Wilhelmstraße - Plattenbaumoderne vs Neubebauung

  • Das Gelände zwischen Voß- und Behrenstraße wirkt auf mich städtebaulich genau so deplatziert wie der Moabiter Werder. Abstellfläche ohne richtige Einordnung.


    Im Norden eine geschlossene Straßenfront, die jedoch durch den Totalunfall der amerikanischen Botschaft wie abgesägt wirkt. Im Osten entsteht die „Botschaft des Austauschs“ die irgendwas mit Kreativität am Holocaust-Mahnmal macht, zumindest ein Rahmen zur Straße / zum Denkmal entsteht.


    Dahinter immer wieder Trauben von Touristen, die andächtig auf einem Parkplatz Zwiegespräch mit dem Führer halten. Auf Google Maps mal „Führerbunker“ googeln, der ist „vorübergehend geschlossen“. Daneben ein Sportplatz für die sogenannten „Ministergärten“. Die Bebauung der Ministergärten villenartig, der Bebauung der Friedrichstadt und des Potsdamer Platzes entgegenstehend, wie wenn man das Tiergarten-Viertel hierher erfolglos verlängern wollte. Am Ort der ehemaligen neuen Reichskanzlei gibt’s heute Peking-Ente, eine Kita und schon wieder Büro- und Botschaftsvillen.


    Das ist der Kern meiner Kritik an diesem Ort. Nichts hat Form, nichts gehört zusammen, nichts ist vollendet oder als Ganzes gedacht. Die Fläche des heutigen Denkmals für die ermordeten Juden war eine Zeit lang als Ort für das Außenministerium im Gespräch. Als klar war, dass das Denkmal kommt wurde die Fläche zur Verfügung gestellt. Ich vermute, dass die Verunklarung des zuvor beräumten Gebietes auch in der Unsicherheit im Umgang mit dem Gebiet der ehemaligen neuen Reichskanzlei zu finden ist. Einerseits gab es lange Zeit zum Führerbunker nicht mal eine Tafel. Andererseits bemüht man schon fast in einer romantischen Art die ehemaligen „Ministergärten“.


    Ein Ort wie es ihn wohl nur in Berlin geben kann (das ist ganz wertfrei gemeint).

  • Aber ein Filetgrundstück der Stadt hat man für das Mahnmal nun auch nicht gerade geopfert [,,,]

    Man hätte es auch Unter den Linden Ecke Friedrichstraße (ehem. Interhotel) platzieren können, oder auf der Spreeinsel. Sorry, aber ein solches Mahnmal mitten in der turbulenten Innenstadt und ohne Bezug wirkt einfach nur grotesk. Gedenkstätten brauchen keine 1A Lage - das haben alle anderen Berliner Gedenkstätten auch nicht - sie brauchen einen Ort mit inhaltlichem Kontext, an dem man sich auf das Geschehene besinnen kann. Es geht hier nicht um eine schöne Stadtmöblierung mit Erinnerungswert.

    Ich verstehe auch nicht, was an der Lage schlecht sein soll, hier hat einst der Berliner Hochadel und dann die Politikprominenz des Landes residiert mit innerstädtischen Gärten mit Blick auf den Tiergarten.


    Das Gelände zwischen Voß- und Behrenstraße wirkt auf mich städtebaulich genau so deplatziert wie der Moabiter Werder. [...]

    Das sagt noch lange nichts darüber aus, ob es der richtige Ort für das Denkmal der ermordeten Juden Europas ist. Nur weil die später entstandene Randbebauung mies wurde, oder die Plattenbautristesse hier noch überdauert hat, ist der Standort nicht automatisch schlecht.

  • Sorry, aber ein solches Mahnmal mitten in der turbulenten Innenstadt und ohne Bezug wirkt einfach nur grotesk. Gedenkstätten brauchen keine 1A Lage - das haben alle anderen Berliner Gedenkstätten auch nicht - sie brauchen einen Ort mit inhaltlichem Kontext, an dem man sich auf das Geschehene besinnen kann.

    Bist Du schonmal durch das Steelenfeld gewandert? Dann wird Dir ja aufgefallen sein, dass das Umfeld komplett verschwindet und man sich isoliert und desorientiert fühlt - ein gewollter Effekt der im Prinzip überall funktioniert.

    Ausserdem unturbulent ist die Gegend im Grunde auch nicht!

    Und wie schon Camondo bemerkte: Ohne Bezug ist das Mahnmal im Grunde nirgends, denn überall in der Stadt wurden die jüdischen Mitbürger deportiert, wurden jüdische Geschäftsleute enteignet: Hausvogteiplatz mit den jüdischen Schneidern. Die großen Kaufhäuser, etc. etc. Den Bezug gibt es an jeder Straßenecke in Berlin!

