Leipzig: Gentrifizierung (ehem. "Windmühle vs. Abschwiff")

  • Definitionsfragen und Kritik der Gentrifizierungskritik

    Zur Frage, was unterschiedliche Leute unter dem Begriff Gentrifizierung verstehen, mal drei Artikel aus der heutigen taz, in denen es zwar primär um Berlin geht, aber was prinzipiell auch auf Leipzig zu übertragen ist:


    taz, 26.05.2012
    Streitthema Mieten in Berlin
    Kotti wird ein teures Pflaster
    http://www.taz.de/Streitthema-Mieten-in-Berlin/!94099/


    Was passiert in Neukölln?
    "Gentrifizierer in jedem 4. Haushalt"
    http://www.taz.de/Was-passiert-in-Neukoelln/!94101/


    Streitthema Gentrifizierung
    Eine Frage der Definition
    http://www.taz.de/Streitthema-Gentrifizierung/!94103/


    In dem letzten Artikel wird die Kritik am Begriff und Modell der Gentrifizierung angesprochen, die so oder so ähnlich auch in Leipzig bzw. hier im Forum zu hören war und ist. Sie reicht von dem Vorwurf des "Konservatismus" - Gegner der Gentrifizierung würden die normale Stadtentwicklung und die notwendige Modernisierung von Wohnraum ablehnen - bis hin zur verkürzten Kapitalismuskritik. Laut taz fragen inzwischen auch viele linke Gruppen kritisch, wer denn überhaupt definieren darf, was gute und schlechte Läden oder Kultureinrichtungen sind, oder wer denn gemeint sei, wenn von der Verteidigung "unseres Kiezes" die Rede ist. Dürfen in einem Viertel nur jene wohnen oder entscheiden, die schon lange dort leben oder gar geboren sind?


    Besonders in letzter Zeit wird in Leipzig behauptet, Gentrifizierungskritik wäre eine primär linke (Phantom-)Debatte. In dem Zusammenhang ist vielleicht auch von Interesse, wie einige radikale Linke aus dem Umfeld des Conne Islands in Connewitz dazu stehen. Hier gibt es eine Vorbereitungsgruppe „Disneyland des Unperfekten“, die unter diesem Titel bereits Ende Januar eine Diskussionsveranstaltung zu Prozessen der Stadtentwicklung und Verdrängung mit der Leipziger Geografin Romy Zischner und dem Berliner Stadtsoziologen Andrej Holm organisiert hatte.
    http://www.conne-island.de/nf/192/4.html
    Mitschnitte unter http://www.freie-radios.net/46946


    Nun laden sie am Mittwoch, den 30.05.2012, unter dem Titel "Mythos der Stadt" zu einer weiteren "Diskussionsveranstaltung zur Kritik der politischen Ökonomie der Stadt" mit dem radikal linken Philosophen und Sozialwissenschaftler Roger Behrens ein ( http://de.wikipedia.org/wiki/Roger_Behrens ). Dieser hat 2010 in der kommunistischen-"antideutschen" Vierteljahreszeitschrift "Phase 2" einen eher schwer lesbaren Essay "Zur Kritik der politischen Ökonomie der Stadt" veröffentlicht: http://phase2.nadir.org/rechts.php?artikel=777


    Hier der meines Erachtens ebenfalls ziemlich verschwurbelte Einladungstext zu der Veranstaltung am nächsten Mittwoch:


