Zentrale Landesbibliothek [in Planung]

  • Brasilia mag bei seiner Erbauung zB "futuristisch" gewesen sein. Anno 2013 empfinde ich cleanen Sichtbeton und massive Baukörper mit kühner, monumentaler Statik eher als Ausdruck einer vergangenen Zeit, als Endpunkt.


    Futuristisch im Sinne des 21. Jahrhunderts wäre eine Umorientierung zu auf nachhaltigen Bauweisen:


    -Verwendung von Holz und anderen nachwachsenden Materialien
    -bei Klimatisierung und Licht einen minimalen Energieverbrauch und ökologischen Fußabdruck, durch optimale Führung von Tageslicht und Ausnutzung der Physik für natürliche Belüftung


    als zwei Beispiele.


    Weiterhin heißt es doch immer, Architektur wäre ein kreativer Beruf. Wieso wird dann das NAHELIEGENDSTE überhaupt unterlassen, nämlich mit der Materialwahl Holz (als sichtbares Gestaltungsmittel) auf das Material der Bücher (Zellstoff aus Holz) unmittelbaren Bezug zu nehmen und damit sozusagen den "Inhalt" des Gebäudes auch auf diese Weise sichtbar zu machen. Mit dem schönen Nebeneffekt, dass Holz "schön" altert, im Innenraum ein wunderbares Raumklima erzeugt, dabei auch akustische Vorteile mit sich bringt (einem "Hallen" entgegenwirkt, "KÖNNTE" ja in Bibliotheken von Vorteil sein), im Zusammenspiel mit künstlicher indirekter Beleuchtung ein sehr warmes, weiches Licht erzeugt, mit dem man ermüdungsfrei Bücher lesen kann ("SOLL" ja gerüchteweise der Hauptzweck einer Bibliothek im Lesesaal sein). Also eine wunderbare Synthese aus Funktion und Ästhetik. Das sei doch eigentlich das erklärte Motiv moderner Architektur. Solche grundlegenden Ideen vermisse ich komplett. Ich habe bisher keinen einzigen Entwurf für die neue Bib gesehen, der mich überzeugt.


    Von richtig mutigen Ideen wage ich ja gar nicht zu träumen, beispielsweise könnte ich mir wunderbar vorstellen, einen neuen kleinen Wald rund um ein neues Bib-Gebäude anzupflanzen, mit künstlichen aber naturnah angelegten Wasserläufen, die sich optisch in das Gebäudeinnere fortsetzen, dort gibt es ebenfalls Gärten (gerne auch auf mehrere Etagen verteilt), die das Raumklima und die Wohlfühlatmossphäre zusätzlich verbessern und im Sommer durch ihre Verdunstungskälte mit geschickter Belüftung mithelfen den Innenraum kühl zu halten, im Winter die trockene Heizungsluft anfeuchten. Was ganz nebenbei auch noch bessere Lagerbedingungen für die Bücher mit sich bringt - und wieder haben wir eine Synthese, nämlich aus Ästhetik und Funktion.

    2 Mal editiert, zuletzt von Berchen ()

  • So viel romantische Vorstellungen... :nono:
    Leider ist Holz weder raumakustisch wirksam noch hat es einen nennenswerten Einfluss auf das Raumklima, da ueblicherweise versiegelt. Auch erzeugt es kein ermuedungsfreies Licht (wie denn auch??). Holz sieht einfach gut aus und fuehlt sich angenehm an, das wars dann auch schon.
    Und seit wann ist feuchte Luft optimal fuer Buecher? Ich hab selten so viel Bloedsinn auf einem Haufen gelesen. Ist Holz vielleicht auch supi fuer den Brandschutz, macht den Himmel blau und die Wangen rot?


    Mir ist relativ klar warum solche innovativen und wegweisenden Ideen bisher noch nicht vorgeschlagen wurden. Die sind naemlich Humbug.

