Chemnitz - Bilder einer Stadt

  • Interessante Eindrücke, vielen Dank! Einige Gebäude habe ich bereits aus den Tipps bzw. den Bing-Links wiedererkannt und freue mich darauf, das nächste Woche selbst zu besichtigen! :daumen:

  • So, dann möchte ich mich heute mal mit einigen meiner Bilder an dieses Thema dranhängen :) Eigentlich wollte ich Euch schon am Dienstag die Fotos zeigen, doch wie es manchmal so ist, hat mir die Zeit einen Strich durch die Rechnung gemacht und so komme ich erst jetzt am Wochenende dazu. Ich hoffe, Ihr habt Verständnis dafür :)


    In Chemnitz hatte ich leider nicht sooo viel Glück mit dem Wetter - es war tagsüber extrem dunkel, was sich auch in den Fotos widerspiegelt. Bitte entschuldigt daher, dass meine Fotos keine hochqualitativen Meisterwerke sind - dennoch habe ich einiges gesehen und möchte auch einige Fragen dazu stellen.


    Von Chemnitz selbst habe ich leider deutlich weniger gesehen, als ich für meine 1,5 Tage eigentlich geplant hatte. Das lag vor allem am Wetter am 2. Tag, wo ich mich bei eisigem Wind und starkem Schneeregen für einige Zeit in den 22er Bus verzogen habe und eine Runde von der Georgbrücke bis zur Chemnitzer Straße in Markersdorf und wieder zurück zur Zentralhaltestelle gefahren bin - aus dem Bus raus gibt es leider keine Fotos, jedoch hat mir die Mitfahrt viel Spaß bereitet, da man auch hier an einige alten Fabriken vorbeikommt und sieht, wie hügelig Chemnitz doch ist.


    Doch nun einige meiner Impressionen entlang meiner Spaziergangsroute:
    Ich startete im Zentrum bei der großen Karl-Marx-Büste, die ich doch recht beeindruckend fand:

    Welcher Meinung ist man überwiegend in Chemnitz: stehenlassen oder doch irgendwann mal entfernen? (die Frage ist frei von jeglicher persönlicher Wertung meinerseits)


    Auch das große Mercure-Hotel im Zentrum ist ein Blickfang:

    War dies früher ein Interhotel und stand es irgendwann einmal für einige Zeit leer, z.B. bevor es zu einem Mercure wurde?


    Weiter ging es am ansprechenden Theaterplatz vorbei:


    und schließlich entlang der Straße der Nationen bis zum ZOB, wobei ich entlang der Straße der Nationen einige leerstehende Gebäude sah, deren früheren Sinn und Zweck ich mir nicht erschließen konnte - könnt Ihr mir weiterhelfen?
    Da wäre erstens dieses Gebäude hier:


    und ein Stück weiter noch dieses:


    Sehr ansprechend natürlich für mich auch der ZOB:

    Überrascht war ich, dass es von hier sogar scheinbar täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich Direktverbindungen in die Ukraine gibt - leben in Chemnitz viele Ukrainer?


    Ich sah mich dann noch etwas in der Gegend zwischen ZOB und Brühl um, wobei ich den Brühl wirklich extrem verlassen und deprimierend fand - da steht ja fast alles leer! Die ganze Kaufkraft ist wahrscheinlich in dem Einkaufskarrée um Zentralhaltestelle und Roten Turm gebunden, oder?



    Was ist der Hintergrund bzw. Zweck dieser interessanten Installation?



    Schade auch um die vielen leerstehenden Wohnhäuser in dieser zentralen Lage - zu Fuß nur 5 bis 10 Minuten zum Hauptbahnhof und allen Einkaufsmöglichkeiten, man sollte doch meinen, dass solche Wohnlagen begehrt wären!


    Als Nächstes war ich überrascht, gleich neben dem Brühl einige Plattenbauten zu finden - ich vermute mal, dass damit an dieser Stelle noch Nachkriegslücken behoben wurden? Wann ca. sind denn diese Plattenbauten entstanden?

    Hat dieser Brunnen einen speziellen Hintergrund?


