Friedrichstadt (Mitte) | Kleinere Projekte

  • Zu #297: Sanierung und Umbau Haus Friedrichstadt


    Das Haus Friedrichstadt steht unter Denkmalschutz. Das ändert jedoch nichts daran, dass es in seiner Provinzialität kaum zu überbieten ist. Provinziell, spießig, bieder. Solche Architekur ist jedenfalls nicht dazu geeignet, der Friedrichstraße die dringend benötigte Aufwertung zu geben. Anstelle einer Sanierung wäre es besser gewesen, das Haus Friedrichstadt abzureißen und durch einen hochwertigen Neubau zu ersetzen. Insofern ähnelt die Sanierung beim Haus Friedrichstadt dem Prozedere beim Haus der Statistik. Ich hätte mir an dieser Stelle einen Neubau gewünscht mit kraftvoller Weltklasse-Architektur wie das Quartier 206. (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Quartier_206). Stattdessen gibt's wieder nur unter Denkmalschutz gestellte Zweitklassigkeit.

  • ^... Sorry, aber Dein Beitrag geschätzter Architektur-Fan ist ziemlicher Humbug. Das von Dir so geschasste Gebäude wurde vom Architekten Jürgen Bachmann 1934-1935 errichtet. Es repräsentiert einen noch der moderne verpflichteten Stil im Übergang zu Nazi-Monumentalstil. Aus dieser Übergangszeit gibt es nicht allzuviel Erhaltenes. Für mich gehört es eher noch in die Kategorie der Behrens-Bauten am Alex und stellt damit einen Gebäudetyp des modernen großstädtischen Geschäftshauses dar. Deinen hasserfüllten Ausfall kann ich nicht nachvollziehen und wie so oft läßt mich Dein Kommentar ratlos zurück ... :huh:

    Für weitere Informationen:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Haus_Friedrichstadt

  • ^ Ich kenne die Historie des Gebäudes. Mit dem Haus Friedrichstadt verhält es sich genauso wie mit der Klosterstraße 62, dem Spitteleck am Spittelmarkt, dem Haus der Statistik und vielen Anderen. Mittlerweile wird jede historische Hässlichkeit mit Verweis auf die Historie gehegt und gepflegt.


    Die Sanierung des Haus Friedrichstadt bringt die Friedrichstraße keinen Schritt weiter. Mit einem gelungenen Neubau hätte man vielleicht ein neues Kapitel in der südlichen Friedrichstraße aufschlagen können. Dazu braucht man jedoch den Mut, sich von Altem zu lösen und Neues zu akzeptieren. Ich schaue mittlerweile mit Wehmut zurück in die zweite Hälfte der 1990er Jahre. Damals haben sich in der Friedrichstraße die Star-Architekten die Klincke in die Hand gegeben. Jean Nouvel, Ieoh Ming Pei, Oswald Matthias Ungers bei den Friedrichstadtpassagen. Das Kontorhaus von Josef Paul Kleihues. Oder die Friedrichstr. 200 von Norman Foster. Im Jahr 2024 passiert in Berlin-Mitte im allgemeinen und in der Friedrichstraße im Besonderen gar nichts mehr. Gute Architektur ensteht nur noch in den weniger zentralen Bereichen außerhalb des Zentrums.

  • ^ Du kennst die Historie des Gebäudes, aber Du überschätzt die Bedeutung der Schönheit für den Denkmalschutz. Schönheit allein ist kein explizites Kriterium im Denkmalschutz und kann es auch nicht sein, denn das würde zu unendlichen Streitigkeiten führen.

    Gemessen an den zentralen Kriterien des Denkmalschutzes (kulturelle Bedeutung, Authentizität und Erhaltungszustand, Seltenheit und Einzigartigkeit, identitätsstiftende Funktion, wirtschaftliche und soziale Faktoren) ist der betreffende Bau, wie Camondo ausführte, schon wegen der Seltenheit von Bauten aus dieser Übergangszeit erhaltenswert.

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    Gut. Dann möchte ich dich bitten, die Punkte "kulturelle Bedeutung", "Authentizität", "Einzigartigkeit" und "identitätsstiftende Funktion" in Bezug auf das Haus Friedrichstadt kurz zu erläutern. Die Tatsache, dass es sich (laut Wikipedia) um "funktionalistische und spätexpressionistische, moderne Architektur der 1920er Jahre" handelt, erfüllt denn Stichpunkt "Einzigartigkeit". Und was genau ist identitätsstiftendend und authentisch an diesem Gebäude? Und worin besteht denn die kulturelle Bedeutung?

