Leipzig: Adina-Hotel im ehemaligen Brühlpelzhaus (eröffnet)

  • ich möchte deinem gedankengang nur drei dinge hinzufügen:


    1. bei einem umbau zum hotel würde sich das äußere erscheinungsbild des gebäudes mit hoher wahrscheinlichkeit ohnehin verändern. man vergleiche nur die sanierungsergebnisse zweier ddr-hotels, dem heutigen "best western" am hauptbahnhof und dem heutigen "mercure" am augustusplatz.
    2. diese vergleiche zeigen, dass deren fassaden nicht einfach "der unkenntlichmachung durch sanierung zum opfer" gefallen sind, sondern in ästhetischer wie funktionaler (schall- und wärmedämmung) hinsicht enorm aufgewertet wurden.
    3. gerade das beispiel des hotels am augustusplatz belegt allerdings auch, dass selbst eine aufwändige sanierung die probleme einer miserablen stadträumlichen einbindung nicht beheben kann (aufweitung des grimmaischen steinwegs, offen einsehbarer hinterhof).


    und damit komme ich zum bonus-denkanstoß:
    wurden die damals üblichen gebäuderiegel mit viel freifläche drumherum (hotel "stadt leipzig", hotel "deutschland", messeamt, interpelz, reichsstraße, brühl-platten - und auch das brühlpelz-gebäude) wirklich so errichtet, weil dies eine neue architektonische und städtebauliche qualität oder vision versprach? oder waren sie nicht viel mehr einfach produkte einer auffassung, wonach diese gebäude möglichst einfach errichtet werden sollten und bei der es - nur etwas überspitzt ausgedrückt - nicht so sehr darauf ankam, wo genau die häuser gebaut wurden, sondern wo die kräne bautechnologisch günstig platziert werden konnten.


    überall, wo diese riegel mit ihren übergroßen abstandszonen zur nachbarbebauung inzwischen abgerissen wurden, hat sich seither der stadtorganismus durch neubebauung erholt und belebt. überall, wo sie noch stehen (große fleischergasse, matthäikirchhof, reichsstraße, universitätsstraße, johannisplatz) eher nicht.


    alles in allem sollte aus diesen erfahrungen die erkenntniss wachsen, dass möglichst wenige fehlleistungen der ddr-stadtplanung zu konservieren sind. selbst wenn hier und da (derzeit noch) mosaiksteinchen an der fassade kleben.

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  • ^ Ich möchte meinen langen Text von gestern nicht nocheinmal nachkauen, aber vielleicht eine kleine Ergänzung aus Anlass Deines Beitrags.


