Berliner Stadtverkehr kontrovers diskutiert

  • Mit Empörung alleine kann man keine neuen U-Bahntrassen bauen. Es geht hier lediglich darum, dass Forderungen auch gegenfinanziert werden müssen. Sachliche Politik. Auch wenn die heutzutage (bei Linken wie bei Rechten) ziemlich untergeht. Man kann sich die Welt eben nicht so hin empören, wie sie einem vielleicht gefallen würde.


    Berlin ist nach wie vor pleite und das Bestandsnetz vielfach akut sanierungsbedürftig, der Fuhrpark ebenso. Wir müssen schon Museumsbahnen aus den 50ern reaktivieren und ja, da ist es eine seltsame Prioritätensetzung gewesen, das Sozialticket weiter zu verbilligen. Wobei das Land Berlin nur einen Teil der Mindereinnahmen durch einen erhöhten Zuschuss ausgleicht. Man entzieht der BVG also unter dem Strich sogar noch Mittel (Wünschdirwas, aber nicht gegenfinanziert, das ist keine seriöse Verkehrspolitik!).


    Und nein, man kann nicht einfach freihändig Geld, was der Bund nicht für Autobahnen ausgibt, irgendwie zur BVG verschieben. Das weisst du aber vermutlich auch selbst. Kurios auch, dass das nun ein Grüner fordert. Das war bisher immer die Partei, die U-Bahnbau abgelehnt hat, da zu teuer und man bekäme für das selbe Geld viel mehr ÖPNV, wenn man "Stadtbahnen" baut. Das soll jetzt wohl auch nicht mehr gelten.

  • ist einer: das Thema U-Bahnbau darf in Berlin nicht weiter tabuisiert werden. Zu lang nur drum rum reden darf allerdings auch nicht geschehen.


    Es muss ein kurzfristiger, mittelfristiger und langfristiger Plan her.


    Kurzfristig (5 Jahre) muss der Fuhrpark erneuert werden.


    Mittelfristig (5 - 15 Jahre) muss es Netzerweiterungen geben die nicht den extrem hohen Kostenaufwand ausmachen. Da ist an die U3 zum Mexikoplatz zu denken oder eine oberirdische U7 die eben auf dem Vorplatz des BER ihre Endstation hat und nebenbei noch die AirPortCity sowie die Parkplätze anbindet, oder an die U8 ins MV.


    Langfristig (15 + x Jahre) müssen Erweiterungen schon jetzt geplant werden. Die U5 nach Tegel, die U9 nach Pankow, die U3/U10 (oder wie immer sie heissen mag) von Weißensee zum Adenauer Platz oder auf's Messegelände wären hier einige Beispiele.


    Für die U1 zum Ostkreuz sehe ich allerdings keine Chancen. Hier sollte weiterhin das Ziel Frankfurter Tor heissen.


    Was nicht länger passieren darf ist, dass der Tramausbau weiter als U-Bahn-Ersatz her hält. In den letzten Jahren sind die Züge länger und länger und sogar auch breiter geworden. Die aktuelle Ausschreibung beinhaltet sogar noch längere Züge als die aktuell längsten Flexitys. Die Akzeptanz bei Netzerweiterungen in Kiezen wie um die Sonntagstraße am Ostkreuz schwindet für die Tram natürlich, wenn alle 5 Minuten ein Zug bald so lang wie eine U-Bahn durch die Straße fährt.


    Im Bereich der Greifswalder Straße ist man bei der M4 jetzt schon an der Obergrenze des Machbaren angekommen. Die Züge maximalster Länge fahren alle 3 bis 4 Minuten, der Personalaufwand ist enorm, die Ampelgestörte Beförderungskapazität am Limit. Jetzt helfen hier nur noch noch längere Züge oder eben der U-Bahnbau der U3.