  • frau lüschner muss echt langsam ihren hut nehmen,
    mir ist nicht klar warum es in unserer stadt nicht möglich ist diesen posten vernünftig zu besetzen...


    guter städtebau, gepaart mit gutem geschmack ist so einfach...


    jetzt zieht die dame auch noch parallelen zu scharoun´s bauten :nono:


    für die grösste bibliothek deutschlands habe ich mir auch etwas anderes vorgestellt (auch einen anderen standort), da ist der alternativvorschlag (entwurf : ICC) visionärer


    der entwurf von MOA ist langweilig, 90er lassen grüssen - alles schon mal dagewesen - da kann man auch gleich die bibliothek ins sonycenter setzen - somit hat die lüschner auch ihren bezug zu scharoun.


    es sollte ein entwurf werden mit dem dich berliner, gar ganz deutschland identifizieren kann - jetzt servieren sie uns einen glasbau, der auch die neue börse in eschborn sein könnte. lüschner, lüschner!


    der entwurf von KOA ist um längen angenehmer und hat zumindest wiedererkennungswert - ich hätte den baukörper nur paralell zur ehemaligen lande/startbahn gesetzt - so wirkt es noch besser - egal


    ...


    was spricht eigentlich gegen die entwürfe der II. III. V. anerkennung - mit denen kann man sich doch eher anfreunden, als mit einem üblichen glaskasten


    nun ja, personalien kann man nicht ändern, geschmäcker auch nicht - also dann bitte den entwurf von KOA


  • Mir ist relativ klar warum solche innovativen und wegweisenden Ideen bisher noch nicht vorgeschlagen wurden. Die sind naemlich Humbug.


    Das ist zwar ein bischen hart formuliert, aber entspricht meiner Meinung. Außerdem, warum sollte denn Holz denn bitte 'nachhaltiger' als Beton oder Stein sein? Es ist doch eher das Gegenteil der Fall, wenn man die Haltbarkeit der Materialen bedenkt.

  • "Haltbarer" ist Stahlbeton freilich wenn du mit deinem Handwerkerhammer dagegen schlägst, im Vergleich mit Holz. Holz gibt nach und hat hinterher einen Kratzer oder eine Delle, bei der Stahlbetonwand wird der Schlag mit dem Hammer nur für die eigene Hand schmerzhaft, wenn der Schlag hart genug ist. Diese vermeintliche "Schwäche" des Holzes ist eigentlich schon einer seiner Vorteile, die Flexibilität, es ist ein "lebendiges" Material. Bei Grenzbelastungen, zumal wenn durch Alterung/Feuchtigkeit/Korrosion usw. geschwächt, bröckelt und bricht Stahlbeton und kann dann sehr abrupt kollabieren. Holz macht sich lange zuvor geräuschvoll und optisch bemerkbar und bricht bei einigermaßen regelmäßiger Instandhaltung eigentlich nicht "überrachend".


    Haltbarkeit bzgl. Substanzerhalt ist bei Stahlbeton schlechter als bei allen anderen bekannten, konventionellen Bauformen (Holzfachwerk/Holzständerbauweise, Vollziegelbauweise, Natursteinbauweise, Stahlrahmenbauweise). Ca. alle 30 Jahre braucht Stahlbeton eine gründliche und teure Betonsanierung. Holzhäuser stehen in Skandinavien und im Alpenraum bereits seit einigen Jahrhunderten mit Originalsubstanz und trotzen dem Klima wacker, solange die Dächer dicht sind. Es gibt durch entsprechende Leimungstechniken längst auch die Möglichkeit kühne Entwürfe mit Holz zu verwirklichen. Ich erinnere mich da exemplarisch an das Holzdach auf der Expo in Hannover seinerzeit. Das Publikum stand staunend davor, was mit Holz doch alles möglich ist. Nachahmer fand es freilich keine, Planer lieben scheinbar den grauen Stahlbeton einfach.


    Ich habe eigentlich null Motivation noch irgendwelche Informationen zu liefern, wenn Argumente, die einfach nicht besonders konventionell sind, als "Humbug" bezeichnet werden.


    Beispiel Brandschutz: es gibt längst analog zu den Flammschutzmitteln für Stahlbeton und Stahlträger auch Holzflammschutzmittel, die die Konstruktion bis 120 min. standhalten lassen. Davon abgesehen ist das, was an Bränden gefährlich ist, nicht dass die Gebäudekonstruktion Feuer fängt sondern die Rauchentwicklung binnen kürzester Zeit. Und die hängt von Einbauten und Einrichtungsgegenständen ab, v.a. von Kunststoffen.


    Ich sprach davon Heizungsluft ANZUFEUCHTEN. Heizungsluft hat zumeist eine Luftfeuchtigkeit von unter 30%. Optimal für die Lagerung bzw. den langfristigen Erhalt von Büchern sind aber 30-45%. Kannst ja mal meßen, wie die Luftfeuchtigkeit gerade bei dir ist. Ich bekomme trotz Zimmerpflanzen, Aquarium und Luftbefeuchter am Heizkörper im Moment nur 37% hin, also noch im unteren Bereich (eigentlich noch zu trocken für die Atemwege).


