit internationalistischer Show-Architektur den Reko-Elementen die Schau zu stehlen, sondern lenkt Blicke (und Fußwege) durch das Gesamtkunstwerk der Reko-Fassaden, wobei er diese stets bestmöglich inszeniert und präsentiert. Fast, als wäre Stellas Humboldtforum ein Ausstellungsbau für die Barockelemente des alten Stadtschloss. Jemand der einfach nur langweilig oder monoton plant, der plant anders.
(Nur) So ist sein Entwurf, meine ich, auch konsequent und vollkommen nachvollziehbar. Und sowas konnte nur ein Ausländer planen, davon bin ich fest überzeugt. Wo deutsche Architekten Teilrekos planen dürfen kommt nämlich zB sowas raus (Teilreko des Schloss Saarbrücken) - und sowas als Ergänzung einer Teilreko ist dann langweilig und monoton, trotz des durchschaubaren Versuchs die historische Architektur modernistisch zu übertrumpfen und in den Schatten zu stellen sieht der modernistische Mittelbau bei diesem Beispiel wie das Bürogebäude einer Provinzsparkasse aus, derlei ist uns beim Humboldtforum glücklicherweise erspart geblieben, also kritisiert Stellas Entwurf nicht zu vorschnell als langweilig oder monoton. Es hätte viel schlimmer (=deutscher) kommen können.
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^ Vielleicht sollten wir uns ersteinmal über den Sinn und Gebrauch des Wortes ”modernistisch" einig werden. Das wird hier im Forum zunehmend seit ungefähr 2 Jahren vor allem in einem abwertenden schmähenden Kontext benutzt. Mir selbst wurde das Wort hier einigemale regelrecht wie ein Schimpfwort um die Ohren gehauen.
Wenn ihr nicht versteht worauf ich hinaus möchte, googelt bitte ”modernistsich“ und lasst euch bei google die dazugehörigen Bilder anzeigen. Da gibt es ungefähr eine Spanne von Jugendstil bis Dekonstruktivismus.
Ansonsten plädiere ich einfach dafür das Wort nicht mehr zu benutzen. Wenn man es sowieso nur dazu verwendet um die Meinung oder kreative Schöpfung eines anderen zu diskreditieren wird sich sicherlich eine treffendere und vor allem unmissverständlichere Formulierung finden lassen. -
Ich rudere etwas zurück, was das "megaloman" angeht, das ist in der Tat vielleicht übertrieben. Es bezog sich in erster Linie darauf daß doch immer der ausgeführte Dom als viel zu gigantisch angesehen wird, maßstabslos, eben megaloman (vielleicht weniger hier im Forum). Und zugleich wird er in dieser angeblichen Maßstabslosigkeit immer mit Wilhelm II. assoziiert. Dagegen wollte ich klarstellen, daß Wilhelm hier lediglich Erbe einer noch weitaus umfangreicheren Planung seines Vaters war.
Ich persönlich finde den ausgeführten Raschdorff-Dom weit besser als er immer noch zumeist beurteilt wird (innen ist er wunderschön) und vor der Reduzierung wesentlich besser als seitdem.
Pumpernickel schrieb:
"Ich weiss nicht, wieso man diesem Berliner Stadtschloss immer positive oder negative Superlative andichten möchte, um es wechselweise in den Himmel zu loben oder zu verdammen. Es ist in jeglicher Hinsicht im deutschländischen und europäischen Vergleich ein Schlossbau der 2. Reihe."Wenn das auf meine Verwendung von "megaloman" bezogen sein sollte, so muß ich das richtig stellen:
Das historische Schloss halte ich für durchweg seiner Bedeutung angemessen dimensioniert. Es ist allerdings auch in keiner Hinsicht "2. Reihe" (aber das wäre ein eigenes Thema).
Die Raschdorffsche Umbauplanung mit einem weitgehenden Abriß der Spreefront und der Errichtung eines Turms, dessen einziger Sinn wohl darin bestanden hätte, aus der Sicht der "Linden" den Rathausturm zu verstellen, halte ich dagegen für ganz verfehlt. Und hier würde ich das Mißverhältnis gar nicht festmachen am Vergeich mit irgendwelchen anderen Gebäuden auf der Welt, sondern am Vergleich mit den alten Teilen des Schlosses selbst: Zu groß angesichts der relativen künstlerischen Schwäche, zu unmotiviert, stilistisch nicht passend und anachronistisch in dieser Dimension. Albert Geyer zerpflückt Raschdorffs Plan geradezu und mit guten Argumenten.
