Leipzig: Gentrifizierung (ehem. "Windmühle vs. Abschwiff")

  • Dann schreibe doch endlich einmal auf wie dies gehen soll ohne die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten ausser Kraft zu setzen oder in Dirigismus zu verfallen. Zwar zitierst du kenntnisreich Marcuse und dergl., praktische Lösungsansätze sehe ich bisher nicht.

  • Schwabenpfeil


    "Denn das würde ja im Endeffekt bedeuten, dass es Leute gibt, die anderen Leuten mittelbar Geld dafür zahlen, dass diese wiederum besser als sie selbst wohnen."


    da stimm ich dir absolut zu. nur den unterschied zwischen transferleistungsempfängern und geringverdienern bezüglich ihrer wohnsituation und möglichen subventionen musst du mir erklären. (wenn ich dich da richtig verstanden habe?). was macht das für einen unterschied. mal abgesehen davon, dass jemand, der erwerbstätig ist, IMMER besser leben sollte, als jmd, der es nicht ist (da rede ich von gesunden personen, die erwerbsfähig sind). aber in dem falle gibt es bereits seit vielen jahren ein hilfsmittel namens "wohngeld", was grundsätzlich jedem zusteht, der keine anderen transferleistungen empfängt.

  • praktische Lösungsansätze sehe ich bisher nicht.


    Das stimmt offensichtlich. Allerdings kannst Du für das, was Du nicht siehst, nicht andere verantwortlich machen. Eine Alternative wurde ja schon zig Mal erwähnt, sie wird immer häufiger bewusst gewählt, sie findet in Leipzig mal basisdemokratisch (Josephstraße), mal komfortabel (Selbstnutzer) Anwendung und lässt sich demotauglich auf den Spruch bringen: "Die Häuser denen, die drin wohnen."


    Dass Wohnen in Deutschland (viel stärker als z.B. im angloamerikanischen Raum, wo breite Schichten im eigenen, günstigen Eigentum wohnen) Investitions- und Spekulationsobjekt ist, ist problematisch. Es geht ums Grundbedürfnis, ein sicheres Obdach zu haben. Dieses Grundbedürfnis ist bedroht, wenn Wohnraum profitorientiert gehandelt wird.


    Vermutlich findest Du auch, dass im Krankenhaus bevorzugt behandelt werden sollte, wer am meisten zahlt?

  • Wir sprechen hier nicht davon, Obdachlosigkeit schönzureden. Es geht um Wohnqualität und die Struktur von Stadtteilen. Dabei geht es nicht um Leben und Gesundheit - ich gehe davon aus, daß Sie das selbst bemerken. Ihr Vergleich hinkt nicht, weil er nicht mal geht.


  • Dass Wohnen in Deutschland (viel stärker als z.B. im angloamerikanischen Raum, wo breite Schichten im eigenen, günstigen Eigentum wohnen) Investitions- und Spekulationsobjekt ist, ist problematisch. Es geht ums Grundbedürfnis, ein sicheres Obdach zu haben. Dieses Grundbedürfnis ist bedroht, wenn Wohnraum profitorientiert gehandelt wird.


    Du hast schon die letzte Jahre mitbekommen, oder? Gerade im angloamerikanischen Raum ist mit der Immobilienkrise doch die Spekulation in breitester Masse erfolgt. Für die steile These, dass in Deutschland noch mehr spekuliert wird, hätte ich gerne Beweise. Ansonsten muss ich einfach grobes Unwissen unterstellen :nono:


    Im übrigen ist gerade in Leipzig anhand des desolaten Zustands sämtlichen Wohnraums in der DDR und der nachfolgenden Sanierungwelle bewiesen, dass profitorientiertes Handeln von Wohnraum genau eben das Grundbedürfnis nach anständiger Wohnung besser erfüllt wird als andersherum.

  • ^ mit den Krediten der häufig wenig solventen Eigentümer ist spekuliert wurden,nicht so sehr mit den Häusern selbst.


    Wohneigentum ist in Amerika i.d.R.deutlich preiswerter als in Deutschland.Hängt nicht nur mit der Ausstattung zusammen,viele Häuser in den Staaten haben lediglich eine Klimaanlage,die zum kühlen und heizen benutzt wird,Dachziegeln sind selten,meist Schindeln.


    Aber auch vergleichbare Häuser sind dort billiger als hierzulande und die Grundstücke auch.In einigen Bundestaaten gibt es keine Grunderwerbsteuer und keine Grundsteuer.


    Betroffen von Gentrifizierung sind häufig alleinstehende Rentner,Geschiedene mit grossen Wohnungen.


