Leipzig: Areal Deutrichs Hof

  • Laut dem Buch "Leipzig - Gestern, Heute und Morgen" von Ameli Möbius lagern Reste der Fassade und des Galeriehofes seit Abbruch im Jahr 1968 im Grassimuseum. Ursprünglich wurde die Ruine gesichert um einen späteren Wiederaufbau des ältesten erhaltenen Bürgerhauses der Stadt zu ermöglichen. Eine große Abrissaktion in besagtem Jahr verschonte das Gebäude dann aber leider nicht.

  • Ich habe den Besuch auf dem Weihnachtsmarkt heute dazu genutzt, mir die Situation vor Ort mal genau anzusehen - es stimmt, der Versatz ist an der Stelle nicht sehr groß - vier Meter würde ich da als Maximum ansehen.

    Ich hoffe, dass bald die Neugestaltung des Bereichs um den Pinguinblock startet und das von User Markkleeberger erwähnte Gebäude entsteht. Dann wird man die städtebauliche Situation sicher noch besser beurteilen können bzw. die Notwendigkeit, auf die Grundstückseigentümer des Parkplatzes und der Zufahrt im Schumachergäßchen Druck auszuüben vielleicht eher sehen.


    Ich bleibe aber bei meiner Meinung, dass die Reichsstraßenplatte nicht schützenswert ist. Mit dem Brühlpelz hat man ein Gebäude erhalten, das den städtebaulichen Ansatz der Abkehr vom Blockrand zeigt und das ich als Platzhalter für diesen Aspekt sehen würde. Falls sich die LWB also entscheiden sollte, das Gelände zu verkaufen bzw. selbst neu zu bebauen, sollte dies ermöglicht werden. Wobei ich nicht glaube, dass dort überhaupt etwas passieren wird, so lange das Matthäi-Viertel noch nicht wieder bebaut ist - so groß scheint die Nachfrage nicht zu sein. In den nächsten 10-20 Jahren sicher nicht.


    Zu erhaltenen Bauteilen - laut einem Beitrag im APH-Forum von 2008 existieren mindestens von Deutrichs Hof ein Torbogen sowie einige Holzstützen und von Amtmanns Hof ein Torbogen. Ich würde aber nicht unbedingt damit rechnen, dass diese in einen Neubau integriert werden.

  • Ende der 90er sollte das Areal um Deutrichs Hof übrigens mit vier etwa gleichgroßen Einzelgebäuden, die sich um ein Passagenkreuz gruppieren, bebaut werden. Eine der beiden Passagen hätte die Nikolai- mit der Reichsstraße, die andere das Schuhmachergäßchen mit einem Kinokomplex (8 Säle für 2000 Besucher) verbunden. Die Wiederherstellung der Fassade von Deutrichs Hof war vorgesehen und die Fassade des angrenzenden Neubaus hätte den verschwenkten Straßenverlauf nachgezeichnet. Für die Planung damals verantwortlich war gmp, die auch die Neue Messe geplant haben.


    Damit dürfte dieses Projekt gemeint sein:



    im Detail


    Die Idee mit den Passagen ist nicht schlecht, der Visu nach zu urteilen wäre es aber wohl ein ähnlich unpassender Klotz wie Galeria Kaufhof mit einem Reko-Feigenblättchen geworden.


    Ursprünglich wurde die Ruine gesichert um einen späteren Wiederaufbau des ältesten erhaltenen Bürgerhauses der Stadt zu ermöglichen.

    Dem entspricht auch die Planung für den Sachsenplatz, bei der das Spitzdach von Deutrichs Hof gut zu erkennen ist:




    Vielleicht auch noch interessant, dass die Fassade in den 20ern mal modernisiert und in den 30ern wieder zurückgebaut wurde:



    links ca. 1930, rechts ca. 1940 (Angaben ohne Gewähr)

  • Insgesamt bin ich hin- und hergerissen, da auch der Stadtraum aus DDR-Zeiten erhaltenswerte Züge hat.


    Da geh' ich mit. Eine bessere Durchgängigkeit zur Nikolaistraße unter Wiederherstellung ehemaliger Passagenverbindungen wäre schon wünschenswert, und durchaus auch sofort unter Erhaltung des Blockes möglich.

