Zentrale Landesbibliothek [in Planung]

  • Backstein : Selbstverständlich werden gedruckte Bücher nicht durch E-Books ersetzt. Die Zeitbudgets, die früher in gedruckte Bücher flossen, fliessen heute in Soziale Medien. Selbst Studenten lesen heute viel weniger Bücher als noch vor Jahrzehnten. Ich war vor vielen Jahren mal Teil der Buchbranche. Schon damals war klar: Es wird noch viel gekauft, aber das gekaufte weniger gelesen. Heute wird auch weniger gekauft. Das Thema Buch ist für die Mehrheit der Bevölkerung durch. Die Zahlen, die ich zuletzt sah: Bibliotheken sind ein Minderheitenthema für 1/3 der Bevölkerung. 2/3 betrete sie nie/nicht mehr. Die durchschnittliche verkaufte Auflage von Belletristik Neuausgaben in Deutschland liegt inzwischen bei knapp über 2000 (!) Exemplaren. Sich solchen Entwicklungen nicht zu stellen macht keinen Sinn.


    Mir kommt das vor wie die Diskussion um Shoppingzentren in Berlin. Es gibt 64 davon. 80% davon könne sich schon mal Umnutzungskonzepte ausdenken, meines Erachtens.


    Moewe: Ich stimme dem überwiegend zu. Viele Bibliotheken sind voll - manche sogar zu klein (wie zum Beispiel das neu gebaute Grimm-Zentrum). Es wird auch in Zukunft hoffentlich öffentliche Orte geben, an denen man sich zum Lernen versammeln kann. Aber es werden keine Bibliotheken sein - ausser für vielleicht sehr kleine, sehr privilegierte Minderheiten. Vielleicht wird man es trotzdem Bibliothek nennen - auch wenn es mit dem, was man heute darunter versteht, nichts mehr zu tun haben wird.


    Was die Friedrichstrasse angeht: Ich fände es für mich persönlich hervorragend, wenn dort die Landesbibliothek einzieht - und eine 20 Jahre anhaltende Diskussion ein akzeptables Ende fände. Die Vorteile der Standorts wurden ausführlich beschrieben. Ich persönlich fand auch das Dussmann'sche Medienkaufhaus in derselben Strasse hervorragend. Die Abteilung mit Berlin-Büchern suchte jahrelang ihresgleichen. Heute ist sie auf 1/5 der Fläche geschrumpft. Selbst in dieser Zielgruppe und für diese Thema schrumpft die Nachfrage nach "Buch-vor-Ort". Das Medien-Kaufhaus auch ein Rückzugsgefecht. Wenn es im Lafayette gelänge, einen zukunftsträchtigen Ort fürs Lernen zu bauen: Wunderbar. Ich fürchte aber, dort baut man eine Bibliothek - für eine Minderheit (zu der ich mich durchaus auch zähle). Während die Mehrheit weiter in die Röhre gucken wird, was eine zeitgemässe Nutzung des Internets angeht, als Beispiel.

  • Ich sehe das mehr unter dem Aspekt der Daseinsvorsorge und da gehören objektive Informationen bestimmt dazu. Das ist vielleicht heute noch gar nicht so aktuell, weil viele noch aus Zeiten sind, in denen es noch üblich war, die Informationen die man brauchte, in Bibliotheken zu suchen und zu finden und das auch mit Internetquellen können.

    Heute recherchiert fast jeder aber erstmal im Internet und da ist die Ausbeute an guter, also objektiver Information m.A.n. zunehmend katastrophal. Das sieht man bei allerlei Verschwörungstheorien, dem Krieg in der Ukraine aber auch dem aktuellen Süddeutsche Zeitung - Aiwanger - Problem.

    Daher wäre eine zentral gelegene Bibliothek in so einem besonderen Gebäude, wo man vlt. auch mal spontan hin geht (wie zum Bsp. auch bei der ähnlich zentral gelegenen Stadtbibliothek in Köln) eine gute Sache um wenigsten die Möglichkeit zu haben, selber Quellen zu studieren.