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  • ^ Volle Zustimmung. Ich bin sehr für den Neu- und Ausbau von Straßenbahn-Strecken, aber das Verkehrsmittel hat nun mal seine Grenzen. Deshalb müssen auch U-Bahnstrecken verlängert bzw. neu gebaut werden. Den Anschluss des BER und des Märkischen Viertels halte ich für enorm wichtig, um den Autoverkehr einzudämmen. Und die M4 nach Weißensee hat es auf Dauer tatsächlich nötig, durch eine U-Bahn ersetzt zu werden (auch wenn das vermutlich noch Jahrzehnte dauert).


    Die Verlängerung der U1 zum Ostkreuz ist dagegen wirklich eine Schnapsidee: Millionenkosten, um eine Strecke zu doppeln, die im 3-Minuten-Takt von der S-Bahn bedient wird. Halte ich für Quatsch. Die U1 sollte irgendwann das Frankfurter Tor (U5) mit dem Adenauerplatz (U9) oder sogar mit dem Westkreuz verbinden. Das wäre ein Fortschritt.


    Aber hier zeigt sich, neben dem Geld, das zweite Problem: Die Politik traut sich nicht, den Bürgern jahrelang eine aufgerissene und teilgesperrte Warschauer oder Greifswalder Straße zuzumuten, weshalb die günstigste und schnellste Variante des U-Bahnbaus von vorneherein verworfen wird. Tunnelvortrieb ist über längere Strecken tasächlich unbezahlbar und Hochbahngleise wie in der Skalitzer vermutlich nicht mehr mit dem Lärmschutz kompatibel (obwohl eine Hochbahn durch die Greifswalder echt Charme hätte). Was also bleibt? Entweder es findet sich jemand, der den Mut hat, mit offener Tunnelbauweise zu planen, oder es wird nichts mit dem Ausbau...


    @ Pumpernickel: Das Hauptproblem ist immer noch die Fixierung der Verkehrspolitik auf's Auto. 7 Mrd. Euro gehen jährlich (!) in Erhalt und Ausbau allein der Bundesfernstraßen. Wenn man guten, öffentlichen Verkehr will, muss man hier umschichten, statt immer zu sagen, es sei halt kein Geld da. Das Land allein kann das nicht tun, natürlich weiß ich ich das. Maximal kann es durch Parkraumbewirtschaftung was bewegen. Aber da ist dann der Aufschrei groß von wegen der Autofahrer sei "die Melkkuh der Nation".


    Den Bund würde ich übrigens nicht so leicht aus der Verantwortung lassen. Gesetze kann man bekanntlich ändern. Ich weiß ja, Du gehörst zur "Mein-Mitleid-hält-sich-in-Grenzen"-Fraktion. Dennoch scheitert die Verlängerung von U-Bahnlinien nicht an verbilligten Fahrpreisen für Hartzer. Das gehört zu einer "sachlichen" Stellungnahme auch dazu.

  • Der Strassenbahnausbau war einfach nur ein Fehler und ist sehr kurzfristig gedacht und mit Scheinargumenten geführt worden. Strassenbahnen können keine Ubahnen ersezten, wurde hier schon hundertmal angemerkt aber wird von den Grünen und den Linken einfach ignoriert.
    Wenn alle drei Minuten eine Tram vorbeirattert, und das Tag und Nacht dann wird plötzlich die Lärmfrage total ignoriert, ebenso die zusätzlichen Verkehrstoten in Kauf genommen.


    Die Line 8 zur Turmstrasse ist totaler Blödsinn. Man hätte schon lange die U5 dorthin verlängern sollen.
    Eine Strassenbahn zum Potsdamer Platz ist ebenso unnötig.


    Die Kosten werden immer übertrieben dargestellt, weil man als Referenz das mit Abstand teuerste Streckenstück der U5 als Referenz anführt was total unredlich um nicht zu sagen bewusst irreführend ist.
    denn Verlängerungen an anderer Stelle wesentlich günstiger.
    Es ist einfach Ideologie.