    Ich finde wir kommen in der Diskussion keinen Schritt weiter, solange Du darauf beharrst einen Qualitätsunterschied zwischen Historismus und DDR-Architektur zum Maßstab zu nehmen. Denn den gibt es rein objektiv nicht. Es waren völlig gegensätzliche Gestaltungskonzepte, die in der jeweiligen Entstehungszeit konsequent umgesetzt wurden. Die Ornamentik eines Gründerzeitlers ist an einem Bau der Nachkriegsmoderne (schon weitreichend auch der Zwischenkriegszeit) undenkbar, weil sie nunmal nicht den gestalterischen Ansprüchen genügen würde.
    Baufachlich ist der Brühlpelz solide gebaut und erfüllt alle qualitativen Ansprüche an diese Bauweise. Was Du unter objektiven Qualitätsunterschieden verstehst ist also vielmehr ein Geschmacksurteil darüber, welche architektonische Gestaltungsweise Dir mehr zusagt. Darunter zählt auch, welches stadtplanerische Konzept Dir mehr gefällt. Darüber kann man geteilter Meinung sein, keine Frage. Aber daraus eine objektive qualitative Wertung zu ziehen ist meiner Meinung nach nicht machbar.
    Das Bebauungskonzept der DDR sah zudem die Konstruktion eines neuen - als modern empfundenden - Stadtraumes vor. Unabhängig davon, wie Dir persönlich diese Art der Stadtgestaltung gefällt, haben die Ensembles um den Sachsenplatz diese Aufgabe zielgemäß erfüllt. Es war hier ja nicht das Ziel alten Stadtraum nachzubauen oder zu reparieren, sondern neue Konzepte umzusetzten. Wenn Gebäudekannten da nicht passen oder ein hoher Riegel in seiner Wucht und Dominanz gänzlich verschieden zum Straßengewirr der Kaiserzeit ist, dann ist das keine mindere Qualität in der Stadtgestaltung sondern konsequente Umsetzung gänzlich anderer Ansprüche. Das diese ohne Rücksicht auf Vorgängerbebauung erfolgt ist, darf heute zu recht bedauert werden. Was dauraus gewonnen wird, einen Reset durchzuführen, um einen nicht mehr existenten (und deshalb fiktiven) Zustand vermeintlich wieder herzustellen hat aber ebenso das Recht in Frage gestellt zu werden. Rein faktisch sind beides brachiale Maßnahmen, welche die unmittelbar vorangegangene Baugeschichte zugunsten neuer (bzw. vermeintlich alter) Konzepte ersetzen woll(t)en.
    Was ich sagen will: Die Diskussion dreht sich auch deshalb im Kreis, weil alles was als städtebauliche Mängel betrachtet wird, keine Mängel im eigentlichen Sinn sind, sondern lediglich Bestandteil eines gänzlich anderen stadtplanerischen Konzeptes. Kurzum: Die Architektur des Brühlpelz ist also nicht etwa minderwertig. Vielmehr passt Sie für viele hier nicht zu moderner Auffassung von Innenstadtgestaltung. Das akzeptiere ich voll. Die Schlussfolgerung daraus, nämlich das man sich deshalb wünscht es würde abgerissen, mag ich allerdings nicht so gern akzeptieren. Das ist dann auch keine Sache von Argumenten für die Besonderheit eines Baues, sondern jedenfalls für mich eine Sache der grundsätzlichen Einstellung darüber, wie mit Bausubstanz (egal welcher Zeit) umzugehen ist.

  • Es Stimmt, das Pelzgebäude nimmt überhaupt keine Rücksicht auf die historischen Entwicklungen. Damit passt es abslolut zum Städtebau der DDR, aber wie schon mehrfach gesagt: es geht nicht darum ob dieser Städtebau vorbildlich oder schlecht war, oder ob man in Zukunft weiter so bauen will.
    Aber eben weil man hoffentlich nie wieder solche Experimente in Innenstädten veranstaltet wie damals bekommen gerade diese Bauten ein historische Bedeutung, eben weil sie soeine zentrale Lage haben. Wieviele solcher Gebäude gibt es in der Innenstadt? Eben ;)


    Außerdem habe ich einen durchaus positiven Eindruck von der Situaltion zu "Leos" Seite. Hier ist es sehr lang sonnig, es gibt einen Biergartenmäßigen Freisitz. Außerdem fassen die neuen Grün-/Spielanlagen den Platz zwischen Pelzgebäude und Brasserieflachbau nochmal ein.
    Zur Schattenseite am Brühl ist die Situation aber ziehmlich verwaist. Da muss man auf jeden Fall was machen... Wenn dort wirklich ein Hotel reinkommt seh ich da aber gute Chancen.

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  • ...Konzept der DDR, was du verteidigst...


    Bitte? Wer Verteidigt hier was? Ich hab hier von keinen gelesen wie Toll es ist das die DDR soviele historische Gebäude abgerissen hat.


    dass eben dieses Konzept der Wiederherstellung von Raumkanten, soweit möglich, umgesetzt wird und kein weiterer Bruch mit alten Grundrissen erfolgt. Die Stadt hätte die Höfe am Brühl (Beispiel!) auch kreuz und quer ohne jeden Bezug bauen lassen können, hat sich aber bewusst für alte Raumkanten entschieden entlang der Straßenverläufe...


    Das ist ja auch alles gut und richtig, es geht aber nicht um einen Neubau wie die Höfe, sondern um den Erhalt eines schon vorhanden Gebäudes.