    Durch unlackierte Holzeinbauten reflektiertes Licht hat einen höhere Rotanteil und ist physiologisch daher besonders angenehm. Außerdem wird durch indirekte Beleuchtung generell eine Blendwirkung vermieden und das Licht gleichmäßig gestreut und dadurch "weicher" (insb. die neuen LED Leuchtmittel haben allesamt gebündeltes Licht und damit alles andere als optimal).


    Hier noch eine aktuelle Referenz für die akustische Wirkung von Holzverkleidungen der Wände: http://www.holz-magazin.at/ind…ervorragende-akustik.html


    Auch die Behauptung, dass diese Ideen noch nicht vorgeschlagen wurden ist, um in der Wortwahl zu bleiben, "Humbug". Die Skandinavier müssen uns mal wieder vormachen, was zeitgemäße Architektur ist:

    http://www.architektourist.de/2012/03/16/rippenstruktur/ (Vennesla hat laut Wikipedia nicht einmal 14.000 Einwohner, die Superdupermetropole Berlin lässt die 70er wiederaufleben).


    In Stockholm plant man sogar schon Hochhäuser in Holzbauweise: http://www.nachhaltigleben.de/…ktur-hochhaeuser-aus-holz


    http://www.holz-magazin.at/ind…ochhaus-in-stockholm.html


    Auch die Amerikaner, sonst in Stahlbauweise vernarrt, entdecken Holz nochmal neu als Baustoff (Wohnhäuser und kleinere Gebäude sind dort ja schon immer aus Holz): http://www.designboom.com/arch…as-tallest-wood-building/


    Und auch in Italien, dem Land mit der wohl größten Architekturgeschichte Europas, ... http://www.makbuilding.eu/


    Die Deutschen leben dagegen noch in der "Steinzeit" (pun intended).

    5 Mal editiert, zuletzt von Berchen ()

  • Man hätte ernsthaft das ICC als Standort prüfen sollen. Hier wurden ja sogar Vorschläge von Architekten erarbeitet. Da hätte man zwei Probleme mit einmal erledigen können. Die 270-300 Mio Euro hätte man hier in die Sanierung und den Umbau stecken können und mögliche Kostenbeteiligung, um überhaupt einen Investor für das ICC zu finden könnte man hier auch mit hinein fließen lassen. Die Lage ist fast identisch. Am S-Bahn-Ring und am Autobahndreieck, nur nicht südöstlich, sondern nordwestlich gelegen.


    Einen Büchertempel am Dreieck Funkturm im frisch aufgepäppeltem ICC könnte ich mir durchaus reizvoll vorstellen!


    Die Gegend hätte somit auch eine enorme Wiederbelebung erfahren können.



    © Jürgen Engel Architekten

  • Berchen hat schon recht, man kann mit Holz sehr schicke und auch langlebige Bauten errichten, und was den ökologischen Fußabdruck angeht ist der Baustoff nahezu unschlagbar.
    Auch die Idee Außen- und Innenraum miteinander zu verbinden bzw. Architektur und Natur miteinander zu verweben ist interessant und so neu nicht, sondern wurde schon 1964 bei der modernen Ikone Fallingwater von Frank Lloyd Wright aufgegriffen.
    Überhaupt scheinen skandinavische Kleinstädte gute Vorbilder für gute zeitgenössische Bibliothekenarchitektur zu sein, denn nicht nur in Vennesla/Norwegen, sondern auch z.B. im finnischen Seinajöki wurde kürzlich von JKMM Architekten eine bemerkenswerte Bibliothek als Erweiterung eines Ensembles von Alvar Aalto aus den frühen 50er Jahren fertiggestellt, in der Holz, rauhe holzverschalte Sichtbetondecken und organische Raumgefüge eine ungewöhnliche gelungene Symbiose eingehen.
    Vielleicht sollte man sich solche Beispiele näher anschauen und prüfen, ob solche Ansätze auch für eine Großstadtbibliothek hochskalierbar sind.

  • Berchen, nicht ich habe mich gewundert dass Deine Ideen in der Diskussion nicht auftauchen, sondern Du selbst. Lies mal Deinen #64 nochmal.