  • ^ Hat man denn nicht Reste der ehemaligen Bunkeranlagen unter dem Mahnmal entfernt?. Mir war so, als ob da ehemalige SS-Mannschaftsräume für das Mahnmal weichen mussten. Und das allein wäre schon inhaltlicher Kontext genug.

    Des Weiteren ist mir nicht ganz verständlich, was an diesem Gelände zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz nicht Filet sein sollte. So zentral, so sinnbildlich hätte es kein zweites Baugrundstück gegeben.

  • Versteh auch bei aller Liebe nicht, warum das Grundstück keinen inhaltlichen Bezug zum Mahmal aufweisen sollte. Es steht auf der alten Dienstvilla von Goebbels und war früher ein Teil der Ministergärten, also der Gartenanlage der wichtigsten Reichsministerien an der Wilhelmstraße. Und dann liefert es auch noch einen Blick auf das alte Reichtstagsgebäude. Filetgrundstück ist es alle Male, es ist direkt am Brandenburger Tor mit Blick auf die größte innerstädtische Gartenanlage Europas. Beide Merkmale abzusprechen ließt sich für mich eher wie fehlende Geschichtes- und Berlinkenntnis.

  • Ich glaube, wir schweifen ab. Ob der Standort des Mahnmals richtig oder falsch ist, steht doch hier gar nicht zur Debatte. Das könnte hier weiter diskutiert werden.


    Hier geht es doch um eher um den Standort und die Architektur des Gebäudes mit dem gekünstelten Namen Embassy of Exchange. Und da muss ich sagen, dass mir das Gebäude in den neuen Renderings und wahrscheinlich dann auch in der Realität deutlich schlechter gefällt, als das was vorher gezeigt wurde.


    Wie das rechtlich ist, kann ich nicht beurteilen. Kann mir da jemand helfen? Wer entscheidet letztendlich darüber wie das Haus am Schluss aussieht? Der Bauherr, der Investor, der Architekt, das Preisrichtergremium, das Baukollegium oder gar Frau Lüscher ;)? Was konkret steht in der Baugenehmigung? Die müsste doch schon ein paar Jahre alt sein und Form und Fassade festlegen, oder?



  • So wie sich dieser übergroße steintapezierte Edelwohnklumpen hier präsentiert, hätte man m.M. wohl aus dem Grundstück für eine urbane „Experience“ besser 3 unterschiedlich zu bebauende Parzellen machen sollen.


    Mir ist leider weder Engagement noch Meinung des Baukollegiums zum Bauvorhaben an dieser brisanten Stelle bekannt - ging da was an mir vorbei?


    Der Koloss steht doch an Prominenter Stelle, da dürfte gestalterisch das städtische Interesse doch besonders groß sein.


    Wenn das Kollegium doch beteiligt gewesen war / wäre die jetzige gestalteteErscheinung für mich in Ansätzen geschmäcklerisch sogar irgendwie nachvollziehbar/ nicht zu unrecht verglich Nöfer mit Blick auf einen Großteil der Produkte am Hauptbahnhof, die durch das Kollegium begleitet wurden, etwas spitzfindig - mit „ geschmückten Schuhkartons im Stil der Schweizer Moderne“

    Der Bau hier wäre sicher eher eine adäquat fortführende Bebauung an der KMA, an dieser Stelle hier überzeugt er mich wie schon der Vorgängerentwurf in Größe und Gestalt nicht wirklich.


    Der Bau hat sicher in der Organisation der Fassade ein paar nett geratene Details wie das optisch Gestreckte Sockelgeschoss, seine Keilfenster dort, die Mehrfarbigkeit der Fassade und das erhöhte Obergeschoss. Leider gerät das mir für diese Anlage zu sehr, zur abgerollten ermüdenden Meterware.

    Das fehlen des von mir ohnehin nicht sonderlich gefeierten Staffelgeschosses, macht den Bau vollends zur aufgeblasenen Edelplatte.

    Den selben Fehler hat man schon im Europaviertel sehen dürfen und bleibt scheinbar lernresistent oder einfach ignorant.


    Für einen klassisch inspirierten Bau, auch wenn er noch so grobkörnig und verflacht in den Details daherkommt - hätte man durchaus Flügel und Mittelteilakzentuierung durch Variierung der Details, Vor- und Rücksprünge nach klassischer Art wählen können.

