Friedrichstadt (Mitte) | Kleinere Projekte

  • Ich frage mich dennoch, wo die größeren Fenster sind? .


    Das habe ich mich auch gefragt, da es sich hier schließlich um einen Plattenbau handelt, wo man aus statischen bzw. techn. Gründen die Fensteröffnungen überhaupt nicht vergrößern kann. Aber dann habe ich nochmals den Text des Investors durchgelesen: Er schreibt, dass die in allen Straßenfassaden höhere und breitere Verglasungen für mehr Belichtung sorgen. Auf die Idee muss man erst mal kommen. Die neuen Fenster haben schmalere Fensterrahmen, die Verglasungsfläche ist daher größer. Die ganze Beschreibung des Projektes und das schönreden von unmotivierten und langweiligen Gebäuden ist typisches Investorengeschwätz.


    Das ist die Kapitulation der modernen Architektur, die es schafft sogar noch einen Plattenbau zu verschandeln!


    Das Gebäude hat nichts mit moderner Architektur zu tun!


    Mit fehlt ein kreativer Gedanke der Architekten, die das renovieren.


    Kreative Architekten gibt es genug, nur haben sie bei den meisten Investoren aufgrund von fehlendem Mut und unkreativen Entscheidern oft keine Chance einen Auftrag zu bekommen. Daher ist es auch falsch, immer alles auf die Architekten zu schieben!

    Einmal editiert, zuletzt von D.T.68 ()

  • Ob dieser durch Dämmung und Glattputz bereinigte oder beruhigte (gängiges Architektenvokabular!) Plattenbau etwas mit moderner Architektur zu tun hat, darüber könnte man endlos streiten. Auf jeden Fall hat er mit einer Vulgärmoderne zu tun, die seit siebzig Jahren kriegsbeschädigte Historismusfassaden durch glatte Wände ersetzt hat, die in Berlin darauf aus war, die gesamte Gründerzeitstadt durch Stuckabschlagen zu "modernisieren", die in Zeiten des aktuellen Dämmwahns mit Billigung durch den Zeitgeist (einschließlich Regierung und Architektenverbände) einer gewachsenen Architekturlandschaft mit Kühlschrankfassaden den Garaus bereiten soll. Wie sich moderne Architektur ihren Idealen nach definiert, mag differenziert zu betrachten sein, in der Praxis aber passt das, was in der Friedrichstraße passiert ist, zu den eingefahrenen Prinzipien "modernen" Bauens, zu denen die Architekten schon einiges beigetragen haben.

  • Dieser Akt architektonischer Barberei (wie er allgegenwärtig ist) ist nur folgerichtig für eine Gesellschaft, die ihre Identität und damit auch ihre kulturelle Schaffenskraft verloren hat, ja die der selbstzweckhaften Progression huldigt und sich geradezu an der Selbstdekonstruktion ergötzt. Der Gedanke daran, daß Architektur mehr sein kann als Nettogeschossfläche, Funktionalismus und Energie-Ersparnis, existiert vielleicht noch bei Repräsentationsobjekten - aus dem Baualltag ist er verschwunden. Besser wird es auf absehbare Zeit wohl nicht mehr werden (aber immerhin gehts auch kaum noch schlechter).

  • sondern?


    Doch, hat es!
    Sobald moderne Architektur eine Verschlimmbesserung darstellt (wie so oft) hat diese halt komplett versagt!


    Die Frage ist halt, was man unter "moderner Architektur" versteht, einem allgemein recht schwammigen Begriff.


    Versteht man darunter die "klassiche Moderne"? (Welche selbst noch in einzelne Strömungen unterteilt werden kann) Oder versteht man darunter zeitgenössiches Bauen? Oder noch etwas anderes?


    Im Bezug auf dieses Gebäude hier: Nach der Renovierung wurde die historisierende Fassadengestalltung entfernt und durch eine sehr schlichte ersetzt. In gewisserweise kann man dort Stilmerkmale der Moderne erkennen: Verzicht auf Ornamentik, Schlichtheit.


    Doch die ursprüngliche moderne Architektur ist wesentlich mehr!
    -Funktionalismus: Einzelne Bauelemente werden "freigelegt", nicht versteckt und zeigen ihre Funktion für das Gebäude. Hier ist aber alles mit Wärmedämmung zugekleistert.
    -Formgebung. Durch Reduktion gestallterischer Mittel rückt die Form, Kubatur des Gebäudes in der Vordergrund und ist prägend für das Aussehen des Gebäudes. Hier entspricht die ursprüngliche Kubatur des Gebäudes aber nicht modernen gestallterischen Ansprüchen. Durch die dicke Wärmedämmung im Detail noch zusätzlich entstellt.