    Vorausgesetzt du stimmst mir zu das auch ein paar Exemplare dieser Architektur und dieses (ja, falschen) Konzeptes für die Nachwelt erhalten bleiben müssen, dürfte die Disskusion sich eigentlich nur noch um das richtige Maß drehen. Denn es war zweifellos richtig das man den Großteil des DDR-Stadtkonzepts beseitigt hat, sei es die Brühl Bebauung oder das Interhotel oder der Sachsenplatz. Man weiß um die Nachteile des Konzeptes der offenen, modernen Stadt.


    Aber: wir sind keinen deut besser als die DDR wenn wir alles "gewöhnliche" oder "hässliche" oder "nicht passende" abreißen was zwischen '49 und '89 errichtet worden ist.

  • ^ Dieses "städtebauliche Konzept" (ich würde es mal eher als Idee bezeichnen) ist in ähnlicher Form weiterhin in der Universitätsstrasse, am Georgiring und am Augustusplatz zu betrachten, außerdem gibt es das en Masse in anderen Stadtteilen, halbe Innenstädte sind Andernorts in dieser Form gebaut. Und da reden wir nur von Ostdeutschland, nicht vom gesamten Ostblock. Es besteht schlicht nicht die Gefahr, dass man diese städtebauliche Idee künftig nicht mehr erleben können wird.


    Die "Reduzierung auf einige wenige besondere Exemplare", die aedificator beklagt, hat eben aufgrund der geringen Größe der Leipziger Innenstadt bis jetzt noch jede Bauepoche getroffen. Man soll also bitte mal nicht so tun, als ob hier aus politischen Gründen das ungewünschte Erbe einer verhassten Diktatur entfernt werden soll. Messeamt am Markt, EBL-Bürogebäude, Interpelz am Nikolaikirchhof, Brühlscheiben etc. sind ersetzt worden, weil sie den neuen Ansprüchen bzw. Nutzungen schlicht nicht gewachsen waren. Aus genau diesem Grund blieben wiederum ein Messehaus am Markt, ein Uni-Seminargebäude, ein Uni-Riese usw. stehen. Der stetige Neubau und Ersatz existierender Gebäude ist DAS Kontinuum der Baugeschichte der Leipziger Innenstadt. Wenn hier der bedingungslose Erhalt von Mittelmaß gefordert wird, entspricht das also der Forderung nach einer Ausnahme, wie sie bisher keiner baugeschichtlichen Epoche zugestanden wurde.

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  • Eine wahrlich erstaunliche "Diskussion". :nono:


    Vielleicht sollte man eher über den Entwurf der Stadtbau AG diskutieren, der das Gebäude doch ziemlich verändern würde/wird, als über einen eh nicht vorgesehenen Abriss.



    Quelle: Stadtbau AG


    M.E. kommt der Entwurf sehr "retro" daher. Sieht beinahe so aus, wie ein Fernseher aus den 70iger Jahren. ;) Die das Gebäude prägende horinzontale Fassadengliederung wird aufgebrochen. Dafür scheint mir das Gebäude aber wiederum zu niedrig und zu breit um eine "Hochhauswirkung" hervorrufen zu können. Das scheint mir kein Gewinn für den Block, der eben seine Wirkung gerade durch die horizontale Flucht entfaltet. So wird der Block noch weniger in der Brühlflucht integriert und der Bruch verstärkt sich m.M. nach noch. Auch der kubische Anbau für den Hoteleingang gefällt mir überhaupt nicht. Scheinbar plant man eine Hotelvorfahrt. Für die Vorplatzgestaltung würde ich mir dementsprechend mehr Aufenthaltsqualität wünschen. Prinzipiell halte ich diesen kleinen "Platz" allerdings schon für Erhaltenswert. Auch im Mittelalter wurden die Straßenfluchten immer wieder augebrochen durch kleine Plätze. Das erhöht m.E. aber den Druck auf die fehlende Winkelbebauung am Bildermuseum, weil eben derene Fassade den Platz nicht nur einfassen, sondern auch maßgeblich bestimmen wird.


