Berliner Stadtverkehr kontrovers diskutiert

  • Zitat von Pumpernickel

    Sonderwünsche wie ein (noch billigeres) Sozialticket müssen ja auch noch bedient werden


    Zitat von Kleist

    Was wir nicht brauchen sind billige Sozialtickets, die nur einen Anreiz zum Verbleib im Sozialsystem darstellen.


    Zitat von Bau-Lcfr

    Mich nervt vor allem, dass ÖPNV-Stammkunden auf Sozialamt machen und solche Sozialtickets quersubventionieren sollen


    Und mich nervt vor allem diese ressentimentgeladene Verachtung, die hier einer nach dem anderen über Hartz-IV- und Stütze-Empfänger auskübelt. Als wäre es ein Vergnügen, arm zu sein! Ich zahle gern ein paar Euro im Jahr dafür, dass arme Leute sich in der Stadt bewegen können. Ungern zahle ich dagegen für Autobahnen oder gar "Kreuzungs-/ampelfreie Straßen" in der Stadt, weil das beides nun wirklich Geld bis zum get no verschlingt und Anreize darstellt, die verkehrspolitisch so 1970 sind...

  • Danke Architektenkind für den Kommentar, dem ich gerne uneingeschränkt zustimmen möchte. Man kann schneller reinrutschen als einem lieb ist und Quersubventionierung ist sicherlich ein Instrument zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sowas nennt sich dann auch "Sozialstaat" und "soziale Marktwirtschaft". Füreinander einstehen und nicht nur die Ellenbogen einsetzen sind für mich jedenfalls Grundwerte unserer Gesellschaft.

  • Mir sei dazu noch die Anmerkung gestattet, dass alle diese gut gemeinten Maßnahmen, wie zB auch "Die Tafeln",im Ergebnis letztlich nur dazu führen, soziales Opium zu verteilen und es ermöglichen, dass sich eine wachsende Zahl von Bürgern am Minimum einrichtet, anstatt diese neue "soziale Frage" akut zu halten und auch klären zu müssen.


    Wir leben in einem Land, wo Millionäre und Milliardäre auf ihre leistungslosen Kapitalerträge, die sich mehren während sie beim shopping sind, nur 25 % pauschale Abgeltungssteuer entrichten müssen, während jede Krankenschwester von solch einem Lohnsteuersatz nur träumen kann, aber für ihr Einkommen in Schichtarbeit ackern muss. Aber mit dem ÖPNV Rabatt steht und fällt unsere solidarische Gesellschaft? Ehrlich?


    Davon abgesehen, dass diesen Leuten am meisten geholfen wäre, wenn sie durch eine andere Politik nicht auf Stützen angewiesen wären, entledigt man den Sozialstaat seiner Verpflichtung, die Menschen ordentlich zu alimentieren, wenn man hier extra Rabatte verteilt (die dem klammen Land Berlin auch nur wieder an anderer Stelle fehlen - Lebensunterhalt für Arbeitslose ist aber Bundesaufgabe! Darum kritisiere ich auch, dass dieses nicht gegenfinanziert ist, das führt nur zu weiterer Mangelverwaltung im Land Berlin und rate mal, bei welcher Bevölkerungsgruppe dann am ehesten wieder was eingespart werden wird, Robin Hood?), dort Essen für einen symbolischen Euro ausgibt. Almosen und Rabatte, so gut gemeint sie sind, schaffen eine Armutsindustrie, halten die Menschen in Abhängigkeit von dieser Armutsindustrie und dämpfen den Zorn der Gerechten. Die Menschen werden betäubt und ruhig gestellt.


    Man richtet sich in Resignation ein, anstatt die Probleme zu benennen und zu kämpfen. Und trotzdem gerieren sich die Fürsprecher dieses Sedierens als würde mit ihren Almosen der Sozialismus ausbrechen. Dabei sind das nur Krümel, die von der lachenden Wampe der "one percent" purzeln.