    Wenn man die Lebenszeit berechnet die man verliert, tagtäglich von Marzahn oder Weissensee mit der Strassenbahn zur Arbeit zum Alex oder weiter zu fahren, dann ist das einfach nur Betrug am Menschen, so sehe ich das.
    Ausserdem könnte man auch fahrerlose Ubahn linien konzipieren, was die laufenden Kosten bestimmt wesentlich senken würde, aber das wird überhaupt diskutiert, stattdessen baut mein weitere Strassenbahnungeheuer die die schmalen Innenstadtstrassen noch weiter verengen und Fahrradfahrern den Platz wegnehmen.



    Wenn man vernünftig gewesen wäre, hatte man die U1 direkt zum Frankfurter Tor und dann auf Hochbahnebene auf der Strecke der M10 weitergeführt bis zum Hauptbahnhof, vor der Schönhauser Allee dann in den Tunnel.


    Berlin zeichnet sich leider durch eine völlig verfehlte Verkehrtspolitik aus, auf allen Ebenen.

  • Strassenbahnen können keine Ubahnen ersezten, wurde hier schon hundertmal angemerkt aber wird von den Grünen und den Linken einfach ignoriert...Es ist einfach Ideologie.


    1. Straßenbahnen können keine U-Bahn ersetzen, sind aber auf kürzeren Strecken hervorragende Verkehrsmittel - dem Omnibus bei Weitem überlegen, dem PKW sowieso. Es geht nicht um entweder/oder, sondern um sowohl/als auch.


    2. Den Straßenbahn-Ausbau der letzten Jahre hat ein SPD/CDU-Senat betrieben, während wir hier gerade einen Vorschlag der Grünen diskutieren, die U-Bahn auszubauen. Ist Dir vor lauter ideologiefreier Klarsicht vermutlich entgangen.


    3. Es ist nicht "einfach Ideologie", mit den Kosten des Tunnelvortriebs zu rechnen. Es hat damit zu tun, dass sich die Politik vor Autofahrern und Anwohnern fürchtet, wenn sie für fünf, sechs Jahre eine Haupteinfallsstraße teilsperren lässt (was ich, wie gesagt, falsch finde, aber die Angst vor den Wutbürgern ist nicht unbegründet).


    4. Die Behauptung, wer Straßenbahnen baue, betreibe "Betrug am Menschen" und "nehme zusätzliche Verkehrstote in Kauf", ist schlicht dreist. Wie wäre es denn gleich mit einem Mordvorwurf? Solange unter der Greifswalder keine U-Bahn fährt (20 Jahre, schätze ich), ist die Straßenbahn die einzige Alternative. Soll man sich denn auf den PKW konzentrieren? Oder alle dreißig Sekunden einen Bus fahren lassen? Das wäre in Sachen Verkehrs-, Lärm- und Feinstaubtoten sicher die viel bessere Lösung... :nono:


    Kollege Ostkreuzblog hat gezeigt, dass man die Probleme des Verkehrsmittels Straßenbahn auch beschreiben kann, ohne in billige Hasstiraden auszubrechen oder Verschwörungstheorien zu pflegen ("bewusst irreführend"). Was Du betreibst, ist einfach nur Feindbildpflege mit fadenscheinigen Argumenten.

  • Die meisten Unfälle mit Straßenbahnen und Fußgängern kommen dann zustande, wenn die Bahnen zu leise sind. Auf ordentlich ausgeführten modernen Strecken sind Straßenbahnen flüsterleise.
    Ich halte Straßenbahnen (vor allem auf eigenen Trassen) für wesentlich sinnvoller als Busse. Außerdem wirken größere Strassen mit vernünftig gestalteten Trassen (begrünt oder entsiegelt) allein durch die Trennung des Verkehrs aufgeräumter, angenehmer, großzügiger und weniger chaotisch. Aber in Berlin gibt es bei Trassen in der Regel nur die Sparfassung, die eher nach Eisenbahngleis in der Walachei aussieht.
    Persönlich vermeide ich (einfach aus Abneigung) die unangenehme Beförderung in Bussen so weit es nur möglich ist und laufe mittlere Strecken, im Schnitt bin ich damit auch schneller am Ziel.

