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1. Das Fahrrad ist gesellschaftlich betrachtet nicht das Hauptverkehrsmittel, und das wird es auch nicht werden (für mich persönlich ist es das schon, aber das trägt hier nichts aus.)
2. Das Auto ist ein sehr wichtiges Verkehrsmittel und wird wichtig bleiben. Ich stelle nicht infrage, dass viele darauf angewiesen sind. Und ich stelle auch nicht das Recht infrage, eine Cabrio-Tour übers Land zu genießen. Dennoch ist erstrebenswert, dass nicht jeder jede Strecke mit dem Auto zurückgelegt, nur weil es eben da ist. Die sozialen und ökologischen Kosten des Autoverkehrs sind gewaltig – und werden es bleiben, auch mit E-Autos. Das muss sich ändern. (Sie können natürlich sagen, Klima- und Umweltschutz seien per se Ideologie, aber da bin ich dann raus.)
3. Die Behauptung, eine ökologischere Verkehrsplanung wolle es Alten, Behinderten und Familien unmöglich machen, mobil zu sein, ist ein Strohmann-Argument. Niemand plant, den Autoverkehr derart einzuschränken. Aber wenn schon die Einrichtung von Fahrradstellplätzen anstelle eines Parkplatzes zum "Auto-Verbot", zum "Parkplatz-Hammer" oder ähnlichem stilisiert wird, dann entsteht natürlich dieser Eindruck.
4. Seit 100 Jahren ist die Verkehrsplanung daran orientiert, dass Autos schnell von A nach B kommen. Das hat im Stadtbild Verheerungen angerichtet. Ich denke, da sind wir uns einig. Es wäre schön, wenn man einiges davon zurücknehmen könnte. Bislang gehört 90 Prozent des Straßenraums dem Auto. Wenn es mittelfristig 70 Prozent werden, wäre das eine Diskriminierung?
5. Mein Wunsch ist nicht, zu den Verhältnissen von 1900 zurückzukehren. Mein Wunsch ist, anderen Verkehrsmitteln mehr Raum zu geben. Durchaus auf Kosten von Privilegien, die der Autoverkehr derzeit laut StVG genießt – aber nicht soweit, dass Autos an den Rand gedrängt würden. Beispiel: Zwei statt drei Autospuren, und anstelle der eingesparten Spur dann einen breiten Radweg, mehr Bürgersteig und Bäume. Platz für Straßencafés und Kinder. Entsprechende Pläne gibt es, wie gesagt, für die Petersburger Straße (wo die Zwei-Spuren-Variante dank Pop-up-Radweg seit Jahren funktioniert). Ich fürchte, sie werden jetzt gecancelt.
6. Das Freiheits-Argument ist sehr eingeschränkt, wenn man es auf's Auto beschränkt. Historisch war es wirklich so: Leute, die bislang auf ihre Scholle beschränkt waren, konnten mittels Auto die Welt entdecken. Das erwies sich aber als dialektische Falle, denn die Freiheit, die Welt mit dem Auto zu erschließen, hat die Welt auch hässlich gemacht. Und es entstand der Zwang, Strecken, die man vorher nicht hatte, mit dem Auto zu bewältigen. Ob der tägliche Stau auf der Avus wirklich eine Freiheitserfahrung ist, sei dahingestellt.
7. Freiheit kann man auch auf dem Rad oder zu Fuß erfahren. Nicht auf den holperigen Radwegen, wie sie in den autogerechten Jahren geplant wurden – ein Meter eng und irgendwo zwischen Fußweg und Parkplätze gequetscht –, in den neu ausgewiesenen Fahrradstraßen aber schon. Niemand verlangt, dass alle immer und ausschließlich Rad fahren müssten. Im aktuellen Diskurs erscheint es aber fast böse zu sein, gute Bedingungen fürs Radfahren zu schaffen. Wegen Freiheitsfeindlich, oder so. Das ist schlicht Unfug.
8. Der neue Senat teilt anscheinend die Auffassung, dass Autos Freiheit bedeuteten, gute Bedingungen für Radfahrer hingegen Ideologie und Verbot. Frau Schreiner hat jetzt großzügig eingeräumt, dass neue Radwege statthaft seien, sofern sie der Sicherheit auf dem Schulweg dienten. Das zeigt ziemlich klar, woher der Wind weht: Fahrräder sind was für Kinder; Erwachsene fahren naturgemäß Auto, und das soll auch so bleiben. Wegen der Freiheit. Halleluja!