(Albert Geyer, 1846-1938, war der letzte Schlossbaudirektor und Autor des Standardwerkes über das Schoss schlechthin.)(Dagegen war der nur teils ausgeführte Umbau des Eosanderhofes wohlbegründet und das Konzept sinnvoll.)
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^ Eine sehr zutreffende Beschreibung, soweit ich das überblicke. Danke.
Ansonsten entwickelt sich der Bau einfach grandios. Ich bin begeistert, von den bisherigen Ergebnissen.
Aus meiner Sicht sind die Kosten der rekonstruierten Teile allein schon im Vergleich zum künstlerischen Wert der Objekte absolut gering (hinzu kommt der Nutzen für das Stadtbild, das Geschichtsbewusstsein und der hohe wirtschaftliche Nutzen - Stichwort Kulturtourismus). Man bedenke, dass ein Meisterwerk von Picasso bereits einen Wert von 100 Mio hat. Ich sehe hier einen enormen Nutzen der eingesetzten Mittel.
Hoffentlich kann das Know-how in Zukunft deutschland- und europaweit bei Rekonstruktionen und Sanierungen weiter genutzt werden zum Wohle der Schönheit und Geschichtspflege.
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Ein paar aktuelle Impressionen:
Juni 2016
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Juni 2016
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Danke für die aktuellen Photos (dwt). Ich bin immer wieder erstaunt wie viele Sichtachsen und Perspektiven dieser Bau repariert...die Schlossbruecke macht nun auch wieder Sinn und führt nicht ins Leere. Die Schlossfassade "fasst" die Skulpturen der Brücke wieder wo vorher Leere war ( ob mit oder ohne PdR...).
Toll!
Wird eigentlich das einzig wirklkch erhaltene Originalportal aus dem Ex Staatsratsgebäude der DDR herausgebrochen und in die Reko integriert?? -
^ Und im Staatsrat bleibt ein Loch? Nein, soweit ich weiß, wird auch dieses Portal rekonstruiert. Von der Brücke aus kann man dann zweimal das gleiche Bauteil sehen: Als Original am falschen Ort und als Fälschung am Original-Ort. Was ich ganz passend finde für das Hin und Her der Berliner Geschichte.
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Na ein Loch müsste ja nicht bleiben. Die Fassade dieses Baues würde auch eine schlichte Glasfassade an dessen Stelle vertragen...
Es ist sicher richtig die wechselvolle Geschichte des Ortes zu dokumentieren, architektonisch besonders gelungen empfand ich das Gebäude allerdings nie...
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Bis auf ein par Spolien ist das Portal des Staatsratsgebäudes auch eine Rekonstruktion. Es steht als Ganzes unter Denkmalschutz. Eine Versetzung stand glaube ich nie ernsthaft zur Debatte.
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Wäre auch Unsinn, wenn man schon am Rekonstruieren ist. Im Gegensatz zum Potsdamer Schloss werden in Berlin soweit ich weiß keine Spolien integriert. Dass im Süden das Portal steht wird der Gestaltung jedenfalls sehr nützen.
Der Begriff Fälschung ist zudem absolut falsch, beinhaltet eine Fälschung doch immer eine Täuschungsabsicht. Schade, dass dieses beste aller Berliner Projekte immer noch so herabgewürdigt wird.
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Das Portal des Staatsratsgebäudes ist ja auch bereits eine (Teil-)Rekonstruktion. Es soll gemäß Wikipedia nur noch zu einem Fünftel aus Originalteilen bestehen. Der Rest ist also Reko, wobei hieran wohl auch nicht alles 1:1 dem Original entsprechen soll. Dies wurde mir von einem Fachmann in der Humboldt-Box erklärt. Dieser berichtete auch, dass das Portal am Staatsrat dran bleiben wird.
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Danke für die aktuellen Photos (dwt). Ich bin immer wieder erstaunt wie viele Sichtachsen und Perspektiven dieser Bau repariert...die Schlossbruecke macht nun auch wieder Sinn und führt nicht ins Leere. Die Schlossfassade "fasst" die Skulpturen der Brücke wieder wo vorher Leere war ( ob mit oder ohne PdR...).
Toll!
Wird eigentlich das einzig wirklkch erhaltene Originalportal aus dem Ex Staatsratsgebäude der DDR herausgebrochen und in die Reko integriert??Es beweist immer mehr, wie sehr das Schloss im Stadtbild gefehlt hat. Endlich ergibt die Raum- und Gebäudekomposition wieder Sinn. Das Schloss als eigentliches "Herz" der Stadt.