Die Oldenburger Stadtviertel
Die Oldenburger Stadtviertel
Roonstraße am Oldenburgischen Staatstheater
Moin Moin!
Da mein anderer Oldenburg-Strang mir keine Freude mehr macht, eröffne ich nun diesen neuen. Hier möchte ich die klassizistischen und gründerzeitlichen Stadterweiterungen Oldenburgs vorstellen, d.h. die Stadtviertel in Innenstadtnähe. Im Eröffnungsbeitrag sollen zunächst einige allgemeine Bemerkungen über die Oldenburger Architektur des langen 19. Jahrhunderts fallen, ferner soll der charakteristische Oldenburger Häusertyp der Gründerzeit (die "Hundehütte") erläutert werden. Später folgen Fototouren der einzelnen sehenswerten Stadtviertel.
Die unmittelbar an die Oldenburger Innenstadt anschließenden Bereiche konnten erst nach Schleifung der weit ausgedehnten Festungsanlagen ab 1790 bebaut werden. Zunächst entsteht unter Herzog Peter Friedrich Ludwig die frühklassizistische Stadterweiterung am Damm mit dem Prinzenpalais und den Kavaliershäusern. Ab 1820 werden die Kasernen am Pferdemarkt und das nördlich anschließende Johannisviertel bebaut, um 1837 die Peterstraße angelegt, deren Bebauung allerdings erst ab 1842 erfolgt. Ab etwa 1850 wird das spätklassizistische Haareneschviertel erschlossen, das in der Kaiserzeit aber noch maßgeblich nachverdichtet und erweitert wird. Das repräsentativste gründerzeitliche Viertel ist das ab etwa 1880 bebaute Dobbenviertel, wo noch während des 1. Weltkrieges der große Komplex des Oldenburgischen Landtages entsteht (Oldenburg war ein eigener nicht zu Preußen gehöriger Staat). Weitere Viertel von Interesse sind das Nordstadtviertel, das Bahnhofsviertel, Alt-Osternburg, das Gerichtsviertel und der Bereich um den Stau.
Vom Charakter her war die Hauptstadt Oldenburg im 19. Jh. (ja, bis in die 1970er-Jahre hinein - inzwischen ist es etwas durchmischter geworden) eine ziemlich reine Beamten- und Garnisonsstadt. Man war hier in dieser Zeit zwar nicht so reich wie etwa in Sachsen, doch konnten und wollten sich die vielen bürgerlichen Familien ihre eigenen Häuser leisten. Fast sämtliche Altbauten der Oldenburger Stadtviertel sind kleinere freistehende Ein- oder Zweifamilienhäuser, die fast immer von einem schön gepflegten und umzäunten Garten umgeben sind. Hierdurch erscheint Oldenburg v.a. im Sommer als eine Art großer Gartenstadt - nicht sonderlich urban, dafür sehr angenehm und freundlich.
Oldenburg wurde im 2. Weltkrieg zu lediglich 1% zerstört, dafür wütete man aber zwischen 1960 und 1980 ziemlich heftig. Ich schätze den Verlust durch Abrisse auf etwa 10% bis 20% des Gebäudebestandes von 1950, wobei vor allem die Innenstadt schwerer betroffen wurde. Die historischen Stadtviertel bestehen meistens zu rund 10% aus Neubauten, die ich aber in dieser Galerie größtenteils nicht zeigen (d.h. oft geschickt ausblenden) werde ;).
