Wilhelmstraße - Plattenbaumoderne vs Neubebauung

  • ... Wie kann es eigentlich sein, dass man am Standort der ehemaligen Reichskanzlei, in der unglaubliche Verbrechen geplant und umgesetzt wurden, heute nichts anderes findet als ein Chicken-Restaurant und das wars. Ich finde, das ist ein Skandal. ...


    Genau lieber Odysseus, das ist Problem. Die DDR hat sich einen schlanken Fuß gemacht und mit einer historisch völlig losgelösten Bebauung, nämlich Wohnungen, Schule, Turnhallen etc. aus der Verantwortung genommen.
    Solange ich hier nicht einen ernstzunehmenden überzeugenden Gedanken für die Bebauuung der Fläche der ehemaligen Reichskanzlei höre, ist die Situation so wie sie ist gerade an dieser unsäglichen Ecke das beste was einem passieren kann.

  • Ich habe ja versucht eine Idee zu skizzieren. Ich könnte mir wie gesagt vorstellen, dass Reichpräsidentenpalais als Ort der Dokumentation der Geschichte des gesamte Ortes Wilhelmstraße zu rekonstruieren und auf dem Grundstück der ehemaligen Reichskanzlei dann einen Ort zu setzen, der als Kontrapunkt zu den Schrecken des Ortes einen positiven Verweis in die Zukunft setzt.


    Ein Zentrum für Kunst, wissenschaftliche Austausch, vielleicht einen Ort für Innovation wo sich z.B. Start-ups einmieten können. Auch wäre denkbar, einen Ort zu schaffen, wo sich die Unternehmen dieses Landes präsentieren mit Themen wie Energiewende, Elektromobilität, Digitalisierung. Wo ist eigentlich die europäische Antwort auf die bald allumfassende Hegemonie der USA und hier insbesondere von 3 bis 4 Unternehmen, die einer Krake gleich, sich gerade die gesamte Welt durch die Hintertür einverleiben.


    Aber wenn ich mir meine zwei Vorredner ansehe, warum seid ihr in einem Architekturforum, eure einzige Vision ist dann aber wieder Resignation und alles lassen wie es ist, auch wenn der derzeitige Zustand als unsäglich empfunden wird. Ich versteh es nicht. Warum will niemand mal nachdenken?

  • ^ Weiche nicht aus, es geht nicht um das Reichspräsidenten Palais es geht um die Ecke Voßstraße/Wilhelmstraße.
    Solange dafür nichts Überzeugendes für eine Nachbebbauung und/oder explizite Nichtbebbauung gefunden wird, wird es schwer.


    Ich bin der Meinung, wenn der Erhalt von Plattenbebauung in diesem Kernbereich eine Berechtigung hat, dann an Stelle der ehemaligen Reichskanzlei. Immer wenn ich dort mal entlang komme und so schauderlich ich diese Ecke finde, so sehr freue ich mich über die Kita die genau dort steht wo uns alte Filme aus der Zeit, die Leibstandarte A.H. vor dem Speerschen Südportal zeigen das Gewehr präsentierend.

    Einmal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Habe ich doch gesagt. Ich würde genau an die Ecke ein Innovationscenter hinstellen. Die Dokumentation auch zur Reichskanzlei würde ich über das Zentrum im Reichspräsidentenpalais verwirklcihen. Ich könnte mir aber gut vorstellen und es wäre auch nötig, am Ort des Führerbunker unterirdisch was zu machen, was auch ganz speziell den Ort der Reichskanzlei aufgreift, es ist daher sehr schade, dass man so spät auch die Reste des Führerbunkers angerissen hat, sonst hätte man doch hier dokumentieren können, wie schäbig sich dieser Hansel aus Österreich da 45 aus dem Staub gemacht hat.
    In Kooperation mit dem Denkmal für die ermordeten Juden könnte man hier sicherlich unterirdisch auch die Geschichte dieses Ortes aufarbeiten. Dunkelheit und Enge, gepaart mit gut aufbereiteten Installationen wie Filmbeträgen oder Zeugenaussagen zur damaligen Zeit im Bunker und kontrastiv die Lage der Juden. Ich glaube wenn man will könnte man hier eine exzellente Aufarbeitung betreiben.


    Und trotzdem finde ich, dass der Ort auch Zukunft verdient hat. Der Ort ist eben auch ein Ort des neune, des demokratischen Deutschland. Auch das sollte sich gerade an dieser Stelle ausdrücken.


    Aber camondo, ich wäre durchaus auch sehr interessiert, mal einen Vorschlag von dir zu hören, wie du dir den Umgang mit dem Areal vorstellen würdest, losgelöst davon, was gerade da steht.

