Leipzig: Jahnallee 61 vulgo Capa-Haus (Split aus Bauerbe-Thread)

  • Jeder ist für sein Tun selbst verantwortlich.


    Das ist eine interessante und allgemeingültige Aussage. Das beinhaltet aber auch, dass man nicht für die Taten eines anderen verantwortlich ist. Demnach ist Schuld subjektiv und konkret und so gibt es weder eine abstrakte Kollektivschuld noch ist Schuld übertragbar, also vererbbar.


    Um zurück zum Ausgangsthema zu kommen, möchte ich mich den vorangegangenen Äußerungen anschließen, dass es ausreichend städtebauliche Argumente geben sollte, welche für den Erhalt des Gebäudes Jahnallee 61 sprechen.

  • Lieber RMA;
    es ging in meinen Beitrag auch lediglich darum aufzuzeigen, dass die Verbrechen von Nazi-Deutschlands in den Jahren von 1933-1945 singulärer Natur sind und ein Vergleich mit anderen Geschehnissen nicht möglich ist.
    Die Shoa, die systematischer Auslöschung ganzer Bevölkerungsgruppe welche nicht in das verquerte nationalsozialistische Weltbild passten sowie der Angriffkrieg auf andere Staaten erfolgte vom deutschen Boden.
    Hieran zu erinnern und zu mahnen, dass keine Gleichsetzung bzw. gar Relativierung oder Ausblendung dieser Verbrechen erfolge, halte ich für meine Pflicht.

  • Ich habe den Eindruck, wir driften hier in eine Debatte ab, die wir nicht in der Lage sind zu beherrschen oder kaum noch vernünftig in einen Kontext mit dem Haus in der Jahnallee bringen können.
    Ich möchte aber all jenen, die jene Rede vielleicht noch nicht kennen einen Link zu Richard v. Weizäckers Rede zum 8.Mai 1985 anbieten. Gerade auch deshalb, weil wir uns erschreckender Weise immernoch (oder wieder?) an Begriffen wie Schuld und Erinnerung aufreiben.


    http://www.spiegel.de/politik/…and/0,1518,354568,00.html



    Zur Jahnallee 61 bleibt zu sagen, dass es im Forum wohl keine Stimme gibt, die einen Abriss befürworten würde?! Ich glaube es ist am Ende müßig, sich zu streiten, welcher Grund gegen einen Abriss nun der Bessere ist.

  • ^ Eben. Was uns eint, ist der Erhalt dieses stadtbildprägenden Gebäudes. Und wenn die Ereignisse 1945, die von Capa in der Jahnallee 61 fotografisch festgehalten wurden und somit - damals! - eine gewisse Berühmtheit erlangten, dabei hilfreich ist, das markante Eckhaus zu erhalten, ist dagegen sicher auch nichts einzuwenden. Egal wie man dazu steht oder welche (partei-)politischen Präferenzen man vertritt.


    Danke, stahlbauer, für die sehr gute Darstellung in deinen letzten Beiträgen.

  • In der heutigen Printausgabe der LVZ steht ein weiterer Artikel zur Jahnallee 61


    "Ein Mahnmal gegen den Krieg"
    Zeitzeuge Robert Petzold besucht Capa-Haus / Großes Medieninteresse für ruiniertes Gebäude


    Auf Einladung der ARD besuchte gestern der 79-jähriger Robert Petzold das vom Einsturz bedrohte Capa-Haus in Lindenau. Er wurde vor Ort für die "Tagesthemen" interviewt. Seine Familie lebte von 1937 bis 1947 in jener Wohnung, in welcher der bedeutende Kriegsfotograf Robert Capa besonders bedrückende Bilder vom Tod eines US-Soldaten bei der Befreiung Leipzigs 1945 angefertigt hatte.


    Abschliessend wird betont, die Stadt Leipzig bemühe sich weiter intensiv darum, den Abriss zu verhindern. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sagte gegenüber der LVZ: "Ich habe das Baudezernat gebeten, im Rahmen des Verantwortbaren alles zu unternehmen, um dieses Haus und die ganze Ecksituation zu erhalten. Dies übrigens nicht nur aus historischen Gründen, sondern auch, um die weitere Entwicklung des Quartiers in Lindenau zu ermöglichen."