    Wir finden bestiommt noch einen Konsens. Nochmal in Kuerze:


    1.) Brandschutz: Auch mit guten Beschichtungen ist Holz nach wie vor ein brennbares Material, im Gegensatz etwa zu Stein und Beton. Und Deine steile These, dass brennbare Materialien im Brandfall eigentlich nicht das Problem sind, wird von Brandschuetzern nicht geteilt.


    2.) Raumluft: es dachte wohl niemand daran, in der ZLB alle 10 m einen Wand an die Wand zu haengen. Bei zentralen Beluefutungsanlagen ist es hingegen kein Problem, die Luft vernmuenftig zu befeuchten, da braucht man keine Holztaefelungen.
    Selbst wenn wuerde das nicht funktionieren: Wo nimmt denn das Holz das ganze Wasser her das da abgegeben werden soll? Speichert das die Luftfeuchtigkeit seit dem Sommer den ganzen Winter ueber?


    Akustik: Die Stadthalle in reutlingen klingt gut, aber man haette die Waende auch aus Glas oder Gips machen koennen, mit derselben Akustik. Holz ist das eher wegen der Optik. Mit der Planung kenne ich mich zufaellig sehr gut aus. Es bleibt dabei: Holz ist raumakustisch nicht relevant.

  • Weil Holz keine gegenüber anderen Materialien überlegenen akustischen Eigenschaften besitzt werden auch bis dato Geigen, Gitarren, Klaviere usw. aus Holz gefertigt. Was hier wohl eine "steile These" ist...


    60-120 min. Standzeit bei einem Brand erreicht übrigens nicht jedes Gebäude aus Stahl und Stahlbeton. Die Standzeit ist bei einem eskalierenden Brand, entstehend und genährt in aller Regel durch Einbauten und Einrichtung nicht durch die Gebäudestruktur, ja auch nur für die Evakuierung und Rettungsmaßnahmen relevant, denn ein Gebäude ist bei einem Großbrandereignis ohnehin ein "Totalschaden". Man darf insb. bei einer Bibliothek davon ausgehen, dass die Einrichtung (tausende Tonnen Papier) leicht entflammbar ist, ohne dass man etwas dagegen tun kann. Es ist eine falsche Vorstellung, dass "Stein" ja nicht brenne und daher Stahlbeton hier per se überlegen sei und massive Hartholzbalken wie ein Streichholz in Flammen aufgehen und sofort kollabieren. Frag da mal die Brandschützer. Auch ist aus Nordamerika, Australien, Neuseeland und Skandinavien, wo die Holzbauweise seit jeher dominiert, nicht bekannt, dass Städte andauernd von Feuersbrünsten vernichtet werden oder mehr Menschen durch Brandfolgen zu Schaden kommen im deutschen Stahlbeton.


    Holz reguliert in der Tat Luftfeuchtigkeit, es nimmt mit zunehmender Luftfeuchtigkeit immer mehr davon auf und gibt bei sinkender Feuchtigkeit immer mehr wieder ab und ist damit ein "Puffer". Umgekehrt ist Stahlbeton dafür bekannt, für chronisch trockene Raumluft zu sorgen (bei guter Belüftung, bei mangelhafter Belüftung das andere Extrem), wobei selbst bei künstlicher technische Zufeuchtung kein angenehmes Raumklima entsteht. Physiologisch ist eine Mischung aus Holzverbauen und Zimmerpflanzen daher - auch ökonomisch - die beste Lösung. Im Übrigen, ja, ich lese ein gutes Buch lieber in einem gemütlichen holzvertäfelten Lesesaal als in Tiefgaragenatmossphäre. Wenn du mehr dazu wissen willst, hier ein kurzes Interview mit einem Architekten und Baubiologen zum Thema "Beton und seine Schattenseiten": http://www.planet-wissen.de/al…toffe/beton/interview.jsp