    Danach war ich schon am Fluss Chemnitz und damit auch fast am Stadtbad angekommen, als das Wetter sich extrem verschlechterte - ein kalter Wind fegte durch die Straßen, dazu fieser Schneeregen, durch meine Brille konnte ich nicht mehr durchsehen und an Fotografieren war nicht mehr zu denken - ich ergab mich also dem Wetter und bestieg an der Georgbrücke den 22er Bus, mit dem ich erst nach einer Rundfahrt über Markersdorf wieder an der Zentralhaltestelle ankommen sollte. Von dort fuhr ich dann mit der Straßenbahnlinie 1 bis Schönau, wo ich mir die Gegend entlang der Zwickauer Straße anschaute - doch dazu mehr im nächsten Teil :)

  • In Schönau spazierte ich von der Endstelle der Straßenbahn hoch zur Zwickauer Straße und erstmal westwärts weiter:

    Tolle Häuser, die aber irgendwie halbverloren im Nichts stehen... war hier irgendwann mal ansatzweise eine geschlossene Bebauung vorhanden, oder schon immer solche Lücken? Ist keine Kritik, man ist nur im extrem zugebauten München einfach keine Lücken gewohnt...


    Ein Stück weiter kam ich an einer wunderschönen Kirche (Fotos leider extrem dunkel) und dann an einem ehemaligen Gasthaus vorbei, das ebenfalls recht verloren dasteht:


    Öfter gesehen habe ich diese Schilder:

    ich vermute mal dass eine ist die Hausnummer entlang der Straße, das andere die Ortsteil-Nummer? Hat man früher in allen Teilen von Chemnitz so nummeriert?


    Ich fand dann auch noch eine schöne alte Fabrik, genau sowas mag ich:


    Im Gestrüpp hinter der Bahnunterführung war sogar noch ein Hinweis auf die frühere Tätigkeit dieses Betriebes zu finden:


    Danach verlief ich mich dann etwas. Ich ging westwärts an einer Schrebergartensiedlung vorbei und kam dann in einem neuen Gewerbegebiet an der Clemens-Winkler-Straße vorbei. Schade fand ich, dass man hier "auf der grünen Wiese" so viele neue, gesichtslose Büro- und Gewerbebauten hingestellt hat, während man doch eigentlich genügend alte Fabriken zu tollen und attraktiven Bürogebäuden umbauen könnte - und das sogar noch zentraler gelegen. An der Clemens-Winkler-Straße stieg ich in den Bus und ein paar Stationen später an der Messe wieder aus, von wo ich zur Zwickauer Straße rüberspazierte und dann den ganzen Weg bis zum Industriemuseum zu Fuß ging. Das hat mir wahnsinnig gut gefallen - die Mischung aus Industrie- und Wohngebäuden, Verfall und Sanierung entlang dieser Straße. Natürlich entstanden hier auch einige Fotos:

    Welche Fabrik war das früher und wofür wird sie jetzt genutzt? Ich sag drinnen überall Leuchtstoffröhren als Beleuchtung in Betrieb, aber alles war abgesperrt!?


    Es gibt auch einige Anbauten (?) bzw. Erweiterungen zu dieser Fabrik, die leerstehen:

    Besonders interessant an diesem Bild für mich ist das, was ich gedanklich mangels besseren Wissens immer als "DDR-Standard-Außenleuchte" beschreibe. Weiß jemand, wo diese Lampen hergestellt wurden und ob sie wirklich in der ehem. DDR so verbreitet waren, wie es mir scheint?


    Faszinierend und wunderschön manche der Wohnhäuser entlang dieser Straße:

    Waren das dann eher Wohngebäude für Fabrikleiter und ihre Familien? Oder tatsächlich auch für den normalen Arbeiter?


    Übrigens: würden Wohnhäuser mit derartiger Fassadengestaltung in München existieren, würden vermutlich täglich tausende Touristen davon Fotos machen und evtl. würde sowas sogar in einem ausführlicheren Reiseführer stehen. In Chemnitz scheint niemand von den Besuchern der Stadt groß Notiz zu nehmen... wirklich schade!



    Meiner Meinung nach ist in dieser Gegend fast jedes Haus eine genauere Betrachtung wert...


    Toll fand ich auch diese Idee hier:

    Kann man sich das Ganze auch irgendwo im Internet anschauen, z.B. wie diese Routen aufgebaut sind? Ich hatte bisher noch keine Zeit zum Googlen...