  • Theseus532: Danke für diese Kunst-Performance, um uns einen Einblick in die Denkweise der 60er Jahre zu verschaffen. Leider ist es allerdings vergebene Liebesmüh' mit Jemandem zu diskutieren, der anderen


    Ideologie


    vorwirft, um dann mit "Argumenten" wie


    Lebenszeit [...] die man verliert


    Betrug am Menschen


    Strassenbahnungeheuer


    um sich zu werfen, einerseits Hochbahnen vorschlägt, um sich dann über die angeblich ignorierte Lärmfrage zu beschweren. Nur eins dazu: der Straßenbau war keinesfalls ein Fehler, er ist vielmehr ein riesiger Erfolg, wie die Nutzerzahlen beweisen. Und nein, neue Hochbahnen wird es in Berlin nicht geben.


    Ein U-Bahn-Bau auf Strecken, auf denen die Tram wirklich an ihre Grenzen kommt (momentan ist das m.E. tatsächlich maximal die M4 bis Weißensee) widerspricht dem im Übrigen keineswegs. Das Verkehrsaufkommen wäre bis zur Fertigstellung jedenfalls keineswegs durch Busse o.Ä. zu bewältigen, auch so kommt man an der Tram nicht vorbei.

  • Es gibt ja noch die immer noch viel billigere Alternative, neue oberirdische Strecken für die U-Bahn zu bauen. Ich hätte auch gar nichts gegen eine aufgeständerte Bauweise. Die Straßenzüge mit aufgeständerten U-Bahnstrecken gehören mit zu den urban reizvollsten und populärsten in den alten Kiezen. Wie man in Hamburg sieht können oberirdische U-Bahnstation auch mit moderner Architektur richtig cool gestaltet werden:


    http://www.deutsches-architekt…hp?p=475543&postcount=739


    Die Leistungsfähigkeit und den Anschluss an das U-Bahnsystem, ohne die horrenden Bau- und Instandhaltungskosten für Tunnel. Darüber kann man schon diskutieren. Aber in der aktuellen Gemengelage neue Tunnel auch nur zu diskutieren halte ich für science fiction und schon das in Vorplanungen investierte Geld wäre anderswo besser investiert.


    Schaut euch nur mal an, was die paar Meter der U5 Verlängerung an Kosten und Behinderungen der Bürger verursachen. Berlin hat eben auch einen besonders undankbaren Untergrund. Das allermeiste Geld wird einzig und allein für den Tunnel investiert, nicht für Gleis und Regeltechnik oder auch Bahnsteig und dergleichen. In der Innenstadt, meinetwegen. Da haben wir aber spätestens mit der U5 Verlängerung ein gutes Bestandsnetz im Untergrund. Weiter draußen steht das aber in keinem vernünftigen Kosten/Nutzen-Verhältnis. Die Grünen haben das auch mal so gesehen.

  • Berlin verfügt aktuell über ein gut ausgebautes Streckennetz der S-Bahn, der U-Bahn, jedoch lediglich über ein rudimentäres Straßenbahnnetz, da sich dieses nahezu ausschließlich im ehemaligen Ostteil der Stadt befindet.


    Daraus ergibt sich eigentlich die Zwangsläufigkeit, dieses in der gesamten Stadt auszubauen, was auch nahezu alle Parteien und Experten erkannt haben.


    S- und U-Bahn haben im Moment noch ein großes Ausbaupotenzial was Taktdichte und zum Teil auch Fahrzeuglänge betrifft - beides wird man in den nächsten Jahren angehen, die Ausschreibungen laufen. Hinzu kommen kleine Lücken mit recht großer Vernetzung wie die U3 zum Mexikoplatz und die U8 zum Märkischen Viertel, ggf. auch die U1 zum Adenauerplatz und die U2 nach Pankow-Kirche.


    Alles andere wäre nett, ist aber - im Gegensatz zu kurzen Erweiterungen - im Moment völlig utopisch.


