Ich bringe in solchen Diskussionen immer das etwas unterschätzte Augsburg als Beispiel an. Dort hat man nach dem Krieg nicht großflächig abgerißen, sondern rekonstruiert bzw. zumindest größtenteils innerhalb der alten Parzellierungen und mit den alten Silhouetten neu bebaut.
Das führt dazu, dass der Teil Augsburgs, der eigentlich eine mittelalterliche Stadterweiterung war aber besser in das gängige Klischee einer "deutschen Altstadt" passt in Reiseführern zumeist als "Altstadt" bezeichnet wird, während der seit über 2.000 Jahren durchgehend besiedelte Siedlungskern auf Augsburgs Hochebene (grob zwischen den beiden Großkirchen Dom und St. Ulrich situiert) durch die schiere Großzügigkeit seiner Bebauung gar nicht in das Schema passt, aber die eigentliche Altstadt Augsburgs ist. D. h. man muss auch kritisch hinterfragen, wie die Rezeption der Gegenwart von Altstadt ist, viel zu oft eine romantisierte und belächelte "Hobbit-Welt" aber nichts, was "für uns heutzutage tauglich" wäre usw.
Augsburg ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass man gar keine Rekos braucht um dennoch den viel geliebten urbanen und gemütlichen Charakter einer "Altstadt" zu erhalten, auf diesem Bild beispielsweise dürfte fast kein Vorkriegsgebäude mehr zu sehen sein, das tut dem Gesamtensemble aber keinen Abbruch: http://commons.wikimedia.org/w…_Bild_Christine_Pemsl.jpg
Auch die Stadt, die man hier sieht, ist großflächig ein Produkt der Nachkriegszeit:
http://de.wikipedia.org/wiki/D…Blick-vom-Perlachturm.jpg
http://de.wikipedia.org/wiki/A…_Rathaus_Moritzkirche.jpg
http://de.wikipedia.org/wiki/S…t-ulrich-aus-der-luft.JPG
Hier sieht man, wieviel es einfach schon ausgemacht, die alten Parzellierungen und Abmessungen beizubehalten, an dieser Ansicht aus der "Jakobervorstadt" dürfte kaum noch ein Haus aus der Vorkriegszeit stehen, dennoch wirkt die Straße städtebaulich gefasst und in historischer Kontinuität:
http://commons.wikimedia.org/w…Jakoberstr_Jakobertor.JPG
Hier ein Beispiel von stadtbildverträglichen Neubauten, ca. aus den 1980ern:
http://commons.wikimedia.org/w…s_2013-05-01_%2812%29.JPG
Im Großen und Ganzen ist sowohl bzgl. historischer Bausubstanz, aber auch Rekos und schließlich dem Erhalt eines gewissen Stadtbildes (Gliederung etc) die Altstadt Augsburgs erhalten worden. Ohne, dass es dadurch verbaut wäre, sie an wechselnde Funktionen und Ansprüche anzupassen. Und zum Größenvergleich, wenn wir als spätestes Ende des Mittelalters ca. das Jahr 1500 annehmen, dann hatte Augsburg zu dieser Zeit rund 30.000 Einwohner (http://de.wikipedia.org/wiki/E…ugsburg#Von_1400_bis_1867) während Frankfurt nur rund 10.000 Einwohner hatte (http://de.wikipedia.org/wiki/E…am_Main#Von_1387_bis_1900), einwohnermäßig hat Frankfurt Augsburg erst an der Wende zum 19. Jahrhundert überholt. Man kann also bzgl. historischer Bausubstanzs aufjedenfall davon sprechen, dass es sich um mindestens vergleichbare Städte handelt.
Wenn ich mir dann den extrem unterschiedlichen Umgang damit anschaue dann muss man definitiv von lokalen Versäumnissen sprechen. Da ist aber Frankfurt nicht alleine, in Deutschland ist es pauschal gesprochen so, dass nur ganz im Süden bewahrend mit den Städten umgegangen wurde und je weiter nördlich, desto radikaler wurde abgerißen und autogerecht gebaut, bis hin zu Städten wie Hannover oder Hamburg, deren Alter und Regionalgeschichte man nur noch in der geschriebenen Heimatgeschichte und anhand alter Fotos und Zeichnungen nachvollziehen kann, aber nicht mehr im Stadtbild (Gebäude aus dem 19. Jh. sind dort üblicherweise das höchste der Gefühle, wenn man von "Altbauten" spricht - da kann jede nordamerikanische Großstadt locker mithalten).
Daher sehe ich wie gesagt solch ein Projekt auch als Fehlerkorrektur an, häufig bietet sich die Chance dazu ja auch nicht, gleich ein ganzes Viertel zurück zu holen. Da muss man jede Gelegenheit nutzen. Darum bin ich ein großer Fan von diesem Projekt, kann aber gleichzeitig Kritik daran absolut nicht nachvollziehen. Wenn schon solche Miniprojekte, bezogen auf das Gesamtbild einer Stadt wie Frankfurt, zuviel Historismus sein sollen, dann kann ich da nur mit den Schultern zucken.