    Die rötliche Fassadengestaltung (ähnlich wie beim Stadtgeschichtlichen Museum) passt recht gut denke ich.

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  • Die "Reduzierung auf einige wenige besondere Exemplare", die aedificator beklagt, hat eben aufgrund der geringen Größe der Leipziger Innenstadt bis jetzt noch jede Bauepoche getroffen. Man soll also bitte mal nicht so tun, als ob hier aus politischen Gründen das ungewünschte Erbe einer verhassten Diktatur entfernt werden soll. Messeamt am Markt, EBL-Bürogebäude, Interpelz am Nikolaikirchhof, Brühlscheiben etc. sind ersetzt worden, weil sie den neuen Ansprüchen bzw. Nutzungen schlicht nicht gewachsen waren. Aus genau diesem Grund blieben wiederum ein Messehaus am Markt, ein Uni-Seminargebäude, ein Uni-Riese usw. stehen. Der stetige Neubau und Ersatz existierender Gebäude ist DAS Kontinuum der Baugeschichte der Leipziger Innenstadt. Wenn hier der bedingungslose Erhalt von Mittelmaß gefordert wird, entspricht das also der Forderung nach einer Ausnahme, wie sie bisher keiner baugeschichtlichen Epoche zugestanden wurde.


    Und dieses Kontinuum wird doch nicht gebrochen. Du hast doch selbst zahlreiche Beispiele genannt, die bereits verschwunden und durch Neubauten ersetz worden sind. Aber nur weil Abriss und Neubau zur Geschichte der Innenstadt zählen ergibt das noch keine Zwangsläufigkeit zum Abriss weiterer Bauten der DDR-Architektur. Mir wäre - ganz naiv gesagt - eine etwas neutralere und offenere Persepektive lieber, als wie sie hier von den meisten Autoren im Thema angestebt wurde. Nach Gründen zu suchen die einen Abriss rechtfertigen ist meiner Meinung nach kein angemessener Umgang mit dem Bauerbe allgemein - egal welcher Epoche. Bessere wäre grundsätzlich (und an vielen Stellen gelingt das ja schon dankenswerterweise) zu überlegen, wie dieser Teil der Architekturgeschichte unserer Stadt in unsere heutigen und modernen Ansprüche integrierbar wäre. Aus diesen Überlegungen das vermeintliche "Mittelmaß" von vornherein auszuschließen ist meiner Meinung nach der falsche Weg.


    ^ Dieses "städtebauliche Konzept" (ich würde es mal eher als Idee bezeichnen) ist in ähnlicher Form weiterhin in der Universitätsstrasse, am Georgiring und am Augustusplatz zu betrachten, außerdem gibt es das en Masse in anderen Stadtteilen, halbe Innenstädte sind Andernorts in dieser Form gebaut. Und da reden wir nur von Ostdeutschland, nicht vom gesamten Ostblock. Es besteht schlicht nicht die Gefahr, dass man diese städtebauliche Idee künftig nicht mehr erleben können wird.


    Ich sag doch gar nicht, dass ich Angst habe, man würde diesen Teil der Architekturgeschichte restlos tilgen wollen. Mir ist schon klar, dass zahlreiche Reste der DDR-Architektur im Stadtbild erhalten bleiben werden. Darum geht es ja auch gar nicht. Du wünschst Dir aber den Abriss dieses speziellen Bauwerkes. Das mag Dir zustehen, aber die Begründung dafür reicht für meine Seite nicht aus, sodass ich dir da nicht beipflichten will. Ich glaube es ist auch besser diesen Konflikt so stehen zu lassen, weil wir wohl da grundsätzlich verschiedener Ansichten sind. Viele Dinge mögen auch subjektiver Bewertung geschuldet sein. Manche stört ein solcher Fremdkörper - gerade auch wegen den mehrfach beschrieben städtebaulichen Unzulänglichkeiten im Hinblick auf aktuelle Anforderungen - andere erfreuen sich an Brüchen und der Sichtbarkeit wechselhafter Architekturgeschichte auch in diesem Kontex. Nehmen wir wie es ist und warten gespannt, wie sich dieser Teil der Innenstadt entwickeln wird. Mit dem Tempo, in dem es gerade Veränderungen gibt, darf man gewiss gespannt sein, wie sich die Situation in 5 oder 10 Jahren darstellt.