    Die Tage des Lafayette sind wohl gezählt. Die Friedrichstraße als zweiter Ku'damm hat nie funktioniert, vielleicht klappt es aber als Kulturstandort besser.

  • Für mich ist es erschreckend, dass eine große europäische Hauptstadt wie Berlin es ist, nicht in der Lage ist soviel Kaufkraft zu generieren, dass sich ein zweites Luxuskaufhaus neben dem KaDeWe längerfristig etablieren kann.

    Liegt es wirklich allein an der Kaufkraft? Die Galerie Lafayette macht mMn einen sehr angestaubten Eindruck, sowohl die Gestaltung des Verkaufsraums als auch die Innenarchitektur des Gebäudes mit dem Glaskegel im 90er-Jahre Look. Zwischen der Lafayette und dem internationalen Standard von Luxus-Konsumtempeln sowie dem KaDeWe liegen Welten, weshalb mich der ausbleibende Besucherstrom nicht wundert. Angesichts der allgemein kriselnden Einzelhandelsbranche hat der Konzern wahrscheinlich den Auszug gegenüber einer finanziell riskanteren Rundum-Erneuerung bevorzugt.


    Bitte nicht im ZLB Thread zu Kaufkraft und Konsum abschweifen.

  • Aber es werden keine Bibliotheken sein - ausser für vielleicht sehr kleine, sehr privilegierte Minderheiten.

    Täte es das Wort "Nische" nicht auch? Ich vermute, die Buchkultur entwickelt sich analog (hehe) zu Schallplatten, Filmfotografie, etc.: Der Massenmarkt schwindet, aber ein Teil der Bevölkerung hält dran fest – der Teil, der etwas vermisst, wenn sich der Zugang zur Welt auf das Bedienen von Touchscreens reduziert. Und das sind oft gerade Jüngere. Kein Grund, diese Leute als "sehr privilegierte Minderheiten" herabzusetzen. Zumal öffentliche Bibliotheken ja gerade dazu da sind, einen Zugang zu Büchern ohne (materielle) Privilegien zu ermöglichen (dass dieser Zugang dann meist nur vom gebildeten Publikum genutzt wird, ist ein Problem – aber ein anderes).


    Zur Sache: Angesichts bereits ausgearbeiteter Visus glaube ich nicht, dass Chialo diesen Vorschlag spontan aus dem Ärmel geschüttelt hat – da scheinen Leute auf der Arbeitsebene bereits länger drüber nachgedacht zu haben. Vielleicht sogar schon unter Lederer (was dessen Unterstützung erklären würde, die mir angesichts der verhärteten Fronten in Berlin eher ungewöhnlich erscheint). Ich finde, die Idee hat ihren Charme: Das Lafayette scheint ohnehin perdu, und so schlägt man drei Fliegen mit einer Klappe: Man verhindert einen Riesenleerstand in der Friedrichstraße, man beendet das unendliche Gerangel um einen geeigneten Standort, und man spart sich einen teuren und langwierigen Neubau.


    Ein Manko hat die Sache allerdings: Das Magazin bleibt außen vor. Das heißt, ein Großteil des Bücher wird nicht im Hauptgebäude stehen. Das bedeutet kompliziertere Bestellungen für Nutzer, mehr Aufwand bei der Pflege des Bestands für das Personal und einen dauernden Pendelverkehr. Im schlimmsten Fall bekäme man in der Friedrichstraße eine Art Bücher-Showroom, während die eigentliche Bibliotheksarbeit anderswo erledigt wird. Diese Sorgen hätte man im Flughafen Tempelhof oder in einem passenden Neubau nicht.


    Liegt es wirklich allein an der Kaufkraft? Die Galerie Lafayette macht mMn einen sehr angestaubten Eindruck, sowohl die Gestaltung des Verkaufsraums als auch die Innenarchitektur des Gebäudes mit dem Glaskegel im 90er-Jahre Look. ...