    Aber man fragt ja auch gar nicht, wieso ich und andere Dinge wie dieses Sozialticket kritisch sehen, man zieht einfach mal mit dem Ton der Gerechten und Berufenen vom Leder, gegen vermeintliche Ressentiments. Arzt, heile dich selbst!

  • M2

    Die M2 soll über Heinersdorf zum S-Bahnhof Blankenburg verlängert werden um das geplante Neubaugebiet Blankenburg Süd zu erschließen.
    Wer kennt die Trassenvarianten? Ich kann mir vor allem keine zweigleisige Strecke durch den Ortskern Heinersdorf vorstellen der aber für einen dichteren Takt nötig wäre.
    Ich sehe übrigens keine andere Alternative für dieses Gebiet als die Straßenbahn. Parallel dazu sollte auch der Fahrradverkehr in diese Richtung gefördert werden. Da sieht es bis jetzt finster aus. Auch für Autofahrer ist im Berufsverkehr Geduld angesagt aber ich halte einen Ausbau wie weitere Fahrspuren für nicht zukunftsweisend.

  • Und mich nervt vor allem diese ressentimentgeladene Verachtung, die hier einer nach dem anderen über Hartz-IV- und Stütze-Empfänger auskübelt.


    Und mich nervt die Verachtung, mit der manch ein "Wohltäter" das mühsam verdiente Geld anderer Leute nach Gutdünken umverteilen möchte. Außer "Sozialtickets" gibt es noch andere Ideen, etwa Strom-"Sozialtarife" usw. - was auf offenem Weg nicht ins Existenzminimum aufgenommen wurde, wird durch -zig Hintertür hineingeschmuggelt.


    Ich wüsste auch nicht, wieso es eine Alternative zwischen sowas und Stadtautobahnen geben sollte - es gibt vielleicht Klischees, dass leistungsorientierte Leute alle Autofahrer sind und ÖV-Nutzer Sozialutopien zu huldigen haben (ablesbar in Verkehrskonzepten etwa der Grünen und der CDU), doch es sind bloß Klischees. Ich hoffe, die sog. bürgerlichen Politiker hören endlich auf, einseitig fast nur auf den MIV zu setzen.


    Wieder mehr zum Topic - im Kulturforum-Thread wurde kürzlich behauptet, eine Strab-Linie wäre negativ für die Urbanität dort. Ich kenne viele Städte mit oberirdischen Strab-Linien in den Innenstädten - wenn die Straßen unattraktiv und wenig urban wirken, liegen die Probleme auf den Straßenseiten, nicht an den Linien. Umgekehrt - eine Strab-Linie quer durch das Kulturforum, mit mindestens einer Haltestelle dort, würde dieses bisher nur mit MIV gut erreichbare Areal mehr ins Zentrum des Geschehens rücken.

  • Ich kenne viele Städte mit oberirdischen Strab-Linien in den Innenstädten - wenn die Straßen unattraktiv und wenig urban wirken, liegen die Probleme auf den Straßenseiten, nicht an den Linien.


    Naja, das kann man doch sehr anschaulich diskutieren.


    Hier beispielsweise eine Nebenstraße in Augsburg, wo sich eine alte Tramlinie entlang schlängelt:


    http://farm8.staticflickr.com/…46346344_a3d235963c_b.jpg


    Hier sind die Schienen fast unsichtbar im Kopfsteinpflaster:


    http://www.styria-mobile.at/me…8_rathausplatz_210715.jpg


    oder im Gras:


    http://static.panoramio.com/photos/original/22094761.jpg


    ... und hier möchte man sich ganz schnell die Augen auskratzen:


    http://bilder.augsburger-allge…/Copy-20of-20-WYS0978.jpg


    es kommt doch sehr entscheidend darauf an, wie der Gleiskörper an sich gestaltet ist. Fließt er im Straßenverlauf mit - was offensichtlich bei der Bundesstraße ausfällt. Oder nutzt man eine Pflasterung, die die Gleise kaschiert - möglich, aber was das Panorama des Kulturforums unbedingt braucht ist noch mehr Stein (Ironie). Oder man lässt die Gleise zuwuchern - nur, wie das in Berlin, vermischt mit Kleinabfällen und zertrampelt, dann tatsächlich aussieht wissen wir auch ungefähr.


