Die Zukunft des Bonn-Centers [Sprengung 19.03.17]
Der Traum von Leben im Regierungsviertel:
Das Bonn-Center
Ein Essay als Diskussionsauftakt
(Bild von mir)
1967 beschrieb DER SPIEGEL den "Traum vom weltstädtischen Glanz", "ein Schaufenster der Bundeshauptstadt mit internationalem Charakter", der nach dem "Muster des Berliner Europa-Centers" "funkeln und blinken", und nach Wunsch der Stadtoberen etwas "Leben im Regierungsviertel" möglich machen soll. Erträumt wurde zusammenfassend das Vergnügungsdeck des „Raumschiffs Bonn“.
1968 begann die Verwirklichung dieses Traums für den provisorischen Sitz der westdeutschen Demokratie, als nach den Plänen der Architekten Friedrich Wilhelm Gerasch und Bernd Domscheit der Bau des Bonn-Centers begonnen wurde.
Nach seiner Eröffnung im Jahr 1969 konnte das 60 m hohe und 18- geschossige Hochhaus inklusive Seitentrakt und Ladenzeile zumindest ein Stück weit den berechtigterweise formulierten Ansprüchen gerecht werden: Zwar fanden auch Teile der Abgeordneten des in der Nachbarschaft befindlichen Deutschen Bundestags sowie Ministerien, Botschaften (u.a. Japan und Neuseeland) und Verbände dort ein weißes Dach überm Kopf, doch für ein wenig Abwechslung sollten zumindest das Steigenberger-Hotel, eine Boutiquenstraße, eine Apotheke, eine Bowlingbahn, Bankfilialen, Fernsehstudios, gehobene Kneipen, ein Restaurant mit Panoramablick über Bonn, ein Supermarkt, ein Friseursalon sowie das Forum (seit 1987: Pantheon Theater) sorgen.
So richtig funkelt im Mai 2013 nur noch der sich drehende Mercedes-Stern auf dem Dach des "Bonner Rockefeller Centers". Das Pantheon-Theater sorgt zwar immer noch an manchen Tagen der Woche für etwas Leben in dem abendlich nahezu verwaisten Büroviertel, aber ebenso wie Parlament, Diplomaten und Teile der Regierung haben sich das Hotel, Boutiquen und Restaurants längst aus dem Gronauer Staub gemacht – die Ladenzeile wurde längst abgerissen. Nachdem der Großmieter Deutsche Post 2011 als Nachmieter ebenfalls auszog, stehen in dem Komplex ganze Etagen leer. Wo einst exotische Lebensmittel, die Bonns diplomatische Vertretungen, laut einer Umfrage, am Regierungssitz vermissten, verkauft wurden, und das diplomatische Corps die Kontakte zur deutschen Regierung pflegte, werden heute vor allem beim Muckibuden-Discounter „McFit“, als einem der Hauptmieter, schwitzende Körper trainiert, für nur knapp 20 Ocken im Monat.
2009 kündigte man noch großzügige Renovierungen und gar mögliche Erweiterungen an der repräsentativen Adresse Bundeskanzlerplatz an. Heute meldet der General-Anzeiger, dass die Betreibergesellschaft in den „Untiefen eines Insolvenzverfahrens“ steckt. Die CR Investment Management GmbH prüft seit geraumer Zeit zwar auftragsgemäß mögliche Zukunftskonzepte für die die 25.000 Quadratmeter Büroflächen, doch eine tragende Idee scheint derzeit nicht in Sicht. Von „großflächiger Vermietung“ bis hin zu einem Verkauf an einen Projektentwickler scheint derzeit alles möglich.
Eine weitere Möglichkeit, quasi das Worst-Case-Szenario für die verbleibenden Mieter, ist eine Zwangsversteigerung. Die Idee eines treu gebliebenen Mieters ist es, im Bonn-Center, gegenüber dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (ehem. Kanzleramt), hunderte Studenten unterzubringen. Ein Studentenbunker vis-à-vis des Palais Schaumburg, mitten im ehemaligen Regierungsviertel, das sich ja eigentlich zu einer Top-Adresse auf dem deutschen Büroimmobilienmarkt gemausert hat. Der Bedarf ist zweifelsfrei vorhanden – wer würde das angesichts der angespannten Lage auf dem Bonner Wohnimmobilienmarkt bestreiten? Ebenfalls wären hunderte halbwegs motivierte Erstsemester und einige schluffige Langzeitstudenten sicher der Garant für eine wünschenswerte Belebung der „Neuen Mitte“ Bonns. Die Verkehrsanbindung (fünf Minuten mit der Stadtbahn zu Uni und City) könnte besser nicht sein, die hochkarätige Nachbarschaft mit Haus der Geschichte, Kunstmuseum und Bundeskunsthalle sichert die kulturelle Bildung des akademischen Nachwuchses, und der abendliche Fußmarsch mit Kölsch zum Rhein, vorbei an Adenauers Kopf und Henry Moores „Large two forms“, beträgt höchstens 5 Minuten. Die alten 68’er hätten davon geträumt, aus dem Fenster ihrer Bude auf die Bannmeile im Regierungsviertel spucken zu können. Halt! Moment! Denkfehler. Vermutlich wäre die Adresse Bundeskanzlerplatz den langhaarigen, kiffenden Hippies dann doch zu sehr Establishment gewesen.
Aber heute? Die entideologisierte Jugend des 21. Jahrhunderts würde die Vorteile dieser Unterkunft ohne Murren gerne nehmen, bezahlt man in der Bundeshauptstadt a.D. für ein 17 Quadratmeter großes „Souterrain“-Appartement, das in einem miefigen Keller liegt, schon mal gerne 350€. Der Autor dieses Essays kennt derartige Fälle aus eigener Anschauung.
Oder ist die Idee doch absurd, in besagter Premiumlage die Bonner Wohnungsnot, vor allem im niedrigpreisigen Segment, bekämpfen zu wollen? Ist es wirklich ein Problem, lohnendere Gewerbevermietung in einem Viertel hinzubekommen, das zu den hochpreisigsten Büroarealen im gesamten Rheinland zählt? Einfach mal ein paar Millionen in das Ding investieren, und dann klappt das schon? Endlich wieder funkeln und blinken? Und sei es nur die Leuchtreklame von irgendeinem Unternehmen oder der UNO.
Einst sollte durch das Bonn-Center das „Selbstbewusstsein der jungen Kapitale“ in Beton gegossen werden. Für was könnte es heute symbolisch stehen? Ist und bleibt es ein nicht zukunftsfähiges Denkmal der alten „Bonner Republik“, oder wird es, wie viele Beispiele im Viertel, ein Symbol für den verspäteten Aufbruch nach dem Abzug?
Ich erkläre die hoffentlich lebhafte Diskussion für eröffnet.
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Quellen:
- DER SPIEGEL 49/1969: IM KLEINEN KARO HOCH HINAUS. Peter Brügge über die Eröffnung des neuen Bonn Centers. Link
- DER SPIEGEL 30/1967: BUNDESHAUPTSTADT. Funkeln und blinken. Link
- GENERAL-ANZEIGER v. 9.5.2013: Bonn-Center. Mieter befürchten Versteigerung. Link
- GENERAL-ANZEIGER v. 1.4.2013: Stadtgeschichte in Bonn. Das Bonn-Center war Symbol des neuen Selbstbewusstseins der Bundeshauptstadt. Link
- WIKIPEDIA-Artikel: Bonn-Center. Link