    Das gibt direkt Anschluss um auf Gärtners Anregung zu reagieren. Der Entwurf der Stadtbau ist natürlich mit meiner Argumentationsweise völlig inkompatibel, weil er die Fassadengestaltung an allen Stellen zerstört.
    Die Fensterbänder weichen einer große Glasfläche, die mit dekorativen Panelen belebt werden soll (und muss), welche mich an jene der Sanierung am Westplatz erinnern. Die großen Fensterfläche des Treppenhauses fällt einer Verkleidung zum Opfer und wird schließlich auf schmale Sehschlitze reduziert. Die Eingangssituation wird ebenfalls völlig umgekrämpelt. Statt einer Unterführung nun also ein kleines Glaskasten-Foyer. Die Veränderungen sind so stark, dass der ganze Charakter des Hauses abhanden kommt. Die ursprünglichen klaren und stringenten Linien sind verschwunden. Ein Abriss wäre nur unwesentlich schlimmer.

  • Deswegen wäre ich für eine anständige orginalgetreue Sanierung, die den "Charme" des Hauses bewahrt. Beispiele gibt es genug - bspw. ehemalige Hauptpost Chemnitz: Klick



    So wie jetzt im Entwurf, da gebe ich euch Recht, kann man es auch gleich abreißen.

  • Nach langer Abstinenz möchte ich mich mal wieder zu Wort melden und vor allem aedificator ein wenig unterstützen.


    Hier wird immer wieder sehr viel über mangelnde städtebauliche Sensibilität bis hin zum architektonischen Unvermögen der Planer aus DDR-Zeiten schwadroniert. Ich finde, wir sollten diese mal selbst zu Wort kommen lassen. Einer der interessantesten und widersprüchlichsten Vertreter dürfte Walter Lucas sein. Hier Zitate des Chefarchitekten der Stadt Leipzig aus der damaligen Fachzeitschrift „Deutsche Architektur“:


    „Aber Ausgangspunkt der Stadtplanung ist nicht mehr der alte Bestand, seine Verbesserung, und Ergänzung, sondern die Perspektive der künftigen Entwicklung. Bestimmend ist das Neue, dem das Alte sich einordnen oder Platz machen muß.“


    „Der sozialistische Städtebau will keine Allerweltsstadt! Die Leipziger Altstadt ist ein historisches Produkt, das weiter lebt, in dem wir Inhalt und Form auf dem Wege der sozialistischen Entwicklung wandeln.“


    Natürlich sprengt das Interpelzgebäude den Maßstab. Natürlich schert es sich nicht um Anschlüsse an irgendeinen Bestand. Das war aber kein Mangel, das war Programm! Die hinter dem Flachbau der Pelzauktionshalle auf einmal sichtbar gewordenen schäbigen Rückansichten der Häuser an der Nikolaistraße haben dabei doch nur den strahlenden Neubau unterstrichen.
    Jetzt kann man natürlich hergehen und sagen, dass sich unser städtebauliches Verständnis geändert hat. Wir sind nicht mehr so radikal. Wir wollen die vermeintliche Vorkriegs-Idylle und unsern Kaiser Wilhelm wiederham :). Dann sollte man sich aber nicht auf dasselbe Ausschließlichkeits-Niveau der Stadtabreißer der 60er Jahre herablassen. Für seine Zeit war das Interpelzgebäude ein Meilenstein. Einerseits Zeichen für die neue Stadt der Zukunft, im wahrsten Sinne des Wortes auferstanden aus den Kriegsruinen und Trümmerlandschaften, die noch immer (20 Jahre nach Kriegsende!) das Stadtbild in weiten Teilen prägten. Andererseits in der Kontinuität der Funktion als Standort des Pelzhandels ein Bekenntnis zur Geschichte des Ortes. Das Gebäude überzeugt in seiner ursprünglichen Gestalt noch heute: Von der städtebaulichen Ausrichtung über die architektonischen Details der Schaufensterfront zum Brühl und dem Durchgang mit den futuristischen V-Stützen bis hin zum markanten Interpelz-Logo und der großen Leuchtschrift: „kostbar.begehrt.weltbekannt PELZE VOM BRÜHL“.
    Für mich hat das Interpelzgebäude mehr mit dem historischen Ort und gelungener Architektur zu tun als sämtliche Neubauten, die seit 1990 am Brühl entstanden sind.