    http://www.conne-island.de/termin/nr3548.html


    In den zuletzt auch in Leipzig vehement geführten Diskussionen um Gentrifizierung, Verdrängung, urbane Entwicklung und ganz allgemein „Stadt“ schien in den meisten Fällen klar, wer das Feindbild ist. An konkreten und zu Recht kritisierten Fakten – Mietsteigerung, Freiraumschwund oder Luxussanierung – mangelte es in der Regel nicht, bisweilen aber an der Anbindung der Frage, was die derzeitigen Auseinandersetzungen um „Stadt“ mit Vergesellschaftung und Kapitalismus zu tun haben.
    Zu konstatieren ist im Moment auch die Heterogenität, Individualität und Selbstbezogenheit der Gentrifizierungskritik. Es geht um die eigene Miete, das gefährdete Atelier und die vertraute Kneipe nebenan. Im Streit um (Über)lebenspraxen und Alltagskritik existieren allerdings kaum Rückkopplungen mit theoretisch-emanzipatorischen Bewegungen. Und überhaupt, manchmal wirkt es so, als ob sich aktuelle Politikansätze und Freiraumdebatten im Unterschied zu den Häuserkämpfen der siebziger Jahre nur noch schwer von gegenwärtigen administrativen Maßnahmen der „behutsamen“ Stadterneuerung unterscheiden lassen. „Wächterhäuser“ und „Guerilla Gardening“ gelten hier schon als politische Konzepte. Zwar wird „das Recht auf Stadt“ proklamiert, wer dies allerdings in welchem Namen gegen wen durchsetzt und wie das überhaupt funktionieren soll, erscheint unklar.


    Die Veranstaltung mit Roger Behrens setzt bei der Frage nach den AkteurInnen an, möchte gleichzeitig aber auch diskutieren, wie Veränderung, Modernisierung und Verbesserung der Lebensqualität – eigentlich genuin linke Anliegen – und die aktuellen Verschlechterungen und zunehmenden stadträumliche Ausschlüsse, die mit dem (Kampf)-begriff Gentrifizierung gelabelt werden, zusammen gehen. Dafür lohnt auch ein Blick in die Geschichte des kapitalistischen Wesens der Stadt. Während die kapitalistische Stadt des neunzehnten Jahrhunderts die Stadt des Klassenkampfes im Übergang vom Absolutismus zur Moderne war, vollzog sich in der fordistischen Variante die formale und strukturelle Durchkapitalisierung aller menschlichen Beziehungen durch das städtische Leben. Dieser Prozess ging dabei weit über die Architektur hinaus. Die Bedeutung der Verwandlung der Stadt in den für den Kapitalismus bestimmten Ort bleibt heute weitestgehend unsichtbar, verbindet sich in die Erscheinungen des Alltags und zeigt sich in der konkreten Praxis städtischen Lebens. Die Frage ist daher auch, was die „Stadt“ von heute eigentlich ausmacht? Kann es Modernisierung ohne Ausgrenzung und Verdrängung geben? Und schafft es die Kritik der politischen Ökonomie der Stadt, politische Handlungsspielräume auch für kapitalismuskritische Positionen auszuloten?

  • ^ Anders gesagt: Es gibt in Leipzig Luxuswohnungen, die woanders - auch mangels Angebot - sich kaum einer leisten kann. Stuck & Schnörkel, Dielenboden und hohe Decken sind eher Regel als Ausnahme. Der Bedarf an modernen, aber ebenso luxeriösen Wohnungen, wird mit verschiedenen Neubauprojekten zunehmend gedeckt (Beispiel).


    Ansonsten werden auch in Leipzig keine Viertel ent-, sondern durchmischt - zum Wohl aller. Über 90 Prozent der Leipziger Bevölkerung sind seit der Wende ohnehin mindestens einmal schon umgezogen. Es gibt in der Kernstadt keine kleinteilige und gefestigte Miet- und Eigentümerstruktur. Wem's zu voll, zu laut, zu teuer oder zu bunt wird, zieht einfach irgendwoanders hin, wo's ihm besser gefällt und ohne dass er auf den Gedanken kommt, dass er mal eben weggentrifiziert wurde. Zu Beobachten ist dieser Trend beispielsweise in der Südvorstadt oder in Schleußig. Viele, die vor ein paar Jahren erst dorthin gezogen sind, ziehen aus genannten Gründen von dort wieder weg. Und wenn die Umzugskarawane jetzt auch Viertel erreicht, die vorher Tabu waren, dann ist das für die Durchmischung umso besser.