  • Wenn man sich die Visualisierungen des Siegerentwurfes so anschaut, muß man sich schon fragen wie die veranschlagten Baukosten zu rechtfertigen sind. Der Vergleich wird zwar immer wieder aufgestellt, aber das ganze sieht schon sehr nach Parkhaus oder Warenlager aus. Man kann sich beispielsweise schwer vorstellen wie man sich bei solch einer steril und kalt anmutenden Innengestaltung beim Bücherstöbern und -lesen wohl fühlen soll. Hinzu kommt die Lage: In direkter Nähe verläuft die Stadtautobahn und dahinter grüßt ein Industrieviertel. Für solch einen "Prestigebau" ist das sicherlich eine interessante Nachbarschaft, gerade angesichts der vielen Freiflächen in Zentrumsnähe. Wieviele Menschen würden sich da eigentlich nach Anbruch der Dunkelheit zu einem Spontanbesuch entschließen?
    Zudem würde durch die Bebauung der Park seinen einzigartigen Flughafencharakter verlieren, und damit gleichzeitig einen Großteil seines Reizes. Sinnvoller wäre da doch der Standort der AGB (Wie sieht es dort eigentlich mit den Besitzverhältnissen aus?).
    Grundsätzlich bin ich aber der Meinung den Status quo beizubehalten. Anstatt Unsummen für eine fragwürdige neue Zentralbibliothek auszugeben, wäre es sinnvoller einen Bruchteil des Geldes in die bestehende Infrastruktur zu investieren, allein schon weil die Bibliotheksnutzer recht zufrieden zu sein scheinen mit der jetzigen Situation. Glücklicherweise besteht diese Möglichkeit ja noch.
    Gerade die AGB ist bei allen Bevölkerungsschichten sehr beliebt und erfüllt damit eine wichtige soziale Funktion. Ob das am neuen Standort auch noch der Fall wäre wage ich mal zu bezweifeln.

  • Wen interessiert schon, was die Berliner wollen? Berlin muss jetzt superduper Weltstadtmetropole sein. Superlative sind daher gefragt. Dass der normale Bibnutzer lieber keine "Zentralbibliothek" sondern wie bisher räumlich verteilte, d.h. ihm näherliegende, Standorte will dürfte einleuchtend sein. Zumal wenn die neue Zentralbib nicht in gewachsene Strukturen eingepasst wird sondern "im Nirgendwo" liegt. Das Problem der Lage hast du ja auch angesprochen.


    Mich überzeugt das gesamte Konzept nicht und gerade das klamme Berlin sollte das Geld lieber für punktuelle Instandhaltung bestehender Bibs nutzen, v.a. auch für Neuanschaffungen von Medien. LESEN bildet, nicht Beton (oder Holz). Daher sollten im Zweifel architektonische Ambitionen im Bildungsbereich ohnehin zurückstehen.

  • ^^
    Ach, da sprichst du was an! Auch wenn ich mich vor dem Entwurf von KohlmayerOberst Architekten zutiefst verneige, so finde ich den Gedanken einer zentralen Zentralbibliothek in so unzentraler Lage sehr befremdlich.


    Als fleißiger Nutzer der Amerika-Gedenk-Bibliothek wird mir um die Ecke was fehlen. Das dezentrale Konzept mit vielen Standorten + Bücherbestell-& Abholdienst in die Bücherei seiner Wahl, macht dieses Projekt mehr als überflüssig.


    So ne Bücherei um die Ecke ist immer auch ein Stadtteilbegegnungszentrum. In Kreuzberg, in Dortmund, in München und anderswo. Wenn man da so mit wachen Augen durschlendert, dann sieht man das Obdachlose hier kostenlos ihre Tageszeitung lesen und sich aufwärmen. Kinder aus Großfamilien machen dort ihre Hausaufgaben, weil zu Hause wohl zu eng oder zu laut oder kein Internetanschluss, für die Wikipedia-Recherche ist. Es wird geflirtet und geschwatzt, all diese Dinge eben.


    Ein zentraler Großkasten für alle, in der Walachei des Tempelhofer Feldes kann das oben genannte unmöglich ersetzen.


    Der Oberbürgermeister kontert diesen Einwand für gewöhnlich mit der Argumentation, dass die neue zentrale Landesbibliothek ja viel mehr werde als eine schnöde Ansammlung von Büchern, so´n Multimediadingsbums halt...


    Ich frage mich hingegen was das sein soll? Ein Buch bleibt ein Buch, ein E-Book ein E-Book und eine Pdf eine Pdf. (Alles erhältlich in der Bücherei, bei Amazon oder im freundlichen Buchladen um die Ecke).
    Zu Hause habe ich noch Internet und kann TV. Mehr Multimedia geht doch nicht. Da muss das Rad/ der Buchdruck doch nicht erst neu erfunden werden. Man lese nur dieses unsägliche Marketinggeschwurbel und gibt mir Recht.