    Und zum Schluss mal noch eine freundliche Zitatengegenüberstellung zum räumlich angrenzenden Thema Sachsenplatz allgemein.
    Ingeborg Flagge, damals Direktorin des Deutschen Architekturmuseums, schrieb 1999:
    „Standort des Leipziger Museums für Bildende Künste ist der Sachsenplatz,
    ein innerstädtisches Brachland, das nach Norden und Osten ohne gebauten Rand ist. In diesem durch Kriegszerstörung verwundeten und in den Jahrzehnten danach verödeten Teil der Innenstadt galt es, mit einem Neubau eine Reparatur am Stadtorganismus durchzuführen.“


    So hatte ich den Sachsenplatz irgendwie nicht in Erinnerung – habe ich mich derart getäuscht?!
    Walter Lucas begründete die Ausformung des Platzes zur Zeit seiner Entstehung wie folgt:
    „Erfreulicherweise setzt sich die richtige Erkenntnis mehr und mehr durch, lieber nichts zu bauen, als einen Platz ohne Rücksicht auf weitere Perspektiven mit einem falschen Gebäude zu belegen, das dann hindernd im Weg steht.“
    !!!

  • das letzte zitat passt hervorragend zum brühlpelzgebäude. hätte er sich mal bloß daran gehalten. aber das ging ja nicht, wie das erste zitat etlarvt. da läuft es einem beim lesen ja kalt den rücken hinunter.
    all die gesprengten oder abgerissenen kirchen, uni-gebäude, messehäuser etc. mussten also nur weichen, weil sie dem "neuem" platz machen mussten. na besten dank. was für ein schlechter tausch: karl-marx-uni statt paulinerkirche, rasen statt johanniskirche, rasen statt trinitatiskirche, rasen statt gewandhaus, parkplatz statt börse, auch für die "sachsenplatz"-brache wurden gebäude abgerissen und als ganz besonderes highlight die stasi-zentrale auf dem gelände der abgerissenen matthäikirche.


    ohne wende wäre die stadtzerstörung immer weiter - und immer krasser - vorangeschritten. kein wunder, dass gerade hier die leute zuerst auf die barrikaden gegangen sind. eine derart geschichtsverleugnende selbstverstümmelung war auf dauer einfach unzumutbar.
    denn weder parkplätze, hässliche betonklötze noch rasenflächen vermochten es, ein gefühl von heimat oder urbanität zu vermitteln.


    selbst wer die ddr-stadtplanung - warum auch immer - als grandios empfindet, wird deshalb nicht umhin kommen, ihr ein grandioses scheitern zu attestieren. je mehr von diesen brachen und klötzen wieder verschwindet, umso besser für die stadt. das haben die letzten 20 jahre bewiesen - und das wird zum glück auch so weitergehen...

  • dj tinitus
    So ist das eben, wenn einem die Argumente ausgehen. Danke für Deinen Beitrag und besonders für dieses bonmont:

    selbst wer die ddr-stadtplanung - warum auch immer - als grandios empfindet, wird deshalb nicht umhin kommen, ihr ein grandioses scheitern zu attestieren. je mehr von diesen brachen und klötzen wieder verschwindet, umso besser für die stadt. das haben die letzten 20 jahre bewiesen - und das wird zum glück auch so weitergehen...