    Auch eine M4 kann noch verdichtet werden. Die aktuellen Straßenbahnfahrzeuge messen 40m, die BOStrab sieht maximal 60m-Fahrzeuge vor - mal eben eine Kapazitätserweiterung um 50% zu einem Bruchteil der Kosten einer U-Bahn. Längere Straßenbahnfahrzeuge werden übrigens von der BVG aktuell auch ausgeschrieben, zudem auch kuppelbare 30m-Züge.


    Ein weiteres Problem einer U10 - bis wohin führt man diese? Endet sie z.B. am Antonplatz, dann werden tausende Fahrgäste dazu gezwungen, umzusteigen. Die Feinerschließung der heutige M4 geht außerdem verloren, der Fahrtzeitgewinn für den durchschnittlichen Fahrgast ist folglich so gering, dass sich die Investitionen erst recht nicht lohnen. Und selbst bei einer Führung nur bis Weißensee reden wir von über 7km unterirdischer Tunnelstrecke nur vom Potsdamer Platz inkl. zweifacher Flussquerung plus Bahnhöfen plus jahrelangem Verkehrschaos. Da sind wir bei ca. einer Milliarde Euro mit den oben genannten Nachteilen.


    Wo heute eine Straßenbahn fährt, bedarf es keiner U-Bahn, wo heute allerdings ein (Metro)Bus fährt, ist eine Straßenbahn grundsätzlich sinnvoll.

  • ...Schaut euch nur mal an, was die paar Meter der U5 Verlängerung an Kosten und Behinderungen der Bürger verursachen. Berlin hat eben auch einen besonders undankbaren Untergrund. Das allermeiste Geld wird einzig und allein für den Tunnel investiert, nicht für Gleis und Regeltechnik oder auch Bahnsteig und dergleichen. ...


    Das innerstädtische Berliner U-Bahnnetz wurde vor etwas mehr als 100 Jahren gebaut. Unterirdisch wie auch oberirdisch. Es wurde inmitten einer quirligen Großstadt gebaut sozusagen am offenen Herzen. Und das in einer ungemein kurzen Zeit unter Einhaltung des Kostenrahmens.
    Kann mir auch nur einer hier im Forum bitte mal erklären warum das 100 Jahre später nicht mehr möglich sein soll? Der schlechte Untergrund ist geblieben aber alle anderen Umstände sollten sich doch ungemein gebessert haben seit 100 Jahren. Wenn dem nicht so sein sollte, dann glaube ich, kann man getrost sagen, dass irgendetwas nicht stimmt!

  • ^
    Schon allein weil die Sicherheitsanforderungen gestiegen sind ;)


    Ansonsten aber bitte die U5-Verlängerung ausklammern. Die wird via Tunnelvortrieb gebaut.

  • ^^wenn du das ertragen möchtest ist das so natürlich schon wieder möglich.
    Das alte Netz ist keine Untergrundbahn, sondern technisch korrekt muss man da von einer sog. "Unterpflasterbahn" sprechen (eben nicht "unter Grund" sondern "unter Pflaster"). Die Tunneldecke ist, analog der Decke einer Tiefgarage mit Parkdeck darüber, gleichzeitig die Fahrbahn bzw. der Gehweg.


    Das ist meistens sogar so knapp unter der Oberfläche, dass du unter einer sehr dünnen Deckschicht schon auf die Betondecke des Tunnels stößt, wenn du den Asphalt der Straße entfernst, zB im Zuge von Straßenarbeiten. Konnte man bei diversen Sanierungen der Altstrecken in den letzten Jahren gut beobachten. Nach dem Krieg kamen die auch nochmal großflächig zum Vorschein:


    https://upload.wikimedia.org/w…offenem_U-Bahnschacht.jpg


    Diese Bauweise ist "quick and dirty". Wortwörtlich dirty, weil du halt für den Bau diesen gesamten Straßenzug außer Betrieb nehmen musst, komplett aufreißen, ausgraben, Boden und Wände reinbetonieren, Decke betonieren, dann wieder die Straße darüber neu herstellen. Inmitten der bestehenden Stadt. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sowas rechtlich heute überhaupt noch geht und ob nicht betroffene Anlieger erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Sturm laufen könnten, wenn sowas genehmigt werden würde. Dazu kommt, dass wir heute genau in dieser Tiefe viel mehr Sparten als zur Kaiserzeit im Boden haben. Ausgebaute Fernwärmenetze, Telekommunikationsleitungen und was weiss ich noch alles, das muss dann auch noch zusätzlich verlegt werden - d. h. teurer und langsamer als zu Kaisers Zeiten wäre selbst dieses "quick and dirty"-Verfahren.


