Nbger Zentrum: Sebalder und Lorenzer Altstadt

  • Denn ein anderes Image als das der mittelalterlichen, historischen Altstadt kann man der Innenstadt doch beim besten Willen nicht geben.


    Eine gewagte These für ein Architektur-Forum!
    In Nürnberg tun die Architekten mit ihren Bauherren genau alles, damit die Altstadt nicht altbacken sondern (wie auch immer) modern wirkt. :???:
    Diese Diskussion wird sein Jahren sehr ideologisch geführt.


    Der frühe Wiederaufbau war übrigens der gelungenste, und es gibt noch ein paar Ecken mit Ensemblewirkung, in denen man das Alt-Nürnberg erahnen kann.


    Übrigens zahlt Stadt Nürnberg nicht die Sanierung der Jugenherberge auf der Burg, da dies vom Träger übernommen wird.

  • Ich persönlich finde den Kommentar nicht gewagt sondern schon fast normal. Die moderne Architektur gerät immer mehr in Kritik. Die einzigen die ihre Standard-Glaskästen und Betonklötze verteidigen sind die Architekten selbst. Wohl aus dem Grund, daß sie unfähig sind etwas besseres zu bauen. :lach:


    Zum Glück gibt es aber auch in Nürnberg mal Lichtblicke moderner Architektur, wie z.B. geplante Projekte an der Messe. Das Problem dabei ist allerdings, daß derartig interessante Projekte meistens doch nicht ausgeführt werden. Die Stadtregierung Nürnbergs findet ja alles moderne besser fürs Image, egal wie qualitativ. Hauptsache billig!


    Die Ansicht, daß Nürnbergs Altstadt ihre mittelalterliche Grundzüge mit der zum Teil immer noch vorhanden Kleinteiligkeit beibehalten solle, ist wohl unumstritten. Leider macht die Stadt wie bekannt wenig hierfür. Klar ist auf jeden Fall, daß der ältere Bereich Westsebald mehr Leben und Begeisterung anzieht als die zur Wohneinöde verkommene Ostsebalder Altstadt. Den Grund muß man wohl kaum erwähnen. Ein Umdenken in der Stadtpolitik sollte jedoch mal stattfinden!

  • Es ist ja nicht so, dass es in der Altstadt gar keine innovativen Vorhaben gibt. Der ganze Nordosten ist ja ein Laboratorium dafür. Die Sebalder Höfe zum Beispiel, aber besodners herausragend finde ich die Sebald Kontore. Ich finde der Bau outet sich eindeutig als Neubau mit ambitionierter Zielsetzung. Die Nürnberger Tradition findet sich in

    • der Wahl des Fassadenmaterials (roter Sandstein)
    • der quadratischen Einzelfenster (anstatt horizontaler Fensterreihen)
    • des steilen Daches (anstatt des gesichtslosen, ja guilliotinierten flachen Daches)

    wieder. Die modernen Elemente fügen sich ein und geben dem Baukörper den modernen Charakter:

    • große, sprossen- und rahmenlose spiegelnde Fenster
    • keinerlei Gesimse und Vorsprünge, nichtmal eine sichtbare Dachrinne
    • das gleiche Fassadenmaterial vom Fußweg bis zum Dachfirst.


    Ehrlich gesagt, wenn nicht eine Reko, dann ist mir diese Ausdrucksform für die Altstadt die liebste. Ich hoffe das Gebäude bleibt auch so sauber wie auf den folgenden Visualisierungen und bekommt nicht irgendwann an den Wandflächen hässliche Verfärbungen und Nasen, die durch runterlaufenden Regen entstehen.


    Aktuelle Visialisierungen:




    Quelle: GPWirthArchitekten, Website http://www.gpwirth-architekten…erobauten/sebald-kontore/ Stand 17.07.2012


    Ich denke diese Möglichkeiten hat die Altstadt zur Wahrung und Pflege, aber auch der Weiterentwicklung der eigenen Identität. Die Stadtbibliothek ist für mich da eher ein Negativbeispiel. Noch schlimmer die Sünden der 70'er - 90'er (Postgebäude, diverse Parkhäuser...) Wer war nicht schonmal in einer Stadt, die einen kern namens "Altstadt" hatte, wo die Altstadt jedoch nur noch auf Fotos existierte und man ganz und gar nicht altstädtischen Strukturen umgeben ist. Berlin leidet daran. Auch Dresden hat da große Defizite. In Magdeburg ist gar nichts mehr da. Nürnberg hat da noch sehr viel, es bedarf halt nur des Bewusstseins hierfür. Um so argwöhnischer werden ja die Pläne für das Augustinerhofgelände beäugt.