    So verschieden sind die Wahrnehmungen. Wenn ich mir das ANSEHE , kann ich weder einen attaraktiven -und damit erhaltenswerten Stadtraum erkennen- noch hätte ich eine Idee, wie hier die Hinterhofsituation abgemildert werden könnte.

  • Als kleines Kind habe ich gemeinsam mit meinem Vater zugeschaut, wie Deutrichs Hof (oder die Reste davon) mit einer Abrißkugel herausoperiert wurde. Bis in die 60er Jahre stand da also noch etwas.

  • Die Fassadenrekonstruktion von Deutrichs Hof wurde bereits 1987 auf der Bauausstellung der DDR in Berlin(Ost) gezeigt - vgl. das Bild aus der Zeitschrift "Architektur der DDR" 1'88, Seite 21 (ein Modellfoto findet sich auf S.22). Von der Reichsstraße aus war eine Passage zum Nikolaikirchhof vorgesehen, die in das Bürohaus am Nikolaikirchhof aus den 1970ern (?) integriert werden sollte. Mit dem heutigen Hotelneubau an gleicher Stelle scheint diese Option wohl nicht mehr verwirklichbar. Bleibt zu hoffen, dass das Stadtplanungsamt dem Investor die Fassadenrekonstruktion vorschreibt.">dscf0281n4j0c.jpg

  • Warum sollte eine Fassadenreko vorgeschrieben werden? Weder steht vom Gebäude noch etwas, noch wurde es heimlich abgerissen. Mehr als 50 Jahre nach Abriss einen Abklatsch auf die Fassade eines Neubaus zu bappen, stellt das alte Gebäude mit seiner Geschichte auch nicht wieder her. Ich möchte lieber etwas Neues sehen, was des Standorts würdig ist. Darauf würde ich den hypothetischen Bauherrn verpflichten. Abgesehen mal davon standen auf dem betreffenden Grundstück drei Gebäude, wenn ich das richtig zuordne - Deutrichs Hof, Amtmanns Hof und das Messehaus "Leipziger Hof". Das folgende Grundstück, das laut User Markkleeberger neu bebaut werden soll, müsste das ehemalige von Löhrs Hof sein. Korrekturen sind willkommen.


    Natürlich wünsche ich mir, wie vermutlich die allermeisten hier, dass der Abriss seinerzeit nicht erfolgt wäre - aber es ist nun mal geschehen und nicht ernsthaft wieder rückgängig zu machen. Fototapete zählt in meinen Augen nicht.

  • ^

    Ich denke, viele Leipziger wünschen sich durchaus die eine oder andere Reko mehr in unserer Stadt. Und im Anschluss an das abgehackt wirkende Eckgebäude des Riquet Cafés halte ich einen harmonischen Übergang zu einer "Fototapete" für durchaus angemessen - zumindest den direkten Anschluss betreffend. Wie "etwas Neues, was des Standorts würdig" ist am Ende ausgehen kann, zeigt sich in Leipzig an anderer Stelle zur Genüge. Leipzig sollte meiner Meinung nach durchaus öfter einmal den Mut zur Reko haben. Der Dresdner Neumarkt macht es erfolgreich vor. Niemanden interessiert es am Ende, ob es saniert oder rekonstruiert ist - ausgenommen vielleicht einige Architekten und Fachleute, resp. Mitglieder dieses Forums ;) Und wenn ich einmal beim Fettnäpfchen bin: Die Reichsstraßenplatte gehört m.M.n. rückgebaut, um eine gescheite Blockrandbebauung zu ermöglichen.

  • Von unterschiedlichen Meinungen und daraus entstehenden Diskussionen lebt ja so ein Forum - mal sehen, wie lange man sich Zeit mit der Neubebauung der Grundstücke lässt.


    An anderer Stelle fand ich ein Bild von Deutrichs Hof (und offenbar einem Teil der Hofgebäude von Amtmanns Hof) von 1966. Auch im SSC-Forum ist eine interessante Bilderreihe zu sehen - darf man eigentlich dorthin einen Link setzen?