  • ^ Hab ich doch gerade geschrieben. Verzeih wenn ich ein Paar Minuten brauchte um meine Vision zu schildern. Aber für dich gern noch einmal:
    >>> Ich bin der Meinung, wenn der Erhalt von Plattenbebauung in diesem Kernbereich eine Berechtigung hat, dann an Stelle der ehemaligen Reichskanzlei. Immer wenn ich dort mal entlang komme und so schauderlich ich diese Ecke finde, so sehr freue ich mich über die Kita die genau dort steht wo uns alte Filme aus der Zeit, die Leibstandarte A.H. vor dem Speerschen Südportal zeigen das Gewehr präsentierend. <<<


    ...Die (Meine Vision) ich im übrigen sehr viel symphatischer und in Anerkennung aller zeitlichen Schichtungen die dort berücksichtigt werden sollten, finde, als Deine, eines weiteren Doku-Zentrums. Die wichtigsten Entscheidungen des III Reiches sind garnicht dort gefallen. Die Überreste des Führebunkers existieren garnicht mehr sondern nur noch kleine Teile des Bunkers der Fahrbereitschaft. Die wurden bereits vor Jahren als nicht erhaltenswert klassifiziert.
    Im übrigen wer sich den Zieten-Platz vornimmt um ihn in seine alte Form zu transferieren wird sich mit Bato anlegen müssen, der seit Jahren vehement für den Erhalt Wunderwerks der Tchechischen Botschaft plädiert und dann noch mit Mutti persönlich, die dort, in einer Platte ihren Lieblingssupermarkt hat, der unlängst modernisiert wurde.


    So, nun überlege gut, kann es mehr demokratische Legitimation geben als, eine Kita, ein Botschaftgebäude eines ehemals Osteuropäischen Landes im Stil des Modern Brutalism, und eine Bundeskanzlerin die dort in einem in einer Platte untergebrachten Supermarkt ihr Einkaufsglück findet?


    Was den Rest der Strasse betrifft...alles offen!

  • Es ist echt zum Verzweifeln. Kein Wunder dass es mit Europa im Speziellen so bergab geht. Keiner hat mehr eine Vision. Alles soll bleiben wie es ist. Es ist echt elend.


    Wie kann man sich daran erfreuen, dass eine zentrale Ecke unsäglich ist und dann sagen, es soll alles so bleiben. Das ist nicht nur eine intellektuelle, es ist auch eine evolutionäre Bankrotterklärung. Aber so ist es aktuell ja überall. Aus Angst vor der Gestaltung des Fortschritts will man am liebsten gar nichts mehr tun. Aber so läuft das nun mal nicht. Am Ende wird dann einfach etwas mit uns gemacht und wir haben das Heft des Handelns dann aus der Hand gegeben.


    So wird es auch hier sein, weil keiner sich traut, dieses Areal wirklich zu gestalten. Das Resultat wird sein, dass alle 5 Jahre einer der Blöcke fallen wird und man am Ende 5 weitere leerstehende Luxuswohnsilos da stehen hat. Denn der Markt lässt sich von Sentimentalität und Gestaltungsverweigerung nicht aufhalten. Aber scheinbar hat man in den letzten Jahrzehnten nicht mal das gelernt!

  • ^ Du willst nicht gestalten, was du willst ist eine Art Schlusstrich ziehen oder Wunden heilen die dich marten. Aber so ist nun Mal Geschichte, sperrig, kompliziert und nicht zu entsorgen. Man muss sich ihr stellen und das erreicht man nicht indem man die jüngste historische Schicht dem Erdboden gleichmacht und versucht eine andere ältere die einem vielleicht behaglicher ist wiedererrichtet..

  • Wo will ich denn eine Schlussstrich ziehen und wo will ich die Straße wiedererrichten? :nono:


    Ich gebe es auf. Immer das selbe Resultat. Scheinbar kann oder will man nicht mal mehr in einem Architekturforum über Architektur diskutieren. Nicht mal Ideen darf man mal sammeln. Es ist echt ein Trauerspiel wo dieses Land mittlerweile angekommen ist. :nono:

  • Endlich !

    Es ist gut, daß endlich ein Anfang gemacht ist.


    Die Zeit wird es richten und und dem in zentraler Berliner Innenstadtlage gelegenen Quartier wieder eine angemessene, tatsächlich urbane Bebauung zurückgeben.

  • ^ Aber so ist nun Mal Geschichte, sperrig, kompliziert und nicht zu entsorgen. Man muss sich ihr stellen und das erreicht man nicht indem man die jüngste historische Schicht dem Erdboden gleichmacht und versucht eine andere ältere die einem vielleicht behaglicher ist wiedererrichtet..


    Dem kann ich hinzufügen dass man Fehler der Vergangenheit wie Flächenabrisse nicht wiederholen sollte und besser das Vorhandene weiterentwickeln sollte. Vom Konservieren eines früheren Zustandes war hie nicht die Rede.

  • ^^ Yo. Große Worte. Aber was ist denn nun ""tatsächlich urbane Architektur"? Sie glauben doch wohl nicht, dass der Patzschke-Trum irgendwas zur Urbanität der Gegend beiträgt? Jedenfalls nicht mehr, als es die vorhandene Bebauung ohnehin schon tut.
    Für mich täte eine behutsame Weiterentwicklung der Gegend Not. Schnell anfangen könnte man bei diesen merkwürdigen Abstellflächen in der ersten Reihe an der Wilhelmstr.