    Was aber vielleicht echt eine gute Idee ist, das wäre die Straßenbahntrasse (vom Potsdamer Platz aus kommend betrachtet) später als die Bundesstraße nach links abbiegen zu lassen und dort entlang fahren zu lassen, wo jetzt die Parkplätze zwischen Kammermusiksaal und Potsdamer Straße sind, dann weiter Richtung M20, auf dem Platz zwischen Kammermusiksaal und M20, der ja nach den Plänen entstehen soll indem die Scharounstraße hier stillgelegt wird, befindet sich die Haltestelle und nach der Haltestelle biegt die Strecke etwas gen Richtung Potsdamer Straße ab, weiter Richtung Landwehrkanal. Und zwar neben der Potsdamer Straße, nicht in Mittellage. Die Fahrspuren der Potsdamer mit Fahrtrichtung Landwehrkanal werden stattdessen an die Fahrspuren der anderen Fahrtrichtung herangerückt. Der Mittelstreifen ist eh tot und unbrauchbar, dort, "isoliert" von zwei mehrspurigen Richtungsfahrbahnen, die Straßenbahn zu bauen wird es definitiv nicht besser machen.


    Wenn man aber die Straßenbahn an der Kante des Kulturforums entlang fährt und auch dort, auf dem "Kulturforumsplatz", halten lässt, dann dürfte das eine deutlich Verbesserung bringen. Und zumindest zu einer Straßenseite hin gibt es dann keinen trennenden Autoverkehr mehr.


    Denn so:


    https://model2.de/light/null.Pumpernickel/dsc_0134ekrcu.jpg


    ist's besch....

  • ^ich finde das Rasengleisbeispiel ehrlich gesagt sehr abschreckend, besonders das Bild Nr. 3. Sowas willst du ernsthaft zwischen Stabi und Museum der Moderne haben? :confused:

  • ^ Die darüber gezeigten Bilder stammen alle aus Kassel, das letzte von der Fußgängerzone - sieht sie schlimm aus? Es gibt viele Strab-Linien in den Fußgängerzonen, darunter in Sevilla, wo sie an zwei Weltkulrurerbe-Objekten vorbeifährt - dort gerade mit Akkus ohne Oberleitung.


    Ein gutes Beispiel liefert Breslau, wo man in den 1970er Jahren dachte, der Altstadtring mit den Strab-Linien in der Mitte wirke derart trennend, dass man gleich eine Fußgängerunterführung brauche. Inzwischen wurde es geändert - die Unterführung zurückgebaut, zum Teil in Ausstellungsfläche umgebaut (#92, #119) - meinen Beobachtungen nach gehen die meisten Leute auf der Erdoberfläche über die Straße.


    Ein ebenso gutes Beispiel liefert Düsseldorf - dort wurden im Rahmen des Kö-Bogen-Projekts Autos in Tunnel verbannt, aber die Strab-Linie auf der Erdoberfläche belassen. Diese Linie kreuzt die Schadowstraße, eine der frequentiertesten Einkaufsstraßen der Stadt und gar Deutschlands - und es stört nicht.


    Ich habe übrigens so eine Vermutung - die meisten Berliner Strab-Linien gibt es im Osten der Stadt, im Westen wurden sie für eine autogerechte Stadt abgebaut. Im Osten führen sie oft zwischen kaum urban wirkenden Plattenbausiedlungen - vielleicht kommen daher die Vorurteile ob der urbanen Wirkung der Strab-Linien?