    Ich bin mit dem Ding nie warm geworden. Hatte als jugendlicher Nicht-Berliner viel über dieses neue "Luxus-Kaufhaus" gelesen und kannte das Stammhaus in Paris – deshalb riesige Erwartungen. Die hat es schon um 2000 herum nicht erfüllt, als ich das erste Mal drin war. Wirkte auf mich wie die Karstadt-Filiale, die ich aus Braunschweig kannte, nur mit diesem komischen Lichtkegel und mit teurerem Zeugs. Habe dort nie was gekauft. Ich finde, das Galeria am Alex macht seit dem Umbau viel mehr her. Vom KaDeWe ganz zu schweigen.

  • Laut einem Morgenpost-Artikel war die Pariser Muttergesellschaft nie vollkommen überzeugt von dem Projekt. Die Filiale habe sich dann auch nicht übermäßig hervortun können, um das zu ändern. Zwar habe man schwarze Zahlen geschrieben, jedoch wohl nicht im angemessenen Verhältnis zum betriebenen Aufwand. Jedenfalls heißt es an mehreren Stellen, dass der Auszug mit dem Auslaufen des Vertrages ohnehin drohe, auch wenn das aus Paris nicht bestätigen oder kommentieren will. Die Frage ist also womöglich weniger, ob die Institution durch den potentiellen Einzug der ZLB verloren gehen darf. Sondern vielmehr, was sonst die Lücke nach dem sich abzeichnenden Abzug füllen und den Abwärtssog des Umfelds abdämpfen oder umkehren könnte.

  • Dass sich in großen Bibliotheken die meisten Bücher im für den normalen Nutzer nicht zugänglichem Magazin befinden, ist doch vollkommen üblich. Selbst wenn sich das Magazin am gleichem Standort befindet, dauert es stets einige Zeit, bis das Buch zum Ausleihen oder zum Lesen vor Ort bereit gestellt werden kann. Die Wartezeit wird sich durch einen anderen Standort des Magazines nicht so wahnsinnig erhöhen.


    Wer wirklich intensive Recherche betreibt, wird in Berlin sowieso nicht umhin kommen gleich mehrere der großen Bibliotheken aufzusuchen, weil sich deren Bestand thematisch teils überschneidet. Da deren Bestand inzwischen online einsehbar ist und regelmäßige Nutzer einen Onlinezugang haben, können sie die gewünschten Bücher auch von Daheim aus vorbestellen. Der wichtigste Punkt bei solcher Recherche wird Angesichts eines teils überquellenden Angebots sowieso die sorgfältige Vorauswahl, was man sich denn anschauen möchte und was man aus Zeitgründen im Regal stehen lässt.


    Die Bibliotheken merken auch sehr schnell, welche Bücher gerade "in" sind und was teils jahrzehntelang keiner lesen will. Deshalb stellt es kein Problem dar, die selten genutzten Bücher in ein Magazin abseits des Hauptstandortes zu packen, das macht die Staatsbibliothek mit ihrem Speichermagazin in Friedrichshagen doch nicht anders.


    Deshalb finde ich dies Argument äußerst schwach. Einen reinen Bücher-Showroom wird es an der Friedrichstraße sicher nicht geben, aber natürlich besitzt auch die Berliner Landesbibliothek einige Kostbarkeiten, für die eine museale Präsentation auf einem Teil der Fläche durchaus angeraten erscheint.

  • Und jetzt sollen die Galeries Lafayette dranglauben. Immerhin eine der wenigen Niederlassungen außerhalb Frankreichs. Die anderen befinden sich in Luxemburg, Dubai, Casablanca und Djakarta.

    In einem der Artikel zur Galeries Lafayette wurde erwähnt, dass das Unternehmen ALLE ausländischen Dependancen schließt, das scheint also weniger mit Berlin und dessen Kaufkraft zu tun zu haben.