    Wenn Lucas dem "Alten" noch die Möglichkeit eröffnet sich einzuordnen, wird von Dir gleich die völlige Beseitigung des heute Alten gefordert. Respekt. Stadtplanung à la 1960 vom Feinsten.


    Für alle anderen:
    Natürlich ist es legitim zu fragen, welche ästhetische Berechtigung die Architektur der DDR im Sinne der heutigen Ziele der Stadtgestaltung und der Auffassung von Stadtraum hat. In diesem Rahmen sollte man sich aber auch ernstahf bemühen zu verstehen, in welchem Kontext diese Architektur überhaupt entstanden ist.


    Das Interpelzgebäude wurde 1965-66 durch die Architekten Schreiner und Seltz errichtet. Es wird teilweise ausführlich in der "Deutschen Architektur 3/1967" und im Architekturführer DDR Bezirk Leipzig behandelt. Falls mal jemand nachlesen will.

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  • Man kann (Bau-)Geschichte ja durchaus als Eintopf verstehen, in den bunt alles hineingewürfelt wird. Da ist dann für jeden was dabei. Womit man nix anfangen kann, das haut man einfach zurück in den Kessel und fischt solange im Trüben weiter, bis einem was bekannt vorkommt.
    Auf welche Ideologie beziehst Du Dich, lieber Geograph? Die Doktrin der Nationalen Bautradition und die „16 Grundsätze des Städtebaus“? Die Ergebnisse der 1. Baukonferenz 1955? Die Grundlagen für das Denkmalpflegegesetz von 1975? So flexibel muss man erst mal sein, sich immer seine Ideologie wieder zurechtzubasteln :) Manche westdeutsche Innenstädte mussten sich vollkommen ohne Ideologie städtebaulich entseelen lassen. Wie haben die das nur geschafft?!


    Auf Grundlage eines heutigen Standpunktes kann man natürlich jeder Epoche ihre Mängel und Fehler nachweisen (mal sehen, was uns in 30, 40 Jahren so vorgeworfen wird!). Man sollte aber einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass es unabhängig von jeglicher politischer Verbrämung eine allgemeine städtebauliche Grundhaltung in den 1960er Jahren gegeben hat.
    Es geht nicht ums Schönreden oder ob man diese Haltung nachvollziehen kann sondern einfach nur erst mal um die nüchterne Akzeptanz. Und ich denke, da ist die professionelle Kunstgeschichte und Architekturkritik schon weiter fortgeschritten als mancher Hobby-Sachverständige in diesem Forum. Denn im internationalen Vergleich können sich die Leipziger Bauten dieser Zeit durchaus sehen lassen.

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  • Also ich kann noch nicht so recht nachvollziehen warum sich die Diskussion ausgerechnet an diesem Gebäude so sehr hochkocht. Was macht es denn erhaltenswerter als bspw. die für die Höfe abgerissenen Gebäude am Brühl? Die Architektur kann so besonders nicht sein, sonst hätte der Denkmalschutz die Hand drauf und würde eine derartige Umgestaltung wie sie geplant ist nicht zulassen. Warum muss man dann also ausgerechnet in dieser recht prominenten Lage einen städtebaulichen Missstand konservieren? Es gibt weitaus erhaltenswertere Beispiele der DDR Architektur in Leipzig, auch in der Innenstadt.


    Der von einigen hier beschworene angebliche architektonische Wert des Gebäudes ist für mich nicht nachvollziehbar und selbst wenn, würde er, so wie von jenigen argumentiert wurde, diese Situation dort nicht auf Dauer legitimieren.


    Das Gebäude zu erhalten, weil es an eine dort fehlgeschlagene städtebauliche Idee erinnert, ist doch absurd und hat mit der Qualität des Gebäudes an sich nichts zu tun. Das erinnert eher an Masochismus. Bauhistorisch ist es völlig Wurst ob dieses Haus dort oder in der Peripherie steht. Und ich bin ziemlich sicher, dass das Pelzgebäude nicht der einzige Stahlbetonskelettbau jener Zeit in der DDR oder gar Leipzig war.