  • ^Ich schließe mich dem Vorredner absolut an. Trams im Straßenbild kenne ich u.a. aus Dresden, Salzburg und Manchester aber auch in Berlin vom Alex über Wedding bis hin zu Lichtenberg oder Adlershof wie auch auf historischen Bild- und Filmaufnahmen. Sowohl im historischen als auch im modernen Kontext stört mich die Tram überhaupt nicht. Im Gegenteil empfinde ich sie sogar als eine Bereicherung, die eine Gegend urbaner wirken lässt. Das sahen auch schon die expressionistischen Dichter (2. Strophe) und Maler so, auch wenn die bekanntlich eine sehr ambivalente Beziehung zu den damals neuartigen urbanen Räumen einnahmen. Für mich passen Tram und Stadt wunderbar zueinander und wie Doppeldeckerbusse oder oberirdische S- und U-Bahn-Linien erzeugen sie bei mir mehr Assoziationen zu einem quirligen, wuseligen urbanen Leben als Blechkolonnen im Stau, wo oft nur 1 oder 2 Leute auf gefühlt 15-20 m2 Fläche stoßweise stehen oder rollen. DAS tötet mE viel leichter ein urbanes Umfeld und zerstört für mich die Aufenthaltsqualität. Von der Luftverschmutzung und dem Ressourcenverbrauch ganz zu schweigen.


    Ganz funktional betrachtet, nimmt die Tram nach U- und S-Bahn die meisten Menschen auf und bringt sie am schnellsten ans Ziel. Auch wenn die Haltestellen eng getaktet sind, besitzt sie zwar nicht alle aber doch einige Vorrangstellungen. Und meiner Erfahrung nach wird sie auch etwas besser von den Auto- und Radfahrern, parkenden Autos etc respektiert als der flexiblere Bus, den man gerne mal ärgert. Laut Statistik ist der Vorteil gegenüber dem Bus zwar nicht so stark wie ich angenommen hätte aber selbst rund 5% summieren sich im Laufe eines Städterlebens - und das Auto kann auf vielen Strecken kaum mithalten, was sowohl die obige Statistik als auch die Erfahrung lehrt (wobei es mich dann schon wundert, dass Tram und Bus gleich doppelt so schnell sein sollen, selbst wenn die Parkplatzsuche evtl mit in die Untersuchung einfließt). Ich nutze alle öffentlichen Verkehrsmittel (bis auf die Fähre) regelmäßig und habe zumindest diesen Eindruck gewonnen, dass die Tram angenehmer als der Bus im Verkehr mitschwimmt, was aber auch mit dem sanften Gleiten zusammenhängen könnte. Dazu quetscht man sich darin auch nicht ganz so schnell. Man merkt sicher, dass ich ein Fan der Straßenbahn bin. Am Kulturforum und am Potsdamer Platz hätte ich sehr gerne eine. Dann heißt es wieder:


    Der Potsdamer Platz in ewigem Gebrüll
    Vergletschert alle hallenden Lawinen
    Der Straßentakte: Trams auf Eisenschienen
    Automobile und den Menschenmüll.

    Paul Boldt - Auf der Terrasse des Café Josty

    3 Mal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Mir erschließt sich überhaupt nicht, warum ein U-Bahn-Bau in Unterpflasterbauweise entlang der Greifswalder Straße nicht möglich sein sollte. Der Querschnitt der Greifswalder Straße inklusive des sehr breiten mittleren Grünstreifens ist so breit, dass während der Bauzeit auch eine (einseitige) Verkehrsführung des MIV problemlos möglich wäre. Auch das Problem der Leitungen ist ja nicht flächendeckend, Leitungen sind linear, da ließe sich bestimmt an den entsprechenden Kreuzungsstellen mit der zu bauenen U-Bahn eine Lösung finden. Die Tunnelbauweise, wie sie Unter den Linden derzeit durchgeführt wird ist doch auch nicht unbedingt stadtverträglicher: Die gesamte Straße Unter den Linden ist durch den U-Bahn-Bau, insbesondere durch die aufwendigenen Stationen (Kreuzungsbahnhof mit der U6 und U Bhf unter dem Spreekanal) auch oberirdisch seit Jahren eine Dauerbaustelle. Hier ist die Tunnellösung vor allem wegen der zweimaligen Spreeunterquerung sowie der Unterquerung der Nord-Süd-S-Bahn, der U6 und des Brandenburger Tores notwendig. Eine U-Bahn unter der Greifswalder Straße wäre in Unterpflasterbauweise und mit simpleren Standard-Stationen (man braucht nicht überall solche Prestige-Bahnhöfe, wie sie Unter den Linden gebaut werden) in jedem Fall viel einfacher, schneller und günstiger zu bewerkstelligen als es bei der U5-Verlängerung der Fall ist, da sie bis Weißensee oder Hohenschönhausen keine einzige weitere U-Bahn-Linie kreuzen würde (die oberirdische Ringbahn sollte da auch kein großes Problem sein). Und der einzige Kreuzungsbahnhof mit anderen U-Bahnlinien, der Bhf Alexanderplatz, ist ja schon fertiggestellt und wäre sofort nutzbar. Man müsste es nur wollen.