Das Oldenburger Giebelhaus
Siehe hierzu auch die Monografie Das Oldenburger Giebelhaus : Betrachtungen zur "Hundehütte" / Karsten Friedrichs-Tuchenhagen (Hg.) - Oldeburg : Isensee 1997, ISBN 3-89598-461-2, aus der ich ein Großteil meiner Informationen insbes. die Typologie der Giebelhäuser entnehme. Folgende drei Doppelseiten sind aus besagter Monografie entnommen, da sie eine sehr gute Übersicht verleihen (s. auch diese Seite
Vorformen des Giebelhauses (5,0 MB)
Frühformen des Giebelhauses (5,3 MB)
Spätformen des Giebelhauses (4,2 MB)
Wie im benachbarten Bremen im 19. Jh. mit dem Bremer Haus eine charakteristische Häuserform entstand, so entwickelte sich auch in Oldenburg in jener Zeit ein eigener Häusertyp, der aber vom Bremer Pendant grundverschieden ist. Das Oldenburger Giebelhaus, auch Hundehütte oder selten Huntehütte genannt, wurde vor allem zwischen 1850 und 1910 in allen Stadtvierteln Oldenburgs außerhalb der Innenstadt gebaut, und macht heute noch in diesen Vierteln oft 30% bis 40% des Wohnhausbestandes aus. Es handelt sich hierbei um ein freistehendes eineinhalb-stöckiges ursprünglich für eine oder zwei Familien erbautes giebelständiges Haus, das fast immer von einem umzäunten Garten umgeben ist. Obige Merkmale treffen allgemein auf alle Oldenburger Giebelhäuser zu, doch änderte sich der spezifische Stil um einiges im Verlauf vom Spätklassizismus bis zum Jugendstil, wodurch sich eine stilistische und i.a. chronologische Typeneinteilung einführen lässt (s.o.), die ich nun näher erläutern möchte.
Als Vorform des Giebelhauses gilt das seit dem Mittelalter gebaute norddeutsche Dielentorhaus, ein giebelständiges zentral erschlossenes Fachwerkhaus mit Sattel- oder Krüppelwalmdach, wie dieses 1773 erbaute Beispiel nördlich von Oldenburg:
Ein älteres Beispiel aus der Innenstadt wäre das Degodehaus.
Im Laufe der zunehmenden Verstädterung ab Mitte des 18. Jh. zogen ländliche Familien in die Stadt oder in größere Dörfer, und bauten dort ihre an die Bauernhäuser erinnernde Ackerbürgerhäuser allerdings mit stadtverträglichen Fenstern - meistens fünfachsig. Als Beispiel folgendes Haus (Bj. 1745) an der Cloppenburger Straße in Oldenburg. Einst befand sich hier eine ganze Reihe solcher Häuser, doch viele sind nach 1960 abgerissen worden. In Oldenburg existieren vielleicht noch ein oder zwei Dutzend Häuser dieser Art.
Die erste eigentliche Form des Oldenburger Giebelhauses (Typ a) wird im Spätklassizismus ab 1850 bis in die frühen 1870er-Jahre hinein gebaut. Im Gegensatz zum Ackerbürgerhaus besitzt diese Form ausschließlich ein Satteldach, das oft durch einen ca. 1,5m hohen Drempel erhöht wird. Die Erschließung erfolgt noch hausmittig, obwohl es auch zusätzliche Seiteneingänge geben kann. Typisch sind 5 Achsen, ich kenne auch Exemplare mit 6. Beispielhaft diene dieses einfache 1874 erbaute Haus in der Alexanderstraße:
Ab 1860 wird die frontale Erschließung nach und nach zugunsten einer seitlichen aufgegeben (Typ b). Die Giebelfront besitzt nunmehr 4 Fensterachsen (manchmal 3), und ist stärker durch Schmuck und Gesimse gegliedert. Ab dieser Zeit verlängert sich der Dachüberstand auch beträchtlich, die Pfetten- und Sparrenköpfe dienen als weitere Schmuckelemente. Reichere Bauherren leisten sich ein zusätzliches Tiefparterre oder einen steinernen Sockel. Noch gibt es keine Altane oder andere vordere oder seitliche Anbauten. Am Wallgraben (Heiligengeistwall) steht dieses ca. 1860 erbaute Beispiel mit typischer spätklassizistischer Fassade:
Diese Fensterform mit schmuckem Oberlicht ist typisch für den spätklassizistischen Rundbogenstil in Oldenburg ca. 1850-1860.