    Auch die Sockelzone plastischer in Rustika auszuführen wäre nicht die schlechteste Idee gewesen.

    Ich vermisse doch sehr die Plastizität bei einem derartig großen Bau am Platz, der die Fassade lebendiger wirken lässt.

    Das Fassaden-Relief nur durch aufgeschraubte Platten zu generieren sieht leider eher nach einem willkommenen billigem Effekt aus und wirkt für den Platz und Anspruch schon gar nicht exclusiv sondern eher wie 100ertste Mall oder Bettenburgarchitektur neuberliner Art im oberen Preissegment.


    Den öffentlichen Balkon fand ich als Idee noch reizvoll und er hat der schon damals wenig überzeugenden Detail und Strukturarmut wenigstens noch einen gewissen Sinn gegeben.


    Auf mich wirkt der Bau mit seiner durchstandartisierten Fassadenstruktur trotz überteuerter Steinklamotte wie ein ängstlich durchkalkuliertes Rechenobjekt - und damit weder generös oder mondän und schon gar nicht Zeitlos.


    Das man dem Ungetüm nun noch einen holprigen Englischen Titel gibt, den sowieso niemand verwenden wird sei geschenkt, als Palais wäre das eh ne verlogene Marketinglachnummer gewesen.

  • Des Weiteren ist mir nicht ganz verständlich, was an diesem Gelände zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz nicht Filet sein sollte. So zentral, so sinnbildlich hätte es kein zweites Baugrundstück gegeben.

    Ja ist schon richtig, gehobene Wohnlage ist es natürlich schon und eine vergleichbar große freie Fläche im Zentrum zu finden war auch nicht leicht...

    Dass der öffentliche Balkon klammheimlich weggefallen ist, ist schon ein starkes Stück, ich dachte immer diese öffentliche Nutzung wäre eine Grundbedingung für die Baugenehmigung gewesen?

  • ... ich glaube der 'Balkon' ist jetzt diese durchgehende Loggia geworden, die mit den Kaffetischchen und PH-Leuchten. auf dem letzten der von Kuemmelkaiser geposteten Visus zu sehen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Bin vorgestern dort vorbeigefahren. Konnte aber leider nicht fotografieren. Das Gebäude wird gerade abgerüstet. Zur Behrenstraße ist das Gerüst schon komplett weg. Diese kurze Seite des Hauses sieht nicht so schlecht aus. Bei der langen Seite habe ich etwas Angst, dass es sehr massiv aussehen könnte.

  • Aktuelle Baugenehmigung:


    Hannah-Arendt- Straße 2


    Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage

    Eing.:31.10.2014 (!!) Dat.Ab.:30.06.2021


    https://www.berlin.de/ba-mitte…igungsliste-juni-2021.pdf


    Das müsste der Plattenbau an der Ecke Wilhelmstr., Hannah-Arendt-Str sein?! Der Bauantrag wurde schon 2014 gestellt und jetzt Ende Juni erst genehmigt. Aber stehen die Plattenbauten nicht alle unter Bestandschutz?

  • Danke für die Info! Unter Denkmalschutz stehen die Platten nicht und eine Veränderungssperre wie rund um die Leipziger, liegt meines Wissens hier auch nicht vor.


    7 Jahre Bearbeitungszeit ist schon seltsam. Ich hoffe die Zeit wurde dafür genutzt, um die Baugrenze vom Bebauungsplan I-202a in die Straßenflucht der Nicht-Plattenbauen zu schieben. Aber wenn es sich nur um den Bauteil Ecke Hannah-Arendt-Straße handelt, macht eine Änderung, oder Abweichung vom B-Plan auch wenig Sinn. Komisch ist auch, dass es zwei Bauanträge bzw. zwei Aktenzeichen unter Hausnummer 2 gibt - vieleicht werden Bauvoranfragen und Abbruchgenehmigungen mit in der Liste geführt, oder man hat sich vorsorglich 2 Entwürfe genehmigen lassen.

  • Ich hoffe die Zeit wurde dafür genutzt, um die Baugrenze vom Bebauungsplan I-202a in die Straßenflucht der Nicht-Plattenbauen zu schieben.

    Interessanterweise wird der B-Plan im FIS-Broker des Landes gar nicht geführt. Bist du dir sicher, dass der I-202a festgesetzt wurde und nicht im Prozess versackt ist?

    Aus meiner Sicht bedarf es hier auch gar keines B-Plans, das ist beplanter Innenbereich mit Orientierung an der Bestandsbebauung. Entsprechend kann - aber muss nicht - ein Neubau auch der alten Straßenflucht folgen.