  • ^Herzhaften Dank fuer die Verknuepfung zum Photo 1966. Es zeigt, dass es gar keinen "harmonischen Übergang" vom Riquet (Jugendstil) zu Deutrichs Hof (Spaetrenaissance) gab. Deren Stile waren einfach zu unterschiedlich.

  • Leipzig sollte meiner Meinung nach durchaus öfter einmal den Mut zur Reko haben. Der Dresdner Neumarkt macht es erfolgreich vor. Niemanden interessiert es am Ende, ob es saniert oder rekonstruiert ist -

    Du hast das Problem genau angesprochen und zeigst, vermutlich unfreiwillig, dass rekonstruieren nicht wirklich belohnt wird. Wenigstens in Leipzig nicht.

  • In der Tat - und da hat 'Birte' recht - stellt sich ganz allgemein die Frage, warum denn 'Deutrich's Hof' denn eine Rekonstruktion werden sollte? Da sollten einfach nutzungs- und gestaltungsbedingte Faktoren eine Rolle spielen. In einem wie von 'Baluster' und 'Rundling' gezeigten Gesamtensemble, welches den kompletten Blockrand ohne wirkliche gegliederte Fassadenabschnitte bildet, verschwindet 'Deutricht's Hof' komplett. Dazu sogar noch das 'Riquet' mit seiner schmalen Fassadenseite an der Reichsstraße.


    Wenn es aber eher eine kleinteiligere Fassade/Blockrand werden soll, dann wäre schon zu überlegen 'Deutrich's Hof' zu rekonstruieren bzw. eine Neuinterpretation (aber bitte nicht wie beim 'Thüringer Hof' I und II) in den alten Maßen anzustreben. Was dem Gebiet wohl eher zugute kommen würde als eine komplette und einheitliche Blockrandfassung. Da sie so auch nie - im Stile von 'Speck's Hof', 'Handelshof', 'Reichshof' - verwirklicht wurde. Das blieb dort ja aus.


    Ich tue mich mit Rekos immer sehr schwer. Sehe aber durchaus Sinn, wenn es um einzelne Teile (z.B. Albertina I und II) oder kleinerer Teile in einem Gesamtbild geht. Also falls sich eine mehr oder minder Gesamtplanung für diesen Bereich durchsetzt, mit einer kleinteiligen Fassadengliederung wäre eine Rekonstruktion der Fassade durchaus denkbar. Der Effekt durch das Salzgäßchen zum Markt sicher auch eine Bereicherung.

  • Ich finde Rekos nicht mutig - im Gegenteil. Es ist das Zurückziehen auf etwas Bekanntes. Daran ist per se nichts Schlechtes und ich leugne nicht, dass das Raumgefühl rekonstruierter Straßenzüge sicher dem Original nahe kommt - wenn auch ohne die Geschichte. Es ist für mich die Wiederherstellung eines eingefrorenen Zustands, wie ein Abziehbild. Ähnlich einem Freiilichtmuseum. Die Welt hat sich aber seit der Zerstörung der Gebäude weiter gedreht und somit ist (für mich) ein nach langer Abwesenheit wieder errichtetes Gebäude ein Fremdkörper.

    Na klar könnte auch ich ins Heulen kommen, wenn ich an das Zerstörte denke - wobei Deutrichs Hof nicht auf den ersten zehn Plätzen meiner persönlichen Liste steht - aber Geschichte hinterlässt nun mal Spuren.


    Was wünsche ich mir für das Areal? Ich hätte gern eine Passagenlösung vom Schumachergässchen aus, eine einigermaßen kleinteilige Fassade und einen hohen Wohnraumanteil mit Öffnung nach außen, d. h. Balkone zur Straße - für Leute, die es genießen, mittendrin als Teil der Innenstadt zu leben. Hoffentlich wird es kein Hotel werden. Die Innenstadt braucht mehr ständige Bewohner.

  • Vielleicht auch noch interessant, dass die Fassade in den 20ern mal modernisiert und in den 30ern wieder zurückgebaut wurde:

    Ich vermute, dass die Fassade nicht grundlegend verändert wurde. Das auf ca. 1930 datierte Foto wurde ausgerichtet und dabei vertikal gestaucht. Dadurch wirken die Fenster und der Erker deutlich schmaler.