  • ^ Ich nehme an, Du meinst mit Unterpflasterbauweise die sog. einfache Tiefenlage. Möglich wäre das schon, aber die einfache Tiefenlage hat auch ihre Probleme:


    Durch den Verzicht auf Verteilerebenen müssen die Fahrgäste immer die Fahrbahnen überqueren, um vom oder zum Bahnsteig zu gelangen. Baut man Mittelbahnsteige, endet die Treppe in der Straßenmitte, alle Fahrgäste müssen eine Richtungsfahrbahn queren; baut man Außenbahnsteige, müssen die Fahrgäste je nach Fahrtrichtung die gesamte Straße überqueren, um zur U-Bahn zu gelangen.


    Ein weiteres Problem sind die querenden Kanäle. Sie liegen genau in dem Niveau, das auch die U-Bahn in einfacher Tiefenlage einnimmt, sie müssten tiefer gelegt werden. Dann funktioniert aber der Abfluss mit natürlichem Gefälle nicht mehr und man braucht Hebeanlagen fürs Schmutzwasser. Wenn in der Greifswalder Straße nur ein Hauptsammler liegt (was anzunehmen ist), in den von beiden Straßenseiten eingeleitet wird, kann eine Straßenseite nicht mehr einleiten, wenn man einen U-Bahn-Tunnel danebenlegt. Also brauchts einen zweiten Hauptsammler und den Umbau aller Hausanschlüsse auf der betreffenden Straßenseite. Dieser Umstand dürfte den Kostenvorteil einer U-Bahn in einfacher Tiefenlage weitgehend zunichte machen. Es wird Gründe haben, dass sie sich nicht durchgesetzt hat.

  • Ich bin nach wie vor der Meinung die M4 sollte als Stadtbahn ausgebaut werden. In der Greifswalder sollte der verwahrloste Mittelstreifen wie in der Warschauer Str. umgestaltet werden. Der Austieg wäre dann zum breiten Mittelstreifen hin. Zur besseren Anbindung am Alex könnte sie über eine Rampe in der Bernhard-Weiß-Str. zum Bahnsteig der U5 unterirdisch fahren und dort ihre Endhaltestelle haben.

    Einmal editiert, zuletzt von Rainer Tee ()

  • ^^ Ich denke, die Fahrbahnquerung bei Mittelbahnsteigen ist nicht das Problem. Das müssen die M4-Nutzer heutzutage auch machen, nur dass sie auf dem Mittestreifen dann keine Treppen erwarten. Selbst in der Friedrichstraße und auf dem Ku'damm gibt es Stationen, die nur von der Straßenmitte aus zu erreichen sind. Schwerer wiegt das Argument mit den Leitungs- und Rohrsystemen. Das ist ein großes Hindernis – aber kein unüberwindliches, finde ich, sofern die entsprechende Stimmung in der Öffentlichkeit und der Wille in der Politik vorhanden wären.