  • Entrüstet ist nun das ehemalige "Rosenthal-Haus" in der Köngstraße. Mir gefällts! Das formschöne Gebäude wurde äußerlich relativ behutsam aus den 60/70ern in dieses Jahrtausend transformiert.
    Außerdem bildet es eine gute Brücke zwischen dem kontroversen Kino aus den 2000ern (ganz rechts im Bild angeschnitten) und dem historistischen Bankgebäude (links).



    D.

  • Um nochmal den Faden von Nothor bez. Altstadt und Stadtmauer aufzugreifen. Dass eine früher sehr bedeutende Stadt heute noch eine solch mächtige Stadtmauer hat, ist doch wirklich eine Besonderheit. Meist wurden die Mauern geschliffen und man hat dort Ringstraßen angelegt. Es gibt keine bzw. nur noch kleine Reste von Stadtmauern in: Wien, Köln, Frankfurt, Würzburg, Regensburg, Augsburg, München, Prag, Hamburg ...
    Die Stadtmauer in Nürnberg bewirkt ja auch eine Abgrenzung der Altstadt. Auch wenn durch den Krieg viel verloren gegangen ist, viele Ecken der Altstadt haben doch noch mittelalterlichen Charakter, wie man ihn in Großstädten kaum sonst findet.
    Warum Nürnberg dieses Alleinstellungsmerkmal nicht besser nutzt, verstehe ich nicht. Warum hat man denn z.B. nicht mal ernsthaft versucht, auf die UNESCO-Liste zu kommen?


    Noch ein anderer Aspekt nebenbei aus eigener Erfahrung: Von finanzieller Unterstützung für denkmalgeschützte Häuser ist nicht viel zu spüren. Von wegen Grundsteuerbefreiung. Die Wirklichkeit sieht da ganz anders aus. Da wird z.B. bei Altstadtstraßen das in die Jahre gekommene Kopfsteinpflaster saniert (wobei man über die Notwendigkeit der geplanten Baumaßnahmen sehr streiten kann), also eigentlich eine Reparatur, keine echte Verbesserung. Und was geschieht - die Stadt legt die Kosten weitgehend auf die Anlieger um.

  • Exakt. In Wien z.B. kann man nicht erkennen ob man sich in der Altstadt oder in einer der Vorstädte aufhält, weil beides maßgeblich vom Historismus der 1850'er bis 1920'er geprägt ist. Und Nürnberg hat mit der aufwändig instand gesetzten Altstadtmauer im Gegensatz dazu ein umfriedetes Altstadtgebiet ausgwiesen und verfestigt. Egal von wo man kommt, man merkt immer sehr deutlich, dass man die Altstadt betritt. Deshalb sollten innerhalb der Altstadt auch besondere Bedingungen für die Gestaltung öffentlichen Raumes gelten.


    Was mich dabei auch umtreibt ist das Wissen, dass zwar die Stadt sich mit der Altstadt und den herausragenden Einzeldenkmalen brüstet, aber dabei zu leicht aus dem Auge verliert dass die umgebende Bebauung den dazu nötigen Rahmen schaffen muss. Wer kennt die Kirchen in Manhatten? Wie grotesk wirken diese denn eingerahmt von den Glaspalästen der Neuzeit? Der Kontrast ist reizvoll, weil er grotesk ist. Der Großteil der Altstadt ist in privatem Besitz, bewohnt oder anderweitig privat bewirtschaftet. Und wenn die Stadt und damit die Gemeinschaft von der Ausstrahlung der Altstadt profitiert, finde ich auch dass diejenigen welche das Privileg aber auch die Verantwortung haben dort Immobilien bewirtschaften zu müssen, geholfen wird damit alle etwas davon haben.


    Danke Dexter für das Fotos aus der Königstraße. Ich finde es auch okay. Meine erste Reaktion war die Ablehnung der roten, horitzontalen Fensterachsen gegenüber. Horizontale Achsen mag ich überhaupt nicht. Ich finde soetwas ja 1960-jahre-pfui. Die Tatsache, das komplett auf Putz und Sichtbeton verzichtet wurde und das Haus auch an sonsten hochwertig rüberkommt lindert das aber. Hat noch jemand ein Vorher-Foto? Ich glaube wirklich umgestaltet wurde das Haus ja nicht.

  • Hintere Ledergasse 43

    Um den Samstäglichen Spaziergang auch hier abzuschließen kommt nun der kurze Beitrag zum aktuellen Projekt der Altstadtfreunde "Hintere Ledergasse 43". Google maps Link.