    Aus der Beurteilung des Preisgerichts zu der Arbeit von MOA – Miebach Oberholzer Architekten, Zürich (CH):
    "Der überzeugende robuste und durchaus flexible Charakter der Bibliothek, der kräftige Ausdruck ähnelt einer Kulturmaschine. Eine einfache Wiederholung von Knoten, Gelenken und Decken führen zu dem strukturellen Aufbau des Gebäudes. Der Verfasser erzeugt durch die Beschränkung der verwendeten Bauelemente trotzdem eine maximale Effizienz und Funktionalität in der Organisation des Gebäudes."


    Mein Kommentar: Genau so siehts auch aus! Die Beurteilung ließt sich wie eine streng verfasste Diätanleitung für nach den Feiertagen. Der erhobene Zeigefinger aka Martialische Kohlsuppendiät nach der hemmungslosen Völlerei am Festtagsbraten.


    "Beschränkung", "maximale Effizienz und Funktionalität", "Kulturmaschine" das kommt mir allzu nüchtern sachlich und abgeklärt daher. Und so sieht der Entwurf ja leider auch aus. Mehr ein Ingenieurbau für die allernotwendigsten Bedürfnisse; den Architektur, im Sinne von gestalterischem Überschuss. Erinnert mich in seiner Formensprache - oder eben in der totalen Ermangelung dieser - stark an Hochschulbauten aus den 1960er Jahren (vgl. die Campus-Unis in NRW, die in den 1960-1970er Jahren so rasch und zahlreich aus dem Boden gestampft wurden).


    Fazit: Um im Bilde zu bleiben; auch wenn Berlin gerne über seine Verhältnisse lebt und hier jeder Tag ein prasserischer Festtag ist, so muss es sich nicht mit diesem diätischen Funktionsneubau bestrafen. Es gibt andere Wege, z.B. sparen durch Verzicht!

  • Die Außenansicht des KOHLMAYER OBERST Entwurfs weckt bei mir Assoziationen zu Flugzeugträgern. Was ja auch ganz gut zum Standort passen würde. Bei den weitläufigen Innenräumen mit Sichtbeton kommen mir auch diverse Universitätsgebäude in den Sinn. Wäre zumindest für akademische Nutzer ganz nett wenn sie dadurch an "die gute alte Zeit" erinnert werden.


    Bezüglich Standort und Nutzung kann ich nikolas weitgehend zustimmen. Wobei ich es aber recht angenehm finde mir eine große Auswahl an Büchern und Zeitschriften vor Ort ansehen zu können und sie nicht erst bestellen zu müssen.


    Wowereits Präferenz für den Standort Tempelhof könnte vielleicht auch damit zu tun haben, dass er aus dem SPD-Bezirk Tempelhof kommend aufgestiegen ist und er damit so eine Art Abschiedsgeschenk als Regierender Bürgermeister hinterlassen kann.

  • ^^
    Guter Beitrag, abgesehen von deinem Faible für den Kohlmayer-Entwurf stimme ich dir in allen Punkten zu. Auch ich bin ein reger Nutzer der AGB wann immer ich in Berlin bin. Faszinierend ist die Offenheit der Bibliothek: An den Obdachlosen stört sich kein Mensch, Jugendliche kommen um ihre Hausaufgaben zu machen und Studenten gehen ihrer Arbeit nach. Gleichzeitig ist die Bibliothek ein beliebter Treffpunkt und Ort zum Verweilen. Gerade nach Feierabend herrscht teilweise ein ziemlicher Trubel welcher allerdings die harmonische Atmosphäre nicht im geringsten stört. Zu glauben diese Situation künstlich und im größeren Maßstab mit einer "Kulturmaschine" (Ich denke der Begriff triffts genau) auf dem Tempelhofer Feld reproduzieren zu können, ist naiv und m.M.n. schlichtweg nicht möglich. Glücklicherweise besteht ja noch die Möglichkeit dass das Ganze abgeblasen wird. Angesichts der leeren Kassen Berlins und dem Umstand das die Nutzer einen Neubau gar nicht fordern bzw. wollen, dürfte die Realisierung des Projekts der Öffentlichkeit dann doch schwer vermittelbar sein.

  • In diesem Fall hoffe ich einfach, dass die klammen Kassen einer Verwirklichung letztlich im Wege stehen.