    Darum hat man sich bei der U5 Verlängerung ja für die Tunnelbaumaschine entschieden. Du siehst ja an den wenigen Stationsbauwerken entlang der neuen Strecke, was das für ein technischer Aufwand ist. Das wäre technisch vor 100 Jahren noch gar nicht möglich gewesen.

  • ^ Okay, danke. Wenn ich das also richtig verstanden habe ist U-Bahnbau dann für die Zukunft eine Sackgasse. Und das vorwiegend aus selbstgemachten Umständen wie unorthodoxer Leitungsverlegung. Schon ärgerlich das. Dann würde ich auf alle Fälle für ein Strassenunabhängiges neues System plädieren das die bestehende Struktur sinnvoll ergänzt und weiterführt. Dass kann dann allerdings die Tram nicht sein. Etwas wie die Wuppertaler Schwebebahn schon eher!

  • ^ Schon erstaunlich, wie geil man in einem Forum, dass sich thematisch hauptsächlich um Architektur und Städtebau dreht, darauf ist, städtebaulich verheerende Lösungen zu propagieren, die außerdem nur mit teurem technischen Aufwand mit laufenden Kosten barrierefrei (Barrierefreiheit im ÖPNV ist außer in begründeten Ausnahmefällen bis 2030 Pflicht) gestaltet werden können.


    Die neuesten Fahrzeuge der Wuppertaler Schwebebahn haben im Übrigen eine Kapazität von 130 Plätzen (42 Sitze + 88 Stehplätze), die langen Berliner Flexity Einrichter fast das Doppelte, nämlich 248 (84 Sitze, 164 Stehplätze). Inwiefern sollte ein solches Verkehrssystem also dabei helfen, das Kapazitätsproblem zu lösen?

  • ^ Bei aller Begeisterung für die Straßenbahn, die ich ja teile, ist sie keine eierlegende Wollmilchsau: Sie ist nicht kreuzungsfrei und verfügt oft nicht einmal über einen eigenen Gleiskörper. Also kann sie systembedingt weder die Kapazität noch die Geschwindigkeit einer U-Bahnlinie erreichen. Die Schwierigkeiten, die auftreten, wenn man es trotzdem versucht, hat Ostkreuzblog oben beschrieben. Ein achselzuckendes "Untergrundbahn ist zu schwierig und Hochbahn wird es nicht mehr geben" ist mir da zu fatalistisch.


    Ich weiß, dass niemand in dieser Richtung plant, aber was sind denn die Gründe, warum keine Hochbahnen mehr gebaut werden? Ich meine diese Frage ganz ernst und stelle sie vor dem Hintergrund, dass wir wegmüssen vom PKW-dominierten Stadtverkehr. Und das schaffen wir nicht, wenn wir die leistungsfähigsten öffentlichen Systeme mit einem lässigen "Geht nicht mehr" aus der Debatte kicken. "Ab 2025 sollen die in Berlin pro Jahr gefahrenen PKW-Kilometer nur noch moderat steigen" - Ziele in dieser Art reichen nicht aus.

  • „Ich meine diese Frage ganz ernst und stelle sie vor dem Hintergrund, dass wir wegmüssen vom PKW-dominierten Stadtverkehr.“


    Warum? Wir befinden uns mitten im Wandel hin zum emissionsfreien leisen Individualverkehr mit sicheren autonomen Fahrzeugen.