    Das Projekt wurde bereits 2003 hier im Forum vorgestellt: Link, aber seit dem ruht der See.


    Das Haus stammt in seinen Grundstrukturen aus dem 17. Jahrhundert, während seine Geschichte noch weiter zurück reicht. In einem großen Stadtbrand ging der ursprüngliche Bau verloren und wurde ab 1697 wieder neu aufgebaut. Damals gab es nur das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss als massiv ausgemauerte Fassadenteile, die oberen Stockwerke waren in Fachwerksmanier offen gebaut. Dort waren Lager- und Trockenräume für gegerbtes Leder, das lange auslüften musste. Daher hat man die oberen Stockwerke offen gebaut. Die Altstadtfreunde haben das zeichnerisch mit einem Aufsteller visualisiert:



    Im späteren 19. Jhrd wurden die oberen Stockwerke in einfacher Form massiv gemauert um Wohnraum darin zu schaffen. Der Unterschied der Substanz des 17 Jhrd's und des 19. Jhrd's lässt sich an den Fensterlaibungen erkennen, die im 1. OG barock mehrfach profiliert sind.



    Die Altstadtfreunde haben dieses Haus vor etwa 10 Jahren gekauft, als es noch bewohnt war. Untersuchungen haben gezeigt dass es massiv baufällig und einsturzgefährdet ist, und schnell geräumt werden musste. Seither steht es leer.


    Sicherungsmaßnahmen im Innern erhalten es aufrecht, um es sorgfältig zu entkernen und alle tragenden Teile zu stabilisieren. Im Erdgeschoss befindet sich auf etwa dem ersten Drittel der Gebäudelänge, dort, wo man eine tragende Innenwand vermuten würde, eine massive Sandsteinsäule, die einen gewaltigen Holzbalken trägt. Im folgenden Bild ist der alte Holzbalken als weiss gestrichenes Gesims sichtbar, links sind die gegenwärtigen Sicherungsbalken zu sehen:



    Die Geschichte des Hauses zeigt auch dass es unregelmäßig wieder aufgebaut wurde. Der damalige barocke Hausherr hatte wohl keine Mittel für einen zügigen und massiven Wiederaufbau nach dem Brand, daher hat er ersteinmal die östliche Seite des Hauses wieder errichtet, wobei der Balken und die Säule wohl ausreichend stark waren. Erst später kam die Last der übrigen Gebäudestruktur hinzu.


    Heute stehen die Altstadtfreunde als Eigentümer und rekonstruktionsfreudige Bauherren vor der Qual der Wahl: Soll das Gebäude in seiner jetzigen Form erhalten bleiben, so wie der linke Nachbar, oder soll es in den Ursprungszustand eines "Ledererhauses" zurück versetzt werden mit den damals offenen 2. und 3. Obergeschossen, und damit als Beispiel eines solchen Gebäudetyus wieder auferstehen? Fördermittel für die Sanierung gibt es wohl nur dann, wenn der Zustand 19. Jhrd. (Ist-Zustand) gesichert wird. Eine Reko würde wohl nicht unterstützt werden, so unser Guide.
    Es wurde auch zu bedenken gegeben, dass die Altstadtfreunde als Eigentümer an einer anschließenden Vermarktung interessiert sind, d.h. den entstehenden Wohnraum anschließend vermieten wollen. Vor diesem Hintergrund wird auch überlegt, wie man das mit der Reko vereinbaren kann, da ja letztlich eine echte Fensterfront verloren geht. Laubengänge und Studentenzimmer wären denkbar....
    In jedem Falle ist die Rekonstruktion des Hauses eine kostentechnische Mammutaufgabe, und wird auf längere Zeit viele Ressourcen des Vereins binden, insbesondere da noch andere Projekte laufen und es eine Warte-/Wunschliste für die mittelfristige Zukunft gibt. Daher ist auch die Hoffnung für die Adlerstraße 36 eher gering.


    An dieser Stelle auch noch einmal einen herzlichen Dank an die Altstadtfreunde Nürnberg für diese sehr interessanten (und kostenlose) Stadtführung.

  • Ich finde der Bau outet sich eindeutig als Neubau mit ambitionierter Zielsetzung. Die Nürnberger Tradition findet sich in

    • der Wahl des Fassadenmaterials (roter Sandstein)
    • der quadratischen Einzelfenster (anstatt horizontaler Fensterreihen)
    • des steilen Daches (anstatt des gesichtslosen, ja guilliotinierten flachen Daches)

    wieder. Die modernen Elemente fügen sich ein und geben dem Baukörper den modernen Charakter:

    • große, sprossen- und rahmenlose spiegelnde Fenster
    • keinerlei Gesimse und Vorsprünge, nichtmal eine sichtbare Dachrinne
    • das gleiche Fassadenmaterial vom Fußweg bis zum Dachfirst.