  • Kieselgur : Aus meiner Sicht beschreibst Du perfekt, warum eine Bibliothek konventioneller Art keine Zukunft hat: Digitalisierung der Metadaten, Digitalisierung des Abstracts, Digitalisierung der Ausleihe/Vorbestellung/Rückgabe, Digitalisierung des Backoffice-Prozesse. Aber dann Halt machen vor der Digitalisierung des Inhalts? Das wird so nicht passieren, meines Erachtens. Das wird bald niemand mehr nachvollziehen können. Selbst im Lande Gutenbergs.

    Ansonsten hörte ich: Im Haushalt stehen 350 Mio. Beziehungsweise standen 350 Mio. Denn dieser Betrag ist mittlerweile CDU/SPD angesichts anderer Pressionen zu hoch (Bildung, Geflohene etc). Allein das Grundstück und Gebäude soll wohl 500-600 Mio kosten. Plus 200-300 Mio für Umbau. Also 700-900 Mio gesamt. Am Ende wird dann daraus > 1 Mrd. Angesichts dessen kann man jetzt schon eine hohe Wette eingehen, dass das leider nix wird. So einen Betrag für einen kulturellen Leuchtrum - teurer als das "Stadtschloss"....?

  • Dass auch der Inhalt der Bibliotheken größtenteils digitalisiert angeboten werden wird, stelle ich ja gar nicht in Frage.


    Bis man aber wirklich jedes Buch und jeden Text erfasst hat, wird es noch etwas dauern. Zumal es für eine vernünftige Recherche nicht ausreichen wird nur das Digitalisat vorliegen zu haben, sondern es muss auch eine automatische Durchsuchung des gesamten Textes nicht nur nach Stichwörtern, sondern auch nach sinnvollen Textzusammenhängen möglich sein, denn sonst kann man die Zahl der Texte, die man dann mit eigenen Augen recherchieren will, gar nicht sinnvoll reduzieren, aber dabei werden künstliche Intelligenzen sicherlich immer mehr eine Hilfe bei sein.


    Das muss aber nicht heißen, dass man schon jetzt komplett dazu übergehen sollte bei der Neuanlage von physisch begehbaren Bibliotheken nur einen Austellungsraum für bibliophile Kostbarkeiten, ein paar reinen Telearbeitsplätzen, einen Raum für Vorträge, einer Aktionsfläche bei der man junge Leser - also Kinder - an die Materie heranführt und eine Fläche für Gastronomie einzuplanen und auf bestückte Buchregale und echte physische Ausleihe ganz zu verzichten. Sicher könnte man so eine Menge Geld einsparen, aber so weit sind wir noch nicht.


    Wieviel die Berliner Landesbibliothek letzlich kosten darf, kann und muss ich ja nicht entscheiden. Sicherlich müsste man das nun in der Diskussion stehende Gebäude und Grundstück nicht sofort kaufen. Ein Mietkauf oder reine Anmietung dürfte auf Dauer zwar noch teurer werden, aber solch langfristige Zahlen bemerkt ja nicht jeder Wähler. ;)


    Aber um nochmal auf Architektenkinds Einwurf zu der fehlenden Magazinfläche an der Friedrichstraße zurückzukommen:


    Ich denke auch wenn man neben der AGB neu gebaut hätte oder auf dem Marx-Engels-Forum, hätte man wohl kaum das Außenmagazin im Westhafen aufgegeben. Reine Magazinräume sind architektonisch nicht wirklich hübsch anzuschauen. Zwar hat Ernst von Ihne die Magazinräume im Bau der Staatsbibliothek unter den Linden gut kaschiert, dafür ist das Gebäude auch ein ziemlicher Trumm und die dortigen Magazinräume reichen inzwischen bei weitem nicht aus.