    Das Asylbewerberheim in der Torgauer Straße schließt nächstes Jahr. Die 290 Asylanten werden ab November 2013 dezentral in 6 Altbauten der LWB untergebracht. Statt künftig ausgegrenzt hinter Stacheldraht, wohnen sie künftig verteilt über die Stadt, die Wohnfläche pro Bewohner steigt, Familien erhalten abgeschlossene Wohneinheiten und die Zahl der Sozialarbeiter für die z.T. schwer traumatisierten Menschen wird verdoppelt. Die Mehrkosten i.H.v. 325000 Euro pro Jahr trägt die Stadt. Auch bei diesem konfliktreichen Vorhaben setzt Leipzig auf Pluralität und Durchmischung. Wo gibt's das sonst noch im erzkonservativen Sachsen?

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  • Weiterer Erfahrungsbericht aus dem Waldstraßenviertel

    Hier noch ein Erfahrungsbericht aus dem Waldstraßenviertel, diesmal aus der Leibnizstraße und bereits von Anfang 2010. Die Sanierung des Hauses ist hier im Bauerbe-Forum dokumentiert.


    Feierabend! Libertäres Monatsheft aus Leipzig Nr. 37, Mai-Juli 2010
    Mietshaus in der Zange der Immobilienhaie
    http://feierabendle.net/index.php?id=38
    http://feierabendle.net/fileadmin/pdf/FA_37.pdf S. 4-5

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  • dir ist aber schon klar, dass ein hundertjähriges haus ohne sanierung früher oder später unbewohnbar wird - und dann überhaupt keiner mehr drin wohnen könnte?


    und dir ist klar, was eine heizung, neue fenster und sanitäranlagen kosten? und das sie auch nicht billiger wären, wenn der eigentümer nur schnäppchenmieten verlangen würde?


    die große verdrängung aus altbauten hat in der ddr stattgefunden, als häuser reihenweise aufgegeben, gesperrt oder abgerissen wurden, weil sie mit lächerlich niedrigen mieten einfach nicht zu erhalten waren. man kann nur über jedes haus froh sein, das durch sanierung diesem schicksal entgeht.


    es mag ja sein, dass lustigen studenten-wgs ein kaputtes dach nichts ausmacht. dem haus aber schon. und wenn das dach nicht repariert werden kann, sind irgendwann nicht nur die studenten weg, sondern das haus gleich mit.


    und was auch mal erwähnt werden sollte: es ist bei den beispielen ja nun offensichtlich, dass sich durch den umzug der wohnkomfort der mieter gelinde gesagt nicht verschlechtert haben dürfte...


    sind das dann jetzt "gentrifizierungsopfer" oder "- nutznießer"? was sagt denn die gentrifizierungsforschung dazu?

  • Geograph,


    bitte was ist an deinem Beispiel jetzt noch mal explizit skandalös? Wenn der Mieterverein den Studenten schon zum Auszug rät, kannst du davon ausgehen, dass alles rechtens und gerecht ist. 1000 Euro bei sowie mietfrei bis Auszug und dann noch den Umzug von der neuen Eigentümerin finanziert. Wer in Bruchbuden für wenig Geld einzieht, das suggeriert dein Beispiel, muss wissen, dass dies nur eine Interimslösung sein kann. Wenn die neue Eigentümerin das Haus saniert, muss man eben raus. Wenn's dann noch Geschenke obendrauf gibt, dann ist doch alles supi. In den 1990er-Jahren mussten übrigens so gut wie alle mindestens einmal umziehen, weil viele marode, aber bewohnte Gebäude saniert worden sind - ohne Geschenke bei Auszug! Ich musste aus diesem Grund sogar zweimal umziehen, wenn ich mein schlimmes Einzelschicksal hier auch mal breittreten darf.

  • @ Geograph


    Also ich muss schon wirklich bitten: Man kann schon sauer werden, als Du beschrieben hast, welche Vergünstigungen Ihr erhalten habt, als Ihr die Mietwohnung verlassen habt. Ihr seid wunderbar gefahren und sehr gut weggekommen. Sonst läuft sowas schon mal als einfaches Briefschreiben, wo binnen normaler Frist der Vertrag gekündigt wird und Feierabend.