    Da muß ich leider massiv wiedersprechen. Der gezeigte Bau nimmt als Nürnberger Tradition lediglich die Farbe des roten Sandsteins auf. Riesige ungeteilte Fenster zeigen keinerlei Bezug zu Nürnberg. (Es gibt übrigens auch durchaus überzeugende historische horizontale Fensterbänder wie am Dürer-Haus). Von einem Dach kann mann bei dem Kristall auch nicht sprechen, da sich ein Dach in Form, Farbe und Materialität immer von der Fassade abhebt. Der vom Entwerfer beschwörte Vergleich mit einem "Kristall" steht auch im Wiederspruch zu der Ausbildung eines Steildaches.


    Außerdem wird auch die Maßstäblichkeit des Städtebaus gesprengt. Der Nürnberger Wiederauf zeigt sich gerade dadurch aus, dass Parzellengrößen und damit die Proportion der alten Fassaden ungefähr übernommen wurden. Ich sehe das Gebäude deshalb genau in der Tradition der "Bausünden" der 60er und 70er Jahre . Zu dieser Zeit entstand auch diese "Kristall" Idee. Beispiele so einer Fassade findet man gegenüber dem Kaufhof am Aufseßplatz (Straßenbahnhaltestelle) oder neben der Erlangener Straße:


    https://maps.google.de/maps?q=…yzIjJdw&cbp=12,33.75,,0,4


    Wie bei dem gezeigten Beispiel zu sehen ist, ist die Idee weder neu (sprich modern) noch ist die Umsetzung sonderlich einfallsreich.
    Typisch CAD: Kopiere Fenster X sieben mal nach rechts und 3 mal nach oben, und fertig ist der Entwurf.
    Die Fassade ist genau wie der fertiggestellte "Altbau" des Luitpoldhauses sprichwörtlich "reizlos",
    und man hast sich überschnell "satt" gesehen. Mann könnte gar von "ästhetischer Schonkost" sprechen.


    Beide Gebäude stehen für die konsequente visuelle Verarmung, die sich derzeit im Stadtbild breit macht.

  • Es gibt ja einen Vorschlag der Altstadtfreunde zur "Differenzierten Gestaltungssatzung für die Altstadt", die die Altstadt in 3 Bereichsqualitäten gliedert, für die unterschiedlich strenge Normenvorgaben für Bauprojekte zu machen wären. Der Plan ist u.a. in den Altstadtberichten Nr. 36/2011 auf Seite 23 abgebildet. Die Sebalder Kontore fallen da in den mittleren Bereich (Zone B: abgeschwächte Regeln im größtenteils zerstörten und wiederaufgebauten Bereichen). Da passen die Kontore wirklich gut hinein. Sie sind ja völlig von Nachkriegsbegäuden umgeben. Man kann auch auf der Visualisierung gut erkennen, wie die gestalterischen Vorgaben der Umgebung zitiert werden, denn die Dachkante und auch die Einscheibenfenster sind keine Erfindung dieses Neubaus.



    Unter Zuhilfenahme der Visualisierung von: GPWirthArchitekten, Website http://www.sebaldkontore.de/ Stand 17.07.2012 (Quelle)


    Die Nachkriegsbauten, die zugegebener Maßen mit geringerem Anspruch gestaltet sind als anderswo in der Altstadt werden immerhin so bald nicht verschwinden oder verbessert werden. Außerdem wird reihauf reihab danach gerufen, in der Altstadt doch bitteschön endlich modern bis futoristisch bauen zu dürfen. Diesbezüglich passen die Kontore für ein Gebäude Baujahr 2012 gut dort hin.


    Den Einwand in Bezug auf die Parzellierung finde ich nachvollziehbar. Aber ich finde dieses Haus keineswegs zu groß. Denn im Grunde genommen steht die Stadt in Bezug auf das Altstadtmanagement zwischen den Stühlen. Einerseits möchte man das altstädtische bewahren, andererseits soll die Altstadt ja auch nicht veröden. D.h. es ist wichtig die Grundstücke dort ansprechend zu bebauen, aber auch Gewerbetreibenden und Bauherren vernünftige Bedingungen zu bieten, zu denen sie bereit sind zu investieren. Die Ankündigung dass der Edeka am Hauptmarkt wohl bald schließen wird weil er zu klein ist und daher nicht mehr in das geschäftsprofil des Konzerns passt, verdeutlicht dies ja. Je kleiner die Grundstücke sind, desto weniger Geld wird in die Hand genommen und desto unwahrscheinlicher wird eine gefällige Umsetzung. Zumindest mag die Stadt so denken. Dass ein privater "Häuslebauer" sich ein 200 qm Grundstück an der Äußeren laufer Gasse kauft um dort ein Altstadtverträgliches, kleinteiliges Wohnhaus zu bauen, halte ich für illusorisch. Klar, eien historisierende Fassade, oder gar eine Reko von was-auch-immer dort stand, wäre schöner. Aber es hätte auch weitaus schlimmer kommen können.