    Genau so wie bei allen entstuckten Altbauten. Die schlichte, moderne Fassadengestalltung wird mit einer bestehenden, anderen Gestalltungsansprüchen genügenden Formgebung eines Gebäudes vermischt. Zwangsläufig sieht das schlimm aus. Genauso würde Stuck an modernen Gebäudeformen grauenhaft aussehen.


    Ebenso strebt moderne Architektur keine Nutzflächenmaximierung an, sondern hat gestallterische Ansprüche. Bei diesem Gebäude hier liegt wohl das Augenmerk auf der Gewinnmaximierung des Besitzers:


    - Energetische Sanierung, Wärmedämmung -> Entstellung der Fassadproportionen
    - Nutzflächenmaximierung -> Dachgeschoss wird in "Penthouse" umgebaut, Gauben fallen weg
    - Alles schön billig -> schlichte, weiße Putzfassade (Wäre eine andere Fassadengestalltung günstiger, würde wahrscheinlich eine andere Fassade dran sein, und keine "moderne")


    Da einem zunächst meistens die Fassade eines Gebäudes ins Auge springt, bestimmt diese maßgeblich unsere Einschätzung des Gebäudes. Somit scheint sie vor allem für die "Schönheit" verantwortlich zu sein. Die restlichen Gestaltungmerkmale haben aber auch einen massiven Einfluss darauf, gehen jedoch in unserer bewusten Wahrnehmung etwas unter. Negative oder positive Gefühle werden meist an der Fassade festgemacht.


    Somit diskreditiert hier die "restliche Katastrophe" dieses Gebäudes die schlichte, weiße, moderne Fassade, welche an sich auch sehr gut aussehen kann:


    https://de.wikipedia.org/w/ind…timestamp=20100428080706&
    https://upload.wikimedia.org/w…C_-_Guggenheim_Museum.jpg
    ...

    Einmal editiert, zuletzt von ErichFritz ()

  • An den anonymen Schreiber, der einen roten Punkt mit folgender Bewertung abgegeben hat:
    "das hat sehr wohl mit moderner Architektur zu tun. Man braucht nur modernistische Architekten zu fragen!"
    Lieber Bewerter, zufälligerweise bin ich ein modernistischer Architekt, und die Frage, ob die schreckliche Sanierung des o.a. Plattenbaus modern ist, wird JEDER modern eingestellte Architekt mit nein beantworten! In diesem Zusammenhang möchte ich an den Schreiber der (natürlich anonym) schrieb, ich sei ein Rekonstruktionshasser: Nirgens habe ich geschrieben, dass ich gegen historisierende Gebäude und Rekonstruktionen bin! Ich befürwortete sogar z.B. die Rekonstruktion der Bauakademie von Schinkel, die städtebauliche Wiederherstellung des Bereiches der Friedrichswerdersche Kirche, ist befürworte die Rekonstruktion des Stadtschlosses etc. Wie also kommst du darauf, ich sei ein Rekonstruktionshasser???

  • Jetzt sind die Gerüste weg und es fehlt nur noch der Sockel. Hier noch mal zwei Bilder:




    Alle Bilder sind von mir, sofern nicht anders angegeben.

    Einmal editiert, zuletzt von KaBa1 ()

  • Die "Verwandlung" des DDR-Plattenbaus in der Friedrichstrasse geht weiter. Jetzt werden die letzten Relikte des Ursprungsbaus getilgt: Die Rundbögen im EG. Sie werden ersetzt durch große Schaufenster:





    Alle Fotos sind von mir.

  • ^ Ich kann mich garnicht genug aufregen über die Verunstaltung dieses doch recht originellen DDR-Plattenbaus. Wenigstens die Bögen hätte man doch erhalten können. Ich hoffe, dass der Sockel farblich oder vom Material her abgesetzt wird ?!

  • Ich finde schamhaft die Umgang mit den Fassade von diese gelungene Plattenbau:


    https://model2.de/light/7693/img_0398utsdu.jpg
    http://www.stadtbild-deutschla…&postID=156161#post156161


    http://www.berlinhaus.com/typo3temp/pics/00f1b9eeaa.jpg
    http://www.berlinhaus.com/gewerbe/projekte/


    Wo sind jetzt alle die Menschen die schreien wenn einen Altbau eine WDVS Fassade erhält? :mad: :mad: :mad:


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    Hinweis der Moderation: Die Einbindung der Bilddateien wurde in Links geändert. Bitte künftig auf die Richtlinien für das Einbinden von Bildern achten! Vielen Dank.
    Bato

  • Friedrichstr. 63

    Jetzt ist auch der Sockel fertig. Zumindest an der Friedrichstr. Insgesamt macht das Ergebnis einen besseren Eindruck, als zuletzt diskutiert. Das ganze Gebäude wirkt eher wie ein Neubau, denn wie ein sanierter Plattenbau. Ob das alles notwendig war und ob das jetzt schöner ist als vorher, steht auf einem anderen Blatt. (Für den Investor scheint es sich gelohnt zu haben. Jetzt werden dort knapp 20 Euro Warmmiete aufgerufen)


    Hier Bilder von heute früh (leider noch ohne Sonne):




    Einmal editiert, zuletzt von KaBa1 () aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Ich bin echt bestürzt. Normalerweise bin ich für das Weiterbauen von Plattenbauten aber nur bei den Generischen mit hoher Rationalisierungsstufe. Es ist mir unverständlich wie da der Denkmalschutz da wieder mitgemacht hat....... es sind solche Heuchler.