Nach 1870 mutiert zunächst der Fassadenschmuck hin zum Historismus, wie diese durchschnittlichen Häuser in der Alexanderstraße zeigen:
Ab 1875 findet man dann die Hochform des Oldenburger Giebelhauses (Typ c). Das Haus ist nunmehr durch einen gesonderten seitlichen Eingangsanbau erschlossen, die Giebelseite durch einen polygonalen Altan erweitert, auf dem oft eine Terrasse oder ein Wintergarten sitzt. Diese Hausform weist fast immer einen Tiefparterre auf. Edlere Examplare besitzen oft reiches Schnitzwerk oder eine Figurennische in Giebelmitte. Ein mustergültig instand gehaltenes Beispiel hierfür ist dieses sehr durchschnittliche Haus in der äußeren Ziegelhofstraße:
Im Späthistorismus/Eklektizismus um 1890 kommt dann noch die Sonderform des Halbgiebelhauses auf (Typ d), bei der ein zweiachsiger giebelständiger Baukörper mit einem zweiachsigen traufständigen Baukörper verschmilzt, wie hier in der Margaretenstraße (Bj. 1891):
Im Jugendstil/Reformstil/Neoklassizismus (1900-1920) wird die 4-achsige Form wieder aufgegriffen. Oft ist der Stil nur oberflächlich wahrzunehmen (anhand der Schmuckelemente), wie hier in der Vereinigungsstraße mit historischem Zaun:
Manchmal ist der Jugendstil aber auch ausgeprägter, wie etwa hier in der Jägerstraße (Bj. um 1905):
Ab 1920 dann werden die Häuser endgültig kleinbürgerlicher, schmaler (meist nur zweiachsig) mit höheren Dächern. Diese Häuser zählen dann auch nicht mehr zu den Oldenburger Giebelhäusern i.e.S. Am Melkbrink hat sich eine Reihe expressionistischer Giebelhäuser erhalten:
Oder dieser wohl um 1930 erbaute Blickfang an der Ecke Ziegelhofstraße / Elsässer Straße:
Auch heute noch wird die Giebelhausform immer wieder aufgegriffen. Leider sind die modernen Exemplare größtenteils banal (kein Bild daher).
Das Oldenburger Giebelhaus ist sehr ensemblefähig, und entfaltet seine besondere Wirkung in der erhaltenen Straßenzeile. Hier einfache Giebelhäuser am Steinweg:
Hier prächtigere Giebel in der Parkstraße:
Oder hier durchschnittliche Giebelhäuser in der Blumenstraße:
Im späten Jugendstil und Reformstil wurden zuweilen auch Zeilen von Mansarddachhäusern gebaut, wie hier in der Adlerstraße:
Das traufständige Handwerkerhaus
Ein zweiter in den innenstadtnahen Stadtvierteln Oldenburgs oft vorkommender Häusertyp ist das Ende des 18. Jh. aus Preußen importierte einstöckige traufständige Arbeiterhäuschen.
In der Nelkenstraße, Bj. ca. 1820 (hier übrigens mit einem der typischen Fahrradmittelstreifen, die man bereits 1900 in Oldenburg anlegte):
Wilhelmstraße, das rosarote Haus, Bj. ca. 1840:
Dieser Hausstil hält sich durch das ganze 19. Jh. hindurch. Hier eine Zeile am Melkbrink erbaut. ca. 1900:
Der Pinienzapfenzaun
Dies ist ein typischer gründerzeitlicher Zaun mit "Pinienzapfen"-Ornamentik, der etwa 1870-1900 Verwendung fand. Er wird schon seit 20 Jahren in Oldenburg wieder hergestellt, und auch bei moderneren Neubauten eingesetzt (z.B. jüngst am Landtag):
Ich glaube, das reicht für Vorbemerkungen. Die Folgebeiträge werden deutlich wortkarger bzw. bildreicher sein, versprochen!
(Quelle: Eigene Bilder)