    Weder in der Stadtmitte, noch in Kreuzberg würde man für oberirdische Magazine wohl den entsprechenden Platz verbrauchen wollen, unterirdische Magazinfläche zu bauen ist beim schwierigem Berliner Untergrund erst recht teuer. Nur auf dem Tempelhofer Feld hätte man für die Magazinfläche auch oberirdisch genügend in die Breite gehen können. Aber wenn man zentraler ein Gebäude mit weniger Fläche haben kann, warum das Magazin am Westhafen nicht weiter nutzen? Zudem die Staatsbibliothek als Untermieter mit ihrer Zeitungsabteilung nun raus ist und man dort nun umso mehr Platz hat.

  • Nochmal zu der Diskussion der Nutzung: Also zumindest wenn ich von den mir bekannten Landesbibliotheken in sozial schwächeren Bezirken ausgehe, dann werden die absolut nicht nur oder überwiegend von Eliten benutzt. Eher im Gegenteil:

    - Hier lernen und arbeiten sehr viele Schüler (die Mehrheit mit Migrationshintergrund).

    - Es kommen auffallend viele ältere Menschen, die sich dort auch gerne mit dem Personal unterhalten.

    - Es gibt sehr viele Familien mit Kindern von Kleinkindalter bis zu Jugendlichen.

    - Man trifft auch häufig Personen, die ich wertungsfrei als Sonderlinge bezeichnen würde.


    Ich würde vielmehr sagen, dass eher die Diskussion über die vollständige Digitalisierung von Bildung und vor allem einen Bedeutungsverlust von Bibliotheken (Achtung: Das ist NICHT automatisch das Gleiche) tendenziell ein Elitenthema ist. Gerade, wenn wir von maximal effizienter Text- und Datenbankrecherche sprechen.


    Menschen aus schwächeren sozialen Verhältnissen haben oft nur ein Smartphone oder Tablet statt einen vollwertigen Computer/Laptop und sie nutzen das/die Gerät/e dann auch nicht unbedingt überwiegend für Bildungszwecke. Man hat ja auch nicht automatisch Zugang zu hochwertigen Inhalten oder weiß überhaupt von deren Existenz. Bibliotheken helfen hier sowohl bei den Lizenzen als auch bei den Kompetenzen.


    Und öffentliche Bibliotheken haben längst nicht mehr nur Bücher. Es gibt hier buchstäblich alle Medien bis hin zu Ebooks sowie digitalen Kopien von Hörtexten und Filmen, Tonies, VR-Brillen oder auch Klapp-Theater. Man spricht heute nicht ohne Grund vom MedienVERBUND. Die Bibliotheken sind aber auch wichtig als Arbeitsplätze, Ersatzwohnzimmer, sozialer Treffpunkt etc.


    Stellt Euch als ein Beispiel vor, Ihr seid ein/e Jugendliche/r in einer sechs- bis achtköpfigen Familie mit völlig überfüllter Wohnung - und wollt trotzdem Abi machen und studieren. Wo werdet Ihr das machen? Ich allein kenne gleich dutzende junge Leute, die das erfolgreich in Bibliotheken getan haben und jetzt teils akademische Jobs haben. Und zum Kostenargument: Wie teuer wäre es für den Staat auf Dauer, wenn sie stattdessen Sozialfälle geworden wären. Oder stellt Euch vor, Ihr seid ein älterer Mensch mit relativ schwachem sozialen Netzwerk und evtl. dazu noch medial (noch) nicht so versiert. Wo findet Ihr eine passende Anlaufstelle? Wir reden hier über Chancengleichheit und sozialer Teilhabe.


    Natürlich wäre eine ZLB in der Friedrichstraße etwas anderes als eine typische Kiezbibliothek. Ich bin mir aber sicher, dass auch sie auf absehbare Jahre und Jahrzehnte weiter ihre Nachfrage generieren und so ihre Existenzberechtigung behaupten würde. Die Frage wäre für mich anhand der neusten Berichten aber eher, ob der Standort tatsächlich auch politisch-ökonomisch der beste dafür wäre.