    Glückerweise distanzierst du Dich von den linken Spinnern, was ich sehr sehr löblich finde, dennoch offenbart die Beschreibung ein sehr überzogenes Anspruchsdenken. Ihr erhaltet Vergünstigungen, die meines Wissens freiwillig sind und immer noch beschwert Ihr Euch. Da ist Euch nicht zu helfen. Wahrscheinlich wäre Eure Meinung zum neuen Hauseigentümer genau die Gleiche, wenn ihr einfach gekündigt worden wärt. :nono:


    Wie DJ Tinitus sagt: Ihr seid eher Profiteure als Geschädigte. 1000 Euro einstecken für nichts, umsonst wohnen und dann noch den Umzug bezahlt bekommen..? Wo lebt Ihr denn? Wenn Du nicht umziehen willst, kauf Dir eben eine Wohnung!

  • und dir ist klar, was eine heizung, neue fenster und sanitäranlagen kosten? und das sie auch nicht billiger wären, wenn der eigentümer nur schnäppchenmieten verlangen würde?


    Das klingt so, als wäre Dir nicht klar, dass Miete keinen Nettogewinn darstellt, sondern auch dem Erhalt und der Erneuerung des Hauses dient.


    Manchmal erledigen Hauseigentümer dringliche Arbeiten nicht, in der Windmühlenstraße zum Beispiel. In den Neunzigern kündigte die LWB überfällige Dachreparaturen an, setzte sie aber nie in die Tat um. Die Mieter halfen sich selbst oder vielmehr dem armen Eigentümer und fingen Regenwasser auf dem Dachboden in Eimern und Wannen auf. Rund 15 Jahre später wird das Haus verkauft und die Mieter, die jahrzehntelang Miete gezahlt haben, ohne dass rückinvestiert wurde, sollen plötzlich für die Moderniesierung blechen? Dafür haben sie längst gezahlt!


    die große verdrängung aus altbauten hat in der ddr stattgefunden


    Verdrängung? Altbauten hatten Außen-WC und waren schwer beheizbar. Dort wurde niemand verdrängt. Dort wohnte, wer woanders nicht unterkam.

  • Am heutigen Sonntag läuft von 16-18 Uhr auf Radio Blau (http://www.radioblau.de/ ) die vierte Sendung der Reihe "Gentri wie bitte?", der Radiosendung zu Stadtentwicklung in Leipzig.


    Es gibt:
    - den aktuellen Stand zur Windmühlenstraße,
    - einen Beitrag zu Hausprojekten mit Stimmen von der Podiumsdiskussion "my hausprojekt is my castle" am 7.5. im sublab,
    - ein Interview mit Prof. Dr. Dieter Rink vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) zu Gentrifizierung in Leipzig und der Rolle der "Pioniere",
    - einen Rückblick auf den kritischen Stadtbummel "Stadtraum als gesellschaftspolitischer Akteur: gestern, heute, morgen" durch Plagwitz und Lindenau mit Britt Schlehahn am 12.5.,
    - Veranstaltungstipps und
    - Musik vor allem zum Thema Stadt.


    Die Sendung kann unter http://www.freie-radios.net/48750 nachgehört werden.

    Einmal editiert, zuletzt von LE Mon. hist. () aus folgendem Grund: Link zu http://www.freie-radios.net/48750 nachgetragen.

  • Nein, das haben sie nicht. Und ehrlich gesagt, wer 15 Jahre lang ein undichtes Dach als Mieter toleriert und nicht auszieht oder per Klage eine Reparatur erzwingt, der ist selber schuld.


    Liegt vielleicht auch an der DDR-Vergangenheit das man sich in den Situationen einrichtet. Ehe man klagt, stellt man eben einfach einen Eimer hin.
    Leben und leben lassen.


    Ich bin in den letzten 15 Jahren in Leipzig 6 mal umgezogen, meistens wegen Sanierung, Abriß usw. Mit knapp 40, Frau und Kind hält sich mein Veränderungswillen nun in Grenzen. Das man als Single einfach seinen Kram packt und umzieht verstehe ich. Mit Familie kommen zu den Kosten eines Umzuges auch die Suche nach Kindergarten, Schule usw. dazu.
    Das bedeutet in unserem Fall Mehrkosten pro Monat ( neue Wohnung in der Größe kostet ca. 250 Euro mehr) von ca. 350 Euro und täglich 1 Stunde mehr an herumfahren. Das muss auch wieder eingefahren werden, kostet mich also wieder Lebenszeit. Wenn dann noch über 400 - 500 Euro Pflichtrentenbeitrag für Selbstständige diskutiert wird steigert das dann die Laune ins unermessliche. Klar kann ich mir ein Haus kaufen - billiger wird es aber auch nicht.
    Warum soll nicht der Vermieter anstelle von 20-30 Mietern leiden?
    Bei den "Künstlern und Linken" handelt sich in der Windmühlenstrasse meist um Kleinfamilien mit ein bis zwei Kindern.
    Hat jemand Zahlen, wie viel Euro pro m² man benötigt um ein Haus, sagen wir 50er Jahre Mehrfamilienhaus, zu erhalten?