    In den nächsten Jahren wird sich dort wohl nichts bewegen. Wenn doch, bleibt zu hoffen, dass eine Lösung für das gesamze Areal bis zum Brühl gesucht und gefunden wird. Dabei sollten die Wiederherstellung einer relativen Kleinteiligkeit und die Qualität - auch der Nutzungsmöglichkeiten- im Vordergrund stehen.


    Eine wirkliche Qualität des Straßenraumes kann ich gegenwärtig nicht erkennen. Wenn das geschaft ist, kann der Block Markt/Katharienenstraße, Salzgäßchen, Böttchergäßchen und Reichsstraße in Angriff genommen werden.

  • Birtes Erklärung trifft es ganz gut und Rekos treffen eher den Geschmack weiter Bevölkerungsteile als die der sachkundig / tiefgründig mit der Materie Vertrauten.


    Für das Zentrum steht die Frage dringender am Matthäikirchhof an. Weniger am Bauvolumen der Kirche selbst, eher bei den Bau- und Grundstücksstrukturen des vormaligen Hofes. In dem recht neuen Buch über die 100 verlorenen Bauten im Zentrum sind gute Übersichten zur westlichen Fleischergasse und dem Kirchhof enthalten. Eine Reko wäre gewiss "postkartenidyllisch", weit wichtiger fände ich persönlich das die Stadträume wieder so urban funktionieren. Das muss nicht mit schiefen Fachwerk sein... Und bestimmt auch nicht mit einem Ersatzklotz für den momentanen Stasi-Klotz.

  • Blick vom Dittrichring auf den Matthäikirchhof. Die barocke Häuserfront wurde bekanntermaßen nach 1900 gründerzeitlich bzw. im Reformstil überformt.

    Wenn ich diese Bild sehe, dann blutet mir, trotz der Schönheiten, der Gründerzeit und der ganzen Neoostilarten, schon ein wenig das Herz. Da sieht man, was die Gründerzeit letztendlich "zerstört" hat. Da kann man m.E. die Diskussion um die Blechbüchse oder die Diskussion um Retro schon ein bißchen anders sehen. Historismus und Co. sind auch kein "Original".


    Aber eine Entwicklung als Wohnviertel mit kleinteiliger Bebauung, wäre ein absoluter Gewinn. Denn Handelsfläche gibt es schon genug in der Stadt und die Stadt ist ja im Grunde schon ein einziges Shopping-Center. Bei Abyssalon klingt das aber eher nach Stadthäusern


    Da zitiere ich einfach mal aus dem Matthaei-thread. Welche Strukturen sollen's denn sein, welche Zeit ist genehm? Wegen der Ueberbauung wird eine Orientierung schwierig. Das gilt m.E. fuer Matthaei wie fuer Deutrichs.

  • Die LVZ berichtet, dass für einen Teil von Deutrichs Hof eine Baugenehmigung erteilt wurde. Zumindest für ein 1700 Quadratmeter großes Stück der mehr als 4000 Quadratmeter großen Fläche. Es handelt sich wohl um die beiden nördlichsten Flurstücke direkt neben dem LWB Block Reichsstraße 16-18. Geplant sind Wohnungen sowie Läden im Erdgeschoss. Der Neubau soll „eine zeitgenössische Architektursprache“ erhalten. Vielmehr Infos gibt es leider noch nicht.

  • ^ Erstmal eine sehr gute Nachricht. Damit verkleinert sich der Parkplatz schon mal etwas. Ich habe den DAFmap-Eintrag mal um die Umrisse der beiden Flurstücke (gemäß der Angaben beim Stadtplan Leipzig) erweitert, wobei ich mit den offiziellen Angaben nicht ganz auf die 1700 m² komme. Vermutlich gab es im Innenbereich noch kleinere Anpassungen an den Flurstückgrenzen.

  • Wirklich sehr interessant, zumal damit schon mal eine gewisse Kleinteiligkeit für die weitere Bebauung vorgegeben ist, die mit der hoffentlich zu erfolgenden Fassadenrekonstruktion von Deutrichs Hof weitergeführt wird. Man darf noch hoffen, und gespannt sein.