    Ein Gegenbeispiel dazu ist die Irrerstraße aus dem Beitrag No 1 dieses Fadens. Die Adresse liegt im Gestaltungsplan in Zone A, mit strengsten Anforderungen an die äußere Gestaltung. Es gibt hierzu eine historische Zeichnung, die das Haus in barocker Erscheinung zeigt:



    Quelle: Michalak immobilien, Stand 22.07.2012, Link: http://www.michalak-immobilien…posee_Irrerstrasse_13.pdf


    Aus gleicher Quelle stammt eine Planzeichnung aus heutiger Zeit, die nicht näher auf die äußere Gestaltung eingeht. Grundsätzlich ist hier etwas mehr Mühe als dargestellt zu wünschen. Ich hoffe das ist nur eine schnell-schnell hingerenderte CAD-Zeichnung, und keine echte Architektenvorlage. Es fehlen sämtliche zierenden Elemente, alles, was das Haus als Altstadthaus ausweist:



    Quelle: Michalak immobilien, Stand 22.07.2012, Link: http://www.michalak-immobilien…posee_Irrerstrasse_13.pdf


    Also unabhängig davon ob es nun eine Sanierung oder ein Neubau ist, ich kann die Differenzierung schon nachvollziehen. Die Altstadt wird so wie sie war nie wieder kommen. Dann ist mir ein interessanter und funktionierender Neubau ja lieber als ein schrecklich sanierter und verstümmelter Altbau, der zudem ggf. auch unter Leerstand leidet. Naja wünschen wir dem Kontor Glück. Die beste Lage ist ja (noch) nicht.

  • Ist ja interessant, dass die historische Zeichnung eine Sandsteinfassade zeigt. Nun, und wohl auch geplant ist ja die Fassade verputzt.
    Wenn tatsächlich noch eine Sandsteinmauer vorhanden sein sollte, sollte diese schon freigelegt werden.



    Übrigens, das Gebäude der Berufsgenossenschaft am Weinmarkt das zur Zeit mal wieder umgebaut wird, passt ja auch nicht so recht in die Umgebung.

  • Ja, eine Sandsteinfassade wie die barocke auf der Zeichnung würde toll wirken in der gegend. Das Expose sagt aber auch aus wo das Problem ist. Die Deckenhöhe in dem Altbau liegt bei 2,18 m, was den Umbau nach heutigem Ratz-Fatz-Schnellbaustandard nicht möglich macht, wo man in Altbauten mit üblicherweise 3 m Deckenhöhe einfach Wohnkartons aus Leichtbauwänden, abgehängten Decken und Styropor-Außendämmung einzieht, bei denen nur noch 2,64 m Raumhöhe übrig bleibt und man keine massiven Wände mehr hat. In diesem Baus lebt man halt dicht an dicht, und wenn man halbwegs Raumgefühl haben will, brauchts eben einer echten Holzbalkendecke.... Sicherlich nicht unattraktiv, aber für Baufirmen natürlich ne Herausforderung.

  • Da das Haus ja unter Denkmalschutz steht, gelten die Wärmedämmvorschriften ja nicht, bzw. nicht in dem sonstigen Umfang.
    Wenn man in solch einem Haus leben möchte, dann muss man eben vielleicht etwas höhere Energiekosten akzeptieren. Dafür erhält man aber ein besonderes Ambiente. Man kann eben nicht alles haben ...

  • Man kann auch auf der Visualisierung gut erkennen, wie die gestalterischen Vorgaben der Umgebung zitiert werden, denn die Dachkante und auch die Einscheibenfenster sind keine Erfindung dieses Neubaus.


    Die Nachkriegsbauten, die zugegebener Maßen mit geringerem Anspruch gestaltet sind als anderswo in der Altstadt werden immerhin so bald nicht verschwinden oder verbessert werden.