    Aber, da hier ja offenbar auch Leute mit Ahnung unterwegs sind, möchte ich als Laie nochmal fragen, was denn eigentlich gegen eine neue Hochbahn spräche? Eine U10, die vom Alex aus hinter der Kreuzung Landsberger Allee aus dem Boden käme und dann auf Stelzen weiterführte, stieße erst am S-Bahnring auf ein Hindernis. Und bis dahin hätte man ohne Erdarbeiten jede Menge Kabelstränge und Wasserleitungen überbrückt. Was kann man gegen eine Hochbahn sagen, außer dass sie Krach macht? Und wenn es nur der Lärm ist, warum ist es nicht möglich, die Strecke mit Schutzwänden auszustatten? Bei der A100-Verlängerung ist es schließlich auch kein Hindernis, dass sie stellenweise in Steinwurfweite an Wohnhäusern vorbeiführt – und die wird lauter sein, wenn sie in Betrieb ist. Von der Schadstoffbelastung ganz zu schweigen.


    Die Fragen sind nicht rhetorisch, sondern ernstgemeint. Wenn jemand Antworten hat, wüsste ich sie gerne.

  • Gesetzlich ist eine Hochbahn genauso wie eine Untergrundbahn eine Straßenbahn. Solange die diversen Normen eingehalten werden ist das schon möglich.


    Aber was dagegen spricht:


    der Zeitgeist. Neue Hochbahnstrecken erscheinen derzeit in etwa so unmodisch, wie wohl die Straßenbahn Anno 1960. Du hast unter den Hobbyisten, die ÖPNV Entwicklungen von Bürgerseite aus voran treiben, sowie bei den Verkehrspolitikern zwei große Lager. Es gibt die U-Bahnfans, die stehen auf komplexe technische Lösungen und stylishe neue Untergrundbahnhöfe. Sozusagen die Feinkost-Gourmets des ÖPNV. Das hat das Kostenproblem.


    Und es gibt das "Asketen-Lager", das verkehrspolitische Gegenstück zu Reformhaus-Stammkunden die dir ganz tolle Amaranth-Rezepte geben können. Das mag an der Straßenbahn, dass man viel Strecke für wenig Geld bekommt und man soll sich nicht so mit der Optik haben und der KFZ Verkehr stört ja ohnehin und gehört abgeschafft, also müssen wir uns gar nicht mit dem Platzproblem aufhalten (innerhalb dieses geschlossenen Weltbilds ergibt das ja auch Sinn). Die wollen auch nicht einfach Verkehrsmittel bedarfsgerecht ausbauen, die wollen immer auch gleich die große Verkehrswende und hastenichgesehn, unter der Großreform geht nichts.


    Ich überzeichne bewusst, um das Problem klar zu machen. Es gibt viele Fans von Straßenbahn und U-Bahn, aber quasi niemand, der Hochbahn-Neubaustrecken für eine gute Idee hält. Es fehlt sozusagen an den Curry-Wurst-Essern aus der gemäßigten Mitte (ich hoffe man kann meine Essensmetaphern noch nachvollziehen:lach:).


    Und daher wird es auch nicht gebaut werden. Es ist also kein prinzipielles rechtliches oder technisches Problem, sondern IMHO ein rein politisches Problem.

  • Es gibt wie ich finde keinen großen Vorteil einer Hochbahn gegenüber einer leistungsfähigen Straßenbahn mit langen Zügen auf eigenem Gleiskörper mit Ampelvorrangschaltung, also einer Stadtbahn.
    Eine Hochbahn ist da sinnvoll wo der Platz knapp ist. Wo sowas nötig wäre ist die Ortsmitte von Heinersdorf wenn die M2 das neue Wohngebiet mit ca. 15000 Einwohnern erschließen soll. Aber der Senat hat noch nichts veröffentlicht wo die Bahn dann langfahren soll.

