Heute konnte ich als Vertreter des DAF die Tunnelbaustelle im Europaviertel besichtigten; eingeladen hatte der Verkehrsdezernent Oesterling und die SBEV. Wie immer bei solchen Terminen gab es viel Interessantes zu erfahren, ich fasse mal zusammen:
+ Derzeit ist der Tunnel 241 m lang. Das Schneidrad steht vor der westlichen Stirnseite der Stationsbaugrube, hat also die Gebäude auf der Südseite der Europaallee bereits unterquert, der rote Stern markiert ungefähr die Stelle:
+ Der Vortrieb beträgt 5-7 m/Tag, d.h. der Tunnel wächst um 4-6 Tübbingringe pro Tag.
+ Die Tübbinge werden vom Hersteller im Emsland mit der Bahn bis zur Cargo-City-Süd gebracht; vom dortigen Zwischenlager kommen sie mit Sattelschleppern zur Baustelle; ein Ring (6 Segmente) pro Ladung.
+ Jeder der rd. 9.000 Tübbinge hat eine vorausbestimmte Einbaustelle; sie sind entsprechend gekennzeichnet und werden von der Vortriebsmaschine angefordert, wenn sie den entsprechenden Abschnitt erreicht hat. Es gibt Standardringe, die sich nicht unterscheiden aber wegen Längsneigung des Tunnels und der Kurven sehr viele Ringe, deren Segmente nur an einer bestimmten Stelle passen.
Der gesamte Tunnel ist also für die passgenaue Produktion der Tübbinge am Rechner bereits designed und durchgerechnet worden. Das 5. Segment von Ring 2808:
+ In dieser Woche wird an der östlichen Stirnseite die letzte Schlitzwandlamelle der Stationsbaugrube hergestellt. Sobald die fertig ist, kann die TVM mit der Durchfahrung der Stationsbaugrube beginnen; heute hat die TVM einen pit-stop, einen vorgeplanten Wartungstag eingelegt; man konnte deshalb heute bis zum Steuerstand gehen;
+ Die Schlitzwände der Stationsbaugrube reichen 30 m in die Tiefe, die Baugrube wird 25 m tief und damit die tiefste U-Bahnbaugrube in Frankfurt werden; zum Vergleich die Startbaugrube ist rd. 17-18 m tief:
+ Auf den Stirnseiten sind die Schlitzwände nicht mit Stahl bewehrt, sondern mit einem glasfaserverstärkten Kunststoff-Gewebe, das vom Schneidrad durchschnitten werden kann; sobald beide Tunnelröhren fertig sind und die TVM zurückgezogen wurde, beginnt der Aushub der Stationsbaugrube. Auf der Länge des Stationsbauwerks werden aufgefahrenen Tunnelröhren ausgegraben, abgebaut und durch das Stationsbauwerk ersetzt. Die Röhren durch die Stationsbaugrube hindurch in einem Stück aufzufahren ist rationeller, als die sehr tiefe, offene Stationsbaugrube zu durchfahren.
+ Die TVM fährt bis 3,00 m vor das Bestandsbauwerk. Die Distanz zwischen Bestandstunnel und Schneidrad, der sog. Dichtblock wird im Schutz eines Eispanzers herkömmlich hergestellt. Die Aufgefrierphase dauert 100-120 Tage und hat bereits begonnen, siehe hier. Anfang 2020 hat die TVM ihr Ziel erreicht. Das Schneidrad steht vor dem sog. Schild, einer Stahlröhre, in deren Schutz der Abraum verladen und die Tübbinge verbaut werden. Dieser Schild bleibt im Erdreich, wird lediglich mit Tübbingen ausgekleidet; für die zweite Röhre gibt’s also einen neuen Schild, der am Ende ebenfalls im Erdreich bleibt. Derim Erdreich verbleibende Schild ist auf diesem Bild die weiße Röhre:
Foto: SBEV
+ Der Zwischenraum zwischen der Außenhaut der Betonröhre und dem gewachsenen Erdreich wird mit einer speziellen Zementsuspension verfüllt; die lagert in den diversen Tanks, die auf der Baustelle herumstehen. Die Tübbinge sind aus wasserundurchlässigem Beton und brauchen keine weitere Außenabdichtung.
+ Pro Schicht arbeiten 5-8 Mineure auf der TVM, 12 für die Logistik (d.h. die Bauzüge und deren Be- und Entladung). Das Ganze ist richtiger Bergbau mit entsprechenden Rettungseinrichtungen für die Mineure.
+ Die Besonderheiten dieser Tunnelbaustelle sind die sehr engen Kurvenradien, das Bergen der Maschine durch die fertigen Röhren, die tiefe Stationsbaugrube sowie die unterschiedlichen geologischen Verhältnisse.
+ Die SBEV wird auch die weitere Verlängerung der U5 zum Römerhof planen und bauen. Im Prinzip ist vorgesehen, die Gesellschaft nach Zweckerreichung nicht abzuwickeln, sondern das Erfahrungswissen der Mitarbeiter zu bewahren und für weitere Projekte nutzbar zu machen (etwa die Ginnheimer Kurve); die SBEV tritt sozusagen in die Fußstapfen des vormaligen Stadtbahnbauamtes.
+ Die TVM wird nicht eingelagert und z.B. für D-II verwendet, Sie gehört den Baufirmen und wird wenigstens teilweise vom Hersteller (Herrenknecht AG) zurückgekauft.
+ Der Leitstand des "Piloten" ist natürlich umfassend digitalisiert:
...der "Kompass" des Piloten...
Dieses (abfotografierte) Bild zeigt die Vereisungsarbeiten in der Wendeanlage Düsseldorfer Straße. Durch die Stirnwand des Tunnels wurden Lanzen gebohrt, durch die Kühlflüssigkeit zirkuliert, welche das Erdreich einfriert.
Foto: SBEV
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