    Chandler
    Die einzelnen Standorte bisher, es handelt sich ja nicht um hunderte, haben für sich genommen bereits eine riesige Auswahl an Präsenzbeständen. Spezialinteressen wird man auch an jedem zukünftigen Standort aus dem Magazin oder per Fernleihe bedienen müssen, man kann einfach nicht alle Bücher im Präsenzbestand aufstellen (allem Hype um die Ebooks zum Trotze gab es noch nie soviele Neuerscheinungen von Büchern in Papierform wie heutzutage). Und wenn ich bedenke, dass ich nun bereits seit ca. 20 Jahren im Internet und mit einem eigenen PC zugange bin, wieviele Computergenerationen inkl. diverser Dateiformate ich seitdem habe kommen und gehen sehen (ich habe irgendwo auch noch alte Disketten rumliegen, die ich mangels Lesegerät gar nicht mehr einlesen könnte, selbstgebrannte CD-Roms die nur ein paar Jahre alt sind, sind auch schon nicht mehr lesbar und deren Daten für immer verloren, obwohl es das Lesegerät sogar noch gibt),... dann komme ich zu dem Schluss, dass ich dann doch lieber auf das Buch als langfristigen Wissensspeicher setze. Das einzige Lesegerät, was ich hierfür brauche, sind meine Augen und etwas Licht. Aber warum einfach, wenn es auch teuer, fehleranfällig und komplitziert geht?


    GERADE Technikaffine und Informatiker usw. mit denen ich über das Thema Ebooks gesprochen habe teilen da meine Ansicht voll und ganz, auch aus dem kulturellen Aspekt heraus, dass es doch mal ganz schön ist in seiner Freizeit mal ausnahmsweise auf keinen Bildschirm zu starren und kein Plastik in den Händen zu halten. Dieses Bedürfnis nach Eskapismus aus dem "digitalen Alltag" wird es vermutlich in Zukunft sogar noch vermehrt geben, je weiter der Siegeszug des Digitalen voranschreitet. Ich fände daher auch konzeptionell ein "mehr an Breite" zeitgemäß, zusätzliche Filialstandorte zu eröffnen, die an bisherige Standorte angedockt sind. Um eben die genannten sozialen, egalitären Treffpunkte zu schaffen, die unsere Gesellschaft dringender den je bräuchte. Wenn es zutrifft, dass wir auf eine "Wissensgesellschaft" zu steuern, dann dürfen sich die wichtigen Schaltstellen der Bibliotheken nicht auf wenige Zentralstandorte konzentrieren.

  • @Berchen
    Ich interessiere mich vor allem für aktuelle Sachbücher und Zeitschriften. Den besten Bestand zu meinen Interessen gibt es in der ZLB in der Breiten Straße und in der Humboldtbibliothek in Reinickendorf. Was es da nicht gibt gibt es auch an den anderen Standorten nicht. Dummerweise ist die Hansa-Bibilothek am günstigsten gelegen für mich. ;)


    Bzgl. Informatikproblemen und vielen anderen Fragestellungen bis hin zu handwerklichen Problemen und zum Krawatte-binden sind Anleitungs-, Lehr-, und Beispielvideos oft hilfreicher als geschriebene Texte. Viele Leute die ich kenne suchen und finden bei Youtube und anderen Videoplattformen Lösungsvideos für ihre jeweiligen konkreten Problemchen.


    Bücher zu Software und Elektronikfragen sind aufgrund der schnellen Versionswechsel oft schon nach einem Jahr veraltet so dass man sich vermutlich künftig fragen wird ob sich das Drucken auf Papier überhaupt noch lohnt. Notebooknutzer gehen wohl häufig nur in die Bib. weil sich der Nachhauseweg wegen späterer Termine nicht lohnt oder sie in der eigenen Wohnung nicht die nötige Konzentration aufbringen können. Für diese Zielgruppe bräuchte es die Bücher dann gar nicht mehr. ;)


    In Sachen Treffpunkt Stadtbibliothek habe ich den Eindruck dass (abgesehen von Menschen die schon gemeinsam eintraten) in der Regel Schweigen herrscht. Aber man ist halt unter Menschen. Ein warmer, trockener, ruhiger und friedlicher Ort.

  • Was passierte eigentlich, wen man die 270 Millionen (ohne die zu vermutenden Kostensteigerungen) in die Digitalisierung und die Online-Bereitstellung steckte? Im 21. Jahrhundert ggf. der bessere Weg und für mehr Menschen ein Segen als für die Besucher der bestehenden AKB und ZLB.


    Große Bestandsbibliotheken haben wir in Berlin mit der Staatsbibliothek und den Unibibliotheken ja schon zur Genüge.