  • Odysseus
    Es geht weder mit Europa im Besonderen noch mit Deutschland im Speziellen bergab.


    Was ich dir in dieser Diskussion entgegen halten möchte ist schlicht, dass für meinen Geschmack der aktuelle Zeitgeist Berlin in den letzten 2 Jahrzehnten fast schon wieder zu tatkräftig umgekrempelt hat und uns keiner garantieren kann, dass unsere Urenkel das nicht genauso furchtbar und scheußlich finden, wie wir jetzt den Nachkriegs-Wiederaufbau, den man damals ja auch super fand und zB jeder froh war, eine neue Wohnung in einem Plattenbau zu erhalten und aus dem feuchten, unsanierten Altbau, vielfach sogar noch mit Kohleofen im Zimmer und Außenabort im Innenhof rauszudürfen.


    Ich möchte einfach nicht die gesamte Stadt in einem Zeitgeschmack neu überformen. Ein großes Problem beim Städtebau Berlins der letzten 100 Jahre ist nämlich genau das, dass jede Zeit pointiert denkt, nun die Weißheit mit Löffeln gefressen zu haben, alles besser zu wissen und die Stadt komplett im entsprechenden Geist umkrempelt, supertoll fortschrittlich und hastenichgesehen. Die nächste Generation empfindet diese Homogenität dann aber wieder als Bürde und krempelt ihrerseits nach ihrem eigenen Geist komplett um, und so weiter und so fort. Daraus muss man ausbrechen, indem man etwas Selbstzurückhaltung übt und der Stadt Gelegenheit gibt, sich evolutionärer und organischer - also schlicht langsamer - zu verändern.


    Wer weiss schon, wie ggf ganz anders man bereits Ende der 20er wieder leben wird, dann sind wir sowohl mitten drin in der Mobilitäts- und Rohstoffwende, wie auch im demografischen Wandel. Und mit anderem Alltagsleben folgt anderes Bauen. Und das braucht Raum. Der verschwindet aber, wenn wir jetzt alles umkrempeln und neu bebauen, damit ist erstmal für 50 Jahre unser Status Quo zementiert, bevor (wirtschaftlich vertretbar) umstürzende Änderungen möglich sind. Ich sehe solche rumpeligen Bereiche, die Berlin nach wie vor hat, sozusagen als "städtebauliche Reservefläche".


    Bezüglich Verschiebungen in's Nirvana, versuch mal etwas im Frankfurt-Forum zu posten, was nicht 100 % on topic ist, dann wirst du merken, wie großzügig Bato das Berlin-Forum moderiert.

  • Du wirst es vor Ort besichtigen dürfen, Bato. Wenn auf der Fuchshuber-Website nichts steht muss dies vorerst beleglos bleiben, nichtsdestotrotz wahr.

  • Dem kann ich hinzufügen dass man Fehler der Vergangenheit wie Flächenabrisse nicht wiederholen sollte


    Bei den Flächenabrissen war es der Fehler, das Gebäude abgerissen wurden die man heutzutage niemals abreißen würde.
    Bei den DDR-Plattenbauten kommt niemand auch nicht im 100 Jahren auf die Idee, dass man die hätte stehen lassen soll wenn da die Neubauten.
    => Die Nachkriegs"architektur" war und ist immer nur eine Notlösung um schnell und günstig Wohnraum zu schaffen und nicht um wirkliche städtebauliche Entwicklung/Gestaltung.
    => Es gibt in Deutschland kein einziges Gebäude bei dem eine Nachkriegsbausünde weichen musste, welches im nachhinein als Fehler angesehen wurde.


    und besser das Vorhandene weiterentwickeln sollte.


    Was hätte da denn entwickelt werden können? Die Plattenbauten in der Wilhelmstrasse sind einfach nur 0815-Bauten die vielleicht am Stadtrand sinnvoll wären aber niemals so zentrumsnah in einer Stadt wie Berlin.

  • ^Warum sind Nachkriegsbauten grundsätzlich Bausünden? Es gibt sehr viele Bauten die beispielhaft für ihre Zeit sind und erhalten werden müssen.
    Mit den antiurbanen Argumenten kann man auch den Abriss des Hansaviertels oder den Bauten der südlichen Friedrichsstadt fordern.
    Die Plattenbauten in der Wilhelmstraße unterscheiden sich deutlich von anderen wie in Marzahn und Hellersdorf. Sie haben oft Einzelhandelsflächen im EG und sind grundsätzlich nicht anders als viele Neubauten wie auch das Patzschke-Retrogebäude. Die Freiflächen sollten verändert werden aber das wurde hier bereits geschrieben.

  • ..Die Plattenbauten in der Wilhelmstraße unterscheiden sich deutlich von anderen wie in Marzahn und Hellersdorf. ...


    ... und sie greifen auf der Westseite der Wilhelmstrasse sogar die Barocken Dreiflügelgrundrisse der Vorgängerbauten auf.