    Es scheint mir inzwischen eher so, als wenn der Investor hier bewusst mit falschen Karten gespielt und dem Senat gegenüber ein Auslaufen des Mietvertrages ohne Verlängerungsperspektive suggeriert hat. Der aufgerufene Kaufpreis von bis zu 590 Mio Euro passt dann aber auch so gar nicht zu der Dynamik der Friedrichstraße. Vor nicht allzu vielen Jahren hatte ein bayerischer Investor die Immobilie noch für um die 120-150 Mio gekauft (finde die Quelle gerade leider nicht mehr) und sie dann kürzlich (nach Corona und der zunehmenden Krise des Einzelhandels) für einen unbekannten Betrag an den US-Investor abgegeben, der bereits weitere Einzelhandelsflächen im Umkreis betreibt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Galeries Lafayette ihm bisher knapp 30 Mio Miete pro Jahr zahlt oder dass sie das künftig zahlen wird. Aber auch die werden nun durch das Interesse des Senats massiv unter Druck gesetzt, wenn sie offenbar doch gar nicht ausziehen wollten.


    Wenn alles nach seinem Plan läuft, dürfte er also im simpelsten Fall mehr Miete aus den Franzosen heraus pressen. Oder aber er wird mit dem Senat einig und so seinen eigenen Kaufpreis sehr deutlich übertreffen, seine eigene Immobilie in direkter Nachbarschaft stark aufwerten und den Steuerzahler dafür blechen lassen (ähnlich auch bei dauerhafter Miete durch die ZLB). Das heißt noch nicht automatisch, dass es der komplett falsche Weg für die ZLB wäre. Ein gewisses Geschmäckle hat die Sache aber doch. Meine Tendenz wäre, trotz des zeitlichen Drucks doch auch weiter Alternativen zu verfolgen und zumindest den Preis noch zu drücken (wobei die Kombination aus angeblich passgenauen Flächen und Lage sowie Pluspunkten bei Wegfall von Bauprozessen und Nachhaltigkeit mit Nebeneffekt einer Belebung der Stadtmitte schon ziemlich attraktiv ist).

  • Ja, was die Kostenfrage angeht, würde ich mich da von der Seite Berlins her nicht unter Druck setzen lassen. Jetzt hat man die Frage des Neubaus und Standortes so lange vor sich her geschoben, dass es auf etwas mehr Zeit nun auch nicht ankommt.


    Soll die Galeries Lafayette halt erst mal ausziehen und dann mal abwarten, ob der jetzige Besitzer einen sonstigen Nachmieter findet. Wenn nicht, geht der mit dem Preis wohl runter. Das ganze ist halt ein Pokerspiel, da sollte der Berliner Senat sich nicht durch zuviel gezeigte Begeisterung zu früh selbst in die Karten schauen lassen und bei jedem Preis mitgehen.


    Deine Ausführung, dass Bibliotheken weiterhin öffentliche Orte der Begegnung und des eigenständigen, eher ungestörten Lernens sind, finde ich ganz richtig. Es geht eben nicht nur um den reinen Abstell-/Abholplatz für Bücher oder sonstige Medien. Für die ganzen anderen Aktivitäten benötigt man eben auch einiges an Fläche, das wird gerne vergessen. Solche öffentlichen Begegnungsflächen wird man auch weiterhin benötigen.


    In den USA oder dem UK ist der Eintritt der meisten staatlichen Museen frei, so dass diese auch öffentliche Orte sind, wo Menschen auch einfach nur mal hingehen, um an einem wettergeschützten Ort mal eine ruhige Zeit zu verbringen, wenn sie das Daheim nicht können und ihnen ein Einkaufszentrum zu rummelig ist. Mit dem Humboldt Forum und einigen wenigen Museen in anderen Städten gibt es so etwas inzwischen ja auch in Deutschland. Es kann sogar sein, dass auch in Deutschland der Bedarf an solchen Orten sogar zunehmen wird, wenn es so manchen Menschen daheim zu kalt, zu warm oder einfach zu voll ist.