  • ^ Weil das pure Fiktion ist, und zwar aus drei Gründen:


    1. Elektroautos fahren nicht mit Luft, Liebe und gutem Gewissen, sondern mit Strom. In Berlin ist die Wahrscheinlichkeit auf absehbare Zeit (mindestens bis 2040) groß, dass dieser Strom aus Jänschwalde stammt, seine Produktion mithin die Luft verpestet, die Atmosphäre aufheizt und die Landschaft verwüstet. Auch harmlosere Stromproduktion ist eine Belastung für Klima und Umwelt, selbst sog. Ökostrom ist nicht unproblematisch. Einen emissionsfreien Verkehr kann es nicht geben, höchstens einen emissionsärmeren – und den fördert man nicht mit Elektroautos, sondern mit Elektrozügen.


    2. Autos sind nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Herstellung eine große Belastung. Dazu sind große Mengen Energie und Rohstoffe nötig – vom Stahl für die Karosserie bis zu Seltenen Erden für die Steuerelektronik. Die Batterien von Elektroautos sind hochgiftiger Sondermüll. Selbst unter der Prämisse, dass der Strom für den Betrieb möglichst umweltverträglich erzeugt wird, sind Autos kein umweltverträgliches Verkehrsmittel. Es gilt: Besser ein Zug für fünfhundert Personen als fünfhundert Autos für je eine Person.


    3. Einer der Hauptanreize, den ÖPNV zu nehmen, ist der Wunsch, nicht im Stau zu stehen. Gelingt es tatsächlich, autonomes Fahren einzuführen, fällt dieses Argument weg – die Autos werden eng beieinander fahren und trotzdem zügig vorankommen. Man kann also damit rechnen, dass die Autonutzung steigen und die Zugnutzung sinken wird. Letztlich werden mehr Autos unterwegs sein, und die Städte werden noch üblere Asphaltwüsten sein, als sie es heute sind: Wenn autonome Rollroboter mit Tempo 80 über optimierte Innenstadt-Autobahnen rasen, wird für Radfahrer gar kein Platz mehr sein.


    Für mich ist Deine Utopie eine Dystopie. Nutzen wird sie langfristig allein der Automobil-Industrie. Die wird bei der Werbung für solche Verhältnisse natürlich fleißig die Ökofahne schwenken – und es mit dem Umweltschutz genauso ernst meinen wie VW bei der Produktion seiner Dieselmotoren, die bekanntlich seit Jahren kaum noch etwas anderes emittieren als Veilchenduft.

  • ... wir brauchen mehr Kreuzungs / Ampelfreie Straßen, um den ÖPNV zu entlasten. Und mehr Parkhäuser an den stark frequentierten Orten der Stadt bzw. an Umsteigepunkten zum ÖPNV. Was wir nicht brauchen sind billige Sozialtickets, die nur einen Anreiz zum Verbleib im Sozialsystem darstellen. Schwerbehinderte sollten natürlich weiterhin kostenlos mitfahren dürfen.


    Hochbahnen lassen sich nicht mehr durchsetzen im innerstädtischen Bereich.
    Aber ausserhalb des Ringes könnte ich sie mir vorstellen. In Sao Paulo wird gerade eine kilometerlange Hochbahntrasse zum internationalen Flughafen Guarulhos gebaut. In einer enormen Geschwindigkeit.


    U-Bahn Neubauten für Berlin halte ich bedingt für sinnvoll. Ich bin für die Anbindung des Märkischen Viertel an das U- Bahn System und gegen die Anbindung des BER an die U-Bahn. Zum BER sollte es optimale Regionalexpress und S - Bahn Verbingungen geben. Innerhalb des S- Bahnringes bedarf es m.E. keiner weiteren Strecken. Die Verlängerung der U 1 von der Uhlandstraße zum Westkreuz oder nach S- Bahnhof Halensee ist nicht wirklich nötig, da das Westkreuz über die Stadtbahntrasse angebunden ist. Die Verlängerung Warschauer Straße bis Frankfurter Tor wäre nicht schlecht, wird aber nur schwierig zu verwirklichen sein oder eben als Hochbahntrasse durch die Warschauer.
    Komplett neue U- Bahnlinien halte ich für unfinanzierbar. Von der Planung bis zur kompletten Inbetriebnahme vergehen inzwischen Jahrzehnte.