  • ^eine Hochbahn kann schneller verkehren, ein Straßenbahnfahrer muss ständig damit rechnen, dass von irgendwo her jemand über das Gleis rennt oder Fahrzeugführer die StVO nicht beachten. Daran ändern auch unabhängige Gleiskörper nichts, auch diese müssen regelmäßig Fahrbahnen kreuzen und sind gegen unachtsame Fußgänger nicht einmal mit maximal häßlichen Verbauungen und Geländern abzusichern - die meisten legen es ja darauf an, eine Abkürzung zu nehmen, indem sie einfach über solch einen Glaskörper laufen und zB über ein Geländer klettern, um sich die Strecke zum nächsten Fußgängerüberweg zu sparen. Das sind ganz reale Probleme ebenerdiger Straßenbahnen, ob sie in der StVO vorgesehen sind oder nicht.


    Egal, ob man die Straßenbahn ebenerdig irgendwo reinquetschen könnte oder nicht, mit einer Hochbahn kann man den Platz doppelt nutzen.


    Von meiner letzten Hamburgreise ist mir zB der Isemarkt unter der Hochbahn besonders lebhaft und positiv in Erinnerung geblieben:


    http://www.hamburg.de/contentb…744904d/data/dsc-1268.jpg


    dabei wird der Platz nicht einfach nur effizient genutzt, unter der Stahlkonstruktion ergibt sich ein ganz eigener Flair in dieser Marktstraße, den es ohne die Stahlkonstruktion darüber gar nicht geben würde.


    Mir gefällt solch eine Hochbahn städtebaulich richtig. Kennst du schönere Verkehrsbauwerke in Berlin, als die diversen alten Hochbahnhöfe der Hochbahnstrecken in Berlin? Eine ebenerdige Tramschneise ist für mich fast immer nur ein städtebaulicher Kompromiss. Ich bevorzuge das sogar ggü. einer U-Bahn. Statt im Keller bin ich als Fahrgast lieber in erhöhter Position, wenn man in einem Zug auf einer Hochbahnstrecke unterwegs ist hat man zu jeder Tages- und Nachtzeit tolle und immer andere Ausblicke, statt muffiger Keller-Luft sind die Hochbahn-Stationen gut belüftet und unter Tags haben sie Tageslicht, statt 24h Kunstlicht. Die U-Bahn ist für mich die schlechtere Lösung ggü. einer Hochbahn.


    Und mit einem Fahrradkonzept könnte man das auch perfekt kombinieren. Oben fährt die BVG, darunter ist ein schöner, autofreier Radweg möglich. Sofern man das möchte. In jedem Falle kann man den Platz dann auch städtebaulich nutzen, ein ebenerdiger Straßenbahn-Gleiskörper ist "Betreten verboten"-Boden und beim knappen Boden in einer grundsätzlich immer mehr oder weniger beengten Großstadt ist das für mich Verschwendung.


    Solang man nicht gerade wie am Ostkreuz mit Stahlbetonelementen arbeitet, die auch ohne Grafiti und Witterungs-Siff schon Augenkrebs verursachen, sondern mit Stahlfachwerk, dann sieht das außerdem einfach ziemlich cool aus.


  • Aber was dagegen spricht:


    der Zeitgeist. ...Es ist also kein prinzipielles rechtliches oder technisches Problem, sondern IMHO ein rein politisches Problem.


    Weit gefehlt! Es ist vor allem ein rechtliches Problem mit dem Namen 16. BImschV (=VerkehrslärmVO). Ich denke, es ist nicht möglich, in städtebaulich vertretbarer Weise die Ausbreitung des Lärms, der von diessem Verkehrsweg herabrieselt, zu beherrschen. Wahrscheinlich müsste man den aufgeständerten Verkehrsweg komplett einhausen. Wie das wohl aussieht?
    Hinzu kommt, dass alle betrieblich notwendigen Einrichtungen (Stationen, Zugangsbauwerke, Ständer- und Stützbauwerke, elektrische Unterwerke usw.) im Straßenraum herumstehen, während sie bei einer U-Bahn im Untergrund verschwinden und die Straße frei wird. Es geht ja schließlich bei der Verlagerung von Verkehrmitteln in andere Ebenen darum, im Straßenraum Platz zu schaffen für die anderen Nutzungen (Fußgänger, MIV, öffentlicher Raum mit Aufenthaltsqualität). Dieses Ziel erreicht eine Hochbahn nicht, weil ihre Zugangsbauwerke und das Stütz- und Ständerwerk weiterhin die Straßen für andere blockieren; man gewinnt nichts in Ebene 0.