    Dass ein privater "Häuslebauer" sich ein 200 qm Grundstück an der Äußeren laufer Gasse kauft um dort ein Altstadtverträgliches, kleinteiliges Wohnhaus zu bauen, halte ich für illusorisch. Klar, eien historisierende Fassade, oder gar eine Reko von was-auch-immer dort stand, wäre schöner. Aber es hätte auch weitaus schlimmer kommen können.


    Referenz und Tradition:
    Über die Sebalder Kontore mag sich jeder seine eigene Meinung bilden. Ich finde nur die Aussage das er "Nürnberger Tradition" mit quadratischen Fenstern und einer steil geneigten "Dach"fläche aufnimmt haaresträubend. Wenn als Maßstab der "Nürnberger Tradition" die Bausünden der 60er und 70er Jahre (also die Bauten mit geringem Anspruch) gelten, halte ich das für diskussionswürdig. Es bleibt zu klären, was man bei zukünftigen Bauten als Referenz in der Altstadt nimmt. Für den Entwurf der Stadtbibliothek wurde übrigens auch das dortige Parkhaus als Bauwerk in naher Umgebung zur Begründung des Entwurfes hinzugezogen.


    Zur Parzelle:
    Man muß nicht die alten Parzellen zwangsläufig wieder herstellen, aber wie man eine lange Fassade dezent gestalten kann, sieht man z.B. am Einwohnermeldeamt in der Äußeren Laufer Gasse.


    Mein Kommentar zu diesem Kristall ist: Weniger Architektur geht nicht mehr, oder frei nach Venturi: Less is a bore. Aber es ist ja auch ein Kristall und kein Haus. Vielleicht sollten wir so weiterbauen, dann sind wir irgendwann keine Altstadt, sondern Silicon-Valley der Metropolregion. ;)


    P.S. Beim Scharrer-Gymnasium stand im Wettbewerbsurteil etwas von "fügt sich sensibel in die Umgebung ein".

  • Warum manche hier von den Sebalder Kontoren so begeistert sind, verstehe ich auch nicht. Ich finde, der Neubau ist keine Verbesserung gegenüber dem Vorgängerbau. Der war so schlecht nicht, jedenfalls besser als die meisten Nachkriegsbauten in der Gegend.


    Mal sehn wie das Dach nach einigen Jahren aussieht ...

  • Ist übrigens schon auffällig, dass fast alle Bausünden in der Altstadt von städtischen/staatlichen Bauherrn stammen: Scharrer-Gymnasium, WiSo, ehem. Postdirektion, Wirtschaftsrathaus, Stadtbibliothek, Norishalle, Anbau Dürerhaus, Kreuzgassenviertel ...

  • @ harher: Und exakt deswegen sind die Sebalder Kontore für mich so befriedigend.


    Nicht falsch verstehen, ich bin eigentlich ein vehementer Bewahrer alter Substanz. Aber ich bin vermutlich auch zu jung und zu schlecht informiert um zu wissen, wie die Ecke dort einmal ausgesehen hat. Was ich aber kenne ist der Erstentwurf der Kontore, und da ist der zweite einfachmal eine deutliche Verbesserung. Es gibt übrigens auch eine Visualisierung auf der der Bau mit weiss-grauem Stein verkleidet ist anstatt mit rotem. Vielleicht finde ich die noch irgendwo.


    Aber wie gesagt, die Altstadt hat an anderer Stelle, auch prominenteren Orten, Bauten, die ganz und gar nicht gefallen können. Der Wöhrl, das Postgebäude in der Adlerstraße, die Parkhäuser, Teile des GMN, die Sebalder Höfe, das Scharrer Gym, die Unigebäude, Kaufhof und jüngst die Bibliothek.


    So, und während die Stadt die Bibliothek (Luitpoldhaus) baut und dabei offensichtlich komplett auf Altstadtverträglichkeit pfeifft, werden einem privaten Bauherrn mit den Kontoren Auflagen gemacht in dergestalt, dass er den Erstentwurf komplett wegschmeissen konnte.
    Die Stadt Nürnberg geht also hier also ganz öffentlich ohne Hehl mit miesem Beispiel voran. Und der private Bauherr an den Kontoren lässt sich trotzdem darauf ein und baut dort ein Experiment was er eigentlich zunächst nicht wollte. Er hätte auch sagen können: Okay, nicht unter diesen Bedingungen, hier bleibt erstmal eine hässliche Brache.


    So. Nun sag ich mir: Mir wäre es lieber ein Gebäude wie die Kontore mit den Rechteckfenstern, der roten Steinfassade und diesem fiesen Dach in vergrößerter Form als Luitpoldhaus neben dem Gewerbemuseum zu sehen, als dass ich eine verkleinerte Kopie der jetzigen Bibliothek am Laufer Schlagturm sehen möchte. Hier verhält sich m.E. der private Bauherr vorbildlicher als die Kommune.