  • Der letzte Nebensatz Jungs gibt ja Hoffnung darauf, dass tatsächlich auch eine langfristige Chance für das Haus besteht, auch dann wenn das Medienecho in Bezug auf Capa & Co. irgendwann abzuebben droht. Ich habe mir die Situation heute auch mal zufällig selbstz angeschaut und muss sagen, dass die Ecke unter einem Abriss dramatisch leiden würde.

  • Es regnet und schneit doch seit dem Brand jetzt jeden Tag, seit also knapp zwei Wochen, in das offene Dach rein, oder? Ist es wirklich so schwer, das wenigstens mit ein paar Planen aus dem Baumarkt abzudecken? Oder braucht's dafür deutschlandtypisch auch erstmal fünf juristische Gutachen? Irgendwie kommen mir bei sowas irgendwelche Bekenntnisse von offizieller Stelle zum Erhalt des Hauses gelinde gesagt hohl vor...

  • Kurz ist gut, das ist ein recht ausführlicher Bericht und es wird denke ich auf jedenfall zuträglich sein das Gebäude zu erhalten. Bisher war außerhalb von Leipzig wohl kaum Jemand die Situation dort bekannt.

  • Notsicherung Eckbau und Holzveranda


    Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau informiert, dass seit heute eine Sicherung der Jahnallee 61 stattfindet. Das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege hatte dies in Auftrag gegeben. Der Eckbereich im dritten Obergeschoss ist einsturzgefährdet. Außen wird eine Stützkonstruktion aus Holzbalken angebracht mit Rückverankerung durch Stahlseile an tragenden Gebäudeteilen im Inneren des Hauses.

  • Hervorragende Nachrichten! Toll wäre, wenn noch eine Notsicherung des Daches hinzukommt. Aber vielleicht hat sich das sowieso bald erledigt, wenn das Haus morgen (?) erfolgreich versteigert werden sollte.

  • Auch das sehe ich anders. Die Eigentumsverhaeltnisse, die so schlimm verwickelt gar nicht sind und auch nicht waren, denn sonst haetten die Haeuser nicht staendig weiterverkauft werden koennen, dueften nach der Zwangsversteigerung am 10. Februar gaenzlich geklaert sein.



    Da kennst Ihr die Tricks von Klemmer (Vicus AG) nicht. Der Verkauft eine Immobilie gerne mal innerhalb seiner Briefkastenfirmen hin und her. Dabei werden die Verträge durch nicht bezahlte Gebühren (z.B. Kosten für den Negativbescheid/Vorkaufsrecht) blockiert, und sind somit "schwebend unwirksam" wie es so schön heißt. Gleichzeitig läßt er Grundschulden in mehrfacher Höhe des Wertes eintragen. Auf diese Weise blockiert er eine Immobilie über Jahre........ Somit kann kein potentieller Käufer oder Insolvenzverwalter die Immobile verwerten!


    Mich würde nicht wundern wenn der Dachstuhl abgefackelt wurde, damit die Versteigerung verhindert wird, bzw. damit keiner mehr Interesse hat zu ersteigern...... Der Gläubiger ist ja hier eine Bank. Wenn die Vicus noch eine Grundschuld im zweiten Rang hat, dann würde sie bei einer Zwangsversteigerung leer ausgehen...... also muss das verhindert werden!

  • Die BILD-Reporter_innen waren offenbar schneller wieder in der Redaktion als ich zu Hause. Ich war auch dort und es war eine sehr interessante Veranstaltung. Das erste Gebot, das nur knapp über dem Mindestgebot lag, war von der GRK-Holding AG abgegeben worden. Deren Abgesandten stiegen aber bereits aus, als das nächste Gebot nur wenig darüber lag. Dann folgten ein kurzer Massenstart, bei dem u. a. der im Leipziger Bauerbe-Thread bereits mehrfach erwähnte Tarik Abid an den Start ging. Letztlich lief es auf einen Endspurt zwischen der Marko Künne Gesellschaft für Haus- und Grundbesitz mbH und besagter Zahnärztin aus Warendorf (zwischen Münster und Gütersloh) hinaus, den sie mit je 35.000 Euro für die Jahnallee 61 und die Luppenstraße 26 und 55.000 für die abgebrannte Luppenstraße 28 für sich entscheiden konnte.