    Soziale Durchmischung erreicht man am besten mit Sozialwohnungsbau,allerdings sollte auch ein Bedarf vorhanden sein.Sozialwohnungen in guten Vierteln zu finanzieren und gleichzeitig massiv vorhandene Wohnungen in weniger gefragten Lagen abzureissen,ergibt keinen Sinn.

  • ^ Scheidung kann jedem passieren und Verwitwete trifft es eher weniger,als Geschiedene oder ledige Ältere.
    Alleinerziehende und Migranten denen Beitragsjahre fehlen sind ebenso häufiger von Verdrängungsprozessen betroffen.Damit will ich zum Ausdruck bringen,dass häufig unglückliche Lebensumstände zu geringen Einkommen und Verdrängungsgefahr führen.


    Deutlich zu sehen ist dies z.B. in Kreuzberg 69. Dort sind Türken und Deutsche
    Geringverdiener massiv wegsaniert wurden.


    @ LE.mon.hist. : Andrej Holm als Informationsquelle finde ich immer etwas problematisch.IMHO ist das eher ein Dogmatiker,als ein Wissenschaftler.

  • Ansonsten muss ich einfach grobes Unwissen unterstellen


    Unwissen geht okay. Das führt mir allerdings LE Mon. hist. regelmäßig vor Augen. Natürlich habe ich die "Krise" in den USA mitbekommen. Sie hatte aber nichts mit dem Modell "Besitzen statt Mieten" zu tun, sondern mit einem unseriösen Finanzsystem. Da wurden Kredite bewilligt, die niemals hätten bewilligt werden dürfen.

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  • genau das ist der punkt: zustände wie in anderen städten lassen sich eben nicht auf leipzig übertragen.


    mangels "ausländern" gibt es keine "ausländerviertel".
    mangels millioniären gibt es keine millionärsviertel.
    und durch krieg und ddr gibt es innerhalb der einzelnen stadtviertel einen bebauungs- und damit bewohnermix.


    klar ist am schicken nikischplatz eine luxussanierte altbauwohnung für viele unerschwinglich. aber gleich daneben stehen ddr-bauten mit freien wohnungen. das gleiche gilt für das musikerviertel, die südvorstadt, etc.


    in leipzig geht es also nicht so sehr darum, sich einen bestimmten stadtteil nicht leisten zu können, sondern einen bestimmten wohnstil. das ist aber etwas völlig anderes. und zwar in meinen augen ein reines privatproblem, welches mit schlagwörtern wie "gentrifizierung" oder "segration" anderen leute vor die füße gekippt werden soll.


  • in leipzig geht es also nicht so sehr darum, sich einen bestimmten stadtteil nicht leisten zu können, sondern einen bestimmten wohnstil.


    Sehr gut formuliert!

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  • versteh ich das jetzt richtig? Es geht Dir also nicht um die Verdrängung ärmerer Schichten aus den beliebten Stadtvierteln in die Randlagen, es geht um die Verdrängung einkommensschwacher Schichten aus den Gründerzeitwohnungen in die DDR-Bauten.

  • Ralf Julke widmet sich in seinem Beitrag auf l-iz anläßlich des ersten Quartalsberichtes 2012 für Leipzig auch in ein paar Zeilen dem Thema:


    - nicht nur junge Leute, sondern auch "Besserverdienende" drängen in zentrale Bereiche der Stadt
    - Gentrifizierung sei auch in Leipzig im Gange
    - "Wenn Wohnviertel an Attraktivität gewinnen, greifen simple Marktmechanismen. Dann können Hauseigentümer höhere Mieten verlangen - zumindest versuchen können sie es. Sie können auch wagen, Wohnungen höherwertig zu sanieren. Auf ihr Risiko. Wenn sie dann dafür Mieter finden, steigt zwangsläufig das Mietniveau."
    - der Prozeß sei schon seit einigen Jahren im Gange
    - "Hau drauf-Journalisten" zimmerten immer wieder "Panik-Geschichten" über steigendes Mietniveau


    Insgesamt sehr lesenswert, auch wenn man nicht alles so sieht.

  • ich habe mir mal die Mühe gemacht, auf immoscout24 den Wohnungsleerstand in verschiedenen Städten zu vergleichen.
    Danach werden derzeit Wohnungen wie folgt an den aufgeführten Städten zur Vermietung angeboten:


    Dortmund: 1.587
    Frankfurt: 2.003
    München: 1.640
    Köln: 2.372
    Dresden: 2.289
    Hannover: 1.041
    Leipzig: 10.541

    In der hippen Südvorstadt z.B., im Umkreis von 1 km der Arndtstraße stehen allein 489 Wohnungen zur Vermietung an. Und das bei bundes- und sachsenweit unterdurchschnittlichen m²-Kosten.

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