    Deswegen: Mir gefallen die Kontore. Die Bibliothek ist eine Frechheit. Ich hoffe ganz ehrlich dass das Ding wegen baulicher Mängel oder was in einigen Jahren wieder eingerüstet wird und verschwindet. Da dort Steuergelder verbaut werden finde ich habe ich das Recht dazu.


    Mir ist übrigens aufgefallen, dass die roten Farbflecken, mit denen die Fassade des Rathauses bei dem Farbbombenanschlag "verziert" wurde, keine 24 Stunden später restlos entfernt wurden. Die Stadt macht also sehr deutliche Unterschiede zwischen den Touristen-Paradewegen und der "Steppe", dem Rest der Altstadt.
    Ich empfinde aber die oben genannten zumeist öffentlichen Gebäude als Flecken auf der Altstadtfassade. Die gehören grundsätzlich auch entfernt. Is nur leider nicht so einfach.

  • Dieser Sichtweise stimme ich zu. Von der Stadt Nürnberg kann man wirklich nicht viel erwarten. Noch ein anderes Beispiel: Spielzeugmuseum - Totalentkernung. Dann lässt man das Volksbad verfallen, usw usw
    Private Bauherren müssen da tatsächlich mit höheren Ansprüchen an Qualität und Gestaltung zurecht kommen. Da ist die Stadt strenger, wenn sie aber selbst die Kosten tragen muss, sieht sie das immer recht locker.

  • Heute ergab sich die oben angekündigte Gelegenheit, das Haus auch von Innen zu besichtigen. 2012-1338= 674 Jahre verbriefte Gebäude- und Architekturgeschichte eines Privatwohnhauses. Wo gibts das schon noch im Zentrum einer Großstadt.


    Bis ca. 2010 war das Haus bewohnt, dann hat der jetzige Eigentümer, ein Architekt mit Spezialisierung auf Denkmalbestand, es erworben und sich zum Ziel gesetzt, es binnen 5 Jahren denkmalgerecht und energetisch zu sanieren. Der Hausherr höchstselbst nahm sich die Zeit, die Besucherhruppen durch das Haus zu führen. Dabei wird auch erst deutlich, was es mit diesem Fachwerkhaus tatsächlich auf sich hat. Von außen sieht es südseitig nicht wirklich "fachwerkig" aus:



    Außerdem erschließt sich einem nicht direkt, was es mit der Teilung auf sich hat. Ich nahm an, der besagte linke teil wäre die Nummer 58 "Zum Albrecht Dürer Haus". Dem ist nicht so. Stattdessen ist das Gebäude heutzutage in die Nummern 54 und 56 geteilt: Vom Keller bis zum Dachfirst. Es ergibt sich gewissermaßen ein Raumgefühl wie in den beliebten Reihenhäusern, wie sie massenweise in und um Nürnberg gebaut werden.


    Rückseitig (Hofseite) sieht man nun das Fachwerk endlich, wie es auch mal auf der Vorderseite gewesen ist:



    Betritt man das Haus durch die in Sandstein einfasste Haustür steht man schon wenige Meter weiter vor einer Treppe. Ab in den Keller:



    Dort erklärte der Hausher sodann die Baugeschichte. An der Wand erkennt man die Ursprüngliche Gründung des Gebäudes, die viel höher gelegen hat als der heutige Kellerboden. Der jetzige keller wurde unter den alten ausgegraben und untermauert.



    Das jetzige Erdgeschoss ist eigentlich in der Erbauungszeit der Keller bzw. das "Souterrain" gewesen. Es wird vermutet, dass die Straße einst ertüchtigt und um ca. 1 - 1,50 m abgesenkt wurde. Besonders gut sichtbar ist dass, wenn man die Höhe der Gebäudezugänge der Hausnummern 56/54 und 58 vergleicht. Wahrscheinlich stammt aus dieser Zeit die vorgeblendete Sandsteinfassade.


    Im (heute) 1. OG dann erwartet man die "Bèlle Étage":




    Dieser Raum wird künftig gewerblich genutzt. Hier sind die Sanierungsarbeiten augenscheinlich am weitesten. Lediglich die Fenster und die Hofwand sehen noch sehr "baustellig" aus.
    Das Gebäude hat eine lange Tradition als Bäckerei. Im Keller stand einst der Backofen. Dessen Esse durchzog das gesamte Haus durch alle Decken mittig bzw. die hier betrachtete Haushälfte an der Westwand.