  • Geograph - ein jeder ist Kind seiner Zeit und so auch wir. Und auch wenn ich hier nur Halbwissen aufbieten kann. Mein Vater hat in der gehassten Altbauwohnung noch den Stuck von der Decke geschlagen, weil er gestört hat. In der DDR hat man sich nach Plattenbauten gerissen, weil sie Klo in der Wohnung hatten und über ein Bad und Balkone verfügt haben. In Berliner Stadtteilen hat man Altbauten großflächig entstuckt (ich schreibe jetzt nicht in welchem Teil Berlins man dies hauptsächlich getan hat. ;) ) Auch bspw. in Hamburg sind große Altbaustadtgebiete gefallen bzw. standen Abrisse zur Planung - insbesondere die heutigen In-Stadtteile Schanze und Karoviertel - Stichwort Messeerweiterung). Gewöhnliche Altbauten in Arbeitervierteln wie Volkmarsdorf waren weder in Ost- noch West vor 20 Jahren auch nur annähernd schick. Fahr mal nach Augsburg oder besser in den Ruhrpott oder Köln vllt. und schau dir die 50-60iger Jahrearchitektur dort an - ein Traum von Stadtplanung!? Das mal nur so als Denkansatz dir mit auf den Weg. Raubbaus Beiträge hätten eigtl. ausreichend sein sollen.

  • raubbau



    Wenn ich das richtig sehe, liebst Du es offensichtlich auf weiten, lichten Plätzen sitzend, auf pavillonartige Gebäude zu schauen, Dich an schönen Hochbeeten zu erfreuen, das Wiegen der Bäume zu bewundern und zu diversen Stadtfesten an bunt geschmückten Holzbuden entlang zu laufen. Das ist Dein privates Vergnügen und damit völlig in Ordnung. Derartige Freiflächen findet man auch heute noch, zum Beispiel in Grünau.


    So richtig verstehe ich als Laie aber nicht, worauf Du hinaus willst. Das solltest vielleicht noch einmal kurz und verständlich zusammenfassen.



    Wenn Walter Lucas schon ausführt:


    raubbau


    „Erfreulicherweise setzt sich die richtige Erkenntnis mehr und mehr durch, lieber nichts zu bauen, als einen Platz ohne Rücksicht auf weitere Perspektiven mit einem falschen Gebäude zu belegen, das dann hindernd im Weg steht.“


    war ihm offensichtlich bewusst, dass die Bebauungen auf dem Sachsenplatz und dessen Rändern nur eine Übergangslösung darstellten. Die Verkaufspavillons und die Leipzig-Information waren erkennbar nicht für die Ewigkeit gebaut.


    Das war auch den Stadtplanern im Leipzig der 1980er-Jahre bewusst. Besonders bemängelte das Büro des Stadtarchitekten Dr. Dietmar Fischer die fast unendliche Aneinanderreihung von Plätzen und platzartigen Aufweitungen in der Leipziger Innenstadt. Beschrieben und bemängelt wurde z.B. die Abfolge: Hauptbahnhofvorplatz / Brache am Hallischen Tor / Brühlaufweitung bis zum Richard-Wagner-Platz / Sachsenplatz / Aufweitung der Katharinenstraße an der Pinguineisbar / Markt / Brache (Grünfläche) Petersstraße-Thomaskirchhof / Thomaskirchhof / Promenadenring.



    Um Lösungen für dieses Problem zu finden, wurde 1988 ein Wettbewerb ausgelobt. Eine der Arbeiten – nämlich die der Architekten Riedel, Böhme, Wandelt und Krüger findet man in Hocquél: "Leipzig- Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart" auf den Seiten 32 und 33. Die am Wettbewerb beteiligten Architekten hatten im Detail verschiedene Lösungen für die Leipziger Innenstadt gefunden. Die im und nach dem Krieg entstanden Baulücken in der Innenstadt, sollten aber geschlossen werden, darüber waren sich die Architekten schon zu Ostzeiten einig. Bis heute wird versucht die Leipziger Innenstadt wieder zu verdichten und alte Raumkanten wieder erlebbar zu machen.

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