  • Ich finde die Erstgeschossverkleidung und das erste OG gehen noch, weil der Naturstein doch etwas Wertigkeit mitbringt und für die Fußgänger, die direkt am Haus entlanglaufen, ist es sicherlich optisch gar nicht so schlecht.


    Je weiter man aber vom Gebäude weg geht, desto problematischer wird das Gesamtergebnis. Es stellt sich einfach schon das Problem, dass der Ursprungsbau einfach zwei Etagen zu viel hat, folglich stimmen die Proportionen einfach nicht mehr, der herausgearbeitete und abgesetzte Sockel machen das Problem noch offensichtlicher, weil der obere Teil so den unteren förmlich erdrückt.


    Zweiter großer Mangel sind die eigentlich zu niedrigen Deckenhöhen, auch daran ließ sich nichts ändern. So wirkt der Bau zu seinem Nachbarn aber deutlich gedrungen, was den zu kopflastigen Effekt noch verstärkt.


    Und dann noch dieser Dämmunfall. Vermutlich hat man wieder 30 cm vorgeknallt. Die Oberflächenoptik ist auch z.B. bei den Gebäuden in der Luisenstadt immer irgendwie billig. Dazu wird das Alterungsproblem besonders bei diesen weißen Bauten kommen. In 30 Jahren muss der ganze Kram vermutlich wieder runter und teuer entsorgt werden.


    Alles in allem nicht das Gelbe vom Ei!


    EDIT: Vergleicht man es aber mit dem Ursprungsbau ist der jetzige Zustand aus meiner Sicht aber eine deutliche Verschlechterung und für einen Plattenbau war er durchaus raffinierter als vieles andere. Um ehrlich zu sein ist es schon fast eine bauliche Vergewaltigung, was man mit dem Bau gemacht hat. Aus einem doch überdurchschnittlichen Plattenbau wurde ein gesichtsloses Dämmmonster. Sehr schade!

  • Ihr kennt das englische Sprichwort "to put lipstick on a pig"? Aus einer Platte macht man auch bei einem hübschen Natursteinsockel kein herrschaftliches Anwesen. Egal ob vor oder nach dem Umbau.


    Dass die Originalplatte mit dem Pseudoziegeldach inkl. Dachgauben natürlich der Gipfel von Geschmacklosigkeit und Kitsch war steht wieder auf einem ganz anderen Blatt.


    Wenn ich mich zwischen Original und Umbauzustand entscheiden müsste würde ich den zumindest "ehrlicheren" Umbauzustand wählen. Besser noch wäre Abriß und Neubau gewesen.
    Odysseus: richtig, mit dem Dämmwahn laufen wir bereits in die nächste Baustoffsanierungsfalle, nur wird die noch teurer, flächendeckender und bzgl. Entsorgung ungeklärter werden, als das Asbestproblem es war, aus dem wir offenbar rein gar nichts gelernt haben (ulkig auch, dass einfach per Verordnung fiktiv festgesetzt wurde, dass natürlich hochbrennbares Polystyrol in WDVS Platten qua Verordnung ein brandstabiler Baustoff sei, wo die Leute in Wahrheit ihre Gebäude mit Brandbeschleunigern einhüllen).

  • Friedrichstr. 63

    Alle Fenster im EG sind jetzt eingesetzt. Die Renovierung scheint soweit abgeschlossen. Ob noch Markisen zur Verschönerung im 1. OG (Sockel) angebracht werden, wie auf der Visualisierung zu sehen sind, weiß ich nicht.


  • ^ Tja, jegliche Ursprungsgestaltung wurde gnadenlos glattgebügelt. Wenigstens das Dachgeschoss ist nicht ganz so schlimm geworden wie auf dieser Visu. Aber immer noch schlimm genug mit dieser Zinkblechverkleidung. Da gefiel mir das alte wesentlich besser.


    Alles weiß, keine Fensterbrüstungen, langweilige Sockelgestaltung... Schade.

  • Schön hätte ich es gefunden und das wäre auch die einzige Verbesserung gegenüber dem Vorzustand, wenn man die Eingangssituation auf die Ecke verlegt hätte. Eine gestutzte Ecke schreit doch förmlich nach einer Eingangsmöglichkeit. Nunja zu spät.