    Weiter geht's im nächsten Teil! :)

  • Letzlich kam ich am Industriemuseum an, in dem ich aber leider nicht mehr drin war, weil ich langsam zu meinem Zug nach München mußte...



    Das Industriemuseum ist ein schönes Gebäude, mehr beeindruckt hat mich allerdings diese ehemalige Fabrik direkt gegenüber... was wurde hier denn früher proudziert? Ich habe meine Eindrücke auch mal mit Google Maps bzw. der dortigen Satellitenansicht verglichen, wenn ich es richtig verstehe, hat man einen Teil der alten Fabrik bereits abgerissen und durch einen Radweg und kleinen Park ersetzt!? Was ist für den verbleibenden Rest der Fabrik geplant?


    Letztlich stieg ich hier in die Straßenbahn und fuhr zurück zur Zentralhaltestelle, wo ich noch einige Minuten Zeit für die schöne Altstadt hatte:



    Auch am Roten Turm war ich noch, danach ging es zum Hauptbahnhof und ein viel zu kurzer Besuch in Chemnitz fand sein Ende.
    Ich wußte, dass ich bei meinem ersten Besuch nicht alles sehen kann, was Ihr mir empfohlen habt und was mich interessiert hätte. Daher bin ich mit meinem ersten Besuch in Chemnitz recht zufrieden - ich habe einen guten ersten Eindruck bekommen, die Lust auf "mehr sehen" ist geweckt, so dass ich im wärmeren Frühling einmal ein langes Wochenende mit 3 bis 4 Tagen für Chemnitz vorsehen werde. Ich möchte mich an dieser Stelle nochmal sehr herzlich für all Eure Hinweise und Tipps bedanken, ohne die ich mich anfangs kaum zurechtgefunden hätte!

  • Danke für deinen ersten Bericht mucoliver! Ein paar Fragen kann ich dir beantworten, leider nicht alle. :)



    Welcher Meinung ist man überwiegend in Chemnitz: stehenlassen oder doch irgendwann mal entfernen? (die Frage ist frei von jeglicher persönlicher Wertung meinerseits)


    Die Büste wird sicherlicht in einer nahen Zukunft von 10-20 Jahren nicht entfernt werden. Der lange Büroriegel hinter der Büste soll in ein paar Jahren komplett renoviert und ausgebaut werden.



    War dies früher ein Interhotel und stand es irgendwann einmal für einige Zeit leer, z.B. bevor es zu einem Mercure wurde?


    Das Gebäude ist mit 97 Metern des höchste Gebäude im Stadtzentrum. 1974 wurde es als Hotel „Kongress“ (heute „Mercure“) erbaut.



    Sehr ansprechend natürlich für mich auch der ZOB


    Seinerzeit war dieses Bauwerk sicherlich modern. Aufgrund der großen Neuplanung des Brühl-Viertels samt Uni-Karree wird der Omnibusbahnhof langfristig abgerissen, um Platz für neue Gebäude und Grünflächen zu geben. Hier findest du ein Foto zu dem besagten Areal, wie es langfristig aussehen soll.



    Fotoquelle: Fotografie Freie Presse



    Ich sah mich dann noch etwas in der Gegend zwischen ZOB und Brühl um, wobei ich den Brühl wirklich extrem verlassen und deprimierend fand - da steht ja fast alles leer! Die ganze Kaufkraft ist wahrscheinlich in dem Einkaufskarrée um Zentralhaltestelle und Roten Turm gebunden, oder?


    Sicherlich wurde die Kaufkraft ins Stadtzentrum gezogen. Generell hat Chemnitz aber auch das Problem, dass nach der Wende enorm viele Einkaufscenter auf der grünen Wiese entstanden sind, wie z. B. die Sachsen-Allee, der Neefe-Park, das Vita-Center, das Altchemnitz-Center, das Chemnitz-Center, ... Aber das ist dann eine andere Geschichte :lol4:


    Wie gesagt, der Brühl wird künftig schrittweise "erneuert". Erste Fortschritte sind auch schon in unserem Forum unter "Rund um den Brühl" zu sehen. Dieses Jahr werden auch ettliche Altbauten in direkter Brühl-Lage saniert und in Studentenwohnungen umgewandelt.



    Als Nächstes war ich überrascht, gleich neben dem Brühl einige Plattenbauten zu finden - ich vermute mal, dass damit an dieser Stelle noch Nachkriegslücken behoben wurden? Wann ca. sind denn diese Plattenbauten entstanden?