  • ^ Das ist ein Missverständnis. Es müssen nicht alle genannten Kriterien gleichzeitig vorliegen. Wäre das der Fall, blieben nicht mehr viele Bauten, die unter Denkmalschutz gestellt werden könnten.

  • ^

    ich will darauf hinaus, dass es sich bei den genannten Kriterien lediglich um schön klingende Worthülsen handelt. Papier ist bekanntlich geduldig. Was in der schriftlichen Begründung zum Denkmalschutz steht, ist letztendlich nur Schall und Rauch. Bei Architektur kommt es darauf an, dass sie in Natura eine Wirkung erzielt.


    Und welche Wirkung erzielt dieses Gebäude, mal abgesehen davon, dass es das architektonische Niveau in der Friedrichstraße nach unten zieht?

  • ^ Meinst Du wirklich, dass das Kriterium "in Natura eine Wirkung erzielen", so viel überzeugender ist als der sich über Jahrhunderte herausgebildete Denkmalschutz, an dem unzählige Menschen beteiligt waren? Merkst Du denn nicht, dass Dein Kriterium so unbestimmt ist, dass es auch auf das Gebäude der Friedrichstraße Anwendung findet und Du das sogar indirekt im letzten Satz Deines Posts zugibst?

  • Leider weichst du meiner Frage aus. Konkret geht es darum, welche Qualitäten dieses Haus Friedrichstadt besitzt. Die Diskussion über den Wertekanon des Denkmalschutzes, der sich über Jahrzehnte herausgebildet hat, sprengt das eigentliche Thema und ist wohl auch offtopic.

  • ^ Aber das sagte ich doch gleich in meinem ersten Post: "der betreffende Bau [ist], wie Camondo ausführte, schon wegen der Seltenheit von Bauten aus dieser Übergangszeit erhaltenswert." Darin sehe ich, in Übereinstimmung mit dem Denkmalschutz, seine spezifische Qualität.

  • ^ Aus meiner Perspektive gibt es von diesen seltenen, aber wichtigen Gebäuden viele zu viele in Berlin. Inbesondere in Berlin-Mitte wimmelt es nur so an seltenen, aber wichtigen Gebäuden, so dass man sich kaum noch retten kann vor dieser "spezifischen Qualität".

  • Und welche Wirkung erzielt dieses Gebäude, mal abgesehen davon, dass es das architektonische Niveau in der Friedrichstraße nach unten zieht?

    Jetzt übertreibst du aber. Es ist ja nun nicht so, als wäre die Friedrichstraße besonders reich an architektonischen Juwelen, eben hauptsächlich typisches Berliner Nachwende-Einerlei. Der Visualisierung zufolge würde der Bau sich da perfekt einreihen. Auch frage ich mich, was dich zu der optimistischen Annahme zu verleiten scheint, dass ein Neubau an dieser Stelle irgendwie attraktiver wäre. Der könnte genau so gut eine optische Verschlechterung darstellen.

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    Erstens ist die Nachwende-Architektur in der Friedrichstraße weit überdurchschnittlich im Vergleich zu Vertretern aus dieser Epoche an anderen Stellen der Stadt.


    Und zweitens habe ich nicht nur von "Neubau", sondern von "hochwertigem Neubau" (#301) und von "gelungenem Neubau" (#303) gesprochen. Es ist klar, dass ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude nur ersetzt werden darf, wenn das nachfolgende Gebäude extrem hochwertig ist. Eine solche Neuentwicklung muss natürlich in Absprache mit der Denkmalschutzbehörde erfolgen.


    In Stuttgart gibt es ein hervorragendes Beispiel, dass zeigt, dass so etwas funktionieren kann. Es handelt sich um den Phönix-Bau in der Stuttgarter Königstraße. Bild auf Wikipedia: https://commons.wikimedia.org/…:Stuttgart_Phoenixbau.jpg

    Der Phönix-Bau in Stuttgart ist sehr gut vergleichbar mit dem Haus Friedrichstadt in Berlin, weil dieser vom Bauvolumen, von der Kubatur und von der Lage an einer vielfrequentierten Einkaufsstraße ähnliche Rahmenbedingungen aufweist. An der Stelle des Phönix-Bau stand vor 2008 ein sehr hochwertiges und denkmalgeschütztes Gebäude aus den 1950er (?) Jahren. Dennoch hat der Denkmalschutz in diesem Fall grünes Licht für einen Neubau gegeben, weil der Neubau eben nochmals eine Stufe besser ist als der denkmalgeschützte Vorgänger. Die Neuentwicklungen war für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation.