    @WolfsheimJena


    Täglich werden Millionen von Verträgen abgeschlossen, bei denen es vorkommen soll, das eine Partei gewisse Vorteile erhält. Manchmal muss man einfach nur auf die Idee kommen zu fragen.

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  • Besitzmittler


    Warum soll nicht der Vermieter anstelle von 20-30 Mietern leiden?


    Ähm, vielleicht weil ihm das Haus gehört? Von welchem Elfenbeinturm aus wird hier eigentlich argumentiert? Wer eine Wohnung mietet, hat keinen Anspruch auf ewiges Wohnrecht. Nicht in Leipzig und nicht auf diesem Planeten.

  • Elfenbeinturm ist unsaniert :)


    Ich gönne jedem Vermieter sein Haus. Es ist einfach die Frage wie man mit seinen vorhandenen Mitteln als Vermieter oder Besitzer umgeht. Das Thema Gewinnmaximierung hatten wir hier schon. Ob man Mieter als Mitmenschen oder Zahlvieh ansieht.
    Sollte einfach mal ein Denkanstoss sein.
    Lebenslange Miete gibt es übrigens auf diesem Planeten, sogar in Deutschland, würde mir vollkommen reichen.

  • Selbst das Lesen vom Statistischen Jahrbuch, Ortsteilkatalog und Wohnungsmarktbericht zeigt schon genügend Tendenzen zur Ausdifferenzierung von "guten" und "schlechten" Stadtteilen


    Obwohl ich in Düsseldorf arbeite (und die 15 Jahre davor - im Raum Düsseldorf), gönne ich mir kein Wohnen dort für 10-15 EUR/Qm, sondern in einer jener recht gesichtslosen Städte im rheinländischen Ruhrgebiet, wo ich unter 5 EUR/Qm zahle. Es ist dort einer der weniger begehrten Stadtteile, eine Wohngenossenschaft-Wohnung, in die ich eingezogen bin, nachdem ich aus der früheren wegen Eigenbedarf rausgeworfen wurde - jetzt habe ich doch praktisch ewiges Wohnrecht, wenn ich nichts besonders dummes anstelle. Dafür sorgen die Nachbarn oft für - sagen wir - soziale Durchmischung. Ähnliche Angebote gibt es in jeder größeren Stadt Deutschlands.


    Es hat schon immer schöne und begehrte sowie ebenso weniger schöne und begehrte Stadtteile gegeben - in einer Marktwirtschaft sind schöne und begehrte Wohnlagen naturgemäss teurer. Ich wüsste nicht, wieso es ein Drama sein sollte - dramatisch war eher der jahrzehntelange Verfall mancher guten Stadtteile, der seit einigen Jahren glücklicherweise endet. Ein richtiges Drama wäre, würde der Verfall fortdauern und die Bevölkerung weiterhin möglichst weit weg von der Stadt ziehen - dieser Zustand wäre ein Problem, nicht sein Ende.


    Und übrigens, das Thema der Sanierung - die Genossenschaft will dieses Jahr Fenster austauschen, meiner Frau und mir wäre die Vermeidung von diesem ganzen Staub lieber. Ich weiß auch nocht nicht, was dies für die Höhe der Miete (Nutzungsgebühr) bedeuten wird. Wenn jemand unbedingt in Tip-Top sanierter Wohnung leben möchte, muss er realisieren, dass jede Modernisierung Geld kostet, das am Ende der Bewohner aufbringen muss. Wenn man es billig haben will, muss man schon Kompromisse akzeptieren.