  • Also mein Fach ist die Juristerei, es gibt mit Sicherheit kein zweites Fachgebiet, in dem gerade gedruckte Bücher so schnell eigentlich schon wieder veraltet sein können. Eine kleine Änderung durch den Gesetzgeber und ganze Bibliotheken haben nur noch historischen Wert. Nur, wenn ich mit Büchern arbeite, dann lese ich die doch nicht wie einen Roman. Gerade dann ist pragmatisch das Umherspringen im Buch, das parallele Bearbeiten mehrerer Bücher (eine unendliche Fußnotenstrecke...), inkl. Gesetzeskommentar und Gesetzesbuch einfach die Regel. Da liegt der ganze Tisch voll mit Büchern, die ich alle gleichzeitig brauche und im Blick habe. Und irgendwelche Zeitschriftenaufsätze noch dazu. Ohne jeweils was neu aufrufen zu wollen und zu müssen, mich mit irgendwelchen Seitenwechselautomatismen herumärgern zu wollen.. ich habe das alles probiert. Der Ebook-Reader, ein Testsieger, liegt ungenutzt im Regal. Es ist einfach weniger praktikabel, gerade für mich als "Lesearbeiter" (gar nicht zu Reden von der Arbeit mit eigenen Büchern, in die man auch Notizen einbauen kann, was per Handschrift, ich beherrsche natürlich 10 Finger Tippen, einfach immer noch am leichtesten und schnellsten geht; aber hier geht es ja um Bibliotheken und nicht den persönlichen Handapparat).


    Nicht einmal für die naheliegenden Gesetzestexte, die laufend aktualisiert werden, lohnt sich ein Ebook-Reader für mich. Die Arbeit ist einfach zu umständlich, man muss ja unentwegt einzelne Normen nachprüfen, die über das ganze Gesetzbuch verteilt sind. Da ist die Navigation per Lesegerät, die nochmal "zwischengeschaltet" ist, einfach ein zusätzlicher Aufwand. Wenn man viel Texte lesen muss, dann reduziert man das Drumherum eben gerne auf das Wesentliche. Das mag bei Gelegenheitslesern im Umgang mit einem Bestseller anders sein, aber die sind ja auch nicht die alleinige Zielgruppe von Großbibliotheken. Ich würde sagen dass sich langfristig eine ähnliche Entwicklung abzeichnet, wie schon im Rechtsverkehr. Dort werden Dinge des täglichen Lebens per Fax, Email, fernmündlich und sogar per SMS wirksam geregelt. Je seriöser und/oder verbindlicher etwas ist, desto wichtiger ist die hergebrachte Papierform. Meinen trivialen Guten-Abend-Roman lese ich evtl. dann vielleicht auch mal auf einem Ebook-Reader. Aber ich werde immer Bücher in Papierform brauchen, insb. umfangreiche Präsenzbestände, um mich zeitsparend in neue Probleme einlesen zu können. Alleine schon die Quellensichtung ist einfach mit Präsenzbeständen in Papierform unerreicht schnell, wenn ich gar nicht weiss, wie das Buch heißt, was ich suche, dann wird es bei Ebooks eben schwer. In der Bib kann ich durch die Regalreihen laufen und die Buchrücken abscannen, auf Verdacht einzelne Bücher herausgreifen.. und plötzlich, BINGO, "genau sowas habe ich gesucht!". Medientheoretisch gibt es einfach nichts simpleres, als das Buch. Das Lesegerät sind die Augen, die Bedienung ist nicht mehr simpler denkbar (umblättern). Darum, nicht aus Nostalgie, bin ich ein großer Verfechter des Papierbuches! Billiger als die ganze Elektronik sind sie ohnehin, mit einem elektronischen Lesegerät hat man ja noch keinerlei Inhalte gekauft und die Druckkosten auf Papier sind längst so billig geworden, dass zB Fachbücher selbst bei elektronischer Publikation kaum billiger gemacht werden können. Unter dem Strich wird es also auch einfach teurer (Anschaffung der Geräte, Stromkosten, Ersatz,..).


    Informationen gibt es überdies schon längst fern von geschlossenen Büchern (ob Ebook oder nicht) und dem Verlagswesen frei im Internet verfügbar, die größte bekannte Quelle dürfte hier die Wikipedia sein. Diese verweist in Fußnoten zumeist noch auf Buchquellen (ob digital oder nicht). Für den ersten Überblick oder auch das Krawatten-Tutorial sind Bücher, gleich welcher Art, aber zunehmend ohnehin irrelevant. Das ist also eigentlich eine ganz andere Entwicklung, die nur parallel stattfindet.