  • Ich freue mich sehr, dass dieses Gebäude so sorgfältig saniert wurde. Noch zu Mauerzeiten war es ja weithin sichtbar und durch die Nähe zum Checkpoint Charlie ist es auf vielen historischen Fotos abgelichtet Es hat dadurch auch eine gewisse Bekanntheit.

    Mir ist es bereits bei meinen ersten Reisen nach Berlin, Mitte der achtziger Jahre, aufgefallen und de facto ist es eins der Gebäude, die mein Interesse an Berliner Geschichte und Architektur geweckt haben.

    Mir gefällt besonders die horizontale Gliederung mit dem vertikal hervorspringenden Treppenhaus an der Südseite. :daumen:

  • Architektur-Fan Der von dir verlinkte Bau weist ein paar nette Details auf, erscheint aber schon aus ein paar Metern Distanz als die gleiche Kiste, wie sie inzwischen in jeder zweiten Fußgängerzone rumsteht. Da sehe ich kaum einen qualitativen Unterschied zum Friedrichsbau.

  • ^

    Der Phönix-Bau verfügt über wertigen Sandstein. Im Gegensatz dazu hat das Haus Friedrichstadt ein Putzfassade, die vor der Sanierung jahrelang in ungepflegtem Zustand gewesen ist und dementsprechend gammelig und runtergekommen ausgesehen hat. Nach der Sanierung ist es wenige Jahre weiß. Und bald wird die Putzfassade wieder den ranzigen Grauschleier bekommen wie all die Jahre zuvor. Manche Baumaterialien (wie z.B. Sandstein) altern mit Würde. Aber das gilt ganz sicher nicht für Putzfassaden.


    P.S.: Das Gebäude heißt immer noch Haus Friedrichstadt. Und nicht Friedrichsbau. Gebe mal den Begriff "Friedrichsbau" in eine Suchmaschine ein. Und du wirst bei ganz anderen Gebäuden landen. Aber nicht bei dem Gebäude, dass in der Berliner Friedrichstraße steht.

  • Nicht weit vom Haus Friedrichstraße, genauer am Check Point Charly, befinden sich Gebäude aus den 90ern, die qualitativ lang nicht in der gleichen Liga wie das Besprochene spielen. Das Lauber und Wöhr Bürogebäude z.B. ist doch einfach gruselig. Ich sehe in der ganzen Friedrichstraße und zwar vom Bahnhof bis zur Kochstraße nur wenig Gebäude die an das Haus Friedrichstraße heranreichen.

  • Noch zu Mauerzeiten war es ja weithin sichtbar und durch die Nähe zum Checkpoint Charlie ist es auf vielen historischen Fotos abgelichtet

    Das Haus Friedrichstadt war deswegen weithin sichtbar, weil man in der Nachkriegszeit die Überbleibsel der viel hochwertigeren Jugendstil-Gebäude im Umfeld einfach mal mit dem Bulldozer platt gemacht hat. Und wenn man die feingliedrigen Gebäude zerstört, bleiben eben nur noch die grobschlächtigen Gebäude übrig. Insofern ist die Sichtbarkeit in einem Trümmerfeld ganz sicher kein Qualitätskriterium, das für das Haus Friedrichstadt sprechen würde.

  • Das lag aber nicht daran, weil es Jugendstilgebäude waren, sondern an der Nähe zum Checkpoint Charlie. Vermutlich wäre auch dieses Haus platt gemacht worden, hätte es ein Block weiter südlich gestanden. Hinzu kommt aber auch der Erhaltungsgrad nach dem Krieg, der umso höher war, je jünger und moderner die Gebäude waren. Und da schnitten die Gebäude aus den Jahren 1910 bis 1940 besser ab, als die beliebten Gründerzeitler, die doch noch recht viel Holzanteil hatten und entsprechend weniger widerstandsfähig waren.

    Dass es an dieser Stelle nicht um plattmachen von ungeliebter Architektur ging, sieht man auch gut an dem Jugendstilgebäude direkt gegenüber.

    https://www.chronik-der-mauer.…3x2-article1200.jpg?6FF8E


    Das würde bereits recht früh instand gesetzt.

    https://static.dw.com/image/51081146_902.webp