  • Für mich ist es erschreckend, dass eine große europäische Hauptstadt wie Berlin es ist, nicht in der Lage ist soviel Kaufkraft zu generieren, dass sich ein zweites Luxuskaufhaus neben dem KaDeWe längerfristig etablieren kann.

    Ich sehe die Thematik genauso wie Camondo. Für mich ist es ein Alarmzeichen für die Umgebung. Das Aus für das Lafayette bedeutet ein Verlust an Attraktivität und Strahlkraft für das Geschäftszentrum Friedrichstadt und eine Verstätigung zugunsten monostruktureller Nutzungen - die Ausweitung von Ministerien und kultureller Einrichtungen. Das könnte auf die gesamte Ecke inkl. Malls um den Potsdamer Platz Auswirkungen haben.


    Wenn man das dann noch wie Backstein mit London, Paris, Hamburg und München vergleicht, wird erst recht kein Schuh draus. Gemessen an der Einwohnerzahl gibt es dort deutlich mehr Shopping-Destinationen mit Strahlkraft und homogenere Citybereiche die eine solche Schließung besser wegstecken würden.


    Laut heutiger Abendschau sieht es eher so aus, als ob das Lafayette vom Senat aus der Immobilie gedrängt wird, oder der Eigentümer hier mit potentiellen Mietern pokert.

  • ^ Anscheinend ist die Lage sehr viel weniger übersichtlich als gestern gedacht. Da hieß es noch, Lafayette wolle weg, Stadt suche Nachnutzung. Nun meldet Lafayette an, es wolle doch bleiben (überraschend angesichts der allgemeinen Rückzugspläne aus halb Europa, die hier auch kolportiert wurden). Und schon geht wieder das Senats-Bashing los – ohne dass irgendwer genaueres weiß. Dass der Senat nun nicht mehr für "linksgrün-versifft"-Zuschreibungen taugt und der Senator von der CDU ist, scheint daran nichts zu ändern.


    Leute, haltet mal den Ball flach und hört auf, der Politik grundsätzlich das Übelste zu unterstellen...


    P.S.: Deine Verachtung gegenüber einer zentralen Bibliothek finde ich so überraschend wie bedauernswert.

  • ^

    Dass die Gemengelage gerade unübersichtlich ist, ist offensichtlich. Wenn ich den Inhalt des verlinkten Ausschnitts aus der Abendschau kurz wiedergebe, hat das auch erst einmal nichts mit Politik-Bashing zu tun.


    Was mich daran irritiert ist, dass es Renderings und konkrete Planungen zur Umnutzung des Lafayette hin zur Landesbibliothek gibt, die Mitarbeiter des Lafayette aber erst mit deren Veröffentlichung von Ihrem „Glück“ erfahren. Hätte da der Initiator der Planung nicht den Ball besser flach halten und noch etwas warten können?


    Auch wenn es nicht direkt mit dem Thema zu tun hat - als die letzten Kaufhausschließungen in Berlin bevor standen, hat man da noch anders reagiert.


    Egal von welcher der drei Parteien dieses Durcheinander ausging, die Kommunikation ist scheinbar katastrophal und schadet letzten Endes allen.

  • Timmi Einzelhandel ist ja wohl auch eine monostrukturelle Nutzung und davon würde es auch weiterhin eine ganze Menge am Standort und näheren Umfeld geben. Dagegen wäre die ZLB nicht nur irgendeine beliebige kulturelle Nutzung und ein mE mindestens würdiges Pendant zum Kaufhaus. In den Berichten ist von 1,5 Mio Nutzern der aktuell aktiven Standorte mit all ihren bekannten Defiziten die Rede. Es gibt zudem wohl auch Untersuchungen, wonach Bibliotheksbesucher im direkten Umfeld häufig zugleich auch weitere Erledigungen machen. Zudem wird ja explizit geschrieben, dass auch die Interessenvertretung der Geschäfte klar für den Umzug sei.