    Lustigerweise wandte sich Marko Künne direkt danach an die GRK-Vertreter (?), zumindest aber Leute einer Sanierungsfirma, und flüsterte ihnen zu, dass er die Häuser gerne wieder direkt an sie verkauft hätte. Nun ja, das Geschäftsmodell ist ja nicht neu:
    http://www.deutsches-architekt…d.php?p=320833#post320833


    Die Zahnärztin verschwand direkt nach dem Schluss der Versteigerung, offenbar ohne einen längeren Kommentar zu ihren Plänen zu den zahlreich anwesenden Medienvertreter_innen angeben zu wollen. Aber im direkten Vergleich mit dem Mitbieter besteht nun zumindest die Hoffnung, dass das Haus demnächst tatsächlich gesichert wird. Das Telefon in Warendorf dürfte in nächster Zeit häufiger klingen, hoffentlich erfahren wir demnächst mehr aus der Presse. Noch wurde der Zuschlag allerdings nicht erteilt, die Verkündung der Entscheidung über den Zuschlag ist für nächsten Freitag angesetzt.

  • Die Dame, die das höchste Gebot abgegeben hat und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nächsten Freitag den Zuschlag erhalten wird, ist übrigens auch schon bei anderen Sanierungen in Leipzig Bauherrin, zumindest bei der August-Bebel-Straße 38: http://www.fg-hv.de/upload/documenten/Grundrissab38hp.pdf.


    Für die Sanierung des Hauses war 1991/92 der HIERONYMUS-LOTTER-PREIS vergeben worden, aktuell steht offenbar lediglich ein Umbau des Erdgeschosses an:
    http://www.fg-hv.de/wohnungsan…strae-38-hochparterre-eg/
    http://www.rel-leipzig.de/haup…obilien/august-bebel-str/
    http://www.his-bremen.de/his_site/fassad1.html

  • Derweil tut sich trotz aller Lippenbekenntisse zum Erhalt des Gebäudes erstmal faktisch gar nichts. Neu erscheinen nur die Sicherungsplanen vor den Risaliten, die jedoch auf den West- / Südwestteil des Gebäudes beschränkt sind. Und wenn ich den Schnee auf dem weitgehend nicht mehr existenten Dach sehe, wird mir jedenfalls ganz übel. Was Feuchtigkeit bei Frost- und Tauwetter einer weitgehend auf Holz basierenden Konstruktion antut, dürfte bekannt sein.


    Nachfolgend dank meiner lieben Schwester ein paar aktuelle Bilder von heute morgen.



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  • Neu sind nicht die blauen Netze, die hängen schon ein paar Jahre dran, sondern diese Holzkonstruktionen an der Ecke der Jahnallee 61, die auf dem mittleren Bild in der oberen linken Ecke unter dem Dach zu sehen ist und die das Abstürzen der Gebäudeecke verhindern sollen. Da gibt es bereits den einen oder anderen Riß.


    Die Stadt Leipzig kann nach derzeitiger Rechtslage und Finanzsituation mal nicht eben ein Notdach aufbringen, sondern hat mit diesen Maßnahmen lediglich eine Gefahrensituation für die Öffentlichkeit abgewendet. Alles weitere obliegt nun der neuen Besitzerin.


    „Der Eckbereich im dritten Obergeschoss ist einsturzgefährdet. Eine von außen anzubringende Stützkonstruktion aus Holzbalken soll den Eckbereich und die Holzveranda auf der Straßenseite sichern. Die Arbeiten werden von einem Hubsteiger aus erledigt.“ Die Notsicherung diene der Gefahrenabwendung und dem Schutz Dritter. Sie verhindere nicht, dass weiter Wasser eindringt und noch andere Gebäudeteile geschädigt werden. „Zur Rettung des Gebäudes wäre es erforderlich, unverzüglich das Dach abzudichten und die geschädigten Bauteile instand zu setzen. Die Veranlassung dieser Arbeiten obliegt aber dem Eigentümer“, so ein Sprecher der Stadt vor wenigen Tagen.


    LVZ-Online, 01.02.2012
    Notsicherung am Capa-Haus in Leipzig-Lindenau: Stadt will Einsturz verhindern
    Jens Rometsch
    http://www.lvz-online.de/leipz…/r-citynews-a-123560.html