    Zur genauen Entstehungszeit kann ich dir nichts sagen. Jedoch wird in diesem Jahr einer der beiden Plattentürme endlich abgerissen und verschwindet somit aus dem Stadtbild. Langfristig soll hier kleinteilige Bebauung entstehen.

  • Welche Fabrik war das früher und wofür wird sie jetzt genutzt? Ich sag drinnen überall Leuchtstoffröhren als Beleuchtung in Betrieb, aber alles war abgesperrt!?


    Das waren die ehemaligen Wanderer Werke in Chemnitz-Schönau. Ein paar Hintergrundinformationen gibt es hier und hier.


    Wanderer war zusammen mit Audi, DKW und Horch in den 30er Jahren zur Auto Union, dem heutigen Vorgänger von Audi, verschmolzen. An der ehemaligen Firmenzentrale an der Scheffelstraße in Chemnitz (gegenüber des großen VW-Werks) hat Audi heute leider kein Interesse.

  • Ich kann vielleicht noch die ein oder andere interessante Information beisteuern:


    Welcher Meinung ist man überwiegend in Chemnitz: stehenlassen oder doch irgendwann mal entfernen?


    Eine wirkliche Debatte darüber existiert längst nicht mehr, der "Nischel" wird größtenteils als Chemnitzer Wahrzeichen akzeptiert. Am besten zeigt sich das an der durch eine Online-Umfrage entstandenen Kreditkarte der Chemnitzer Sparkasse mit der Darstellung des Karl-Marx-Kopfes (Link).


    Überrascht war ich, dass es von hier sogar scheinbar täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich Direktverbindungen in die Ukraine gibt - leben in Chemnitz viele Ukrainer?


    Es gibt zwar eine vergleichsweise etwas höhere Zahl von Aussiedlern als in manch anderer Stadt, die Busverbindung hat damit allerdings sicher wenig zu tun. Auch von München und vielen anderen Städten kann man solche Touren unternehmen.


    Was ist der Hintergrund bzw. Zweck dieser interessanten Installation?


    Die Installation "Zuhause" der Künstler Künstler Frank Raßbach und Helena Rossner wurde auf dem Areal eines aufgrund der damaligen falschen Förderpolitik abgerissenen Altbaus errichtet. Sicherlich eine interessante Reflektion der Themen Stadtumbau und Massenabwanderung nach der Wende, andererseits entsprang das letztlich dem Bemühen, die vielen unssinig entstandenen Lücken zu kaschieren. Deshalb würde ich dort lieber heute als morgen eine Neubebauung sehen, wofür es auch erste, noch umstrittene Pläne gibt.


    Hat dieser Brunnen einen speziellen Hintergrund?


    In der DDR wurde durchaus Wert auf die Aufwertung des öffentlichen Raumes mit Kunstwerken gelegt. Auch der Brunnen Jugend des Freiberger Künstlers Gottfried Kohl steht in diesem Kontext. Eine sehr umfangreiche Seite mit praktisch allen Kunstwerken der Stadt vermerkt auch dazu einen Eintrag. Vermutlich ist 1979 auch das Baujahr der angrenzenden Plattenbauten. Meines Wissens wurde dafür wiederum Altbaubestand geopfert.


    Schönau: Tolle Häuser, die aber irgendwie halbverloren im Nichts stehen... war hier irgendwann mal ansatzweise eine geschlossene Bebauung vorhanden, oder schon immer solche Lücken?


    Schönau war immer schon locker bebaut. Verloren gegangen ist in Chemnitz im Krieg vorrangig die bei Bomenangriffen komplett vernichtete Innenstadt, und das wenige Monate vor Kriegsende.


    Industrieareal gegenüber Industriemuseum


    Es handelt sich hierbei um das sogenannte Poelzig-Areal, wo früher Trikotagen produziert wurden. Das fotografierte Gebäude ist von 1911, interessanter aber ist der danebenliegende expressionistische Erweiterungsbau von Hans Poelzig. Mit Unterbrechungen wird hier seit 2008 saniert, wobei gewerbliche Nutzungen in der historischen Bausubstanz den Schwerpunkt bilden werden. Auch Lofts sind geplant.