    Die Esse wurde aber (außer im Spitzboden) entfernt und dient nun der Schachtung der Haustechnik. Der große Technikkasten rechts bietet alle Zuleitungen für dieses Geschoss. Der Denkmalschutz schreibt hier viel vor, z.B. dürfen keine Leitungen unter Putz oder im Boden verlegt werden. Hierfür sind die Boden-Abschlussleisten als Kanalwege vorgesehen. Ebenfalls sollen keine Deckenleuchten eingebaut werden. Bei einer Deckenhöhe von rd. 2,15 m ist das aber eh Unfug.


    Hier wird aber auch der Effekt der vorgeblendeten "Neubau"-Renaissance-Sandsteinfassade deutlich. Die Fenster in den sandsteinernen Fensterlaibungen passen nicht so recht zum Raum. Man steigt eine Stufe hinauf und ist auf einem Podest, erst dann hat man die Fensterbank auf der richtigen Höhe. Die Fensteroberkante liegt höher als die Zimmerdecke. Daher ist sie nach oben durch hölzerne Fachungen aufgeweitet. Die Decke zum darüberliegenden Zimmer ist also dünner:



    Hinauf geht es über eine Wendeltreppe, die einen sehr wackeligen Eindruck macht. Grundsätzlich ist sie aber ertüchtigt worden und hielt den Besuchermassen stand:



    Das heutige 2.OG war nach dieser Systematik also früher das 1. OG, die "Bèlle Étage". Das wird schnell deutlich an der barocken Holzkassettendecke und der höheren Deckenhöhe von hier ca. 2,40 m:



    Dieser Raum ist auch schon stimmiger, die Fenster sitzen richtig und das Raumgefühl wirkt echter.
    Das eigentliche Highlight des Hauses ist allerdings der weitgehend erhaltene originale gotische Dachstuhl mit den verblatteten Holzbalken. Dem Hausherren liegt besonders viel hieran, pure Geschichte aus höchstwertig ausgesuchten Baumstämmen von mittlerweile bestimmt 700 Jahren alter, die bis heute tragen:



    Ebenfalls die Wände tragen teilweise noch die Füllungen aus Lehm und Putz aus dieser Zeit, teilweise noch mit Farbfassungen:



    Bis auf den Spitzboden bin ich über die Leitern nicht rauf, man durfte aber. Insgesamt Hiermit bedanke ich mich nochmal für diese hochinteressante Begehung eines im Umbruch befindlichen Denkmals, das beeindruckender kaum sein könnte.


    Witzig war, dass die Renaissance-Sandsteinfassade ihren blenderischen Zeck gut erfüllt. So manch Neugieriger hat sich vor dem Haus verdutzt umgesehen und nach dem ältesten Fachwerkhaus gefragt. Hat man dann auf das gebäude No 54/56 hingewiesen, gabs ungläubige Blicke. Der Architekt selbst hätte glaube ich die originale Fachwerkfassade wieder, wenn ich das recht verstanden habe. Die Sandsteinfassade, die derzeit leider auch zu schlicht verputzt ist, ist sicher auch ganz schön. Sioe trägt nicht und ist auch sonst wohl nur unzureichend mit dem Tragwerk des Hauses verknüpft, sodass sie sich nach außen ausbaucht. Mit Haltehaken wird sie künftig fixiert werden.


    In mittlerwer zukunft wird dann die Hausnummer 56 Thema werden, die sich angeblich in etwas kritischerem Zustand befinden soll.

  • Erfreuliches aus der Altstadt.....

    .. kann man rund um die Adlerstraße entdecken. Das in Beitrag Nr. 15 vorgestellte Haus Adlerstraße 16 steht zwischenzeitlich befreit von Gerüsten wieder strahlend da. Wie angekündigt ist die Fassade barock-rosa geworden. Und das Chörlein wurde nicht als dunkel gebeiztes Holz - wie sonst fast überall - belassen, sondern ebenfalls in eine barocke Farbfassung gesteckt. Ich find's toll:



    Von weitem ist diese Hauszeile aus den drei Altbestandbauten echt schnieke: Einmal Fachwerk, einmal Gotik, einmal Barock und einmal Gründerzeit. Echt klasse:



    Und dann noch das von Dexter in Beitrag Nr. 24 gezeigte Haus in der Königstraße strahlt gleich in der Nachbarschaft wieder den Charme der 50'er Jahre aus. Blick aus der Adlerstraße:



    Zwischenzeitlich, da auch in der Altstadt immer mehr Details aus den 50'ern verschwinden, ist dieser Anblick schon sehr erfreulich.