    Aber: Laut diesem Dokument (https://www.parlament-berlin.d…n/vorgang/sw18-0118-v.pdf; Karte auf der letzten Seite) sind die Gebäude doch sehr wohl im Bereich der Erhaltungssatzung? Das heißt natürlich nicht, dass ein Abbruch nicht möglich ist, aber es würde mich wundern, wenn das jetzt so heimlich still und leise geschieht.
    In dem Zusammenhang habe ich ein bisschen Gefühl, dass durch die vakante Stelle der Senatsbaudirektorin gerade Tatsachen geschaffen werden, die nach der Wahl mitunter wieder nicht mehr möglich wären. Ob das beim Abbruch stadtbildverträglicher Bebauung der späten 1980er Jahre sinnvoll ist, sei dahingestellt. Nachhaltig ist es nicht.

  • ^ Sorry. Du hast natürlich recht - ob der B-Plan rechtskräftig ist, darauf hab ich nicht geschaut und die Erhaltungssatzung ist mir auch entgangen.


    Mit diesen beiden Hebeln, kann man Investoren auch schon ein paar Jahre schmoren lassen. Es bleibt dennoch spannend, an welcher Bebauung man sich nun städtebaulich orientiert. Ich denke dies wäre ein Vorzeichen, wie man mit den Plattenbauten langfristig umgehen wird.

  • .... Danke Backstein. Der erste Eindruck... man konnte sich mal wieder nicht für eine horizontale oder eine vertikale Gliederung der Fassade entscheiden. Also bedient man sich an Beidem und das Resultat ist konfus. Nichts Ganzes und nichts halbes. Zum Haare raufen!

    Das in Beziehung zur absoluten Geometrie des Stelenfeldes gesetzt über die ganze Längsseite, verursacht mit Sicherheit Augenkrebs. Wie wohltuend wäre hier ein Gebäude mit einer glatteren Fassade gewesen, vielleicht mit einem eleganten Schwung in der Fassade.... und vielleicht irgendwo einem runden Fenster.

    Auch hatte ich gedacht, dass das Loggiageschoss zum Mahnmal hin unverglast bleibt, sah zumindest so aus auf den letzten Visus.

    Der treffendere Name wäre auch "Palais AUF den Ministergärten". Oder " Palais anstelle der Ministergärten"

    Einmal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • ^ Mein erster Eindruck ist deutlich positiver: Gerade die auffallende Verbindung aus Vertikalität unten und eine deutliche horizontale Gliederung darüber gefällt mir: Sie hebt Sockelgeschoss und Obergeschosse voneinander ab, ebenso wie die rückversetzten Dachgeschosse mit Loggien den Dachbereich abheben und somit eine klassische Dreigliederung der Fassade mit unklassischen Mitteln entsteht. Auch die steinerne, stabile Anmutung passt hierher.

  • Der Stein wirkt sehr hochwertig. Aber ich muss Camondo zustimmen damit, dass hier "zu viel los" ist. Das Auge findet keinen Ruhepunkt. Man kann gar nicht anders, als das Gebäude zu scannen wie einen Barcode und weil die Mustererkennung (vor allem von verschiedenen Rastern) ein unterbewusster, ständig ablaufender Mechanismus ist, zieht es an diesem weiten und un-kleinteiligen Standort ziemlich viel Aufmerksamkeit auf sich, ob man das möchte oder nicht.

  • ^ Im ersten Bild indem die beiden oberen Geschosse zurückgestaffelt sind und die Gebäudeecke aus der Gebäudeflucht vorspringt, gefällt mir das Gebäude eigentlich ganz gut. Auch die beiden zusammengefassten unteren Geschosse tragen dazu bei, dass das aus meiner Sicht um 2 Geschosse zu hohe Gebäude, nicht noch weiter vertikal gestreckt wird. Man hatte also die Wahl mit der Gliederung das Gebäude noch höher, oder noch länger wirken zu lassen - beides ist aus meiner Sicht bei dieser Kubatur schon grenzwertig. Von daher finde ich die Unentschlossenheit schon richtig.


    Eine partielle Abstaffelung zum Mahnmal (wie auf der Rückseite) und eine Teilung des Riegels in 2 Blöcke (oder auch nur eine Unterteilung mit Rücksprung oder Fuge) mit ggf. einer Umkehrung der beiden Natursteinarten, hätten dem Gebäude die Monotonie und Monumentalität genommen. Bei den ohnehin mehrfach separat erschlossenen Nutzungseinheiten wäre eine vertikale und horizontale Unterteilung des Bauvolumens problemlos möglich gewesen.