    Eine für mich unbekannte Größe ist nun aber noch der Französische Kaufhauskonzern sowie auch der Besitzer der Immobilie. Zumindest laut Wikipedia betreiben die Franzosen neben ihren 55 nationalen Standorten bereits 10 internationale Filialen, die sie um 5 weitere in Indien, China, Kuwait und Mailand erweitern wollen. Auch wenn ich schon Mal selbst über eine (mE eher weniger spektakuläre) Filiale in Rennes gestolpert bin, hat mich das doch eher überrascht. Die Kette ist offenbar doch weniger exklusiv als zumindest von mir einst angenommen, aber scheinbar doch eher weiter auf Expansion als auf Schrumpfkurs. Allerdings setzt man scheinbar zunehmend auf globale Ballungszentren von Wirtschaft und Kommerz.


    Ob dann überhaupt noch Kapital für eine früher oder später notwendige Aufwertung der teils wohl recht knapp über der schwarzen Null laufenden Berliner Filiale inkl. möglicher Mieterhöhung bleibt? Jedenfalls hat man sich nun aber in Richtung Verbleib positioniert und anklingen lassen, dass bei einer Kündigung 200 eigene Mitarbeiter sowie weitere 100 mit dem Kaufhaus verbundene Arbeitsplätze gefährdet seien. Den US-Investor wird es freuen, dass es nun pünktlich zum Auslaufen des Vertrages zwei statt nur einen Interessenten gibt und man gegen die Dynamik des Standortes wohl sogar eher deutlich mehr Erlöse generieren kann. Und wie gesagt würde ich den Auslöser der vermeintlich "verunglückten" Kommunikation auch eher dort suchen.

  • Nachtrag: Womöglich haben in den Verhandlungen zwischen Kaufhaus und Besitzer aber auch eher die Franzosen gepokert. Chialo schreibt, der Besitzer sei aktiv auf den Senat zugekommen und habe den Auszug der Galeries Lafayette von Beginn an voraus gesetzt. Das sei überhaupt erst die Grundlage der Verhandlungen gewesen. Zudem schreibt nun der Investor, bisher sei in den Gesprächen von Seiten der Franzosen nie über eine mögliche Verlängerung gesprochen worden (was diese so gesehen ja auch nicht behauptet haben). So oder so kann man dem Senat hier mE aber keine Vorwürfe machen.

    Quelle rbb24

  • Seit mindestens 15 Jahren diskutiert man über den hohen Stellenwert von Warenhäusern für die Belebung der Innenstädte. Im Grunde ist es wie bei einer Mall, wo ein Ankermieter auszieht.


    Zur Rettung von Warenhäusern und ganzen Konzernen, gab es zu Recht reichlich stattliche Unterstützung. Nun passiert aus wirtschaftlichen Gründen nur unter anderem Abhängigkeiten das Gleiche, man hat nur kein Rettungspaket, oder Versucht die Nutzung „Warenhaus“ zu halten, sondern findet eine „viel bessere“ substitutionelle Nutzung „Kultur“ vor Bekanntwerdung und alle freuen sich.


    Das jetzige Konzept hätte bei einer Stadtbibliothek Recklinghausen genauso funktioniert, oder wäre man auch froh gewesen, wenn z.B. das Museum der Moderne in das Karstadt-Warenhaus am Hermannplatz einzieht?


    Ich finde, es gibt bessere Standorte in der Innenstadt die durch kulturelle Nutzungen belebt werden müssen, als die Friedrichstraße.

  • Eine kleine Anmerkung als Moderator:


    Da sich die Beiträge zur möglichen Geschäftsaufgabe der Galeries Lafayette in Berlin und deren evtl. Auszug aus dem Q207 letztlich nicht konsequent vom Thema „Möglicher neuer ZLB-Standort im Q207 an an der Friedrichstraße“ trennen lassen, habe ich mich - auch wenn viel OT dabei ist - schweren Herzens ;) entschlossen, die entsprechenden Beiträge wieder zurück in den ZLB Thread zu verschieben.


    Ich bitte um Verständnis für das „Hin und Her“.