  • Das sind doch keine Utopien mehr. Keine Ahnung, wo für Autofahrer der Hauptanreiz für die Nutzung des ÖPNV liegen soll, ich habe noch nie in meinem Leben ein Kraftfahrzeug gefahren und kann das nicht beurteilen, ich würde aber eher auf Dinge wie Gesamtkosten und nervigen Parkplatzsuchverkehr tippen.


    Es ist auch noch gar nicht gesagt, dass sich Batteriebetriebene Fahrzeuge durchsetzen werden, die Brennstoffzelle ist auch noch im Rennen. Wie auch immer, im Vergleich zu einem Verbrennungsmotor wird die eingesetzte Energie wesentlich besser genutzt.
    Abgesehen davon gibt es neben Ökostrom auch noch Atomkraft, den Müll haben wir bereits, von daher ist es relativ egal, ob wir noch mehr radioaktive Abfälle produzieren und ewig zwischenlagern, solange es Zentral am gleichen Ort gelagert wird. Es ist auf jeden Fall besser sich mittelfristig auf ein eher regional begrenztes Risiko einzulassen, als weiter in Massen Braunkohle zu verfackeln wie kein anderes Land auf der Welt und dadurch den globalen Klimawandel zu fördern. Zumal den Peak an möglichen Rohstoffvorkommen für AKWs inzwischen auch schon überschritten ist.


    Es ist für die Lebensqualität in einer Stadt ein gewaltiger Unterschied, ob ich drei Meter von einem Kindergarten entfernt Lärm und Dieselrußschwaden produziere, oder ob die notwendige Antriebsenergie möglichst weit weg von Wohngebieten erzeugt wird.


    Autonome Fahrzeuge können langfristig auch zu neuen Beförderungsmöglichkeiten und wesentlich mehr Car Sharing führen, was die notwendige Anzahl an PKWs und somit auch Energie bei der Herstellung einspart.


    Kann mir als Fußgänger aber alles recht egal sein, wichtig ist nur, dass die Abgase aus meiner Nähe verschwinden. Weniger Fahrradfahrer wäre aber aus Fußgängersicht auch eine prima Sache.
    Fahrradfahrer benötigen übrigens auch Energie, die strampeln nicht ohne. Da die meisten Fahrradfahrer unverbesserliche Karnivoren sind, sollte man das nicht unterschätzen. ;)

  • Und mehr Parkhäuser an den stark frequentierten Orten der Stadt bzw. an Umsteigepunkten zum ÖPNV.


    Wie jede Großstadt hat Berlin ein dichtes ÖPNV-Netz und Neubauten sollten ohnehin an diesem entstehen. Du willst doch nicht 200-300 Meter bis zur nächsten Haltestelle mit dem PKW vorfahren? Ähnliche Distanz bis zur meiner Haltestelle laufe ich.
    Ferner bleibt rätselhaft wie denn überhaupt ein Parkhäuser-Bau die Verbesserung der Verkehrsstruktur fördern soll - der Flächenverbrauch und die Verschandelung des Stadtbildes dürften hingegen klar sein.


    Was wir nicht brauchen sind billige Sozialtickets, die nur einen Anreiz zum Verbleib im Sozialsystem darstellen.


    Das stimmt allerdings. Mich nervt vor allem, dass ÖPNV-Stammkunden auf Sozialamt machen und solche Sozialtickets quersubventionieren sollen, während man als Autofahrer nicht tangiert wird. Ein Anreiz zum Umstieg auf den ÖV ist das nicht gerade.


    Von der Planung bis zur kompletten Inbetriebnahme vergehen inzwischen Jahrzehnte.


    Vielleicht sollte man zusehen, wie man die Planungen beschleunigen kann? Ob U-Bahn-Bau oder Wohnungsbau, das wäre in jedem Bereich nützlich.

    Einmal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()