  • ^nenne mir einen technisch unlösbaren Grund, weswegen eine Hochbahn lauter sein muss, als eine ebenerdige Straßenbahn und dies in Folge zu einem unlösbaren Konflikt mit den Lärmschutzbestimmungen führt. Eine Hochbahn kann man sogar noch besser auf Dämpfern lagern (wir sprechen ja von heutiger Bautechnik und nicht die Bautechnik des Jahres 1900) als eine ebenerdige Trasse und wenn man Gummibereifung nutzt, die zB bei der Metro Paris weit verbreitet und bewährt ist, kann das sogar leiser als eine Straßenbahn sein, was aber natürlich nur bei einer langen Neubaustrecke sinnvoll ist, da hierfür eigene Fahrzeuge notwendig wären.


    Dass man nicht den ganzen Fahrweg und die Stationen im Untergrund verbirgt heißt nicht, dass man nicht punktuell technische Anlagen im Untergrund verbergen kann.


    Städtebaulich läuft es auf eine Geschmacksfrage hinaus. Ich finde, Hochbahnen inklusive ihrer Stationen sind bei entsprechender Gestaltung ein städtebaulicher Zugewinn, du nicht. Da hat dann eben jeder seine Meinung. Bezüglich der Nutzbarkeit des Raumes unter der Hochbahn kann man ebenfalls streiten, je nachdem, was man persönlich für "nützlich" hält, in keinem Fall geht dem Straßenleben mehr Raum verloren, als durch eine ebenerdige, unabhängige Straßenbahntrasse.


    Zumal bei modernen Straßenbahnen, die entsprechend lang sind, das größte Platzproblem inzwischen die Einrichtung der Haltestellen ist, die mind. 50 m lang sein sollen und schon wg. der Sicherheit und Barrierefreiheit bestimmte Mindestbreiten brauchen! Das umgeht man ebenfalls mit Hochbahn-Stationen, die an entsprechenden Engstellen ja einfach seitlich überkragend gebaut werden können, ohne den Straßen oder Gehwegen darunter Platz zu nehmen.
    Außerdem bleibt der Vorteil der deutlich höheren Geschwindigkeit einer Hochbahn ggü. einer Straßenbahn und somit Kapazität solch einer Hochbahnstrecke gegenüber einer ebenerdigen Straßenbahn.


    Ich warte immer noch auf das eine, starke Argument gegen Hochbahntrassen. Solange gilt für mich weiter, man kann, aber man will nicht.

  • Es kann ja sein, dass man alle Schallprobleme lösen kann, die Frage ist nur, wie's hinterher ausschaut. Stell Dir mal die Berliner Hochbahnstrecken mit 4 oder 5 m hohen Schallschutzwänden vor. Die werden vozusehen sein, um die Schallausbreitung einzudämmen, denn der Reduzierung der Schallerzeugung sind beim Rad-Schiene-System Grenzen gesetzt. Die gummibereifeten Fahrzeuge sind sicher leiser, aber nicht sehr verbreitet.


    Wenn man die Schallquelle in 6-7 m über Straßenniveau hat, breitet sich der Schall nach oben und nach unten aus. Die Immissionsmesspunkte liegen entsprechend höher, der Aufwand für den passiven Schallschutz an der umgebenden Bebauung wird entsprechend aufwendiger und teurer.


    Brücken und Viadukte sind akustisch insofern besonders, als die Eigenschwingungen des Bauwerks (tieffrequenter Schall) zusätzlich berücksichtigt werden müssen. Vielleicht kann mans machen, aber gewiss nicht in zierlicher Stahlbauweise, sondern nur in Beton und mit Einhausung; deshalb sprach ich von "städtebaulich vertretbarer" Bauweise.


    Realistisch betrachtet, würde ich sagen, kann man das Modell Hochbahn vergessen.